Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 16 W 45/21
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. September 2021 (12 O 77/21) abgeändert.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt.
Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Mönchengladbach verwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger, der in … ein mittelgroßes Architekturbüro leitet, das seinen Namen trägt, begehrt vom Beklagten, seinem Bruder, die Unterlassung bestimmter im Internet getätigter Äußerungen.
4Der Beklagte war beim Kläger aufgrund Arbeitsvertrags vom 19. Dezember 2019 (Anlage KuP 4) bis zum 30. November 2020 als Bauleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete infolge einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung. In dem Arbeitszeugnis (Anlage B2), welches der Kläger dem Beklagten ausstellte, gab er an, dass er dem Beklagten „aus emotionalen Gründen“ habe kündigen müssen.
5Der Beklagte war von der Kündigung überrascht und enttäuscht. Auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu.de bewertete er seinen Bruder als vormaligen Arbeitgeber in mehrfacher Hinsicht negativ. Beispielsweise führte er in der Bewertungskategorie „Umgang mit älteren Kollegen“ unter anderem aus:
6„Respektlos. Entlässt auch gerne Mitarbeiter über 50 Jahre.“
7Am 12. Januar 2021 machte ein Kunde des Klägers diesen auf eine bei Google zu findende Rezension aufmerksam, die von der Suchmaschine bei Eingabe des Namens des Architekturbüros des Klägers angezeigt wurde. In dieser Rezension (Anlage KuP 1) hieß es wörtlich unter anderem wie folgt:
8„… Architekten ist ein Inhaber geführtes Architekturbüro von Herrn … …. Vorrangiger Tätigkeitsbereich ist LP 1-5 der HOAI. Mach mal versucht man sich auch in den LP 6-9 aber nur mit mäßigem Erfolg. Die LP 6-9 werden meistens durch externe Leistungspartner erbracht bzw. abgedeckt, wenn überhaupt angedacht. Der Inhaber selbst ist ein Egomane und Narzisst, für den Geld immer an erster Stelle steht. […]“
9Der Kläger ließ diese Rezension, als deren Verfasser nach den Angaben im Internet sein Bruder erschien, löschen. Am 16. und am 19. Januar 2021 entdeckte er bei Google bei Eingabe des Namens seines Architekturbüros weitere Rezensionen ähnlichen Inhalts (Anlagen KuP 3 und 4), als deren Verfasser in dem einen Fall ein Herr … … und in dem anderen Fall erneut sein Bruder erschienen. In beiden Rezensionen hieß es wortgleich unter anderem wie folgt:
10„Menschlich ganz großes Kino!!!!! Familie bedeutet dem Inhaber nichts!!! Ex-Frau und seine beiden Kinder leben wiesawie in einer im Sommer heißen und im Winter kalten Dachgeschosswohnung in der … … gegenüber seines Neubau, … … (Büro) wo er in einer Penthouse-Wohnung residiert. Seinen Bruder schmeißt er einfach so aus dem Unternehmen genauso wie er seine Frau und beiden Kinder aus ihrem Zuhause 2018 geworfen hat. […]“
11Der Kläger ließ auch diese Rezensionen löschen. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2021 (Anlage KuP 6) sowie vom 8. Februar 2021 (Anlage KuP 7) ließ der Kläger den Beklagten abmahnen.
12Weil der Beklagte nicht bereit war, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, hat der Kläger im März 2021 Unterlassungsklage beim Landgericht Mönchengladbach erhoben. Mit dieser verlangt er vom Beklagten gestützt auf § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB die Unterlassung im Einzelnen benannter Äußerungen. Dabei beruft er sich unter anderem auch darauf, dass der Beklagte mit den drei Veröffentlichungen bei Google, mit welchen er sich zu Unternehmensinterna geäußert habe, seine Pflichten aus § 10 des Arbeitsvertrags – „Geheimhaltungs- / Verschwiegenheitspflicht“ – vom 19. Dezember 2019 verletzt habe. Weil der Beklagte die Rezensionen mit dem Architekturbüro verknüpft habe, liege darin zugleich ein Eingriff in seinen, des Klägers, eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
13Der Beklagte macht geltend, mit den Rezensionen nichts zu tun zu haben. Es sei möglich, dass sein Google-Account gehackt worden sei. Selbst wenn die Veröffentlichungen ihm zuzurechnen seien, bestünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht.
