Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 16 W 43/21
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 14. Juli 2021 (4 O 269/20) wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger erwarb am 24. Juni 2014 bei einem Bochumer Autohaus einen Pkw der Marke Renault zum Preis von 21.440,- €. Den Kaufpreis, auf den er eine Anzahlung von 11.000,- € leistete, finanzierte er im Übrigen durch ein bei der Beklagten aufgenommenes Darlehen, das ihm das Autohaus vermittelte. Im Darlehensvertrag waren ein „Nettodarlehensbetrag“ von 10.440,- €, ein „Gesamtkreditbetrag (Nennbetrag)“ von 11.179,30 € und ein „Gesamtkreditbetrag (aus Gesamtkreditbetrag u. Kosten)“ von 11.730,58 € angegeben. Der Kläger hatte mit dem Darlehensvertrag, ohne dass dies Voraussetzung für die Darlehensgewährung war, für einen Betrag von 739,30 € eine Restschuldversicherung abgeschlossen, die im „Gesamtkreditbetrag (Nennbetrag)“ berücksichtigt war. Nach vollständiger Darlehenstilgung widerrief der Kläger den Darlehensvertrag mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 25. September 2018. Die Beklagte erkannte den Widerruf nicht an.
4In dem vom Kläger daraufhin eingeleiteten Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal begehrte er von der Beklagten in der Hauptsache Zahlung von 20.730,58 € nach Herausgabe des teilfinanzierten Fahrzeugs. Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den vom Kläger erklärten Widerruf für wirksam erachten sollte, erklärte sie die Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch für die Abnutzung des Fahrzeugs in Höhe von 14.290,- €. Insoweit ging sie von einem Wertverlust des Wagens mindestens in Höhe dieses Betrages aus. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf ausgehen und der Wertverlust den Betrag von 14.290,- € übersteigen sollte, beantragte sie widerklagend die Feststellung, dass der Kläger zum Wertersatz verpflichtet ist.
5Im landgerichtlichen Verfahren schlossen die Parteien einen vom Landgericht mit Beschluss vom 14. Juli 2021 festgestellten Vergleich. Danach sollte der Darlehensvertrag nicht rückabgewickelt werden und das Fahrzeug beim Kläger verbleiben. Unter Ziffer 3. des Vergleichs vereinbarten die Parteien zudem Folgendes:
6„Mit Abschluss des Vergleichs und Zahlung gemäß Ziff. 2 sind die Klageforderungen und die im Rahmen der Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung geltend gemachten Ansprüche sowie alle wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien aus einem mit dem von der Klagepartei erklärten Widerruf etwaig begründeten Rückabwicklungsschuldverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, insgesamt erledigt und gelten als erfüllt.“
7Den Streitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich setzte das Landgericht auf einheitlich 22.179,30 € fest.
8Gegen den ihnen am 15. Juli 2021 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. August 2021 Streitwertbeschwerde beim Landgericht erhoben. Sie sind der Ansicht, dass der Streitwert für das Verfahren auf insgesamt 42.020,58 € festzusetzen sei. Einem festzusetzenden Wert von 22.730,58 € für die Klageforderung seien ein weiterer Betrag von 14.290,- € für die Hilfsaufrechnung und ein solcher von 5.000,- € für die Hilfswiderklage hinzuzurechnen. Zur Begründung beziehen sich die Prozessbevollmächtigten auf § 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GKG und oberlandesgerichtliche Rechtsprechung. Der Kläger hält die landgerichtliche Streitwertfestsetzung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 25. August 2021 – 17 W 7/21) für zutreffend.
9Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13. September 2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
10II.
11Die Streitwertbeschwerde, die der Senat dahingehend auslegt, dass sie sich sowohl gegen die landgerichtliche Wertfestsetzung für den Rechtsstreit wie auch gegen diejenige für den Vergleich richtet, ist zulässig. Sie ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG fristgerecht eingelegt worden und begegnet auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken, insbesondere sind die Prozessbevollmächtigten der Beklagten gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG aus eigenem Recht zur Einlegung befugt. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat den Streitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich zutreffend festgesetzt. Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten beläuft sich weder der Streitwert für die Klage auf den Betrag von 22.730,58 € (dazu nachfolgend 1.), noch sind bei der Streitwertbemessung die Hilfsaufrechnung und die Hilfswiderklage zu berücksichtigen (dazu nachfolgend 2.).
121.
