Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-6 U 50/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 02. Februar 2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve (4 O 90/15) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages.
4Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
5Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der im Zusammenhang mit der vollständigen Rückführung des Darlehensvertrages im Jahre 2010 gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Rückzahlungsanspruch scheitere daran, dass der Widerruf des Darlehensvertrages unwirksam sei. Die Widerrufsbelehrung sei zwar fehlerhaft, weil die Formulierung zur Dauer der Frist „zwei Wochen (ein Monat)“ den Verbraucher nicht richtig über die maßgebliche Fristdauer aufkläre und damit den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots nicht genüge. Die Belehrung gelte auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV als zutreffend, weil sie nicht der Musterbelehrung entspreche. Die Belehrung weiche von der Musterbelehrung ab, weil sie im Fließtext neben der zweiwöchigen Frist die alternative Frist von einem Monat nenne, die nach dem Klammerzusatz der Musterbelehrung nur für den Fall gelte, dass die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird. Die Abweichung sei auch nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte nur zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe. Unterziehe der Verwender den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, so könne er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen. Die Abweichung sei geeignet, beim Verbraucher Unsicherheiten bezüglich des Widerrufsrechts hervorzurufen und die Belehrung damit unwirksam. Der Kläger habe sein Widerrufsrecht allerdings verwirkt. Das erforderliche Zeitmoment für die Verwirkung liege vor. Bei an sich unbefristet möglicher Rechtsausübung wie im Fall des Widerrufs müsse dabei maßgeblich auf die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten abgestellt werden. Der Widerruf sei am 17.11.2014, mithin mehr als 7 Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages und fast 5 Jahre nach der vollständigen Rückzahlung des Darlehens sowie weit nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren erfolgt. Auch sei ein Umstandsmoment zu bejahen, da der Darlehensvertrag fast 5 Jahre vor Ausübung des Widerrufs vollständig abgewickelt worden sei. Der Kläger habe die Darlehensvaluta bereits im Frühjahr 2010 unter Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zurückgeführt. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass der Darlehensvertrag vollständig abgewickelt worden sei. Dementsprechend habe sie sich darauf einrichten können, vom Kläger nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und habe nach der Lebenserfahrung auch entsprechend disponiert, statt diesbezüglich Rückstellungen zu bilden. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts sei auch nicht ausgeschlossen, falls der Kläger von dem fortbestehenden Widerrufsrecht vor Einholung des Rechtsrates seiner Prozessbevollmächtigten möglicherweise keine Kenntnis gehabt habe. Denn der Eintritt der Verwirkung hänge nicht notwendig davon ab, dass der Berechtigte seine Rechtsposition kenne. Die erteilte Belehrung sei jedenfalls nicht geeignet gewesen, ihn von einem Widerruf abzuhalten. Sofern der andere Teil dem Berechtigten nicht eine Rechtsposition treuwidrig verheimlicht habe, wofür hier keine Anhaltspunkte bestünden, reiche grundsätzlich aus, dass er sie objektiv hätte kennen können. Es sei auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen, sich auf den Tatbestand der Verwirkung zu berufen. Dies sei nur ausnahmsweise bei schweren Treuepflichtverletzungen der Gegenpartei und einer Gefährdung der sozialen Existenz der betroffenen Partei denkbar.
6Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er seinen Rückzahlungsanspruch weiterverfolgt. Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, der von ihm erklärte Widerruf sei verwirkt. Schon am Vorliegen eines Zeitmoments mangele es hier. Der Bundesgerichtshof nehme in ständiger Rechtsprechung einen Zeitmoment erst nach Ablauf von mindestens 5 Jahren an. Er habe den Widerruf noch keine 5 Jahre nach vollständiger Erfüllung erklärt. Zusätzlich fehle es aber auch an einem Umstandsmoment. Gerade im Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten seien strenge Anforderungen zu stellen. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile habe grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. Allein der Umstand, dass er das Darlehen zurückgeführt habe, reiche nicht. Warum dies bei der Beklagten das Vertrauen habe hervorrufen sollen, dass er in Zukunft von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen werde, sei durch nichts belegt. Gerade der Beklagten sei bekannt, dass die Widerrufsfrist bei einer fehlerhaften Belehrung nicht zu laufen beginne. Spätestens nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) sei die Widerrufsthematik allgemein bekannt gewesen. Eine Bank könne sich auf schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht berufen, weil sie die Situation durch die fehlerhafte Widerrufsbelehrung selbst herbeigeführt habe. Der gesetzgeberische Zweck, das Widerrufsrecht nicht nach einem bestimmten Zeitpunkt erlöschen zu lassen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Belehrung fehle, könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass Banken sich auf § 242 BGB berufen könnten, um sich ihrer Haftung zu entziehen.
