Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - U (Kart) 2/17
Tenor
- I. Gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wird das am 22. August 2018 verkündete Senatsurteil wegen offenbarer Unrichtigkeit wie folgt berichtigt und neu gefasst:
Die unter II.B.3.c.cc. der Urteilsgründe (Umdruck S. 33.) erfolgten Ausführungen
„… und dass ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamts U. und W. im Geschäftsbereich Weichen einen gemeinsamen Marktanteil von 90 % angestrebt hatten“
werden durch folgende Ausführungen ersetzt:
„… und dass ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamts U. und W. im Geschäftsbereich Schienen einen gemeinsamen Marktanteil von 90 % angestrebt hatten“
Die auf Seite 9 im zweiten Absatz der Urteilsgründe (Umdruck S. 9) genannte Zahl
„… 1.8540,00 €“
wird durch die Zahl „… 1.854,00 €“
und die auf Seite 8 des Urteils genannte Zahl von
„….. 3.360,00 €“
wird durch die Zahl „… 3.636,00 €“
ersetzt.
- II. Die weitergehenden Anträge der Beklagten zu 3. und der Beklagten zu 4. bis 7. vom 18. bzw. 20. September 2018, das vorbezeichnete Senatsurteil bzw. seinen Tatbestand zu berichtigen, werden zurückgewiesen.
1
Gründe
2A. Den aus Tenorziff. I. dieses Beschlusses ersichtlichen Urteilsberichtigungen liegen offenbare Unrichtigkeiten im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO zu Grunde, die der Senat berichtigt hat.
3B. Die weitergehenden Berichtigungsanträge der Beklagten zu 3. und zu 4. bis 7. haben keinen Erfolg; sie sind teilweise unzulässig und in der Sache durchgängig unbegründet.
41. Im Ausgangspunkt ist in den Blick zu nehmen, dass das Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO allein dem Zweck dient, zu verhindern, dass unrichtig wiedergegebener Parteivortrag infolge der in § 314 Satz 1 ZPO angeordneten positiven Beweiskraft des Urteilstatbestandes zur fehlerhaften Entscheidungsgrundlage des Rechtsmittelgerichts wird (vgl. hierzu und zum Folgenden etwa Senat, Beschluss v. 17. Dezember 2014 - VI-U (Kart) 18/13; Beschluss v. 30. März 2015 – VI-U (Kart) 3/14; Beschluss v. 10. August 2016 – VI-Kart 3/16 (V), Rz. 3 bei juris; Beschluss v. 6. April 2017 – VI-Kart 10/15 (V); Beschluss v. 5. September 2017 – VI-U (Kart) 16/13). Eine Tatbestandsberichtigung ist daher nur zulässig, soweit der Tatbestand die verstärkte Beweiskraft gemäß § 314 ZPO besitzt (vgl. BGH, Urteil v. 10. März 1983 - VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030 [2032]; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 20. November 2008 - 17 U 364/08, OLGR 2009, 147, Rz. 4 bei juris; vgl. auch Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 320 Rz. 1). Eine Unrichtigkeit im Sinne des § 320 Abs. 1 ZPO meint vor diesem Hintergrund, dass das Gericht den ihm unterbreiteten Sach- oder Streitstand unzutreffend wiedergibt und im Tatbestand etwas beurkundet, was die Parteien nicht oder nicht so vorgetragen haben, oder etwas als streitig oder unstreitig behandelt, was es aber nicht ist (vgl. Elzer, in BeckOKZPO, Stand 1.7.2018, § 320 Rz. 21).
52. Die zur Beurteilung stehenden Anträge leiden bereits daran, dass die von den Beklagten unter Berufung auf § 320 ZPO begehrten Änderungen des Tatbestandes weitgehend schon mit Rücksicht auf den vorstehend dargelegten Sinn und Zweck des Verfahrens auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 320 ZPO nicht zu erreichen sind. Darüber hinaus greifen die Anträge aber auch in materieller Hinsicht nicht durch. Insoweit gilt im Einzelnen Folgendes:
6a. Zu Ziff. 2. des Antrags der Beklagten zu 3.
