Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 4 U 72/18
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juli 2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dü;sseldorf, Az. 9 O 310/17, teilweise, nämlich hinsichtlich der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 14% und die Beklagte zu 86%.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der seiner Auffassung nach rechtswidrigen Ablehnung seines Antrags auf Versicherung im Basistarif auf Schadenersatz in Anspruch.
41.
5Zum 1. Juli 2010 schloss der Kläger bei der … Krankenversicherung AG (nachfolgend: … Versicherung) einen Krankheitskostenversicherungsvertrag.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. August 2017 erklärte der Kläger gegenüber der … Versicherung die ordentliche Kündigung der bestehenden Versicherungsverhältnisse.
7Mit Schreiben vom 21. August 2017 (Anl. SNP 3) bestätigte die … Versicherung dem Kläger „die ordentliche Kündigung für die Tarife MP1, TA06/70 und PPN (…) zum nächstmöglichen Zeitpunkt, wies den Kläger aber zugleich darauf hin, „für Wirksamkeit der Kündigung der Tarife MP1 und PPN gemäß § 205 Abs. 2 und 6 VVG einen Nachweis über eine anderweitige substitutive private Krankenversicherung oder gesetzliche Krankenversicherung im Anschluss (…) entsprechend § 193 Abs. 3 VVG“ zu benötigen.
82.
9Auf Anfrage übersandte die Beklagte dem Kläger am 8. August 2017 Informationen zum Basistarif sowie ein Antragsformular. Der Kläger reichte das von ihm ausgefüllte, unterzeichnete und auf den 14. August 2017 datierte Antragsformular (Anl. SNP5) bei der Beklagten ein. Er begehrte Versicherungsschutz ab dem 1. September 2017. Das Antragsformular beinhaltet unter anderem folgende Angaben des Klägers:
10„B. Sind Sie bei einer Privaten Krankenversicherung versichert? ja nein
11⊠ □
12C. Wo besteht der Versicherungsschutz? Welche Leistungen sind im Versicherungsschutz enthalten? (z.B. ambulante/stationäre Absicherung) Seit wann?
13R+V Vollversicherung 2009
14Hinweis: die weitere Prüfung erfolgt anhand Ihrer vollständigen Angaben im beigefügten Antrag.“
15Des weiteren heißt es in dem ausgefüllten Antragsformular wörtlich:
16„Weitere Fragen:
17a. Waren Sie jemals in der Vergangenheit in Deutschland Ja Nein
18selbst oder über die Eltern/den Ehegatten gesetzlich oder ⊠ □
19privat versichert?
20(z.B. private oder gesetzliche Krankenversicherung, Heilfür-
21sorge, Beihilfe)
22Unternehmen? Welche Leistungen (…)? von - bis
23… Vollversicherung 2009-baw“.
24Mit mehreren Schreiben vom 8. September 2017 (Anl. SNP 6) verweigerte die Beklagte das Zustandekommen des Vertrages mit der Begründung, dass die Versicherung des Klägers beim Vorversicherer fortbestehe bzw. bereits ein Vertragsverhältnis bei der … Versicherung bestehe.
25Auf die anwaltliche Aufforderung des Klägers zur Annahme seines Antrags, enthalten in einer anwaltlichen Email vom 13. bzw. 19. September 2017, wiederholte die Beklagte mit Schreiben vom 21. September 2017 (Anl. SNP 7) ihre bereits zuvor geäußerte Rechtsauffassung.
26Auch nachdem der Kläger der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 25. September 2017 (Anl. SNP 8) eine Kopie seiner auf den 2. August 2017 datierten Kündigungserklärung gegenüber der … Versicherung und des Bestätigungsschreibens der … Versicherung vom 21. August 2017 (Anl. SNP 3) hatte zukommen lassen und sie unter Fristsetzung zum 27. September 2017 nochmals zur Bestätigung des Vertragsschlusses aufgefordert hatte, verweigerte die Beklagte die Versicherung des Klägers im Basistarif weiterhin.
273.
28Seit dem 1. November 2017 ist der Kläger über die H.-C.-Krankenversicherung AG (nachfolgend: H.) im Basistarif krankenversichert.
294.
30Dem Kläger entstanden die im Schriftsatz vom 12. Dezember 2017, dort auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 16 f. d. GA), im Einzelnen aufgeführten Behandlungs- und Arzneimittelkosten in Höhe von insgesamt € 2.555,81, deren Erstattung der Kläger im Wege des Schadenersatzes von der Beklagten begehrt. Auf den Inhalt der diesem Betrag zugrunde liegenden Rechnungen und Verordnungen (Anlagen SNP 10 bis SNP 20) wird Bezug genommen.
315.
32Die außergerichtlich entstandenen und vom Rechtsschutzversicherer des Klägers gezahlten Rechtsverfolgungskosten belaufen sich auf € 691,33. Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 (Anl. SNP 26) trat der Rechtsschutzversicherer seine Erstattungsforderung an den Kläger ab.
33Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auf der Grundlage von § 280 Abs. 1 BGB wegen rechtswidriger Nichtversicherung zum 1. September 2017 zur Erstattung der begehrten Krankheitskosten in Höhe von € 2.555,81 verpflichtet. Die Ablehnung seines Antrags auf Versicherung im Basistarif der Beklagten sei evident rechtswidrig. Er habe gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG einen Anspruch darauf gehabt, dass die Beklagte seinen Antrag auf Versicherung im Basistarif zum 1. September 2017 annehme. Gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG müsse der Antrag vom Krankenversicherer bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrages bei einem anderen Krankenversicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht wirksam geworden sei.