7Der Kläger beantragt (sinngemäß),
8die Beklagte unter Abänderung des am 02.02.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Kleve (4 O 90/15) zu verurteilen, an ihn 16.541,30 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2014 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Die Beklagte wiederholt ihre Auffassung, wonach die Widerrufsbelehrung nicht fehlerhaft, sondern sowohl gemessen am Maßstab der Musterwiderrufsbelehrung nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV als auch am Maßstab des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zu beanstanden gewesen sei. Die Widerrufsfrist sei mithin lange abgelaufen gewesen, als der Kläger den Widerruf erklärt habe. Jedenfalls aber sei, wie das Landgericht zutreffend angenommen habe, die Ausübung des Widerrufsrechts verwirkt. Das Landgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass sie sich darauf habe einrichten dürfen, vom Kläger nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und insoweit auch entsprechend disponiert habe, statt diesbezüglich Rückstellungen zu bilden. Ebenfalls zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass ein Widerrufsrecht jedenfalls nach vollständiger Abwicklung des Vertrages nicht mehr zum Tragen kommen solle. Das Zeitmoment sei erfüllt. Nach der Rechtsprechung stelle sich die Anwendung des § 242 BGB stets als eine einzelfallbezogene Entscheidung dar, was im Widerspruch zur Annahme eines festen Mindestzeitraums stehe. Verschiedene Oberlandesgerichte hätten das Zeitmoment bejaht, wenn zwischen vollständiger Abwicklung und Widerruf mehrere Monate oder gar Jahre gelegen hätten, zumal dann, wenn der Widerruf weit nach Ablauf der Regelverjährungsfrist von 3 Jahren erfolgt sei. Angesichts der langen Zeitspanne und der Wechselwirkung zwischen Zeit- und Umstandsmoment seien hier an das Umstandsmoment keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Sie habe auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen dürfen.
12Der Ausübung des Widerrufsrechts stünden aber auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs sowie die vollständige Vertragserfüllung entgegen. Die Beklagte hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben, sich insoweit auf § 218 BGB berufen und gemeint, der im Jahre 2007 entstandene Anspruch auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt.
13Zur Vervollständigung des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 06.10.2016 und die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen verwiesen.
14II.
15Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückgewährung der im Frühjahr 2010 anlässlich der vorzeitigen Rückführung der aufgrund des Darlehensvertrages vom 05.07.2007 überlassenen Darlehensmittel gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 16.541,30 € nicht zu. Der unter dem 17.11.2014 erklärte Widerruf war zwar wegen der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht verfristet (dazu unter 1.). Das Widerrufsrecht des Klägers war aber am 17.11.2014 verwirkt (dazu unter 2.).
161. Die Widerrufsbelehrung zu dem Darlehensvertrag vom 05.07.2007 (Anlage K 1, Bl. 7 ff. GA) ist fehlerhaft, sodass die Widerrufsfrist nicht gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der vom 08.12.2004 bis 19.06.2010 geltenden Fassung, im Folgenden a.F.) am 06.07.2007 zu laufen begonnen hat und daher bei Ausübung des Widerrufsrechts am 17.11.2014 (Anlage K 2, Bl. 11 GA) auch noch nicht abgelaufen war.
17a) Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügt nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F., da sie in Bezug auf die Dauer der Widerrufsfrist und in Bezug auf den Fristbeginn keine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht enthält. Auf die Kausalität der Belehrungsfehler für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15 Tz. 26). Der Hinweis der Beklagten darauf, der Darlehensvertrag sei im Wege des Präsenzgeschäfts zustande gekommen, sodass ein Irrtum des Klägers in Bezug auf den Fristbeginn nicht habe entstehen können, ist daher unerheblich.