13Der Streitwert für das vom Kläger verfolgte Klagebegehren beläuft sich wie vom Landgericht festgesetzt auf 22.179,30 €. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, entspricht der festzusetzende Wert in Fällen, in denen der Kläger so gestellt werden möchte, als hätte er das Kfz-Finanzierungsgeschäft nicht getätigt, dem Nettodarlehensbetrag zuzüglich der Kaufpreisanzahlung (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2015 – XI ZR 121/14, juris, Rn. 3, vom 29. Mai 2015 – XI ZR 335/13, juris, Rn. 4, vom 8. Dezember 2020 – XI ZR 155/20, juris, Rn. 2, und vom 19. Januar 2021 – XI ZR 106/20, juris). Dies ist hier der Fall, weil der Kläger den Widerruf erst nach vollständiger Darlehensablösung erklärt hat und mit der Zahlungsklage sämtliche geleistete Raten und seine Anzahlung zurückverlangt.
14Dabei ist für den Begriff des Nettodarlehensbetrags nicht der Sprachgebrauch des von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrags maßgeblich, sondern der gesetzlich in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB bestimmte Begriff. Wie eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB und § 6 PAngV sowie des dort verwendeten Begriffs der Gesamtkosten ergibt, von dem der Begriff des Nettodarlehensbetrags abzugrenzen ist, ist eine mitkreditierte Versicherungsprämie grundsätzlich in den Nettodarlehensbetrag einzurechnen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Juni 2021 – 6 U 189/20, juris, Rn. 66). Anderes gilt mit Blick auf § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV nur für Kosten solcher Versicherungen, die Voraussetzung für die Kreditvergabe sind. Diese sind den Gesamtkosten zuzurechnen und sind nicht Teil des Nettodarlehensbetrags (siehe Weber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Art. 247 § 3 EGBGB Rn. 10).
15Ausgehend hiervon hat das Landgericht den Wert des Klagebegehrens zutreffend festgesetzt. Ausweislich des zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrags war der Abschluss der Restschuldversicherung nicht Voraussetzung für die Darlehensgewährung. Die für diese Versicherung vereinbarte Prämie war demgemäß dem Nettodarlehensbetrag zuzurechnen, der sich infolgedessen auf den Betrag von 11.179,30 € summierte. Diesem Betrag war die vom Kläger geleistete Anzahlung von 11.000,- € hinzuzurechnen, woraus sich in Summe der vom Landgericht festgesetzte Gesamtbetrag von 22.179,30 € ergibt.
16Soweit die Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei der Streitwertfestsetzung darüber hinaus die vom Kläger nach dem Darlehensvertrag geleisteten Zinsen berücksichtigt wissen wollen, ist hierfür nach § 43 Abs. 1 GKG kein Raum. Bei den Darlehenszinsen handelt es sich im Verhältnis zum Nettodarlehensbetrag, der Gegenstand des Klagebegehrens des Klägers war, um Nebenforderungen im Sinne der Vorschrift. Es handelt sich um Beträge, die der Kläger als Entgelt für die Nutzung des Nettodarlehensbetrages gezahlt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. April 2015 – XI ZR 121/14, juris, Rn. 5).
17Die weiteren Klageanträge, die auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.242,84 € sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtet waren, hat das Landgericht zutreffend ebenfalls nicht streitwerterhöhend berücksichtigt. Bei den Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung handelt es sich um eine nach § 43 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigende Nebenforderung. Die Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2016 – XI ZR 539/15, juris, Rn. 4).
182.
19Die von der Beklagten erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung sowie die erhobene Hilfswiderklage sind, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der Werte von Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage mit demjenigen der Klageforderung liegen nicht vor.
20a)
21§ 39 Abs. 1 GKG regelt den Grundsatz, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrere Streitgegenstände zusammengerechnet werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine insoweit vorrangige Sonderregelung stellt § 45 GKG dar. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet, wenn sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nur der höhere Wert maßgebend, wenn die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand betreffen. Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich gemäß § 45 Abs. 3 GKG der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Gemäß § 45 Abs. 4 GKG sind bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich die Absätze 1 bis 3 des § 45 GKG entsprechend anzuwenden.