34Der Kläger hat in diesem Zusammenhang behauptet, in der streitgegenständlichen Zeit keinen anderweitigen Anspruch auf Erstattung von Behandlungskosten gehabt zu haben. Die … Versicherung habe mit Schreiben vom 4. Mai 2017 (Anl. SNP 23) jegliche Leistung verweigert. Deswegen sei er zwingend auf die anderweitige Begründung eines effektiven Versicherungsschutzes angewiesen gewesen. Bei Annahme seines Antrags auf Abschluss der Krankenversicherung im Basistarif zum 1. September 2017 - wie vom Gesetz gefordert - hätte er die Rechnungen bei der Beklagten einreichen und Erstattung verlangen können. Bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bei dem Vorversicherer habe es ihm frei gestanden, Leistungen entweder bei dem Vorversicherer oder bei der Beklagten aufgrund des Basistarifs zu beanspruchen.
35Mit am 9. Oktober 2017 beim Landgericht eingegangener und der Beklagten am 28. November 2017 zugestellter Klageschrift vom 5. Oktober 2017 hat der Kläger erstinstanzlich ursprünglich beantragt,
36die Beklagte zu verurteilen,
371. ihm ab dem 01.09.2017 Krankenversicherung im Basistarif gemäß § 152 VAG zu gewähren,
382. an ihn € 691,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zum Ausgleich vorprozessualer Kosten anwaltlicher Vertretung zu zahlen.
39Nachdem die H. dem Kläger zum 1. November 2017 Krankenversicherungsschutz im Basistarif gewährt hatte, hat der Kläger den Klageantrag zu 1) mit am 13. Dezember 2017 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 zurückgenommen und beantragt, der Beklagten insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
40Klageerweiternd hat der Kläger beantragt,
41die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.555,81 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
42Die Beklagte hat beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage seien dem Kläger aufzuerlegen, weil er keinen Anspruch auf Aufnahme in ihren Basistarif zum 1. September 2017 gehabt habe. § 193 Abs. 5 S. 3 VVG sei nicht einschlägig; die Regelung beziehe sich auf das in § 193 Abs. 5 S. 2 VVG geregelte, zeitlich begrenzte sogenannte Wechselfenster in der Zeit bis zum 30. Juni 2009.
45Mit Urteil vom 18. Juli 2018 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein Anspruch auf Schadenersatz in der vom Kläger begehrten Höhe bestehe nicht, denn es sei kein kausaler Schaden ersichtlich. Unstreitig habe im streitgegenständlichen Zeitraum der Behandlung (September und Oktober 2017) bis zum 31. Oktober 2017 ein Krankenversicherungsvertrag des Klägers mit der … Versicherung bestanden. Seit dem 1. November 2017 sei der Kläger nahtlos bei der H. versichert. Dass es der Kläger versäumt habe, seinen versicherungsvertraglichen Anspruch gegen seinen damaligen Vertragspartner, gegenüber der … Versicherung geltend zu machen, könne nicht zu einer Schadenersatzpflicht der Beklagten führen. Das Schreiben der … Versicherung vom 4. Mai 2017 beinhalte keine endgültige Leistungsablehnung. Auch die Kosten des mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 zurückgenommenen Antrags zu 1) seien gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nach billigem Ermessen dem Kläger aufzuerlegen. Unter Zugrundelegung des in der Praxis absolut herrschenden „Erledigungsbegriffs“ im Sinne von § 91a ZPO sei der Anlass zur Klageerhebung im Sinne von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO weggefallen, wenn eine Klage bis zu diesem Ereignis zulässig und begründet gewesen und durch ein vor Eintritt ihrer Rechtshängigkeit liegendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden sei. Es erscheine zweifelhaft, ob die Klage mit Aufnahme des Klägers in den Basistarif der H. zum 1. November 2017 unbegründet geworden sei. Denn die Aufnahme hindere den Kläger nicht daran, sein Begehren, die Aufnahme im Basistarif der Beklagten, weiterzuverfolgen. Die Frage des Anlasswegfalls könne aber dahinstehen. Denn jedenfalls aus Billigkeitserwägungen seien dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Durch die Stellung eines Aufnahmeantrags bei der H. habe der Kläger vorsätzlich und willkürlich die Unbegründetheit der Klage herbeigeführt. Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, das hiesige Klageverfahren abzuwarten und ein stattgebendes Urteil zu erstreiten.
46Gegen das ihm am 23. Juli 2018 zugestellte Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2018 hat der Kläger mit am 13. August 2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. August 2018 Berufung eingelegt und diese mit am 24. September 2018 - einem Montag - bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums begründet.