14Der Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt und mit Schriftsatz vom 3. September 2021 beantragt, gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 15. September 2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls in erster Linie Ansprüche aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB geltend mache. Schon deswegen sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Ob daneben noch Ansprüche aus einer Verletzung der Pflichten gemäß § 10 des Arbeitsvertrags in Betracht kämen, könne im Hinblick auf § 17 Abs. 2 GVG dahinstehen.
15Gegen diese rechtliche Würdigung in dem ihm noch am Erlasstag zugestellten Beschluss wendet sich der Beklagte mit seiner am 29. September 2021 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht zulässig sei. Vielmehr ergebe sich vorliegend eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 c) und d) ArbGG.
16Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 30. September 2021 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, es fehle insbesondere an der für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG erforderlichen inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis. Die Äußerungen, deren Unterlassung der Kläger verlange, wiesen keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf, sondern könnten genauso auch dann gefallen sein, wenn der Beklagte nicht als Arbeitnehmer beim Kläger tätig gewesen wäre.
17II.
18Die gemäß §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sowie nach § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG sind für den Rechtsstreit die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig und ist der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig.
191.
20Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
21a)
22Der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus unerlaubter Handlung ist nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur weit auszulegen (vgl. z.B. LArbG Niedersachsen, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 13 Ta 59/20, juris, Rn. 8; Schwab/Weth, in: dies., ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rn. 128). Er setzt nicht voraus, dass die betreffende Streitigkeit auf Schadensersatz gerichtet ist, sondern erfasst auch auf Unterlassung gerichtete Ansprüche (LArbG Niedersachsen, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 13 Ta 59/20, juris, Rn. 8; Schwab/Weth, in: dies., ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rn. 128). Dabei spielt es keine Rolle, aus welchen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen sich diese ergeben, soweit ihnen unerlaubte Handlungen im Sinne des weiten Begriffsverständnisses von § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG zugrunde liegen. Die Prüfung eines auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen gestützten Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB ist deshalb entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Beschluss nicht den ordentlichen Gerichten vorbehalten.
23Entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht ist die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG, dass die unerlaubte Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen muss, nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die unerlaubte Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20. Mai 2005 – 6 W 44/05, juris, Rn. 5; LArbG Köln, Beschluss vom 11. Dezember 2009 – 9 Ta 413/09, juris, Rn. 15; LArbG Nürnberg, Beschluss vom 27. April 2005 – 2 Ta 54/05, juris, Rn. 8). Die unerlaubte Handlung kann vielmehr auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden sein. Voraussetzung ist lediglich, dass sie in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien steht (siehe OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20. Mai 2005 – 6 W 44/05, juris, Rn. 5).
24Die notwendige innere Beziehung zwischen der unerlaubten Handlung und dem konkreten Arbeitsverhältnis ist zu bejahen, wenn die unerlaubte Handlung ihre Ursache in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten findet (BAG, Beschluss vom 11. Juli 1995 – 5 AS 13/95, juris, Rn. 7; OLG Celle, Beschluss vom 26. Oktober 2020 – 13 W 75/20, juris, Rn. 7; Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl., § 2 ArbGG Rn. 18). Hingegen fehlt die innere Beziehung, wenn Täter und Opfer der unerlaubten Handlung nur zufällig auch über ein Arbeitsverhältnis miteinander verbunden sind, die unerlaubte Handlung aber aus einer anderen Beziehung der Parteien resultiert (vgl. BAG, Beschluss vom 11. Juli 1995 – 5 AS 13/95, juris, Rn. 7; Schwab/Weth, in: dies., ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rn. 129). Das Arbeitsverhältnis darf für die unerlaubte Handlung nicht gänzlich hinweggedacht werden können (vgl. LArbG Nürnberg, Beschluss vom 27. April 2005 – 2 Ta 54/05, juris, Rn. 9).
