Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-2 U (Kart) 1/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. März 2015 verkündete Teil-Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund (13 O 83/12 EnW) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über:
1. die Strommenge in kWh, die jeweils in den Kalenderjahren 2012 und 2013 insgesamt aus dem Stromversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in der Gemeinde N. an Letztverbraucher und Weiterverteiler im Sinn des § 2 Abs. 8 Konzessionsabgabenverordnung (KAV), die die Elektrizität ohne Benutzung öffentlicher Verkehrswege an Letztverbraucher weitergeleitet haben, geliefert worden ist;
2. die Verteilung der Strommenge nach Nr. 1 jeweils auf folgende Untergruppen:
a) die Strommenge in kWh, die an Tarifkunden im Rahen eines Schwachlasttarifs oder der dem Schwachlasttarif entsprechenden Zone eines zeitvariablen Tarifs (Schwachlaststrom) im Sinn des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KAV geliefert worden ist;
b) die Strommenge in kWh, die im Sinn des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b KAV nicht als Schwachlaststrom an Tarifkunden geliefert worden ist;
c) die Strommenge in kWh, die an Sondervertragskunden im Sinn des § 2 Abs. 3 KAV geliefert worden ist;
d) die Strommenge in kWh, die an Sondervertragskunden im Sinn des § 4 Abs. 4 KAV geliefert worden ist, für deren Belieferung keine Konzessionsabgaben erhoben werden dürfen;
e) die Strommenge in kWh, die von Dritten im Wege der Durchleitung an Letztverbraucher oder Weiterverteiler im Sinn des § 2 Abs. 8 KAV geliefert worden ist, ebenfalls unterteilt nach den unter a) bis d) aufgeführten Untergruppen.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags unter 1. der Klageschrift vom 14. März 2012 in der Hauptsache erledigt ist.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, 4.444,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.Juni 2014 an die Beklagte zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
1
G r ü n d e :
2I. Die klagende Gemeinde nimmt die Beklagte im Wege einer Stufenklage auf Zahlung nachvertraglicher Konzessionsabgaben in Anspruch. Sie schloss mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten im Dezember 1990 einen Stromkonzessionsvertrag ab (Anlage K 2 = GA 21 ff.), der das ausschließliche Recht zur Belieferung mit Elektrizität umfasste und im Jahr 1994 durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt sowie teilweise ersetzt wurde (Anlage B 1 = GA 279 ff.). Am 31. Oktober 2010 lief der Konzessionsvertrag aus.
3Im Juli 2011 ging die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 einen neuen Stromkonzessionsvertrag mit der B. GmbH ein (Anlage K 15 = GA 370 ff.). B. und die Beklagte verhandelten seit August 2011 über eine Netzübernahme. Eine Übertragung kam erst zum 1. Januar 2014 zustande, so dass B. erst von diesem Zeitpunkt an den Konzessionsvertrag ausgeübt hat. Über die Gründe für die Verzögerung streiten die Parteien; sie schreiben sich gegenseitig oder B. die Verantwortung dafür zu.
4In der Zwischenzeit, und zwar vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2013 nutzte die Beklagte das Stromnetz der Klägerin weiter, nicht ohne dieser mit Schreiben vom 5. September 2011 mitzuteilen, dass sie nach dem 31. Oktober 2011 (ein Jahr nach Ablauf des Konzessionsvertrags, vgl. § 48 Abs. 4 EnWG) keine Konzessionsabgaben mehr zahlen werde (GA 31). Bestrebungen der Klägerin, für die Interimszeit mit der Beklagten zu vereinbaren, dass die bisherigen Konzessionsabgaben weiter entrichtet würden, scheiterten.
5Unter dem 29. November 2013 erteilte die Niederlassung Kommualbetreuung - Region Westliches Rheinland/ Neuss der Beklagten der Klägerin eine Endabrechnung über die im Jahr 2011 angefallenen Konzessionsabgaben Strom, die einen von der Beklagten noch zu zahlenden und in der Folge gezahlten Betrag von 66.205,69 Euro auswies (Anlage K 29 = GA 657 f.; siehe dazu auch die korrigierte Abrechnung vom 23. April 2014, Anlage B 14 = GA 741 ff.). Mit Anwaltsschreiben vom 3. Januar 2014 ließ die Beklagte die Zahlung als ein Versehen bezeichnen und ein in der Zahlung etwa liegendes Anerkenntnis anfechten, weil nach dem 31. Oktober 2011 (mit Ablauf der Ein-Jahres-Frist des § 48 Abs. 4 EnWG) keine Zahlung von Konzessionsabgaben mehr geschuldet sei (Anlage K 34 = GA 671).
