Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 5 WF 78/79
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das zuständige Amtsgericht Recklinghausen verwiesen, das auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden hat.
Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz werden jedoch nicht erhoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 400,- DM festgesetzt.
1
Gründe
2Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit dem 06.08.1975 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die elterliche Gewalt über das gemeinsame Kind ... ist mit Beschluß des Amtsgerichts Münster vom 05.01.1976 (27 X 801/75) der Beteiligten zu 1) übertragen worden. Mit Beschluß vom 03.05.1976 hatte das Amtsgericht Münster das Besuchsrecht des Beteiligten zu 2) (jeden 2. Samstag v. 13.00-19.00) geregelt, dem Beteiligten zu 2) jedoch aufgegeben, keinen weiteren Kontakt mit Mutter und Sohn aufzunehmen, und für jede Zuwiderhandlung ihm ein Ordnungsgeld angedroht. Auf die Beschwerde der Mutter ist dieser Beschluß vom Amtsgericht Münster in der Besuchsregelung am 08.06.1976 teilweise abgeändert worden. Gegen den Beteiligten zu 2) hat es ein Ordnungsgeld wegen eines Verstoßes vom 18.05.1976 festgesetzt und gleichzeitig der Beteiligten zu 1) ein Ordnungsgeld angedroht. Sodann hat das Landgericht Münster (5 T 548/76) mit Beschluß vom 15.11.1977 die Beschwerde der Mutter gegen die Besuchsregelung des Amtsgerichts vom 08.06.1976 zurückgewiesen, auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) das Besuchsrecht auf jeden 1. Sonntag im Monat von 10-19 Uhr abgeändert und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen die Zwangsgeldfestsetzung zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das OLG Hamm am 24. November 1978 (15 W 423/77) als unzulässig verworfen.
3In der Zwischenzeit hatte die Beteiligte zu 1) - erstmals am 06.11.1976 - (Bl. 231 in 27 X 801/75 AG Münster) weitere Anträge auf Festsetzung von Zwangsgeld gegen den Beteiligten zu 2) gestellt, während dieser seinerseits am 03.10. 1978 (Bl. 7) ein Zwangsgeld gegen die Beteiligte zu 1) beantragte. Schon bei Eingang des ersten Antrags wohnte ... bei seiner Mutter in .... Weitere Anträge auf Zwangsgeld und Begründungen dazu befinden sich u.a. in den Akten 27 X 801/75 AG Münster auf Bl. 267, 280, 288, 359, 395 u. 420 und in den vorliegenden Akten auf Bl. 1. Ein Antrag der Beteiligten zu 1) auf Ausschluß des Besuchsrechts ist vom Amtsgericht Recklinghausen mit Beschluß vom 11.09.1978 (41 P 74/78) als unzulässig zurückgewiesen worden.
4In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Münster in dem angefochtenen Beschluß gegen die Beteiligte zu 1) ein Zwangsgeld von 200,- DM verhängt, weil sie die Besuchsregelung am 03.12.1978 verhindert habe, und hat den Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung gegen den Beteiligten zu 2) zurückgewiesen, weil es nach dem Sachvortrag nicht "klar" sei, für welche Verstöße ein Zwangsgeld festgesetzt werden solle, und weil etwaige Verstöße des Beteiligten zu 2) nicht schwerwiegend seien.
5Dieser Beschluß ist der Beteiligten zu 1) am 04.01.1979 zugestellt worden. Ihre Beschwerde ist am 18.01.1979 beim Amtsgericht Münster eingegangen, beim OLG Hamm allerdings erst am 08.02.1979. Mit Beschluß des Senats vom 16.01.1980 ist der Beteiligten zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gewährt worden.
6Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig.
7Die das Zwangsgeldverfahren nach § 33 FGG abschließende Festsetzung des Zwangsgeldes oder seine Ablehnung stellt allerdings eine Endentscheidung im Sinne des § 621 e Abs. 1 ZPO dar und ist nur mit der dort vorgesehenen befristeten Beschwerde, einzureichen beim OLG, innerhalb eines Monats seit Zustellung anfechtbar (§§ 621 e Abs. 3, 516 ZPO).