47Der Kläger wendet ein, das Landgericht verneine einen Schadenersatzanspruch zu Unrecht. Die Verweigerung seiner Aufnahme im Basistarif sei sine qua non für seinen Schaden. Hätte die Beklagte ihn aufgenommen, hätte sie ihm die streitgegenständlichen Behandlungskosten erstatten müssen. Der Verweis auf den damals noch bestehenden Versicherungsvertrag bei der … Versicherung gehe fehl. Denn die Beklagte habe nicht bewiesen, dass ihm eine Erstattung seitens der … Versicherung zugestanden hätte. Ein Prozess gegen die … Versicherung sei ihm nicht zumutbar gewesen. Zudem hätte ein Prozess gegen die … Versicherung die komplexen Themen betroffen, wann und unter welchen Umständen ein Versicherungsnehmer dem Krankenversicherer welche Informationen und Unterlagen zu früheren Gesundheitsdaten vorlegen müsse. In der Folge hätte der Prozess mindestens neun Monate gedauert; in dieser Zeit wäre er ohne effektiven Krankenversicherungsschutz gewesen. Dass er gegen die … Versicherung hätte Klage erheben können, könne die Beklagte auch nicht entlasten. Das Wechselrecht gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG bestehe schon dann, wenn bei einer Kündigung des Vertrages bei einem anderen Versicherer die dortige Kündigungsfrist nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht abgelaufen sei. Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts sei nicht frei von Rechtsfehlern. Der Anlass zur Einreichung der Klage sei im Sinne von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO weggefallen. Sogleich nach der positiven Aufnahmeentscheidung der H. habe er seinen Antrag bei der Beklagten zurückgenommen, wodurch die Begründetheit der auf Aufnahme gerichteten Klage weggefallen sei. Die Kostenentscheidung des Landgerichts entspreche auch nicht der Billigkeit. Denn hätte er den Antrag wegen der Versicherung bei der H. nicht zurückgenommen, hätte der Klage auf Aufnahme in den Basistarif stattgegeben werden müssen. Die Frage nach der Verursachung des erledigenden Ereignisses sei grundsätzlich kein für die Kostenentscheidung relevanter Billigkeitsgesichtspunkt. Ihm, dem Kläger, sei es nicht zuzumuten gewesen, zunächst das Klageverfahren gegen die Beklagte abzuwarten, andernfalls er mindestens neun Monate ohne Krankenversicherungsschutz gewesen wäre.
48Der Kläger beantragt,
49unter Abänderung des am 18. Juli 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az. 9 O 310/17,
501. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.555,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
512. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 691,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zum Ausgleich vorprozessualer Kosten anwaltlicher Vertretung zu zahlen,
523. der Beklagten insbesondere die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu 1) aufzuerlegen.
53Die Beklagte beantragt,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor, das Landgericht weise zutreffend darauf hin, dass sich der Kläger bezüglich der Behandlungen, aus denen die von ihm begehrten Kosten resultierten, an seinen damaligen Vertragspartner halten müsse, und dass in dem Schreiben der … Versicherung vom 4. Mai 2017 keine endgültige Ablehnung der Versicherungsleistung durch die … Versicherung liege. Falsch sei die Auffassung des Klägers, sie, die Beklagte, habe nachweisen müssen, dass dem Kläger eine entsprechende Erstattung seitens der … Versicherung zugestanden hätte. Vielmehr sei es Sache des Klägers darzulegen, dass ihm gegenüber der … Versicherung kein Erstattungsanspruch zugestanden habe, wohl aber ihr gegenüber aus dem Basistarif zugestanden hätte. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif gehabt. Die Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 S. 2 VVG hätten in der Person des Klägers nicht vorgelegen, denn zum Zeitpunkt der Antragstellung habe noch die Krankheitskostenvollversicherung bei der … Krankenversicherung bestanden, die auch nicht wirksam gekündigt gewesen sei. Aus dem Basistarif hätten dem Kläger zudem nur Erstattungen in Höhe von € 1.132,15 zugestanden; von diesem Betrag hätten die vom Kläger für September und Oktober 2017 zu zahlenden Monatsbeiträge in Höhe von jeweils € 680,78 abgezogen werden müssen. Das Landgericht gehe zutreffend davon aus, dass der Anlass des ursprünglichen Begehrens des Klägers - Versicherungsschutz im Basistarif der Beklagten ab dem 1. September 2017 - durch die Aufnahme bei der H. zum 1. November 2017 nicht weggefallen sei. Die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung entspreche auch der Billigkeit. Schließlich habe der Kläger durch den Aufnahmeantrag bei der HUK mit Wissen und Wollen die Unbegründetheit der Klage herbeigeführt.
56Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
57II.
58Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2018 ist zulässig; insbesondere wurde die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 und 520 ZPO). In der Sache ist die Berufung unbegründet.
591.
60Die Berufung des Klägers ist zulässig.
61Zwar wendet sich der Kläger mit seiner Berufung gegen die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Denn der Kläger greift die landgerichtliche Entscheidung auch insoweit an, als seine nach teilweiser Klagerücknahme aufrecht erhaltenen Klageanträge abgewiesen worden sind; insoweit richtet sich sein Rechtsmittel auch gegen die Entscheidung in der Hauptsache, § 99 Abs. 1 ZPO.
62Ein Fall der Umgehung der Rechtsmittelsperre des § 99 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor.
63Ein Rechtsmittel darf trotz formeller Beschwer nur dann als Umgehung des § 99 Abs. 1 ZPO angesehen und deshalb als unzulässig verworfen werden, wenn der Wille, das Urteil nur wegen des Kostenpunktes zu bekämpfen, gleichsam mit den Händen zu greifen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn es schlechthin ausgeschlossen ist, dass ein solcher Rechtsmittelkläger an dem zur Hauptsache gestellten Antrag um seiner selbst willen ein verständiges und schutzwürdiges Interesse hat, wenn er also offensichtlich das Rechtsmittel zur unzulässigen Anfechtung der Kostenentscheidung missbraucht, der Sachantrag daher ganz eindeutig eine bloße Maske ist, die das ausschließliche Interesse an der Änderung der Kostenentscheidung verdeckt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Rechtsmittelkläger ersichtlich an dem noch für streitig erklärten Betrag kein schutzwürdiges Interesse haben kann oder eine nähere Begründung des Rechtsmittels zur Hauptsache ablehnt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975, Az. VI ZR 202/74, zitiert nach juris, Rdnr. 10; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Mai 2019, Az. 17 U 197/18, zitiert nach juris, Rdnr. 33).
64Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
652.
66Die Berufung ist hinsichtlich des begehrten Schadenersatzes unbegründet.
67a)
68Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, so insbesondere nicht auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der im Schriftsatz vom 12. Dezember 2017, dort auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 16 f. d. GA), aufgeführten und mittels Rechnungen und Verordnungen (Anl. SNP 10 bis SNP 20) näher dargelegten Behandlungs- und Arzneimittelkosten.
69In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Beklagte den Antrag des Klägers auf Aufnahme in den Basistarif mit Wirkung zum 1. September 2017 oder zu einem späteren Zeitpunkt unter Verstoß gegen § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG zurückgewiesen hat. Denn jedenfalls steht nicht fest, dass dem Kläger aufgrund dieser Pflichtverletzung - ihr Vorliegen als gegeben unterstellt - ein Schaden entstanden ist, der darin besteht, dass dem Kläger die streitgegenständlichen Behandlungs- und Arzneimittelkosten nicht erstattet werden.
70Die Behandlungsrechnungen und Verordnungen (Anl. SNP 10 bis SNP 20) betreffen Behandlungen im Zeitraum vom 7. August bis zum 11. Oktober 2017 sowie die Verordnung von Arzneimitteln in der Zeit vom 5. September bis zum 18. Oktober 2017. Während dieses Zeitraums war der Kläger unstreitig bei der … Versicherung krankenversichert. Das Versicherungsverhältnis hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 2. August 2017 (Anl. SNP 2) ordentlich gekündigt, wie sich aus dem anwaltlichen Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 25. September 2017 (Anl. SNP 8) ergibt, mit Wirkung zum 31. Dezember 2017. Da die Krankenversicherung des Klägers im Basistarif der H. erst zum 1. November 2017 begonnen hat (vgl. Anl. SNP 9), ist die Kündigung des mit der … Versicherung bestehenden Krankenversicherungsvertrages jedenfalls nicht vor dem 31. Oktober 2017 wirksam geworden, § 205 Abs. 6 VVG.
71Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit die … Versicherung versicherungsvertraglich nicht zur Übernahme der bis zum 31. Oktober 2017 entstandenen Behandlungs- und Arzneimittelkosten verpflichtet war, die Beklagte bei einer Versicherung des Klägers im Basistarif ab dem 1. September 2017 hierzu aber verpflichtet gewesen wäre. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der … Versicherung vom 4. Mai 2017 (Anl. SNP 23) steht mit den hier streitgegenständlichen Behandlungs- und Arzneimittelkosten ersichtlich in keinem Zusammenhang; es wurde weit vor den hier streitgegenständlichen Behandlungszeiträumen verfasst. Leistungsabrechnungen, aus denen sich ergibt, dass und aus welchen Gründen die … Versicherung die Erstattung der hier streitgegenständlichen Behandlungs- und Medikamentenkosten aus zutreffenden Erwägungen abgelehnt hat, hat der Kläger trotz des entsprechenden Hinweises der Beklagten im Schriftsatz vom 1. Juni 2018 (Bl. 55 d. GA) nicht vorgelegt.
72b)
73Ferner hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, so insbesondere nicht auf der Grundlage von § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG und § 398 BGB einen Anspruch auf Erstattung der ihm vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Denn die streitgegenständlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht durch eine von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung verursacht worden, sie sind kein durch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten verursachter Schaden.
74Die insoweit streitgegenständlichen Rechtsanwaltskosten wurden bereits durch eine anwaltliche Email vom 13. bzw. 19. September 2017 ausgelöst, mit der die Anwälte für den Kläger auf das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 8. September 2017 (Anl. SNP 6) reagiert haben und auf die die Beklagte in ihrem an die Rechtsanwälte des Klägers adressierten Schreiben vom 21. September 2017 (Anl. SNP 7) Bezug genommen hat.
75Selbst wenn die mit Schreiben vom 8. September 2017 (Anl. SNP 6) zum Ausdruck gebrachte und die anwaltliche Email vom 13. bzw. 19. September 2017 veranlassende Verweigerung der Aufnahme des Klägers im Basistarif wegen Verstoßes gegen § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG objektiv pflichtwidrig gewesen sein sollte, hatte die Beklagte diese Pflichtwidrigkeit jedenfalls nicht zu vertreten.
76Denn wie sich aus den Schreiben der Beklagten vom 8. September 2017 (Anl. SNP 6) ergibt, ist die Beklagte zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass der Kläger bei der … Versicherung krankenversichert war und diese Versicherung (ungekündigt) fortbestand.
77Aufgrund der ihr durch den Kläger im Antragsformular zur Kenntnis gebrachten Tatsachen, durfte die Beklagte hiervon auch ausgehen. So hatte der Kläger im Antragsformular unter anderem angegeben:
78„Weitere Fragen:
79a. ;   Waren Sie jemals in der Vergangenheit in Deutschland Ja Nein
80selbst oder über die Eltern/den Ehegatten gesetzlich oder ⊠ □
81privat versichert?
82(z.B. private oder gesetzliche Krankenversicherung, Heilfür-
83  60; sorge, Beihilfe)
84Unternehmen? Welche Leistungen (…)? von - bis
85… ;   Vollversicherung 2009-baw“.