6Bereits zuvor, nämlich im März 2012, hat die Klägerin die Beklagte zur Vorbereitung einer Zahlungsklage auf nachvertragliche Konzessionsabgaben durch Stufenklage zunächst auf Rechnungslegung über die im Jahr 2011 gelieferten Strommengen und die Verteilung auf verschiedene Kunden in Anspruch genommen. Aufgrund der vorstehend genannten Zahlung der Beklagten hat sie die Klage umgestellt:
7In Bezug auf Konzessionsabgaben für das Jahr 2011 hat die Klägerin die bisherige Klage aufgrund der Zahlung der Beklagten für in der Hauptsache erledigt erklärt und Feststellung der Hauptsacheerledigung beantragt. Anstelle dessen hat sie von der Beklagten nunmehr durch Stufenklage Rechnungslegung über gelieferte Strommengen und Kunden in den Jahren 2012 und 2013 verlangt.
8Die Beklagte, die einer Hauptsacheerledigung widersprochen hat, hat Widerklage erhoben. Diese ist gerichtet auf Erstattung der oben genannten Zahlung von 66.205,69 Euro sowie weiterer überzahlter 4.444,52 Euro an Konzessionsabgaben für 2011 (insgesamt 70.650,21 Euro) nebst Zinsen.
9Die Klägerin hält die Beklagte zur Zahlung nachvertraglicher Konzessionsabgaben für verpflichtet. Ihrer Ansicht nach ergibt sich dies aus einer ergänzenden Auslegung des Stromkonzessionsvertrags, hilfsweise aus ungerechtfertigter Bereicherung.
10Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
11Das Landgericht hat die Beklagte durch Teil-Urteil antragsgemäß zur Rechnungslegung über in den Jahren 2012 und 2013 gelieferte Strommengen und die Kunden verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die zunächst erhobene Stufenklage wegen Konzesssionsabgaben für 2011 in der Hauptsache erledigt sei. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.
12Das Landgericht hat der Klägerin für die Jahre 2012 und 2013 einen auf Wertausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 818 Abs. 2 BGB gerichteten Bereicherungsanspruch wegen Weiterbenutzung der Verkehrsflächen und des Stromverteilnetzes auf dem Gemeindegebiet nach Auslaufen des Konzessionsvertrags zuerkannt, infolge dessen die Beklagte Rechenschaft über Art und Umfang der aus dem Verteilnetz vorgenommenen Stromlieferungen zu erteilen habe. Die auf die Monate November und Dezember 2011 bezogene ursprüngliche Stufenklage sei aufgrund der Zahlung der als Wertersatz geschuldeten 66.205,69 Euro durch die Beklagte in der Hauptsache erledigt. Deswegen sei auch die Widerklage unbegründet. Der über 66.205,69 Euro hinausgehende Betrag von 4.444,52 Euro sei bei der Zahlung der Beklagten berücksichtigt worden. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts wird verwiesen.
13Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Prozessziele weiter verfolgt. Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend:
14Sie schulde nicht Rechnungslegung, sondern allenfalls Erteilen von Auskunft. Aufgrund der als abschließend anzusehenden Spezialregelung in § 48 Abs. 4 EnWG stehe der Klägerin nach Ablauf der in der Vorschrift genannten Ein-Jahres-Frist (mithin mit Ablauf des 31. Oktober 2011) kein Bereicherungsanspruch wegen nachvertraglicher Nutzung des Stromverteilnetzes und der Verkehrsflächen zu. Sie, die Beklagte, sei ebenso wenig bereichert, hilfsweise entreichert, weil Konzessionsabgaben Kunden nicht in Rechnung gestellt worden seien. Der Zahlungsanspruch scheitere wegen § 817 Satz 2 BGB zudem an einem der Klägerin zuzurechnenden Sittenverstoß. Da sich die ursprüngliche Klage auf einen Zeitraum nach Ablauf der Ein-Jahresfrist des § 48 Abs. 4 EnWG bezogen habe (nämlich auf die Monate November und Dezember 2011), sei diese unbegründet gewesen und nicht in der Hauptsache erledigt. Mangels eines Zahlungsanspruchs auf Konzessionsabgaben sei auch die erweiterte Stufenklage dem Grunde nach unbegründet.
