Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 31 U 59/98
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Land-gerichts Siegen vom 23. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM nicht.
1
Entscheidungsgründe:
2Der Beklagte kann die Ausgleichung des zum 04.11.1993 noch offenstehenden Debet-Saldos in Höhe von 10.231,40 DM nebst beanspruchter Verzugszinsen - ursprünglicher Klageantrag und nunmehriger Berufungsantrag zu 1) - auch weiterhin verweigern, weil ihm aus dem mit dem "Kfz-Kreditvertrag" verbundenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw Mercedes 380 SE mit dem Autohaus 2000 in M vom 05./18.05.1992 gegenüber der Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 und 3 des Verbraucherkreditgesetzes (VKG) zusteht.
3Hierbei kann auf sich beruhen, ob - wie das Landgericht (Urteilsgründe Seite 5 = Bl. 60 GA) gemeint hat - auf die Grundsätze der Verwirkung zurückgegriffen werden muß. Denn wegen der dem Beklagten seitens des Autohauses 2000 unter dem 18.05.1992 zusätzlich erteilten Garantie kann sich der Beklagte nach § 9 Abs. 3 VKG in Verbindung mit § 478 BGB auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen, das inzwischen zu einer peremptorischen Einrede erstarkt ist. In diesem Zusammenhang tritt der Senat allerdings dem Landgericht (Entscheidungsgründe Seite 6 = Bl. 61 GA) darin bei, daß diese Erstarkung zu einer peremptorischen Einrede darauf zurückzuführen ist, daß es die Klägerin pflichtwidrig - insbesondere in Gestalt ihres Schreibens vom 27.07.1994 (Bl. 55 = 106 GA) - verabsäumt hat, die nach der Mängelrüge des Beklagten vom 08.03.1994 unklare Vertragssituation durch Setzung einer Erklärungsfrist entsprechend § 466 BGB "zu bereinigten".
41.)
5Sieht man einmal davon ab, daß im Bestellformular des Autohauses 2000 vom 05.05.1992 (Bl. 48 GA) "jede Gewährleistung ausgeschlossen" und der verkaufte Pkw ausdrücklich als "nicht unfallfrei" bezeichnet worden ist, so erscheint die Einstandspflicht des Autohauses 2000 nach den gesetzlichen Regelungen selbst dann äußerst zweifelhaft, wenn man die Behauptung des Beklagten unterstellt, der Inhaber Olaf Q habe ihm sowohl am 05.05.1992 als auch am Tage der Abholung des Fahrzeugs - dem 18.05.1992 - Unfallfreiheit und einen einwandfreien technischen Zustand zugesichert. Denn auch in diesem Fall wären Gewährleistungsansprüche des Beklagten im Zeitpunkt der Erstellung des DEKRA-Privatgutachtens vom 23.03.1993 gemäß § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits verjährt gewesen. Wegen der zu ihnen bestehenden Akzessorietät wären damit auch Einwendungen des Beklagten als Verbraucher gegenüber der Klägerin als Kreditgeberin hinfällig (Münchener Kommentar - Habersack, VKG § 9 Rdnr. 74; Münstermann-Hannes, "VKG" Rdnr. 519).
62.)
7Nicht verjährt sind hingegen die Gewährleistungsansprüche des Beklagten aus der seitens des Autohauses Q am 18.05.1992 übernommenen 24 monatigen Garantievereinbarung, die sich auf die von dem DEKRA-Sachverständigen Ingenieur T2 in seinem Gutachten vom 23.03.1993 festgestellten Mängel an Lenkung und Schaltgetriebe erstreckt. Die Rechte aus dieser zweijährigen Garantie hat sich der Beklagte nämlich durch das Schreiben seiner Rechtsanwälte C2 in T-F vom 08.03.1994 (Bl. 34 GA) an die Klägerin - Filiale L - in entsprechender Anwendung des § 478 Abs. 1 Satz 1 BGB bewahrt.
