Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 40/16
Tenor
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 4. November 2016 wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend § 115 Abs. 3 GWB a. F. aufgegeben zu unterlassen, den der Beigeladenen erteilten Auftrag Berliner Schloss Humboldtforum – Gebäudeautomation 4491-2016 vorm. 437-2016 durchzuführen.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragsgegnerin schrieb unter dem 17.02.2016 im offenen Verfahren die Vergabe des Auftrags „Berliner Schloss – Humboldt Forum – Gebäudeautomation – 437-2016“ europaweit aus (EU-Bekanntmachung 2016/S 36-057431). Nachdem die Antragstellerin am 23.03.2016 ein Angebot abgegeben hatte, forderte die Antragsgegnerin sie mit Schreiben vom 08.04.2016 auf, bestimmte Erklärungen und Nachweise einzureichen, unter anderem auch die „Liste der Einheitspreise Anhang 2 aus Wartungsvertrag“. Die Antragstellerin reichte mit E-Mail-Schreiben vom 14.04.2016 die nachgeforderten Unterlagen bei der Antragsgegnerin ein. Unter dem 29.06.2016 erhielt sie von der Antragsgegnerin die Mitteilung, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und daher nicht berücksichtigt werde, sondern die Beigeladene den Zuschlag auf ihr Angebot erhalten soll. Die Antragstellerin rügte die Zuschlagsentscheidung mit der Begründung, das Angebot der Beigeladenen genüge aus verschiedenen Gründen nicht den Anforderungen und sei auszuschließen. Die Antragsgegnerin sagte zu, die Angebote erneut zu prüfen. Mit Schreiben vom 12.08.2016 teilte sie der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen wird, weil es Preise nicht enthalte und nicht die in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfülle. Außerdem könne der Zuschlag auch deshalb nicht erteilt werden, weil ein niedrigeres Hauptangebot vorliege.
4Nach erfolgloser Rüge beantragte die Antragstellerin Nachprüfung. Während des laufenden Vergabeverfahrens teilte die Antragsgegnerin mit, dass auch das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei. Das Vergabeverfahren werde daher aufgehoben, weil im Ergebnis kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge wies die Antragsgegnerin zurück und informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.09.2016 darüber, dass für die in Rede stehende Leistung der Gebäudeautomation ein Verhandlungsverfahren nach § 3 a Abs. 3 Nr. 2 c) VOB/A EU durchgeführt und sie gebeten werde, sich an diesem Verfahren zu beteiligen. Mit Schreiben vom 13.09.2016 hat die Antragstellerin die Durchführung des Verhandlungsverfahrens als vergaberechtsfehlerhaft beanstandet.
5Die Antragstellerin hat im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren beantragt,
61. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen;
72. den Ausschluss ihres, der Antragstellerin, Angebots und die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben;
83. die Durchführung des Verhandlungsverfahrens zu untersagen.
9Die Antragsgegnerin hat beantragt,
10den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
11Mit Beschluss vom 22. September 2016 hat die 2. Vergabekammer des Bundes den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der zulässige Nachprüfungsantrag sei nicht begründet, denn die Antragsgegnerin habe das Angebot zu Recht ausgeschlossen, so dass der Antragstellerin kein Anspruch auf Rückgängigmachung der Aufhebung und Fortsetzung des Vergabeverfahrens zustehe. Die Antragstellerin habe die wirksam von der Antragsgegnerin geforderten Preisangaben nicht rechtzeitig eingereicht.
12Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Auf ihren Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 19. Oktober 2016 die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über den auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrag verlängert (GA Bl. 129).
13Am 28.10.2016 hat die Antragsgegnerin auf das am 09.09.2016 eingeleitete Verhandlungsverfahren über die Vergabe des Auftrags „Berliner Schloss Humboldtforum – Gebäudeautomation 4491-2016 vorm. 437-2016“ den Zuschlag an die Beigeladene erteilt.