15Zur Widerklage: Der zurückgeforderte Betrag von 4.444,52 Euro (aus dem Zeitraum bis zum 31. Oktober 2011) sei aufgrund der korrigierten Spitzabrechnung vom 23. April 2014 (Anlage B 14 = GA 741 ff.) ermittelt worden und nicht - wie das Landgericht angenommen habe - bei ihrer, der Beklagten Zahlung von 66.205,69 Euro berücksichtigt worden.
16Die Beklagte beantragt,
17unter Abänderung des angefochtenen Urteils
18- 19
1. die auf die Jahre 2012 und 2013 bezogene Stufenklage abzuweisen,
- 20
2. die Klage auf Feststellung der Hauptsacheerledigung der ursprünglichen Stufenklage (bezogen auf 2011) abzuweisen,
- 21
3. die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, 70.650,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie, die Beklagte, zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen Bezug genommen.
26II. Die Berufung der Beklagten hat lediglich zu einem geringen, und zwar die Widerklage betreffenden Teil, Erfolg.
271. Zum Rechnungslegungsanspruch in Bezug auf die in den Jahren 2012 und 2013 gelieferten Strommengen:
28a) Die Klägerin hat keinen Rechnungslegungs- (§ 259 BGB), als Hilfsanspruch jedoch einen Auskunftsanspruch (§ 260 BGB) gegen die Beklagte.
29Die Pflicht zur Rechnungslegung setzt eine dem Schuldner durch Gesetz, Vertrag oder Treu und Glauben übertragene, mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltungstätigkeit voraus. Das Entstehen einer Rechnungslegungspflicht erfordert, insbesondere wenn es aus Treu und Glauben abgeleitet werden soll, ein Besorgen fremder Angelegenheiten durch den Schuldner oder jedenfalls solcher, die zugleich fremde und eigene sind (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 259 BGB Rn. 3 bis 5 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1994 - X ZR 82/92, NJW 1995, 386, 287; Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01, NJW 2003, 582, 585). Aufgrund von Wegenutzungsverträgen nach EnWG verliehene Konzessionen werden vom Konzessionär (so auch von der Beklagten) indes zu eigenwirtschaftlichen Zwecken und nicht auch zu solchen des Konzessionsgebers ausgeübt.
30Der Klägerin steht mit dem Inhalt der geltend gemachten Forderung gegen die Beklagte jedoch ein Auskunftsanspruch zu. Einen solchen Anspruch gewährt die Rechtsprechung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung mit sich bringt, dass der Gläubiger in entschuldbarer Weise über das Bestehen und/oder den Umfang seines Anspruchs im Ungewissen ist und der Schuldner die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 260 BGB Rn. 4 ff. m.w.N.). Die genannten Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben:
31Unter den Parteien hat in Gestalt des am 31. Oktober 2010 ausgelaufenen Wegenutzungsvertrags eine rechtliche Sonderverbindung bestanden. Da die Beklagte die Verkehrsflächen in der Gemeinde und das Stromverteilnetz - wie außer Streit steht - über den Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags hinaus (bis Ablauf des Jahres 2013) tatsächlich genutzt hat, hat die Klägerin für jenen Zeitraum gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Konzessionsabgaben, sei es aufgrund des 1990 geschlossenen Konzessionsvertrags (sowie ergänzender Vertragsauslegung) oder als Wertersatz nach den Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die Beklagte hat Verkehrsflächen und das Stromverteilnetz der Klägerin der materiellen Güterzuordnung zuwider weiterhin zu eigenwirtschaftlichen Zwecken genutzt (dazu im Einzelnen später).
32Über den Umfang dieses Anspruchs ist die Klägerin in entschuldbarer Weise im Ungewissen. Diesen kennt allein die Beklagte, ohne dass die Klägerin entsprechende Informationen in zumutbarer Weise erlangen kann. Dagegen ist die Beklagte unschwer in der Lage, die geforderten Informationen zu erteilen. Dass die begehrte Auskunftserteilung sie unbillig belaste, hat die Beklagte nicht geltend gemacht.