22§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG enthält eine ausdrücklich normierte Einschränkung der Zusammenrechnung von Klage und Widerklage sowie von Haupt- und Hilfsantrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem dort verwendeten Begriff des Gegenstands um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert und nicht mit dem zivilprozessualen Begriff des Streitgegenstands identisch ist (BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2004 – IV ZR 287/03, juris, Rn. 8, und vom 12. April 2010 – II ZR 34/07, juris, Rn. 4). Eine Zusammenrechnung hat nach dieser Rechtsprechung dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2010 – II ZR 34/07, juris, Rn. 4).
23Für die in § 45 Abs. 3 GKG angesprochene Hilfsaufrechnung ist eine dem § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG vergleichbare gesetzliche Vorschrift nicht vorhanden. Soweit § 45 Absätze 1 bis 4 GKG in der Literatur als „missratene Gesetzesfassung“ bezeichnet werden (so Toussaint, in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., § 45 GKG Rn. 2), dürfte sich das auch hierauf beziehen. Aus dem Fehlen einer dem § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entsprechenden Vorschrift folgt nicht, dass der Wert einer Hilfsaufrechnung, über die entschieden wird, stets streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist. Es entspricht vielmehr gefestigter oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Wertaddition unterbleibt, wenn die primäre Verteidigung und die Hilfsaufrechnung als einheitliche Verteidigung gegen den Klageanspruch gewertet werden können (KG, Beschluss vom 15. August 2014 – 21 W 23/14, juris, Rn. 3; OLG Schleswig, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 W 13/16, juris, Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. November 2010 – 10 W 54/10, juris, Rn. 23). Darüber hinaus wird von mehreren Oberlandesgerichten angenommen, dass eine Streitwerterhöhung durch die Hilfsaufrechnung nur dann in Betracht kommt, wenn die Forderung, mit der aufgerechnet wird, eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, weil es ansonsten an einer Werthäufung fehlt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 6 U 418/20, juris, Rn. 8; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juli 2018 – 11 W 1094/18, juris, Rn. 7; OLG Rostock, Urteil vom 14. Oktober 2021 – 4 U 50/21, juris, Rn. 20).
24Die letztgenannte Ansicht kann sich auf einen allgemeinen Grundsatz des Streitwertrechts stützen, der – jedenfalls als Kontrollmaßstab – hier ebenfalls in den Blick zu nehmen ist: Im Streitwertrecht gilt ein ungeschriebenes allgemeines Additionsverbot bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – IX ZR 136/14, juris, Rn. 4; Elzer, in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., § 39 GKG Rn. 17; Schneider, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 39 GKG Rn. 14). Im Normtext von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG klingt dieser Grundsatz immerhin an (vgl. Schindler, in: BeckOK Kostenrecht, 35. Ed., Stand: 01.10.2021, § 45 GKG Rn. 3).
25b)
26Ausgehend hiervon sind die Werte von Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage nicht gestützt auf § 45 Abs. 4 GKG mit dem Wert der Klageforderung zusammenzurechnen.
27Zwar könnte dieses Ergebnis nach der vom Bundesgerichtshof zur Bestimmung desselben Gegenstands im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG verwandten sogenannten Identitätsformel im Hinblick auf die Hilfswiderklage zweifelhaft sein. Danach bejaht der Bundesgerichtshof das Vorliegen wirtschaftlicher Identität dann, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass – die vom Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht – allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge; umgekehrt soll es an einer wirtschaftlichen Identität fehlen, wenn eine Verurteilung aufgrund des einen Antrags neben eine Verurteilung wegen des anderen Antrags treten kann (BGH, Beschluss vom 12. April 2010 – II ZR 34/07, juris, Rn. 4). Letzteres ist hier zwar auf den ersten Blick der Fall, weil im Fall eines wirksamen Widerrufs beiden Parteien Ansprüche zugestanden hätten, die auch nicht automatisch verrechnet worden wären (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – XI ZR 183/15, juris, Rn. 13). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Identitätsformel nicht geeignet ist, sämtliche Konstellationen angemessen zu erfassen (Kurpat, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 45 GKG Rn. 16). So liegt es auch hier. Bei wirtschaftlicher Betrachtung zeigt sich, dass sich die im Fall des nach vollständiger Darlehensablösung erklärten wirksamen Widerrufs einander gegenüberstehenden Ansprüche auf Rückzahlung einerseits und auf Wertersatz andererseits überschneiden. Der Wertersatzanspruch besteht nur, weil dem Kläger infolge des Widerrufs ein Zahlungsanspruch entstanden ist. Er besteht auch nur in dem durch diesen Anspruch aufgespannten Rahmen, er kann diesen nicht überschreiten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 6 U 418/20, juris, Rn. 11). Er minimiert ihn, wenn er gegen ihn geltend gemacht wird. Damit steht der Wert des teilfinanzierten Fahrzeugs wirtschaftlich betrachtet nur einmal im Streit und stellt sich die mit der Hilfsaufrechnung kombinierte Hilfswiderklage als ein wirtschaftliches Minus des uneingeschränkten Klageabweisungsantrags dar. Dass in einem solchen Fall bei wertender Betrachtung wirtschaftliche Identität nicht auch bejaht werden kann, kann der Senat der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich zu einer solchen Konstellation nicht ausdrücklich verhält, nicht entnehmen. Dies gilt umso mehr, als mit Klage und Widerklage keine Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich wirtschaftlich deshalb nicht überschneiden, weil sie, obwohl sie demselben Rechtsverhältnis entstammen, unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – VIII ZR 261/12, juris, Rn. 5).