14Die Antragstellerin beantragt,
151. festzustellen, dass der der Beigeladenen erteilte Auftrag Berliner Schloss Humboldtforum – Gebäudeautomation 4491-2016 vorm. 437-2016, Tag der Zuschlagsentscheidung : 28.10.2016, wegen Verstoßes gegen das Zuschlagsverbot gemäß § 134 BGB nichtig ist, und
162. der Antragsgegenerin aufzugeben, es zu unterlassen, den der Beigeladenen erteilte Auftrag Berliner Schloss Humboldtforum – Gebäudeautomation 4491-2016 vorm. 437-2016 durchzuführen.
17Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
18II.
19Der Antrag ist statthaft. Zwar ist § 115 Abs. 3 GWB nicht unmittelbar anwendbar, weil sich die Vorschrift lediglich auf das Verfahren vor der Vergabekammer bezieht. Die Vorschrift ist aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und zur Sicherung der Rechte des unterlegenen Bieters entsprechend auf das Verfahren vor dem Vergabesenat anzuwenden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.12.2007 – VII-Verg 47/07; Beschluss vom 23.04.2008 – VII-Verg 23/08; OLG Naumburg, Beschluss vom 31.07.2007 – 1 Verg 6/06).
20Die nach § 115 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 GWB vorzunehmende Interessenabwägung führt hier zu dem Ergebnis, die unter Ziff. 2 beantragte Anordnung zu erlassen und der Antragsgegnerin einstweilen aufzugeben, es zu unterlassen, den der Beigeladenen erteilten Auftrag Berliner Schloss Humboldtforum – Gebäudeautomation 4491-2016 vorm. 437-2016 durchzuführen.
21Die Regelung, wonach die Vergabekammer im Fall, dass Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch den drohenden Zuschlag gefährdet sind, auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen (neben denen des Absatz 2) in das Vergabeverfahren eingreifen kann, dient der Absicherung einer bevorstehenden Entscheidung der Vergabekammer (Senat, Beschl. v. 20.10.2008, VII-Verg 46/08). Im Streitfall bedarf es der Absicherung von Zuschlagschancen der Antragstellerin bis zur endgültigen Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag nach § 118 Abs. 2 GWB. Die Rechte der Antragsgegnerin aus § 97 Abs. 7 GWB werden dadurch gefährdet, dass die Antragsgegnerin das aus §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 GWB folgende Zuschlagverbots ignoriert und der Beigeladenen nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens nach § 3 a VOB/A EU den Zuschlag erteilt hat. Die Antragsgegnerin durfte die Vergabe des verfahrensgegenständlichen Auftrags auch nach Aufhebung des ursprünglich eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht in einem neuen – hier nach § 3 a VOB/A EU eingeleiteten - Vergabeverfahren betreiben. Gegenstand des Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens ist auch die im August 2016 erfolgte Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens. Die Antragstellerin hat die im laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht hingenommen. Vielmehr hat sie die Aufhebung des Verfahrens gerügt und die Aufhebung der Verfahrensaufhebung beantragt. Da der Senat auf Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer einstweilen verlängert hat, war der Antragsgegnerin jede Maßnahme zur Verwirklichung der angefochtenen Entscheidung untersagt, die sich zum Nachteil der Rechtmittelführerin auswirken könnte. Sie durfte daher weder das in Rede stehende Verhandlungsverfahren durchführen, noch der Beigeladenen den Zuschlag erteilen. Der mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig, so dass jede (weitere) Maßnahme zur Durchführung des Vertrags die Position der Antragstellerin und ihre Chancen auf Zuschlagserteilung in dem ursprünglich eingeleiteten Vergabeverfahren beeinträchtigt.
22Soweit die Antragstellerin darüber hinaus beantragt, die Unwirksamkeit des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags festzustellen (Antrag unter 1.), war ihr Antrag zurückzuweisen. Bei der begehrten Feststellung handelt es sich um keine vorläufige Maßnahme im Sinne von § 115 Abs. 3 GWB.
23Dicks Dr. Maimann Frister
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