Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 20 U 134/17
Tenor
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.08.2017 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
III.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
1I.
2Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
3Durch dieses hat das Landgericht die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin den Beklagten untersagen lassen will, die Erneuerung von Plexiglashauben, Hohlspie-geln und Flachspiegeln von Werken X.Y.s ohne vorherige Einwilligung der Klägerin zu unterlassen, und näher bezeichnete Auskunft begehrt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein genereller Anspruch auf Unterlassen der genannten Handlungen ohne Einwilligung der Klägerin ergebe sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei den Werken X.Y.s der natürliche Verfallsprozess ein Teil des künstlerischen Plans sei, weshalb eine Maßnahme, die das Werk haltbar mache bzw. in den Zustand vor Beginn des Verfallsprozesses zurückversetze, nicht per se ausgeschlossen sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche Erneuerung von Plexiglashauben und Spiegeln den geistigen Gehalt des Werkes berührten und zu einer Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG führten. Ein Anspruch der Klägerin auf Beteiligung an Entscheidungen über die Restaurierung bestehe nicht. Von einem solchen habe der Gesetzgeber bewusst abgesehen.
4Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass ein Kunstwerk auch ein zeitgeschichtliches Do-kument sei. Wenn Einzelteile ausgetauscht würden, sei es, auch wenn Proportionen und Materialien identisch sein sollten, ein Nachbau und kein Original mehr. Sei ein Einzelteil irreparabel beschädigt, möge man vom mutmaßlichen Willen eines Künstlers ausgehen, soweit dieser nichts anderes dokumentiert habe, dass dieses Teil „originalgetreu“ ausgetauscht werde, damit das Kunstwerk im Übrigen als solches erhalten bleibe. Ein erkennbarer Austausch sei geeignet, eine Beein-trächtigung im Sinne des § 14 UrhG zu bewirken. Bei der vorzunehmenden Interes-senabwägung ergebe sich, dass das Begehren der Klägerin für beide Beklagte nur einen geringfügigen zeitlichen Aufwand mit sich bringe. Demgegenüber überwiege das Integritätsinteresse der Klägerin, dass die Werke X.Y.s in der authenti-schen Gestalt in der Öffentlichkeit wahrgenommen würden. Der von ihr geltend gemachte Einwilligungsvorbehalt sei aufgrund des Verhaltens der Beklagten begründet. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, ein genereller Anspruch auf Unterlassung der Erneuerung von Teilen ohne Einwilligung der Klägerin ergebe sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, sei hierüber nicht zu entscheiden, sondern über den Anspruch, der aus den konkreten, behaupteten Urheberrechtsverletzungen der Beklagten abzuleiten sei. Da den Beklagten die Beurteilungsfähigkeit fehle, um überhaupt eine originalgetreue Rekonstruktion irreparabel beschädigter Hauben feststellen zu können, würde ein auf den Einzelfall bezogener Unterlas-sungsanspruch der Klägerin nicht verhindern, dass die Beklagten weiterhin in der Ausführung der ihnen erteilten Aufträge das Werk X.Y.s immer weiter zerstören.
5Sie beantragt,
6unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf die Beklagten zu verurteilen,
71. es ab sofort und in Zukunft zu unterlassen, Plexiglashauben sowie Hohlspiegel und Flachspiegel von Werken X.Y.s ohne vorherige Einwilligung der X.Y.-Stiftung zu erneuern,
82. Auskunft zu erteilen über sämtliche seit dem 01.01.2013 vorgenomme-nen Erneuerungen von Plexiglashauben sowie Hohlspiegeln und Flachspiegeln an Werken X.Y.s mit Ausnahme solcher, die in Abstimmung mit der X.Y.-Stiftung selbst erfolgten, und ihre diesbezüglichen Rechnungen in Kopie vorzulegen,
93. sämtliche Personen mit vollständigem Nehmen und Anschriften zu benennen, für die sie die unter 2. aufgeführten Erneuerungen vorge-nommen haben.
10Die Beklagten beantragen,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.
13Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
14Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Erfolg. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insoweit ist zu sagen:
15Das Landgericht hat zu Recht nur geprüft, ob der Klägerin gegenüber den Be-klagten ein genereller Anspruch auf Unterlassung der Erneuerung von Teilen an Werken X.Y.s ohne ihre Einwilligung zusteht. Denn das und nur das hat die Klägerin mit dem Antrag zu 1.) zur Entscheidung gestellt. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt, indem sie ausgeführt hat, eine Verurteilung der Beklagten, bestimmte Maßnahmen am Werk X.Y.s nicht vorzunehmen, z.B. die Proportionen nicht zu verändern, helfe ihr – der Klägerin – nicht weiter. Damit ist ausgeschlossen, das Begehren der Klägerin im Wege der Auslegung hilfsweise auf eine konkrete Verletzungsform zu beschränken. Denn eine Abspaltung als „minus“ scheidet aus, wenn der Kläger ausdrücklich an seinem Antrag festhält und jede Einschränkung ablehnt (vgl. BGH GRUR 1998, 489 (492) – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH GRUR 2002, 187 (188) – Lieferstörung).
16Ein so weitgehender Anspruch, wie im Antrag formuliert, besteht nicht.
17Dass die Erneuerung von Plexiglashauben, Hohlspiegeln und/oder Flachspiegeln an Werken X.Y.s in jedem Fall zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 UrhG, nämlich einer Entstellung oder anderen Beeinträchtigung des Werkes führt, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, hat die Klägerin bereits nicht schlüssig darzulegen vermocht. Denn sie trägt selber vor, dass dann, wenn ein Einzelteil irreparabel beschädigt ist, man, wenn nichts anderes dokumentiert ist, vom mutmaßlichen Willen eines Künstlers ausgehen kann, dass dieses Teil „originalgetreu“ ausgetauscht wird, damit das Kunstwerk im Übrigen als solches erhalten bleibt. Eine Dokumentation im genannten Sinn von einem einer Restauration in jeglicher Form entgegen stehenden Willen X.Y.s hat die Klägerin nicht vorgetragen. Vielmehr führt sie in ihren eigenen Leitlinien zur Restaurierung (Anlage B 2, Bl. 71 f GA) aus:
18„...
19Die Originalität und Authentizität eines Y.-Objektes beruht auf dem Material sowie auf der Herstellungsweise, der Zusammensetzung der Spiegelelemente, Kunststoffhauben und Rahmen aus der Zeit ihrer Entstehung.
20Eine fachgerechte Restaurierung zielt deshalb in erster Linie auf Substanzerhaltung. Neben präventiven Pflege- und Wartungsmaßnahmen (vorbeugende Schutzmaßnahmen) dienen Konservierungsmaßnahmen der materiellen Sub-stanzsicherung. Dabei werden Alterungs- und Gebrauchsspuren (Patina) als Be-standteil des Originals betrachtet, sofern sie die künstlerische Aussage nicht beeinträchtigen. Reinigen und Polieren der Originalsubstanz hat deshalb den Vor-rang vor einer Erneuerung der Teile.
21Im Einzelfall, zum Beispiel bei zerbrochenen oder stark korrodierten Spiegeln, kann jedoch ein Austausch der Spiegel notwendig sein, um den künstlerischen Wert oder die Aussage des Werkes wiederherzustellen. Diese Aussage bezieht sich auch auf den Austausch von Plexiglashauben, die integrale Bestandteile der Kunstwerke sind.
22...“
23Einen Einwilligungsvorbehalt hat der Gesetzgeber, wie schon vom Landgericht dargelegt, bewusst nicht vorgesehen und den Urheber damit auf das Vorgehen im Einzelfall verwiesen. Der Klägerin ist es daher schon aus diesem Grund verwehrt, die Beklagten über den begehrten Einwilligungsvorbehalt – gleich aus welchem Grund – von vorneherein von Arbeiten am Werk X.Y.s auszuschließen. Auf Einzelfälle nimmt die Klägerin zwar in ihrem Vorbringen Bezug. Sie sind jedoch – wie schon gesagt – nicht Gegenstand des Antrags.
24III.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
27Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), besteht angesichts der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, den Eigentümer eines Originalwerkes der bildenden Kunst nicht damit zu belasten, sich im Falle von restauratorischen Maßnahmen an den Urheber wenden zu müssen, nicht.
28Streitwert für die Berufungsinstanz: 20.000,- € (hiervon entfallen auf jeden Beklagten 10.000,- €; entsprechend der erstinstanzlichen, von keiner Partei angegriffenen Festsetzung)
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