8Bei der auf den 18.05.1992 datierenden Garantievereinbarung handelt es sich nicht etwa um eine nachträgliche Vertragsänderung im Sinne des § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 VKG. Vielmehr ist diese Vereinbarung zeitgleich mit dem Kaufvertrag und dem mit ihm verbundenen Kreditvertrag zustandegekommen. Dieser Umstand ergibt sich zwanglos aus der Formularbestimmung in der "Verbindlichen Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges/Anhängers ohne Garantie" vom 05.05.1992, wonach der Kaufvertrag erst dann als abgeschlossen anzusehen war, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung schriftlich bestätigte oder die Lieferung ausgeführt war. Da eine schriftliche Bestätigung des Inhabers Olaf Q unstreitig nicht erfolgt ist, war der sowohl für die Lieferung des bestellten Mercedes 380 SE als auch für die Übergabe des seinerzeit durch das Autohaus 2000 in Zahlung genommenen Pkw Opel-Ascona (Bl. 20 GA) vorgesehene Termin des 18.05.1992 für das Zustandekommen des Kaufvertrages maßgeblich. Die entsprechend dieser Regelung auch praktizierte Übergabe beider Fahrzeuge am 18.5.92 läßt für eine individualvertragliche Abrede, wonach der Vertragsschluß - wie von der Klägerin im Schriftsatz vom 07.08.98 (S. 3 = Bl. 122 GA) behauptet - einverständlich (§ 4 AGBG) auf den 05.05.92 vorverlegt worden sein soll, keinerlei Raum.
9Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vom 08.05.1998 (Seite 7 = Bl. 94 GA) "lediglich äußerst vorsorglich" einwendet, der Beklagte habe die in der Garantievereinbarung vom 18.05.1992 festgeschriebenen Gewährleistungsbedingungen nicht eingehalten, ist ihr Vorbringen als unsubstantiiert einzustufen.
103.)
11Zu Recht hat das Landgericht erkannt (Urteilsgründe Seite 6 = Bl. 61 GA), daß dem Beklagten die Mängeleinrede über § 9 Abs. 3 Satz 1 VKG erhalten bleibt, auch ohne daß er gehalten gewesen wäre, seine Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer Olaf Q - ggfls. im Klagewege durchzusetzen. Dieser Erhalt der Mängeleinrede ist durch den vorrangigen Willen des Gesetzgebers abgesichert, mit Schaffung der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 VKG dem Einwendungsdurchgriff des Kreditnehmers gegenüber dem Kreditgeber in jedem Fall die Subsidiarität zu nehmen (BT-Drucksache 11/5462 Seite 23 f.): Dem Verbraucher soll im Interesse einer ökonomischen Vertragsabwicklung gestattet sein, Einwendungen aus dem Kaufvertrag dem Kreditgeber auch dann entgegenzuhalten, wenn ihm die Inanspruchnahme des Verkäufers möglich oder zumutbar ist.
12Für Fälle der vorliegenden Art, in denen der Kreditgeber die Mangelhaftigkeit der gelieferten Kaufsache in Abrede stellt, hält das Verbraucherkreditgesetz indessen keine unmittelbare Lösung bereit. Eine Lösung kann mithin nur auf der Grundlage der Überlegung gefunden werden, daß jeder Lösungsansatz, der die Wirkung der Mängeleinrede gegenüber dem Kreditgeber von der Durchsetzung der Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer abhängig macht, in der Sache auf eine Wiedereinführung der vom Gesetzgeber gerade verworfenen Subsidiarität des Einwendungsdurchgriffs hinausläuft (Münchener Kommentar - Habersack, § 9 VKG, Rndr. 123; Graf von Westphalen-Emmerich "VKG", § 9 Rdnr. 141; LG Braunschweig, NJW 1994/2701).
13Der Senat tritt daher der in der Literatur überwiegend favorisierten Meinung (Bülow "VKG" § 9 Rdnr. 57 a; Hadding-Hopt" VKG", Seite 67, 83; Graf von Westphalen-Emmerich" VKG", § 9 Rdnr. 139) bei, daß ein Ausweg nur darin gefunden werden kann, daß der Kreditgeber dem Verbraucher nach Erhebung der Mängeleinrede entsprechend § 466 BGB eine Frist zur Erklärung darüber setzt, welche Gewährleistungsrechte jener überhaupt geltend machen wolle. Läßt der Verbraucher sodann die Erklärungsfrist ungenutzt verstreichen, geht das jus variandi des Verbrauchers zwischen den verschiedenen Gewährleistungsrechten entsprechend § 264 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Kreditgeber über.
144.)