86Dass er den mit der … Versicherung bestehende Krankenversicherungsvertrag mit (anwaltlichem) Schreiben vom 2. August 2017 ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt - gemäß § 205 Abs. 1 S. 1 VVG zum 31. Dezember 2017 - gekündigt hatte, hat der Kläger der Beklagten bis zur Mandatierung seiner Anwälte auch gegenüber der Beklagten nicht zur Kenntnis gebracht; jedenfalls fehlt es an diesbezüglichem Vortrag.
87Die Beklagte durfte ihren Standpunkt daher (jedenfalls zunächst) für berechtigt halten. Denn die dem Versicherer durch § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 VVG auferlegte Pflicht zur Gewährung von Versicherungsschutz im Basistarif dient dem Zweck, dass die in der privaten Krankenversicherung versicherungspflichtigen Personen ihre Versicherungspflicht erfüllen können. Zum maßgeblichen Zeitpunkt durfte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger seiner Versicherungspflicht auch ohne die Annahme seines Antrags auf Aufnahme in den Basistarif entsprach, nämlich durch die bei der … Versicherung fortbestehende Krankenversicherung.
883.
89Abzuändern ist das angefochtene Urteil allerdings in dessen Kostenentscheidung, die das Berufungsgericht auch ohne Rechtsmittelangriff insgesamt von Amts wegen zu überprüfen hat (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 528 ZPO, Rdnr. 38; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Mai 2019, Az. 17 U 197/18, zitiert nach juris, Rdnr. 40).
90Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sind zu quoteln, §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.
91Hinsichtlich der nach teilweiser Klagerücknahme verbleibenden, im Ergebnis unbegründeten Klageanträge richtet sich die Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 ZPO; insoweit ist der Kläger kostenbelastet. Hinsichtlich der vom Kläger nach der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte erklärten Rücknahme des auf Gewährung der Krankenversicherung im Basistarif der Beklagten ab dem 1. September 2017 gerichteten Klagebegehrens richtet sich die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Insoweit entspricht es unter Berücksichtigung des damaligen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Beklagte mit den hierauf entfallenden Kosten des Rechtsstreits zu belasten.
92a)
93Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 neu eingeführt worden. Sie stellt eine Ausnahme von dem - unverändert gebliebenen - Grundsatz dar, dass der Kläger, der seine Klage zurückgenommen hat, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). Diese „Kostenautomatik" galt nach bisheriger Rechtslage selbst dann, wenn der Beklagte Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hatte, der Anlass aber - etwa durch Leistung des Beklagten - vor Zustellung der Klage weggefallen war und der Kläger daraufhin die Klage zurückgenommen hatte. In derartigen Fällen war dem Kläger auch der Weg über eine Erledigungserklärung mit dem Ziel einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO verschlossen, da dies eine Erledigung des Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit voraussetzt. Es blieb ihm deshalb lediglich die Geltendmachung eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs in einem neuen Prozess.
94Diese unbefriedigende und mit dem Gedanken der Prozessökonomie nicht zu vereinbarende Rechtslage hat den Gesetzgeber veranlasst, durch die Einfügung des neuen Satzes 3 in § 269 Abs. 3 ZPO dem Gericht einen Weg zu eröffnen, einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung zu tragen, ohne dass ein neues Verfahren erforderlich wird (vgl. dazu im Einzelnen die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 269 Abs. 3 ZPO, BT-Drucks. 14/4722, S. 80 f).
95§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO macht die Möglichkeit einer Kostenentscheidung nach billigem Ermessen lediglich von zwei Voraussetzungen abhängig, nämlich dem Wegfall des Anlasses zur Erhebung der Klage vor Rechtshängigkeit und der anschließenden unverzüglichen Klagerücknahme (BGH, Beschluss vom 18. November 2003, Az. VIII ZB 72/03, zitiert nach juris, Rdnr. 4 ff.). Der Wegfall des Anlasses kann sich dabei nicht allein aus einer Erfüllung ergeben, auch wenn dies der Hauptfall des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO sein mag (vgl. BT-Drs. 14/4722 S. 81: "etwa" durch Leistung des Beklagten weggefallener Anlass), sondern - nicht anders als im Anwendungsbereich des § 91a ZPO - auch aus anderen Umständen, die dazu führen, dass das Rechtsschutzbegehren unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 269 ZPO Rdnr. 59; KG Berlin, Beschluss vom 26. November 2018, Az. 8 W 58/18, zitiert nach juris, Rdnr. 13).
96b)
97Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
98aa)
99Das Rechtsschutzbegehren des Klägers, gerichtet auf seine Aufnahme in den Basistarif der Beklagten mit Wirkung ab dem 1. September 2017, war im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig und jedenfalls insoweit begründet, als der Kläger einen Anspruch auf Gewährung des Krankenversicherungsschutzes im Basistarif der Beklagten mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 hatte.
100Gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 VVG ist der Versicherer verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung im Sinne des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen wird, Versicherung im Basistarif nach § 152 VAG zu gewähren. Der Antrag muss gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG bereits dann angenommen werden, wenn bei einer Kündigung eines Vertrages bei einen anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht wirksam geworden ist. Angenommen werden muss der Antrag jedenfalls mit Wirkung zum Ablauf der Kündigungsfrist, also zu dem Zeitpunkt, in dem die Kündigung den Vertrag bei dem anderen Versicherer beendet - hierzu nachfolgend unter II.3 lit. b) aa) (2) -, hier also zum 1. Januar 2018.