8Sie muß - ebenfalls beim OLG - innerhalb der Monatsfrist des § 519 Abs. 2 ZPO begründet werden. Die Einordnung dieser Zwangsgeldentscheidungen in die Regelung des § 621 e ZPO gebietet der Umstand, daß die Festsetzung des Zwangsgeldes oder die Ablehnung der Festsetzung das gesonderte Zwangsvollzugsverfahren des § 33 FGG abschließt (vgl. KG FamRZ 1978, S. 440 i.d.A. OLG München FamRZ 1977, S. 824). Daß im vorliegenden Verfahren Beschwerde und Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Monatsfrist beim OLG eingingen, gereicht der Beteiligten zu 1) indessen nicht zum Nachteil, weil sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Deshalb ist ihr auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.
9Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Recklinghausen. Denn das Amtsgericht Münster war für die getroffene Entscheidung örtlich nicht zuständig, nachdem der Minderjährige ... schon im Zeitpunkt des ersten Antrags auf Zwangsgeldfestsetzung im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen seinen Wohnsitz hatte. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jederzeit von Amts wegen zu prüfen. Ihre Entscheidung hängt allerdings davon ab, ob die Prüfung und Entscheidung über die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchführung einer Verkehrsregelung (§ 1634 BGB) eine selbständige Verrichtung im Sinne von § 43 FGG darstellt oder ob sie ein unselbständiger Bestandteil des gerichtlichen - hier vom Amtsgericht Münster durchgeführten - Besuchsregelungsverfahrens ist.
10In der Rechtsprechung und Literatur werden dazu kontroverse Standpunkte vertreten.
11Der Senat folgt insoweit der Meinung des hiesigen 15. Senats (Beschluß vom 05.03.75, JR 1976, 69, mit abl. Anm. v. Bassenge), des OLG Frankfurt (OLGZ 74, 76) und des Kammergerichts (FamRZ 1978, 440) und nicht der des OLG Köln (FamRZ 1972, 518; zustimmend i.u. Keidel-Kuntze-Winkler EGG, 11. Aufl. § 43 Anm. 2 a Fußnote 3, Bumiller-Winkler, FGG, 2. Aufl., § 33 Anm. 10 a).
12Auch das Zwangsgeldverfahren zur Durchsetzung einer Besuchsregelung ist eine Familiensache im Sinne von § 621 Abs. 1 Z. 2 ZPO. Wenn - wie hier - keine Ehesache anhängig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften, gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO also nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und dort nach § 36 (maßgebend ist der Wohnsitz des Mündels, den dieser gemäß § 11 BGB mit seinem gesetzlichen Vertreter teilt). Der Minderjährige wohnte jedoch schon nicht mehr im Amtsgerichtsbezirk Münster, als das Zwangsgeldverfahren anhängig wurde. Eine örtliche Zuständigkeit des AG Münster könnte also nur dann begründet sein, wenn man das Zwangsgeldverfahren als bloße unselbständige Fortsetzung der Gerichtlichen Besuchsregelung ansehen würde (so das OLG Köln, a.a.O.). Dem kann indessen nicht zugestimmt werden. Das Zwangsgeldverfahren betrifft vielmehr eine selbständige Verrichtung des Familiengerichts im Sinne des § 43 Abs. 1 FGG (daß die Fassung dieser Vorschrift nur das Vormundschaftsgericht erwähnt, dürfte im Hinblick auf § 621 a Abs. 1 ZPO, der auf die Vorschriften des FGG verweist, soweit sie nicht ausdrücklich durch Bestimmungen der ZPO ersetzt werden, nur ein redaktionelles Versehen sein). Denn gerade die vorliegende Sache macht deutlich, daß es im Regelfall besonderer gerichtlicher Ermittlungen über die behaupteten Verstöße gegen die Besuchsregelung bedarf und diese Ermittlungen sachgerecht - unter Einschaltung des zuständigen Jugendamtes - am besten am Wohnsitz des Minderjährigen, wo das Besuchsrecht ausgeübt wird, getroffen werden. Dem Gesichtspunkt der Ortsnähe des zuständigen Gerichts kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu.
13Stellt das Zwangsgeldverfahren aber eine selbständige Verrichtung dar, dann muß dafür auch die örtliche Zuständigkeit selbständig geprüft werden, unabhängig davon, welches Gericht die Besuchsregelung angeordnet hat. Zuständig ist in diesem Fall das Amtsgericht Recklinghausen, weil ... in diesem Bezirk seinen Wohnsitz hat.
14Der angefochtene Beschluß war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung, auch der Bedenken aus dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 17.07.79 (Bl. 114 ff), an das Amtsgericht Recklinghausen zu verweisen, das schließlich auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden haben wird. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 8 GKG allerdings nicht zu erheben.
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