18aa) Anhand der von der Beklagten erteilten Belehrung konnte der Kläger die Länge der Widerrufsfrist nicht in der dem Deutlichkeitsgebot genügenden Klarheit erkennen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Belehrung, wonach die Vertragserklärung „innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1“ widerrufen werden kann. Einer Belehrung mit diesem Inhalt ist nicht zu entnehmen, ob die Widerrufsfrist im konkreten Fall zwei Wochen oder einen Monat beträgt. Hieran vermag auch der in den Belehrungstext eingefügte Hinweis auf die Fußnote mit dem Wortlaut „Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt werden kann.“ nichts zu ändern. Dies gilt sogar unabhängig davon, ob der Verbraucher aufgrund der Gestaltung des Belehrungsformulars erkennen kann, dass sich der Hinweis an den Bearbeiter richtet. So oder so bleibt es bei der Nennung zweier alternativer, einander gegenseitig ausschließender Fristen, sodass der Verbraucher den Eindruck gewinnen muss, er müsse die Länge der in seinem Fall maßgeblichen Frist selbst feststellen. Gewinnt der Verbraucher den Eindruck, der Fußnotenhinweis richte sich auch an ihn, was aufgrund der Einfügung der Fußnote in den Belehrungstext (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15, Rn. 19) nicht dadurch verhindert wird, dass sich der Fußnotenhinweis an durch eine Trennlinie abgesetzter Stelle unterhalb der Widerrufsbelehrung und der Kästchen für Datum und Ort sowie der Unterschrift des Verbrauchers befindet, wird er annehmen, er müsse die Länge der Frist in seinem Fall selbst feststellen und überprüfen, ob der geschilderte Fall womöglich vorliegt. Nimmt der Verbraucher an, der Fußnotenhinweis richte sich an den Bearbeiter, würde er aufgrund der unterbliebenen Auswahl einer der zwei möglicherweise maßgeblichen Fristen in dem Widerrufsbelehrungsformular zu keinem anderen Befund gelangen.
19bb) Die Belehrung verdeutlicht auch nicht, von welchen - über den Erhalt der Widerrufsbelehrung hinausgehenden - Voraussetzungen der Fristbeginn abhängt, da sie das unrichtige Verständnis nahelegt, dass die Widerrufsfrist bereits einen Tag nach Zugang des schriftlichen Vertragsantrages der Bank, d.h. auch unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers zu laufen beginnt. § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. ordnet für schriftlich abzuschließende Verträge wie den Darlehensvertrag jedoch an, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Dies wird in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit vermittelt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.03.2009 – XI ZR 33/08 Tz. 16).
20b) Der Beklagten kommt, was mit Blick auf die Ausführungen unter 1. a) nur aus Gründen der Vollständigkeit zu erwähnen ist, auch die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 (in der vom 01.04.2008 bis zum 03.08.009 gültigen Fassung) zu § 14 BGB-InfoV (in der vom 01.09.2002 bis 10.06.2010 gültigen Fassung) nicht zugute. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entspricht nicht der hier maßgeblichen Musterbelehrung, da sie diese nicht i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt und bei ihren Bearbeitungen des Belehrungstextes die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion nach § 14 Abs. 3 BGB-Info-V unschädlichen Abweichungen überschritten hat. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung weicht in zweierlei Hinsicht von dem Muster für die Widerrufsbelehrung ab. Zum einen heißt es im ersten Satz: „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angaben von Gründen…widerrufen“, während es in dem Muster heißt: „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen](1) ohne Angaben von Gründen…widerrufen“, wobei der Hinweis zu (1) lautet, dass der Klammerzusatz „einem Monat“ lautet, wenn die Belehrung erst nach Vertragsschluss mittgeteilt wird. Zum anderen heißt es im zweiten Satz der Widerrufsbelehrung der Beklagten:
21„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
22- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
23- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden.“
24Im Muster der Widerrufsbelehrung heißt es demgegenüber: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung, (3) jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist.“
252. Das Widerrufsrecht ist jedoch verwirkt, § 242 BGB.
26a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch auf das „ewige Widerrufsrecht“ Anwendung findet (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 501/15, juris Tz. 39), ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten und setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrages zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (BGH a.a.O. Tz. 40 mwN). Wie der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung betont hat, kommt eine Verwirkung des Widerrufsrechts in Fällen wie dem vorliegenden in Betracht, weil das Vertrauen des Unternehmers auf ein Ausbleiben des Widerrufs nach Maßgabe der genannten Grundsätze gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen schutzwürdig sein kann und zwar auch dann, wenn die erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH a.a.O. Tz. 41).