25b)
26Dies zugrunde gelegt, ist der geforderte innere Zusammenhang zwischen den vom Kläger beanstandeten Äußerungen in den Google-Rezensionen, deren Unterlassung er vom Beklagten begehrt, und dem mit dem Beklagten vormals bestehenden Arbeitsverhältnis zu bejahen. Nach dem Vortrag des Klägers stammen die Veröffentlichungen vom Beklagten. Sie stellen sich als eine Fortsetzung seiner Eintragungen im Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu.de dar und gemeinsam mit diesen als eine Reaktion auf die ihm ausgesprochene Kündigung. Die Rezensionen waren in der Google-Suche sämtlich dem Architekturbüro, der vormaligen Arbeitsstätte des Beklagten, zugeordnet. Sie griffen auch auf Wissen aus dem Arbeitsverhältnis zurück, etwa indem sie die vorgebliche Art und Weise der Abdeckung der Leistungsphasen 6 bis 9 der HOAI durch das Architekturbüro thematisierten. Darüber hinaus erwähnten und bewerteten sie die Kündigung des Beklagten. Damit berührten sie zugleich die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Dies geschah in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (siehe zur Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs auch Fischer, DB 1998, 1182, 1184 f.).
27Die Veröffentlichungen spiegelten zudem die mit einem Arbeitsverhältnis typischerweise einhergehenden Reibungs- und Berührungspunkte wider. Sie standen, wenn sie, wie vom Kläger vorgetragen wird und auch wahrscheinlich ist, vom Beklagten stammten, nicht lediglich in einem zufälligen, äußeren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis kann bei Betrachtung der unerlaubten Handlungen nicht gänzlich hinweggedacht werden. Ohne die Erfahrungen des Arbeitsverhältnisses und die dem Beklagten ausgesprochene, von ihm als ungerecht empfundene Kündigung und die dadurch bei ihm ausgelösten Emotionen sind die Äußerungen nicht plausibel und wären in dieser Form nicht zu erwarten gewesen. Sie stellen sich vielmehr als unmittelbare Reaktion auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
28Dem notwendigen inneren Zusammenhang, der im Einzelfall auch lockerer sein kann und keine Kausalität verlangt, die andere Einflüsse vollständig ausschließt (vgl. Schütz, in: Ahrendt, GK-ArbGG, Werksstand: Dezember 2021, § 2 Rn. 137a), steht schließlich nicht entgegen, dass das Verhältnis zwischen den Parteien auch ungeachtet des Arbeitsverhältnisses nicht spannungsfrei gewesen sein mag. Etwaige familiäre Spannungen, für die sich in den Äußerungen durchaus Anhaltspunkte finden lassen, haben die bestehende Verbindungslinie zwischen dem Arbeitsverhältnis und seiner Entwicklung einerseits und den vom Kläger beanstandeten Äußerungen in den Veröffentlichungen andererseits weder verdrängt noch vollständig überlagert. Sie mögen einen Einfluss auf den Inhalt der Äußerungen gehabt haben, hätten aber – auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Parteien – für sich genommen keinen stimmigen Anlass für die konkreten Veröffentlichungen gegeben.
292.
30Da sich die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bereits aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG ergibt, kann dahinstehen, ob sie auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 c) ArbGG zu bejahen wäre.
31III.
32Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 32 ZPO ist das Arbeitsgericht Mönchengladbach örtlich zuständig und die Verweisung daher an dieses auszusprechen.
33IV.
34Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 16 W 61/09, juris, Rn. 12).
35V.
36Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 47, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 5.000 € festgesetzt. Anzusetzen ist ein Bruchteil des Hauptsachestreitwerts (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1996 – III ZB 105/96, juris, Rn. 18), hier ein Viertel.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 5 AS 13/95 2x (nicht zugeordnet)
- 2 Ta 54/05 1x (nicht zugeordnet)
- 12 O 77/21 1x (nicht zugeordnet)
- 6 W 44/05 2x (nicht zugeordnet)
- 9 Ta 413/09 1x (nicht zugeordnet)
- 16 W 61/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Ta 54/05 1x (nicht zugeordnet)
- III ZB 105/96 1x (nicht zugeordnet)
- 13 Ta 59/20 2x (nicht zugeordnet)
- 13 W 75/20 1x (nicht zugeordnet)