33Der Übergang vom geltend gemachten Rechnungslegungs- zu einem Auskunftsanspruch bewirkt kein Teilunterliegen der Klägerin im Prozess. Denn in der Sache kann die Klägerin mit dem Urteil sämtliche von der Beklagten eingeklagten Tatsachenangaben erlangen. Der Auskunftsanspruch ist als Minus im Rechnungslegungsanspruch enthalten.
34b) Anspruch der Klägerin auf Zahlung nachvertraglicher Konzessionsabgaben:
35aa) Das Landgericht hat der Klägerin dem Grunde nach inzident mit Recht einen bereicherungsrechtlichen Wertausgleich für die tatsächliche Nutzung der Verkehrsflächen und des Stromverteilnetzes in den Jahren 2012 und 2013 gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs., 818 Abs. 2 BGB zuerkannt, weil der rechtliche Grund für die Nutzung infolge Ablaufs des bisherigen Wegenutzungsvertrags entfallen ist.
36In der Zeit nach dem 31. Oktober 2011 (ein Jahr nach Ablauf des Konzessionsvertrags) hat die Beklagte über kein diesbezügliches Nutzungsrecht mehr verfügt. Der abgelaufene Konzessionsvertrag ist - wie außer Streit steht - weder stillschweigend noch durch eine Interimsvereinbarung verlängert worden. Nach § 48 Abs. 4 EnWG besteht die Pflicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Konzessionsabgaben nach Ablauf des Wegenutzungsvertrags für längstens ein Jahr fort, sofern - wie im Streitfall - eine anderweitige Regelung nicht getroffen worden ist. Die Begrenzung auf ein Jahr hat zuvor auch der Bundesgerichtshof im Urteil vom 3. Juli 2001 (KZR 10/00 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe II, UA 8 unter Hinweis auf sein Urteil vom 22. März 1994 - KZR 22/92, WuW BGH 2914 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe I) postuliert. Ob die für die zeitliche Begrenzung damals maßgebende Sorge des Bundesgerichtshofs, Kommunen könnten einen Wechsel des Konzessionsnehmers bewusst verzögern und dadurch einen kartellrechtswidrigen Zustand „verewigen“, unter den inzwischen gewandelten Verhältnissen der Energiemärkte derzeit noch begründet ist, kann dahingestellt bleiben. Nach den Beobachtungen des Senats (sowie des personengleich besetzten Vergabesenats des OLG Düsseldorf) sind es eher bisherige Konzessionsnehmer und Energielieferanten, die einen Wechsel des Konzessionsnehmers zu verzögern suchen. Dazu stehen ihnen, namentlich bei der Übertragung der Versorgungsnetze auf neue Konzessionsnehmer, auch Mittel zur Verfügung. Ein Anreiz, einen vertragslosen Zustand zu perpetuieren, ist für Kommunen inzwischen hingegen nicht mehr vorhanden, weil sie - sofern sie einen solchen anstreben - von einem Wechsel des Konzessionsnehmers in der Regel wirtschaftliche oder andere Vorteile (wie zum Beispiel gesteigerte kommunale Einflussnahmen auf die Netzentwicklung) erwarten und darum an einem möglichst raschen Übergang auf einen neuen Konzessionsnehmer interessiert sind.
37Für die Zeit danach - mithin für die Zeit nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung des Konzessionsvertrags - hat der Bundesgerichtshof den Konzessionsgeber bei einer Weiternutzung von Verkehrsflächen und Verteilnetzen durch den bisherigen Konzessionsnehmer auf bereicherungsrechtliche Ansprüche verwiesen. Weder § 48 Abs. 4 noch § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG (= § 13 Abs. 2 Satz 1 und § 14 Abs. 4 EnWG 1998) schließen bereicherungsrechtliche Ansprüche aus (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - KZR 10/00 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe II, UA 8 m.w.N.). Davon, dass diese Vorschrift den Kommunen die Nutzung eigener Wege entzogen und diese in der Summe auf 21 Jahre beschränkt habe, kann nicht gesprochen werden. Dies liegt auch der Entscheidung des Landgerichts zugrunde.