101(1) Die Anwendung von § 193 Abs. 5 S. 3 VVG allein auf das in § 193 Abs. 5 S. 2 VVG geregelte, zeitlich begrenze Wechselfenster in der Zeit bis zum 30. Juni 2009 zu begrenzen (vgl. Bl. 27 d. GA), ist weder mit dem Wortlaut der Regelung und der Gesetzsystematik vereinbar, noch tragen die Entstehungsgeschichte und die der Einfügung der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Erwägungen dieses Auslegungsergebnis.
102(1.1) Gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG muss „der Antrag“ bereits dann angenommen werde, wenn bei einer Kündigung des Vertrages bei einem anderen Versicherer die Kündigung nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht wirksam geworden ist.
103Auch in der § 193 Abs. 5 S. 3 VVG unmittelbar nachfolgenden Regelung des § 193 Abs. 5 S. 4 VVG ist von dem „Antrag“ die Rede, wobei nicht zweifelhaft ist, dass § 193 Abs. 5 S. 4 VVG die Ausnahmen von dem gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 VVG bestehenden generellen Kontrahierungszwang betrifft.
104In § 193 Abs. 5 S. 2 VVG ist demgegenüber von einem Antrag gerade nicht die Rede. Gemäß § 193 Abs. 5 S. 2 VVG konnten sogenannte Altbestandskunden, also Versicherungsnehmer, deren privater Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen worden war, einen Tarifwechsel in den Basistarif des eigenen Versicherers oder den Abschluss eines Vertrages im Basistarif eines anderen Versicherers unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs. 1 VVG nur bis zum 30. Juni 2009 „verlangen“. Im Fokus dieser Regelung steht bzw. stand die Mitnahme der Altersrückstellungen.
105Nach sowohl Wortlaut als auch Systematik ist dem Begriff des Antrags im Sinne von § 193 Abs. 5 S. 3 VVG eine weite Bedeutung beizumessen.
106(1.2) Auch die Entstehungsgeschichte und die der gesetzlichen Regelung des § 193 Abs. 5 S. 3 VVG zugrunde liegenden Erwägungen sprechen dagegen, den Anwendungsbereich der Regelung auf § 193 Abs. 5 S. 2 VVG zu beschränken.
107In der Gesetzbegründung zu der hier in Rede stehenden Regelung des § 193 Abs. 5 S. 3 VVG heißt es wörtlich (vgl. BT-Drs. 16/4247, Seite 68):
108„Um Wechselmöglichkeiten des Versicherten nicht zu behindern, besteht nach Absatz 7 Satz 3 der Kontrahierungszwang bereits dann, wenn privat Versicherte ihren bisherigen Vertrag gekündigt haben, die Kündigung jedoch nach § 178h Abs. 6 Satz 2 noch nicht wirksam geworden ist.“
109Sicherlich bestand gerade in den Fällen des Wechsels oder der Kündigung eines Altvertrages, also eines vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossenen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrages, zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrages im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs. 1 VVG die Notwendigkeit der mit § 193 Abs. 5 S. 3 VVG bezweckten Absicherung.
110Die Regelungen der § 193 Abs. 3 bis 7 VVG wurden durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes eingeführt und traten mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in Kraft (Reinhard in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 193 VVG Rdnr. 4; Kalis in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, Band 3 §§ 192-215 VVG, 2009, § 193 VVG Rdnr. 16; Voit in: Prölss/Martin, VVG30. Aufl. 2018, § 193 VVG Rdnr. 8), der kündigende Altbestandskunde war mangels des Bestehens eines Sonderkündigungsrechts im Falle eines Versichererwechsels aber an die Kündigungsfrist des § 205 Abs. 1 S. 1 VVG - drei Monate zum Ende des Jahres - gebunden. Allein um eine Behinderung des Wechselrechts unter Mitnahme der Altersrückstellungen durch das in § 193 Abs. 5 S. 2 VVG hierfür bis zum 30. Juni 2009 vorgesehene enge Zeitfenster zu verhindern, sei nun - so wird vertreten (Reinhard in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 193 VVG Rdnr. 25) - in § 193 Abs. 5 S. 3 VVG die Anordnung getroffen worden, dass der Antrag beim neuen Versicherer bereits vor Wirksamwerden der Vertragskündigung beim bisherigen Versicherer anzunehmen ist. Ohne die Verpflichtung zur Annahme des Antrags unabhängig vom Zeitpunkt des materiellen Wirksamwerdens der Kündigung wäre Altkunden in der privaten Krankenversicherung die Möglichkeit verwehrt, die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) VVG für die Mitgabe der Altersrückstellungen zu erfüllen (Marko in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2008, § 193 VVG Rdnr. 21). § 204 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) VVG setzt neben der Kündigung des Altvertrages nämlich den „gleichzeitigen Abschluss eines neuen Vertrages“ bei einem anderen Krankenversicherer voraus.
111Eine Absicherung der Wechselmöglichkeit des Versicherten ist jedoch auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 193 Abs. 5 S. 2 VVG bei jedem Versichererwechsel geboten, wie gerade der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt zeigt.
112Ein Versicherungsnehmer, der sein bestehendes privates Versicherungsverhältnis kündigen und in den Basistarif eines anderen Versicherungsunternehmens wechseln möchte, ist gehalten, seinen Versicherungsvertrag ordentlich zu kündigen. Die gemäß § 205 Abs. 1 S. 1 VVG zum Jahresende mit einer Frist von drei Monaten zulässige ordentliche Kündigung des Versicherungsvertrages durch den der Versicherungspflicht des § 193 Abs. 3 VVG unterliegenden Versicherungsnehmer wird gemäß § 205 Abs. 6 S. 2 VVG aber nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Monaten nach der Kündigungserklärung nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist; liegt der Termin, zu dem die Kündigung ausgesprochen wurde, mehr als zwei Monate nach der Kündigungserklärung, muss der Nachweis bis zu diesem Termin erbracht werden (vgl. Voit in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 205 VVG Rdnr. 4; Reinhard in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 205 VVG Rdnr. 23). Bis zur Erbringung des Anschlussversicherungsnachweises ist die Kündigung schwebend unwirksam (Reinhard in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 205 VVG Rdnr. 23).