15Demgegenüber ist das von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung (Seiten 8, 9 = Bl. 95, 96 GA) gegen die dem Kreditgeber obliegende Pflicht zur Fristsetzung eingewendete Argument, der Verbraucher werde in der Dreieckskonstellation des finanzierten Abzahlungskaufs besser gestellt als wenn er ausschließlich und allein ein Vertragsverhältnis zu dem Verkäufer begründet hätte, nicht stichhaltig. Es geht hier nicht um die Schlechterstellung des Kreditgebers gegenüber einem "normalen" Abzahlungsverkäufer, sondern darum, daß dem Verbraucher wegen Fortfalls der Subsidiarität nach § 9 Abs. 3 Satz 1 VKG einerseits die allgemeine Mängeleinrede zusteht, andererseits aber - wenn offen ist, ob Mängel bestehen - eine Stagnation in der Vertragsabwicklung eintritt. In Gestalt der Fristsetzung soll dem Kreditgeber indessen gerade eine Möglichkeit an die Hand gegeben werden, sich aus der durch das dem Verbraucher konzedierte Leistungsverweigerungsrecht nach § 9 Abs. 3 Satz 1 VKG entstandenen "Non-Liquet-Situation" zu befreien. Dann allerdings ist er auch gehalten, seinerseits aktiv zu werden und durch die besagte Fristsetzung selbst zur Lösung des nach dem Verbraucherkreditgesetz entstandenen Konflikts beizutragen.
165.)
17An einer derartigen Initiative hat es die Klägerin indessen hier fehlen lassen. Nachdem ihr der Beklagte mit Schreiben seiner Rechtsanwälte C2 in T-F vom 08.03.1994 mitgeteilt hatte, der Mercedes 380 SE sei im jetzigen Zustand nicht mehr fahrtüchtig, und mit weiterem Schreiben vom 17.06.1994 den mit dem Autohaus 2000 überreichten Garantievertrag vom 18.05.1992 zugeleitet hatte, hat sie sich in ihrem Schreiben vom 27.07.1994 allein auf die - wie oben in Punkt 2) ausgeführt - unzutreffende Rechtsansicht zurückgezogen, die Garantievereinbarung stelle eine nach § 9 Abs. 3 Satz 2 HS 2 VKG unbeachtliche nachträgliche Vertragsänderung dar. Damit aber ist in die durch § 9 Abs. 3 Satz 1 VKG bedingte Stagnation seither keine Bewegung mehr gekommen.
186.)
19Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Inhaber des Autohauses 2000 Olaf Q auf die beiden Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 28.04. und 10.05.1993 zur Reparatur des Fahrzeugs auf der Grundlage des Mängelberichts im DEKRA-Privatgutachten vom 23.03.1993 untätig geblieben ist. Diese konkludente Verweigerung des Nachbesserungs-Verlangens des Beklagten ist einem Fehlschlagen der Nachbesserung im Sinne von § 9 Abs. 3 Satz 3 VKG gleichzuachten (Graf von Westphalen-Emmerich "VKG" § 9 Rdnr. 147). Denn zur Beantwortung der Frage, wann eine Nachbesserung fehlgeschlagen ist und damit der Verbraucher die Rückzahlung des Kredits verweigern kann, können die für den Fall des vertraglichen Vorbehalts der Nachbesserung zu § 11 Nr. 10 b AGBG entwickelten Grundsätze herangezogen werden (Münchener Kommentar-Habersack, § 9 VKG, Rdnr. 83; Münstermann-Hannes "VKG", Rdnr. 532).
2021
7.)
22Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag - Berufungsantrag zu 2) - hat ebenfalls keinen Erfolg. Die von der Klägerin hiermit begehrte Tenorierung, wonach der Beklagte "etwaige Ansprüche gegen das Autohaus 2000...aus dem Kaufvertrag vom 05.05.1992 an sie abzutreten hat", verbietet sich aus Gründen der fehlenden Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, daß eine Konkretisierung der dem Beklagten zustehenden Gewährleistungsrechte durch Ausübung des jus variandi - wie oben dargelegt - zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat. Die Klägerin ist daher auf die Geltendmachung eigener Rechte aus dem unmittelbar zwischen ihr und dem Inhaber des Autohauses 2000 in M - Olaf Q bestehenden Vertragsverhältnis zu verweisen.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.