38Über die Höhe des Wertersatzanspruchs ist auf der ersten Stufe der Klage nicht zu entscheiden. Es genügt, dass der Wertersatzanspruch dem Grunde nach besteht, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen, sondern wahrscheinlich gegeben ist. Die Höhe wird sich am objektiven Verkehrswert des Erlangten zu orientieren haben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - KZR 10/00 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe II, UA 9 f.).
39bb) Nach Auslaufen des Wegenutzungsvertrags ist die Beklagte um die faktische Nutzung der Wege und des Stromverteilnetzes der Klägerin, die sie bis zum Ablauf des Jahres 2013 ausgeübt hat, bereichert worden.
40Sie ist nicht dadurch entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB), dass sie - wie sie geltend macht - Konzessionsabgaben an Letztverbraucher nicht weiterberechnet habe. Unter diesem rechtlichen Aspekt hat das Landgericht das Vorbringen der Beklagten als eine Einrede behandelt (das wird in der Literatur ebenfalls so gesehen, vgl. Kermel in: Berliner Kommentar, § 48 EnWG Rn. 62 m.w.N.). Ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Eine Entreicherungseinrede hat die Beklagte mit Rücksicht auf das Bestreiten der Klägerin nicht schlüssig dargelegt.
41Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten, Konzessionsabgaben in den Jahren 2012 und 2013 an Kunden nicht weiter gegeben zu haben, durch Vorlage von acht Letztverbraucher-Rechnungen entgegengetreten, die das Gegenteil belegen (vgl. Anlage K 16 = GA 374 ff., 376, 377 f.; Anlage 26 = GA 510, 512; 514, 516; 517, 520; Anlage BB 3).
42Die Rechnung der Beklagten vom 13. Oktober 2011 (Anlage 26 = GA 522, 525, 527) zeigt außerdem, dass sie, die Beklagte, dies auch bereits im Jahr 2011 so gehandhabt hat (mithin innerhalb der 21 Monate nach § 48 Abs. 4 EnWG).
43Die Beklagte hat dies nicht widerlegt. Das geht prozessual zu ihren Lasten.
44Für den Fall, dass der Vortrag der Beklagten im Rechtssinn nicht als Einrede, sondern als ein Bestreiten zu verstehen sein sollte, hat der Senat im Termin am 31. August 2016 (Sitzungsprotokoll GA 1022 f.) auf eine in Betracht zu ziehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten hingewiesen. Aufgrund dessen hat die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin, wonach sie, die Beklagte, Konzessionsabgaben an Letztverbraucher weiter berechnet habe, substantiiert entgegenzutreten gehabt, was unterblieben ist.
45cc) Die Beklagte kann einen Bereicherungsausgleich nicht mit Erfolg unter Hinweis auf § 817 Satz 2 BGB verhindern. Die Klägerin verstößt gegen kein gesetzliches Verbot, weil ihre Forderung die zwingenden Befristungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 und § 48 EnWG (= § 13 Abs. 2 Satz 1 und § 14 Abs. 4 EnWG 1998) missachte. Vorstehend hat der Senat bereits ausgeführt, dass auch nach Ablauf der 21-Jahre-Frist ein Wertersatz für rechtsgrundlose Nutzung der Wege und Straßen der Klägerin nach Bereicherungsgrundsätzen in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausgeschlossen ist. Die von der Beklagten dagegen angebrachten Entscheidungen des Senats betreffen Fälle, in denen Wegenutzungsverträge durch Vereinbarung verlängert worden sind.
462. Zum Rechnungslegungsanspruch betreffend die im Kalenderjahr 2011 gelieferten Strommengen sowie zur Hauptsacheerledigung:
47Den prozessualen Ausführungen des Landgerichts ist zuzustimmen (LGU 19 f.). Aufgrund der im Jahr 2013 (nach Rechtshängigkeit der Klage) erfolgten Zahlung von 66.205,69 Euro durch die Beklagte oder deren Niederlassung in Neuss hat sich die auf das Jahr 2011 bezogene und auf Auskunftserteilung zu richten gewesene Klage durch Erfüllung in der Hauptsache erledigt (§ 362 BGB - ohne dass die Umstellung auf eine Erteilung von Auskunft ein Teilunterliegen der Klägerin ist).