7Die Textpassage auf Seite 35 des Senatsurteils zu einem durchgängig und bundesweit betriebenen Kartell ist nicht um den Zusatz, dass das Kartell „mit zeitlichen, regionalen und strukturellen Unterschieden hinsichtlich der Teilnehmer“ betrieben worden ist, zu ergänzen. Wie die Beklagte zu 3. zutreffend selbst erkennt, finden sich die betreffenden Tatsachenfeststellungen des Senats auf den Seiten 6 bis 8 und 32 sowie 33/34 und 35 des Urteils. Dass sie auf Seite 35 in Absatz 2 des Urteilsabdrucks nicht erneut erwähnt sind, erklärt sich bei vernünftiger Betrachtung zwangslos aus der Tatsache, dass es dort ausschließlich um die Frage geht, ob der Vermutung der Kartellbetroffenheit entgegensteht, dass einige Beschaffungsvorgänge europaweit ausgeschrieben waren. In diesem Zusammenhang kommt es ganz offensichtlich weder rechtlich noch argumentativ darauf an, ob das bundesweit betriebene Kartell mit regionalen oder strukturellen Unterschieden praktiziert worden ist.
8b. Zu Ziff. 3. des Antrags der Beklagten zu 3.
9Soweit die Beklagte zu 3. die Passage „wie auch krimineller Vernunft“ beseitigt wissen will, ist dies unzulässig. Die angegriffene Urteilspassage enthält ausschließlich eine rechtliche Beurteilung und Würdigung des Senats, in die die Beklagte zu 3. mit ihrem Begehren einzudringen versucht, was indes im Rahmen des Tatbestandsberichtigungsverfahrens im Hinblick auf § 320 Abs. 5 ZPO von vornherein unstatthaft ist (vgl. in diesem Sinne etwa Senat, Beschluss v. 9. April 2014 – VI-U (Kart) 7/13 [unter B.4.]; Beschluss v. 6. April 2017 – VI-Kart 10/15 (V) [unter B.2.]; Beschluss v. 5. September 2017 – VI-U (Kart) 16/13 [unter 2.b.]) ; dies gilt im Übrigen selbst in dem – hier schon nicht vorliegenden - Fall, dass wertende Entscheidungsteile mit Hinweisen auf Tatsachen verbunden sind (vgl. in diesem Sinne etwa Senat, Beschluss v. 20. Februar 2014 – VI-U (Kart) 6/13, Umdruck S. 4; Beschluss v. 10. August 2016 – VI-Kart 3/16 (V), Rz. 31 bei juris m.w.N.; Beschluss v. 5. September 2017 – VI-U (Kart) 16/13 [unter 2.b.]).
10Davon abgesehen besteht auch inhaltlich keine Veranlassung, den Begriff der „kriminellen Vernunft“ aufzugeben. Er bezeichnet schlagwortartig und vollkommen zutreffend den relevanten Sachverhalt, dass die beklagten Unternehmen nämlich nach der Logik eines Kartelltäters die - als Folge ihrer bußgeldbewehrten Tat künstlich überhöhten - Preise auch jenseits von Ausschreibungen fordern, um das Risiko einer Tataufdeckung zu minimieren. Der Vorwurf, der Senat habe mit dem Begriff der „kriminellen Vernunft“ zum Ausdruck gebracht, die Beklagten hätten sich durch ihr kartellrechtswidriges Verhalten strafbar gemacht, ist haltlos und entbehrt jeder Grundlage. In dem Senatsurteil ist schon zu Beginn der tatbestandlichen Feststellungen klargestellt, dass es um ein bußgeldbewehrtes – und nicht um ein strafrechtlich relevantes Verhalten – geht, und der Senat hat näher erläutert, welche Überlegungen er unter den Begriff der „kriminellen Vernunft“ verstanden wissen will. Bei vernünftiger Betrachtung bleibt kein Raum für die mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag reklamierte Deutung.
11c. Zu Ziff. 4. des Antrags der Beklagten zu 3 im Übrigen
12Die angeregten Korrekturen sind nicht vorzunehmen, weil sie ganz offensichtlich weder für den Inhalt noch für das Verständnis der Senatsentscheidung von irgendeiner Relevanz sind und aus diesem Grund rechtsmissbräuchlich erscheinen.
13d. Zu den Anträgen der Beklagten zu 4. bis 7.
14Die Anträge der Beklagten zu 4. bis 7. gehen aus verschiedenen Gründen ins Leere:
15aa. Zu Ziff. 1. bis 4. und 6. des Antrags
16Die insoweit zum „Umfang der Absprachen“, zum „Arbeitskreis Marketing“ und zum Stichwort „Absprachen“ begehrten Änderungen sind nicht vorzunehmen. Die beanstandeten Urteilspassagen beinhalten schon keine Wiedergabe von Parteivorbringen, auf das sich die positive Beweiskraft des Urteilstatbestandes nach § 314 Satz 1 ZPO erstreckt. Vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich um eine Wiedergabe der nach dem Verständnis des Senats vom Bundeskartellamt getroffenen Feststellungen, was bereits durch die Ausführungen eingangs Ziff. I.2. der Gründe („Ausweislich der vorbezeichneten Bußgeldbescheide, … hat das Bundeskartellamt … u.a. die folgenden Feststellungen getroffen:“) erhellt. Aus diesem Grund ist der auf Berichtigung der hier interessierenden Passagen gerichtete Antrag unzulässig.