27b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die strengen Voraussetzungen, unter denen der Unternehmer sich ausnahmsweise auf die Einrede der Verwirkung des Widerrufsrechts berufen kann, nach dem Dafürhalten des Senats erfüllt.
28aa) Der am 05.07.2007 abgeschlossene Verbraucherdarlehensvertrag ist bei Ausübung des Widerrufsrechts am 17.11.2014 beendet gewesen. Der Kläger hat die Nettodarlehnssumme im Frühjahr 2010 vorzeitig vollständig zurückgeführt.
29bb) Sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment sind erfüllt.
30aaa) Starre zeitliche Vorgaben existieren für die Erfüllung des Zeitmoments nicht, insbesondere setzt das Zeitmoment entgegen der Darstellung des Klägers nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht voraus, dass ein Zeitraum von mindestens fünf Jahren verstrichen ist. Die Dauer des Zeitmoments richtet sich vielmehr grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen sind. Es muss jedenfalls eine längere Zeit verstrichen sein, wobei dem Gläubiger die Regelverjährungsfrist grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen muss (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage, § 242 Rn. 93 m.w.N.). Welche Zeitspanne im Allgemeinen für das Zeitmoment in Widerrufsfällen als ausreichend anzusehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Eine Zeitspanne von fast 7,5 Jahren reicht jedenfalls nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles aus. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das im Streit stehende Vertragsverhältnis der Parteien nur knapp 3 Jahre (05.07.2007 bis Frühjahr 2010) bestanden hat. Der zwischen der vollständigen Rückführung des Darlehens sowie der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und der Abgabe der Widerrufserklärung verstrichene Zeitraum ist mit fast 5 Jahren also deutlich länger als der auf den Bestand des Vertragsverhältnisses entfallende Zeitraum. Anders ausgedrückt entfällt der größte Teil der für das Zeitmoment maßgeblichen Frist auf die Zeit nach der einvernehmlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Berücksichtigt man des Weiteren, dass sich die Bedeutung des Widerrufsrechts für den Kläger mit der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrages reduziert, weil das Widerrufsrecht ihn vor dem übereilten Abschluss gerade desjenigen Vertrages schützen sollte, der auf seinen Wunsch hin bereits beendet worden ist, während sich die Schutzbedürftigkeit des Unternehmers aufgrund von dessen Erwartung, aus einem beendeten Vertragsverhältnis nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, spiegelbildlich dazu erhöht, ergibt sich, dass ein für das Zeitmoment ausreichender Zeitraum verstrichen war, als das Widerrufsrecht vom Kläger ausgeübt wurde.