28Nach den Regeln des Streitwertrechts ist – und das betrifft nicht nur die Hilfswiderklage, sondern auch die Hilfsaufrechnung der Beklagten – eine Zusammenrechnung der Werte nur gerechtfertigt, wenn die Ansprüche eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben (siehe Schindler, in: BeckOK Kostenrecht, 35. Ed., Stand: 01.10.2021, § 45 GKG Rn. 2 u. 25; Schumann, NJW 1982, 2800). Anders lässt sich die eine Zusammenrechnung rechtfertigende wirtschaftliche Werthäufung nicht plausibel begründen (ebenso OLG Rostock, Urteil vom 14. Oktober 2021 – 4 U 50/21, juris, Rn. 20). An einer eigenständigen wirtschaftlichen Bedeutung des Wertersatzanspruchs fehlt es hier aber (ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 6 U 418/20, juris, Rn. 9 ff.). In einem durch einen nach vollständiger Darlehenstilgung wirksam erklärten Widerruf begründeten Rückabwicklungsschuldverhältnis stellt sich die Wertersatzforderung wirtschaftlich betrachtet lediglich wie ein Abzugsposten dar, der im Wert dieses vom Kläger erstrebten Schuldverhältnisses bereits enthalten ist (so OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. August 2021 – 17 W 7/21, n.v.) und den Wert der Klageforderung in dem Umfang, in dem er begründet ist, reduziert.
29Nach alledem vermag sich der Senat der von der Beklagten in der Beschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 1. Oktober 2021 für ihre Rechtsauffassung angeführten abweichenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung nicht anzuschließen.
303.
31Da bereits die Voraussetzungen für eine Werterhöhung nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob die Regelung des § 45 Abs. 4 GKG, auf die sich die Beklagte bezieht, in der Weise wirkt, dass sie sich nicht nur auf den Gegenstandswert des Vergleichs im Sinne eines Vergleichsmehrwerts, sondern auch auf die Festsetzung des Gegenstandswerts für den durch Vergleich beendeten Rechtsstreit auswirkt (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Juni 2005 – I-5 W 13/05, juris, Rn. 13; siehe zum Meinungsstand Schindler, in: BeckOK Kostenrecht, 35. Ed., Stand: 01.10.2021, § 45 GKG Rn. 33 ff.). Ebenso kann die Frage offen bleiben, ob dem von den Parteien geschlossenen Vergleich überhaupt eine einer streitigen Entscheidung vergleichbare Erledigungswirkung hinsichtlich der Hilfsaufrechnung und der Hilfswiderklage zukommt. Zweifel hieran könnten sich daraus ergeben, dass die Parteien die mit der Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung geltend gemachten Ansprüche unter Ziffer 3. ihres Vergleichs zwar für erledigt erklärt haben, dem aber möglicherweise lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Denn die Parteien haben sich zugleich vergleichsweise darauf verständigt, dass der Darlehensvertrag nicht rückabgewickelt wird und das teilfinanzierte Fahrzeug beim Kläger verbleibt. Verbleibt es aufgrund des Vergleichs jedoch beim verbundenen Vertrag, ist zweifelhaft, ob darin eine verbindliche Regelung über hilfsweise geltend gemachte Gegenrechte gesehen werden kann, die nur dann relevant werden konnten, wenn es zu einer Rückabwicklung kommt (siehe auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24. Februar 2020 – 17 W 37/19, juris, Rn. 15).
32III.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
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