113Solange die Kündigung des bisherigen Versicherungsvertrages nicht wirksam geworden ist, sind die Voraussetzungen des gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 VVG bestehenden Kontrahierungszwangs aber nicht erfüllt. Denn im Rahmen der dem Versicherer durch § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 VVG auferlegten Pflicht zur Gewährung von Versicherungsschutz im Basistarif (ungeschriebene) Voraussetzung des Aufnahmeanspruchs des Versicherungsnehmers ist, dass der bestehende private Krankheitskostenversicherungsvertrag gek2;ndigt wurde.
114Der durch § 193 Abs. 5 S. 1 VVG normierte Kontrahierungszwang des Versicherers korrespondiert mit der in § 193 Abs. 3 VVG normierten Versicherungspflicht und soll sicherstellen, dass die in der privaten Krankenversicherung versicherungspflichtigen Personen ihre Versicherungspflicht erfüllen können (Reinhard in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 193 VVG Rdnr. 24). Die Verbindung von Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG und Kontrahierungszwang im Basistarif nach § 193 Abs. 5 VVG dient dabei dem gesetzgeberischen Ziel, dem der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis einen ausreichenden und bezahlbaren lückenlosen Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009, Az. 1 BvR 706/08, zitiert nach juris, Rdnr. 171 f.; vgl. auch BT-Drs. 16/4247, Seite 66).
115§ 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 VVG liegt also ersichtlich eine Konstellation zugrunde, bei der der Versicherte aus einer bestehenden Krankheitskostenversicherung in die Versicherung im Basistarif wechseln möchte. Das setzt aber bei der Wahl eines anderen Versicherers zwingend die Beendigung des bestehenden Versicherungsvertrages voraus. Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem in § 193 Abs. 5 VVG geschaffenen Kontrahierungszwang eine Doppelversicherung ermöglichen wollte oder gar anstrebte.
116Die Beschränkung der Anwendung von § 193 Abs. 5 S. 3 VVG auf § 193 Abs. 5 S. 2 VVG liefe darauf hinaus, dass der Versicherer ‑ wie es die Beklagte ja nun auch getan hat ‑ die Aufnahme des Versicherungsinteressenten im Basistarif wegen der noch nicht wirksam gewordenen Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages mit dem bisherigen Versicherer ablehnen dürfte, obwohl die Wirksamkeit der Kündigung nur durch den Nachweis der unmittelbaren Anschlussversicherung herbeigeführt werden kann.
117Um dem Versicherungsnehmer den Wechsel zu ermöglichen, muss der Versicherer daher verpflichtet sein, den Antrag des wechselwilligen Versicherungsnehmers bereits dann anzunehmen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrages beim bisherigen Krankenversicherer zwar erklärt, aber nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht wirksam geworden ist (vgl. Gesetzbegründung BT-Drs. 16/4247, Seite 68).
118(2) Dass der Versicherer gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG verpflichtet ist, den Antrag des wechselwilligen Versicherungsnehmers bereits dann anzunehmen, wenn die Kündigung des Vertrages bei einem anderen Versicherer nach § 205 Abs. 1 S. 1 VVG noch nicht wirksam geworden ist, besagt aber nicht, dass der Versicherer zur Annahme des Antrags auf Aufnahme in den Basistarif mit sofortiger Wirkung gehalten ist.
119Zwar ist der Versicherungsinteressent berechtigt, innerhalb der Kündigungsfrist des § 205 Abs. 1 S. 1 VVG seinen Antrag auf Krankenversicherung im Basistarif zu stellen; der Versicherer ist auch zur umgehenden unverzüglichen Antragsannahme verpflichtet, dies indes erst mit Wirkung nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 205 Abs. 1 S. 1 VVG.
120Der mit dem Kontrahierungszwang im Basistarif einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit von privaten Versicherungsunternehmen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009, Az. 1 BvR 706/08, zitiert nach juris, Rdnr. 171 ff.) gebietet es, die Ausgestaltung des Kontrahierungszwang auf das zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels der Gewährleistung eines ausreichenden und bezahlbaren lückenlosen Krankenversicherungsschutz aller der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personen (BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009, Az. 1 BvR 706/08, zitiert nach juris, Rdnr. 171 f.; vgl. auch BT-Drs. 16/4247, Seite 66) erforderliche Maß zu beschränken.
121Da der kündigende Versicherungsnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durch seinen Altvertrag krankenversichert ist, genügt es zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, dass die gemäß § 193 Abs. 5 S. 3 VVG bereits vor Wirksamwerden der Kündigung zu erklärende Annahme des Antrags auf Versicherung im Basistarif erst mit Ablauf der Kündigungsfrist Wirksamkeit entfaltet. Es liegt in der Hand des wechselwilligen Versicherungsnehmers, die Beendigung des Altvertrages rechtzeitig in die Wege zu leiten.