17Ohne dass es vorliegend für die Entscheidung erheblich ist, zeigt darüber hinaus der Antrag entgegen der Auffassung der Beklagten zu 4. bis 7. auch in der Sache keine Unrichtigkeiten des im Urteil Wiedergegebenen auf.
18Gleiches gilt im Ergebnis für die unter Ziffer 13. des Antrags begehrten Berichtigungen, weil sie ganz offensichtlich nicht die Wiedergabe von Parteivorbringen betreffen.
19bb. Zu Ziff. 5. des Antrags
20Die zum Thema „Schadenspauschale“ beantragte Änderung ist mangels Unrichtigkeit des von den Beklagten beanstandeten Urteilstatbestandes nicht abzuändern. Mitnichten erwecken die hier interessierenden Ausführungen bei verständiger Rezeption des Urteilstextes den Eindruck einer rechtswirksamen Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Im Übrigen liegt dies bei gebotener Betrachtung der Urteilsausführungen in ihrem Gesamtzusammenhang nur umso deutlicher auf der Hand, als der Senat unter Ziff. II.B.9. der Urteilsgründe die Frage der Wirksamkeit der Schadenspauschalierungsklausel (mangels Entscheidungserheblichkeit) ausdrücklich hat dahinstehen lassen.
21cc. Zu Ziff. 8.bis 9. des Antrags
22Diese zur „Funktionsweise …“ und zum „Umfang der Absprachen“ gestellten Anträge auf Tatbestandsberichtigung sind im Hinblick auf § 320 Abs. 5 ZPO unzulässig, da sie sich allein gegen die rechtliche Beurteilung des Senats richten. Wie oben bereits dargelegt, würde sich an dieser Beurteilung auch dann nichts ändern, wenn die würdigenden Ausführungen des Senats mit Hinweisen auf Tatsachen verbunden wären.
23Ohne Relevanz für die hiesige Entscheidung ist darüber hinaus aber auch festzuhalten, dass die Beklagten im Rahmen der Begründung der Anträge tatsächlich keine sachliche Unrichtigkeit der Urteilsausführungen aufgezeigt haben.
24dd. Zu Ziff. 10. des Antrags
25Ebenso mit Rücksicht auf § 320 Abs. 5 ZPO unzulässig ist der hinsichtlich mehrerer Urteilspassagen auf Ersetzung des Begriffs „Gleisoberbaumaterialien“ gerichtete Antrag, mit dem die Beklagten abermals unstatthaft in die rechtliche Würdigung des Senats einzudringen versuchen.
26Ohne Relevanz für die hiesige Entscheidung liegt freilich auch die Antragsbegründung für sich genommen neben der Sache. Aus der verständigen Sicht eines unbefangenen Betrachters besteht schlechterdings kein Raum für vernünftige Zweifel daran, dass sich der in den von den Beklagten beanstandeten Urteilspassagen verwendete Begriff „Gleisoberbaumaterialien“ ausschließlich auf die im Streitfall streitbefangenen Produkte bezieht; mitnichten ist dem Senatsurteil – wie die Beklagten zu 4. bis 7. aber zu suggerieren versuchen – die Aussage zu entnehmen, das streitbefangene Kartell habe die „gesamte Produktobergruppe Gleisoberbaumaterialien“ betroffen. Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang einen „Widerspruch“ der Urteilsausführungen zu den Feststellungen des Bundeskartellamts erkennen wollen, ist dies bemerkenswert.
27ee. Zu Ziff. 12. des Antrags
28Soweit die Beklagten an mehreren Urteilsstellen die Formulierungen „Absprache“ bzw. „Kartellabsprache“ durch eine Pluralisierung dieser Begriffe ersetzt wissen wollen, ist auch dieses Begehren bereits unzulässig. Die insoweit unter dem ersten Spiegelstrich beanstandete Urteilspassage nimmt, da sie sich in der Wiedergabe des Verständnisses des Senats vom Inhalt der Feststellungen des Bundeskartellamts erschöpft, von vornherein nicht an der positiven Beweiskraft des Urteilstatbestandes teil. Die übrigen Beanstandungen richten sich unstatthafter Weise allein gegen die rechtliche Würdigung durch den Senat. Bereits aus diesen Gründen mangelt dem gesamten Berichtigungsbegehren die Zulässigkeit.