48Den Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung hat das Landgericht mit Recht für begründet erachtet. Die Auskunftsklage ist in auch Bezug auf das Jahr 2011 ist begründet gewesen, was aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht.
493. Zur Widerklage:
50Die Widerklage ist lediglich in Höhe eines Betrags von 4.444,52 Euro nebst beantragter Zinsen begründet.
51a) Dagegen ist anzunehmen, dass die der Beklagten zuzurechnende Zahlung von 66.205,69 Euro dem im Jahr 2011 für die rechtsgrundlose Nutzung der Verkehrsflächen der Klägerin von der Beklagten nach § 818 Abs. 2 BGB geschuldeten Wertersatz entspricht. Die von ihr erklärte Anfechtung geht deshalb ins Leere. Insoweit sind folgende Überlegungen maßgebend:
52Der Wertersatz für die rechtsgrundlose Benutzung ist am objektiven Verkehrswert des Erlangten auszurichten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - KZR 10/00 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe II, UA 9 f. m.w.N.). Dabei kann - so der Bundesgerichtshof - grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit der Beendigung des Konzessionsvertrags die Rechtsposition des bisherigen Konzessionsnehmers (hier der Beklagten) erheblich geschmälert werde, weil dieser weder ein langfristig gesichertes noch ein ausschließliches Wegenutzungsrecht mehr habe. Es liege auf der Hand, dass der Wert eines langfristigen und ausschließlichen Rechts wirtschaftlich höher zu veranschlagen sei als der eines kurzfristigen, nur einfach ausgestalteten Rechts, und dass dieser Umstand für die Festlegung der Höhe einer Konzessionsabgabe von Bedeutung sei. Maßstab für die Bewertung einer nachvertraglichen faktischen Nutzungsmöglichkeit sei deshalb diejenige Konzessionsabgabe, die üblicherweise in Interims-Konzessionsverträgen unter Berücksichtigung der sonstigen Konditionen, etwa in den Endschaftsbestimmungen, vereinbart werde.
53Dazu ist zu bemerken: Im Konzessionsvertrag aus dem Jahr 1990 (Anlage K 2 = GA 21 ff, 28) sowie in der Zusatzvereinbarung vom Juni 1994 (Anlage B 1 = GA 279 ff., 284) haben die Parteien für den Fall einer nachvertraglichen Nutzung (nach Ablauf von 20 Jahren) lediglich ein „angemessenes“ Entgelt vorgesehen, was der Bestimmung des § 818 Abs. 2 BGB entspricht.
54Für das erste Jahr nach Beendigung des Konzessionsvertrags am 31. Oktober 2010, und für die beiden darüber hinausgehenden Monate bis zum 31. Dezember 2011, hat die Beklagte oder ihre Niederlassung in Neuss die im Konzessionsvertrag vereinbarte höchstzulässige Konzessionsabgabe bezahlt (nämlich 66.205,69 Euro, vgl. LGU 20). Diese ist bis zum 31. Oktober 2011 geschuldet gewesen (§ 48 Abs. 4 EnWG = § 14 Abs. 4 EnWG 1998). Den Zahlbetrag von 66.205,69 Euro gemäß der Endabrechnung für 2011 vom 29. November 2013 (Anlage K 29 = GA 657 f.) hat sie - selbst nach anwaltlicher Anfechtung unter dem 3. Januar 2014 (Anlage K 34 = GA 671 f.) - durch die korrigierte Endabrechnung für 2011 vom 23. April 2014 nochmals bestätigt (Anlage B 14 = GA 741 f.).
55Dass der Wert der Wegenutzung in den beiden folgenden Monaten (November und Dezember 2011) geringer anzusetzen sei - so die Beklagte, hat das Landgericht mit Recht verneint.
56Zwar ist die Rechtsposition der Beklagten nach Auslaufen des Konzessionsvertrags geschwächt gewesen. Sie hat kein ausschließliches Nutzungsrecht mehr besessen. Doch hat die Beklagte aufgrund ihrer tatsächlich weiter bestehenden Verfügungsgewalt über die Verkehrsflächen der Klägerin und das Stromverteilnetz Konkurrenten bis zu einer Übergabe an den nachfolgenden Konzessionsnehmer (B.) faktisch fernhalten und ausschließen können. B. hat die Konzession erst zum 1. Januar 2014 ausüben können. Dies schwächt die Argumentation des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 3. Juli 2001 (a.a.O.) für den Streitfall ab.