122(3) Nachdem der Kläger den bei der … Versicherung bestehenden Krankenversicherungsvertrag mit Schreiben vom 2. August 2017 (Anl. SNP 2) ordentlich, also mit Wirkung zum 31. Dezember 2017 gekündigt und sodann unter dem 14. August 2017 die Aufnahme in den Basistarif der Beklagten beantragt hatte, um seinen lückenlosen Versicherungsschutz sicherzustellen, war die Beklagte gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG zur unverzüglichen Annahme des Antrags mit Wirkung zum 1. Januar 2018 verpflichtet. Sie war jedenfalls nicht berechtigt, die Annahme des Antrags unter Berufung auf den mit der … Versicherung fortbestehenden Krankenversicherungsvertrag abzulehnen, nachdem sie spätestens aufgrund des anwaltlichen Schreibens des Klägers vom 25. September 2017 (Anl. SNP 8) Kenntnis von der dem Schreiben in Kopie beigefügten Kündigungserklärung und dem Bestätigungsschreiben der … Versicherung vom 21. August 2017 hatte. Mit ihrem Verhalten hat die Beklagte den Kläger zur Klageerhebung veranlasst.
123bb)
124Indem die H. den Kläger - auf dessen Antrag - mit Wirkung ab dem 1. November 2017 im Basistarif versichert hat, ist das Klagebegehren des Klägers zwischen Anhängigkeit - 9. Oktober 2017 - und Rechtshängigkeit seines Klagebegehrens - 28. November 2017 - unbegründet geworden. Denn aufgrund des Bestehens eines ungekündigten Krankenversicherungsvertrages im Basistarif sind die Voraussetzungen des Kontrahierungszwangs gemäß § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und S. 3 VVG nicht mehr erfüllt.
125Dass der Kläger den Wegfall des Anlasses zur Klageerhebung selbst gesetzt, die Unbegründetheit seines Klagebegehrens selbst herbeigeführt hat, indem er einen Antrag auf Aufnahme in den Basistarif der H. gestellt hat, ist unschädlich. Denn wie im Rahmen von § 91a ZPO (vgl. Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91a ZPO, Rdnr. 5; BGH, Urteil vom 13. Mai 1993, Az. I ZR 113/91, NJW-RR 1993, 1319, 1319) kann der Grund für den Wegfall des Anlasses zur Klageerhebung auch jenseits der Parteisphäre liegen und sogar vom Kläger selbst gesetzt werden.
126Zudem hat die Beklagte den Kläger mit ihrer unhaltbaren Ablehnung hier veranlasst, sich an einen anderen Versicherer zu wenden.
127Der Kläger hat die Klage sodann mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 zurückgenommen.
128cc)
129Da der Kläger im Fall des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO eine vom Regelfall des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO abweichende Kostenentscheidung anstrebt, hat er - abweichend vom Fall des § 91a Abs. 1 ZPO - darzulegen und zu beweisen, dass seine Belastung mit Kosten billigem Ermessen widerspricht (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2005, Az. I ZB 37/05, NJW 2006, 775, 776).
130Dass seine Belastung mit allen Kosten des zurückgenommenen Klagebegehrens billigem Ermessen widerspricht, liegt aufgrund des gesetzwidrigen Verhaltens der Beklagten auf der Hand. Auch als die Beklagte von der Kündigung des Krankenversicherungsvertrages des Klägers mit der … Versicherung zum 31. Dezember 2017 Kenntnis hatte - diese Kenntnis wurde ihr spätestens mit dem anwaltlichen Schreiben des Klägers vom 25. September 2017 (Anl. SNP 8) vermittelt - sah sie sich nicht veranlasst, den Antrag des Klägers jedenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2018 anzunehmen.
131c)
132Entscheidet sich der Kläger - wie hier - für einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 ZPO, so kommt die Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 Ziff. 1 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz - eine Gerichtsgebühr statt drei Gerichtsgebühren - nicht zum Tragen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, Az. III ZR 156/12, zitiert nach juris, Rdnr. 13). Denn es hat eine sachliche Prüfung nicht nur der ursprünglichen Erfolgsaussicht der erledigten Klage, sondern auch des behaupteten erledigenden Ereignisses und gegebenenfalls eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zu erfolgen. Der Kläger muss darlegen und beweisen, dass seine Belastung mit Kosten billigem Ermessen widerspricht, und die Beklagte ihrerseits hat Anspruch auf rechtliches Gehör mit der Möglichkeit, Tatsachen vorzutragen und Beweismittel anzubieten (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2013, Az. III ZR 156/12, zitiert nach juris, Rdnr. 13 m. w. Nachw.).
133Dem hat der Senat mit der erstinstanzlichen Kostenquote Rechnung getragen.
1344.
135Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Denn die Berufung hat in dem für den Kläger neben der angegriffenen Hauptsache nicht minder wesentlichen Aspekt ‑ Abänderung des landgerichtlichen Urteils im Kostenpunkt zu seinen Gunsten ‑ Erfolg.
136Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
137Die Revision wird nicht zugelassen. Weder hat die Sache ein grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitliche Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
138Unter Abänderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil wird der Gegenstandswert des Rechtsstreits erster Instanz bis zum 13. Dezember 2017 auf € 28.592,76, nachfolgend auf € 2.555,81 festgesetzt.
139Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf € 2.555,81 festgesetzt.
140Die auf den zurückgenommenen Teil der ursprünglichen Klage entfallenden Kosten sind dem Wert der Hauptsache nicht hinzuzurechnen, weil dieser Teil nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014, Az. VI ZB 43/13, zitiert nach juris, Rdnr. 4 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 20. September 1962, Az. VII ZB 2/62, zitiert nach juris).
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- VIII ZB 72/03 1x (nicht zugeordnet)
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- 1 BvR 706/08 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
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