29Unbeschadet dessen ist – jenseits von Erheblichkeit für die hiesige Entscheidung – festzuhalten, dass das unter I.2. der Urteilsgründe dargelegte und unter 10.a) – 1. Spiegelstrich des Berichtigungsantrags beanstandete Verständnis des Senats („Die Absprache endete mit der vom Bundeskartellamt im Mai 2011 durchgeführten Durchsuchung der Geschäftsräume der Kartellanten“ – Hervorhebungen durch den Senat) tatsächlich zutreffend ist, wie eine Betrachtung der in den Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamts aus Juli 2013 getroffenen Feststellungen erhellt (vgl. insoweit etwa den gegen die Beklagte zu 5. erlassenen Bußgeldbescheid, S. 18 [unter 4.]) und sich überdies zwingend aus der Tatsache ergibt, dass das Amt wegen der streitbefangenen Vorgänge nur eine einzige und nicht mehrere Geldbußen verhängt hat. Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass es in den übrigen von den Beklagten beanstandeten Urteilspassagen für seine jeweilige rechtliche Beurteilung des Streitfalls auf die Frage einer von den Kartellanten getroffenen „Gesamtkartellabsprache“ – ganz offensichtlich – überhaupt nicht angekommen ist.
30gg. Zu Ziff. 11. des Antrags
31Aus sinngemäß den gleichen Gründen wie vorstehend genannt, hat schon unter dem Gesichtspunkt fehlender Zulässigkeit das Begehren der Beklagten zu 4. bis 7. keinen Erfolg, in mehreren beanstandeten Urteilspassagen enthaltene Ausführungen betreffend die bundesweite bzw. flächendeckend im Bundesgebiet erfolgte Praktizierung des streitbefangenen Kartells durch die Formulierung „auf dem Privatmarkt in Deutschland“ zu eliminieren. Die Beanstandungen zielen nicht auf den nach § 320 ZPO allein zulässig verfolgbaren Zweck ab, eine unrichtige Wiedergabe von Parteivortrag im Urteil zu korrigieren und damit eine fehlerhafte Entscheidungsgrundlage für das Rechtsmittelgericht zu verhindern. Vielmehr geht es den Beklagten der Sache nach – und zwar ganz offensichtlich – allein darum, das Verständnis des Senats vom Inhalt der kartellbehördlichen Feststellungen zum streitbefangenen Kartell anzugreifen und den im Senatsurteil dargelegten rechtlichen Erwägungen ein diesem zu Grunde liegendes argumentatives Element zu entziehen. Dies ist im Rahmen des vorliegenden Tatbestandsberichtigungsverfahrens indes mit Rücksicht auf § 320 Abs. 5 ZPO von vornherein nicht angängig und schon deshalb ohne Aussicht auf Erfolg.
32Ohne Relevanz für die hiesige Entscheidung ist darüber hinaus aber auch festzuhalten, dass die Angriffe der Beklagten zu 4. bis 7. gegen die hier interessierenden Urteilsausführungen jedweder Plausibilität und Berechtigung entbehren. Der Versuch der Beklagten, die in den Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamts verwendete – und im Senatsurteil aufgegriffene - Formulierung „bundesweit“ dahin umzuinterpretieren, dass mit ihr lediglich gemeint sei, Absprachen hätten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (und nicht im Ausland) stattgefunden, dagegen nicht auch, dass Absprachen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet praktiziert worden seien, ist offensichtlich haltlos und allein schon im Hinblick auf das allgemeine Sprachverständnis schlechterdings unvertretbar. Dass dem Ansatz der Beklagten mitnichten zu folgen ist, ist darüber hinaus in aller Deutlichkeit nur zum Beispiel den im gegen die Beklagte zu 5. ergangenen Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 auf Seite 18 unter Ziff. 5. erfolgten Ausführungen zu entnehmen, mit denen das Bundeskartellamt die von ihm angenommene Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels u.a. mit der Feststellung: „Die Absprache erstreckte sich auf das gesamte Bundesgebiet …“ begründet hat. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegend ausgebrachte – und ohnehin bereits unzulässige - Tatbestandsberichtigungsantrag als erstaunlich anzusehen.
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