31bbb) Die Beklagte durfte dem Verhalten des Klägers bei objektiver Betrachtung entnehmen, dass der Kläger keine Rechte aus dem seit Jahren beendeten Darlehensvertrag mehr geltend machen werde und sie hat sich hierauf auch eingerichtet, sodass sich die Ausübung des Widerrufsrechts als illoyal verspätete Geltendmachung dieses Rechts durch den Kläger darstellt. Zunächst ist zu beachten, dass wegen der Wechselwirkung von Zeit- und Umstandsmoment an die Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, Urt. v. 19.10.2005 – XII ZR 224/03 Tz. 23 m.w.N.). Dies gilt hier umso mehr deshalb, weil der Zeitraum nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses deutlich länger ist als der auf den Bestand des Darlehensvertrages entfallende Zeitraum und in den Widerrufsfällen bei beendeten Verträgen generell neben der Rückführung des Darlehens und der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung als das zu beurteilende Verhalten des Berechtigten überhaupt nur dessen Untätigbleiben in Betracht kommt. Das Verhalten des Klägers ist im Übrigen vor dem Hintergrund zu würdigen, dass die „Widerrufsproblematik“, wie der Kläger selbst anführt, seit Veröffentlichung des - vom Kläger im Widerrufsschreiben erwähnten - BGH-Urteils vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) allgemein bekannt war. Dass die Problematik der Beklagten seit Bekanntwerden der Urteilsgründe, jedenfalls aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses bekannt war, ist anzunehmen. Umstände, anhand derer die Beklagte im Frühjahr 2010, also 1 Jahr nach Bekanntwerden des BGH-Urteils, annehmen musste, die Problematik sei zwar allgemein bekannt, dem Kläger jedoch unbekannt, zeigt der Kläger nicht auf. Ob die Beklagte allein deshalb hätte annehmen müssen, die Problematik sei dem Kläger nicht bekannt, weil dieser die von ihr geforderte Vorfälligkeitsentschädigung ohne Vorbehalt der Rückforderung gezahlt hat, kann dahinstehen, weil der Kläger auch in den Folgejahren nicht an die Beklagte herangetreten ist, um die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzufordern. Die Beklagte durfte nicht zuletzt wegen der Erledigung des ihr bekannten Hintergrundes der Darlehensgewährung vom 05.07.2007 annehmen, das Vertragsverhältnis sei für den Kläger mit der Rückführung des Darlehens endgültig erledigt. Der Kläger beabsichtigte nach unwidersprochen gebliebener Darstellung der Beklagten nach der Trennung von seiner Ehegattin die vormals gemeinsame Immobilie zu veräußern. Dies nahm indes längere Zeit in Anspruch als gedacht, sodass sich der Kläger entschied, die Immobilie zunächst zu vermieten. Das Darlehen vom 05.07.2007 diente also der Ablösung zweier Altdarlehen im Zusammenhang mit der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau. Nachdem der Kläger im Jahr 2010 einen Käufer für die Immobilie gefunden hatte, kam es unverzüglich zu der vollständigen vorzeitigen Rückführung des Darlehens. Mit der schon vor dem Abschluss des Darlehensvertrages vom 05.07.2007 beabsichtigten, aber erst im Jahre 2010 erfolgten Veräußerung der Immobilie, der Ablösung des Darlehens aus dem hierbei erzielten Erlös und der Freigabe der Grundschulden in Höhe von EUR 151.919,62 gemäß Ziffer 8. des Darlehensvertrages vom 05.07.2007 war diese Darlehensgewährung nicht nur was den Vertragsstatus anbelangt, sondern in jeder Hinsicht erledigt. Dem Untätigbleiben des Klägers durfte die Beklagte auch vor diesem Hintergrund entnehmen, die Angelegenheit sei auch für ihn abgeschlossen.
32Die Beklagte hat auch ausreichend geltend gemacht, sich darauf eingerichtet zu haben, dass der Kläger seine Willenserklärung nicht mehr widerruft, indem sie vorgetragen hat, die Akten in dieser Angelegenheit bereits vor langer Zeit abgelegt und für die Folgen eines etwaigen Widerrufs dieses Darlehens keine Rückstellungen gebildet zu haben. Höhere Anforderungen sind an den diesbezüglichen Sachvortrag aus den genannten Gründen nicht zu stellen.
333. Aus Gründen der Vollständigkeit ist schließlich festzustellen, dass sich die Beklagte ohne Erfolg zusätzlich auf eine Verjährung des Anspruchs beruft. Die Voraussetzungen des § 218 BGB können im Falle der Ausübung eines gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. „ewigen“ Widerrufsrechts schon deshalb nicht vorliegen, weil dieses Recht hierdurch konterkariert würde. § 218 BGB ist aber auch nicht einschlägig. Die Vorschrift setzt das Bestehen eines Rücktrittsrechts wegen Nicht- oder Schlechterfüllung einer Pflicht aus einem gegenseitigen Vertrag nach § 323 BGB voraus (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 218 Rn. 3), welches hier ersichtlich nicht besteht.
34III.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
36Streitwert des Berufungsverfahrens: 16.541,30 EUR
37Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Zulassungsrelevante Rechtsfragen werden nicht aufgeworfen, da die Entscheidung auf der tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beruht und dabei die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung, von der nicht abgewichen wird, beachtet worden ist.
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