57Bisherige Konzessionsnehmer wie die Beklagte werden in Fällen der vorliegenden Art bis zu einer Übergabe des Verteilnetzes an einen Nachfolger (in der Interimszeit) in der Regel und allfälligen wirtschaftlichen Überlegungen gehorchend ebenso wenig mehr grundlegende Investitionen in das Netz vornehmen, sondern sich auf unabwendbare Ausgaben beschränken. Anderes - und zwar notwendige oder geplante und bevorstehende Aufwendungen - hat die Beklagte im Streitfall nicht behauptet. Dann haben bisherige Konzessionsnehmer wie die Beklagte aber auch nichts mehr zu finanzieren und abzuschreiben, sondern können die auslaufende Konzession einfach „abwohnen“. Konkret hat die Beklagte nicht vorgetragen, dies anders praktiziert zu haben. Im Gegenzug ist unangebracht, allein wegen theoretischer, tatsächlich aber auszuschließender oder nicht anzunehmender Investitionen sowie einer rechtlich abgeschwächten Stellung des bisherigen Konzessionsnehmers den Wertausgleich für die Nutzung der Verkehrsflächen der Klägerin zu herabzusetzen. Dass umgekehrt in einer Forderung des höchstzulässigen Konzessionsabgabenbetrags für die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung der Klägerin liegt, ist nicht anzunehmen. Im Ergebnis ist - auch bei der gebotenen Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) - deswegen an der Entscheidung des Landgerichts, jedenfalls an den bis zum Ablauf des 31. Dezember 2011 geschuldeten Konzessionsabgaben oder einem bereicherungsrechtlichen Wertausgleich keine Abstriche vorzunehmen, nichts auszusetzen. Als ein Präjudiz für einen Wertausgleich für die Zeit bis zum Ablauf des 31.Dezember 2013 ist dies nicht zu verstehen.
58b) Das Landgericht hat der Beklagten jedoch eine Erstattungsforderung wegen überzahlter Konzessionsabgaben im Jahr 2011 im Betrag von 4.444,52 Euro zu Unrecht abgesprochen.
59Die geltend gemachte Überzahlung ist entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA 21 f.) nicht bereits bei der Zahlung von 66.205,69 Euro durch die Beklagte (oder deren Niederlassung) berücksichtigt worden (vgl. Anlage K 29 = GA 657 f.). Die Überzahlung von 4.444,52 Euro hat die Beklagte vielmehr gesondert geltend gemacht (GA 736) und durch die korrigierte Endabrechung über Konzessionsabgaben Strom für das Jahr 2011 vom 23. April 2014 abgerechnet (Anlage B 14 = GA 741 nebst Wirtschaftsprüfertestat gemäß Anlage B 15 = GA 745 ff.). Dagegen hat die Klägerin tatsächlich und rechnerisch nichts Erhebliches vorgebracht (GA 763 f, 951).
60Nach §§ 291, 288 Abs. 2 BGB schuldet die Klägerin Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
61Die Revision, dies auf Anregung der Beklagten, wird nicht zugelassen, weil dafür kein Grund nach § 543 Abs. 2 ZPO gegeben ist, was aus den vorstehenden Entscheidungsgründen hervorgeht. Die im Prozess relevanten Rechtsfragen, insbesondere die Frage eines bereicherungsrechtlichen Wertausgleichs bei nachvertraglichen Konzessionsabgaben, sind durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1994 (KZR 22/92, WuW BGH 2914 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe I) und vom 3. Juli 2001 (KZR 10/00 - Nachvertragliche Konzessionsabgabe II) entschieden worden. Dass der Klägerin (durch Abweisen der Widerklage) für die Monate November und Dezember 2011 ein Wertausgleich im Betrag der vereinbarten Konzessionsabgaben zugesprochen worden ist, stellt eine Einzelfallentscheidung dar.
62Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
63Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten:
64- Wert der (geänderten) Klage (GA 648) 835.000,00 Euro,
65- Wert der Widerklage (vgl. GA 738 f.) 70.650,21 Euro
66(in diesem Wert geht der Wert des Antrags auf Fest-
67stellung der Hauptsacheerledigung wirtschaftlich auf)
68insgesamt 905.650,21 Euro
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