Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 6 U 136/98
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 18. Mai 1998 ver-kündete Urteil der Zivilkammer III des Landgerichts Detmold teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Klage und Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 2/3 der Kläger und zu 1/3 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Parteien: unter 15.000,00 DM.
1
Entscheidungsgründe:
2I.
3Der Kläger erwarb im Jahre 1997 einen gebrauchten Wintergarten, der demontiert und zum Überarbeiten zur Beklagten nach M geschafft wurde. Für den anschließenden Rücktransport, den der Kläger mit seinem Pkw als Zugfahrzeug bewerkstelligen wollte, stellte ihm die Beklagte einen für Glastransporte ausgerüsteten Anhänger zur Verfügung, auf den sie die Rahmenteile des Wintergartens verladen hatte; die Glasteile wurden gesondert in einem anderen Fahrzeug transportiert. Auf der Autobahn bei C geriet der Anhänger ins Schaukeln, riß das Zugfahrzeug in eine 180-Grad-Kurve, löste sich dann von der Anhängerkupplung und stieß gegen die Leitplanke. Der Anhänger und die Ladung wurden schwer beschädigt.
4Mit der Klage hat der Kläger Ersatz seines durch die Zerstörung des Wintergartens entstandenen mit 12.336,76 DM bezifferten Schadens mit der Begründung verlangt, der Hänger sei wegen mangelnden Reifendrucks, defekter Bremse und einseitiger Beladung nicht verkehrssicher gewesen.
5Die Beklagte hat widerklagend Ersatz ihres mit 5.681,70 DM bezifferten durch die Beschädigung des Hängers eingetretenen Schadens verlangt.
6Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
7Mit der Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens sein erstinstanzliches Begehren bezüglich der Klage und der Abweisung der Widerklage weiter und macht geltend, der Unfall sei nicht auf einen Fahrfehler zurückzuführen, sondern auf unsachgemäße Beladung des Hängers durch den Beklagten, den unterschiedlichen Reifendruck der Anhängerbereifung sowie einen Defekt der Bremsanlage des Hängers.
8Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
9Der Senat hat den Kläger und einen Vertreter der Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
10II.
11Die Berufung hat teilweise Erfolg; Klage und Widerklage sind unbegründet.
12Es bestehen auf beiden Seiten keine Ansprüche gemäß §§ 823, 831 BGB, § 7 StVG oder nach den Regeln über die positive Vertragsverletzung, denn keiner Partei fällt ein Verschulden zur Last, und aus der Gefährdungshaftung ergeben sich ebenfalls keine Ansprüche.
131.
14Auch die weitere Beweisaufnahme hat die Behauptung des Klägers nicht erhärtet, daß der Anhänger wegen mangelnden Reifendrucks, defekter Bremse und einseitiger Beladung verkehrsunsicher gewesen sei. Vielmehr hat der Sachverständige T, dessen überragende Sachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Begutachtungen bekannt ist, zur Überzeugung des Senats die Ergebnisse des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen C bestätigt, wonach sich keine Anhaltspunkte für die Vermutungen des vom Kläger herangezogenen Privatgutachters Q gefunden haben. Damit scheiden Mängel des Hängers oder seiner Beladung, für die gegebenenfalls die Beklagte einzustehen hätte, als Unfallursache aus.
152.
16Der Unfall ist auch nicht durch einen Fahrfehler verursacht worden, den gegebenenfalls der Kläger zu vertreten hätte.
17Der Sachverständige T hat überzeugend ausgeführt, daß es beim Fahren zu Resonanzschwingungen kommen kann, die schlagartig ansteigen und sich in der Weise auswirken können, wie es hier geschehen ist, daß nämlich der Anhänger ausbricht und das Zugfahrzeug herumreißt. Er hat weiter dargelegt, daß einer derartigen Resonanz, wenn sie sich bemerkbar macht, nur durch rasches, kräftiges Bremsen begegnet werden kann, daß aber der Fahrzeugführer es nicht immer rechtzeitig spürt, daß sich eine derartige Resonanz aufbaut. Letztlich ist das technische Problem ungelöst, wie bei einem gekoppelten System - insbesondere also einem Gespann - die Resonanz hinreichend ausgeschaltet werden kann. Schwierigkeiten ergeben sich vor allem daraus, daß die Wirkungen im Kuppelpunkt jeweils unterschiedlich sind, weil verschiedene Hänger hinter demselben Zugfahrzeug unterschiedlich reagieren, ebenso wie der gleiche Hänger hinter verschiedenen Zugfahrzeugen unterschiedlich reagiert.
18In diese theoretischen Kenntnisse hat der Sachverständige, dem das Problem aufgrund eigener Versuche auf diesem Gebiet vertraut ist, die vom Senat für glaubhaft befundenen Schilderungen der Zeugen P und I eingeordnet. Sie haben den Kläger in seinem Zugfahrzeug begleitet, das bis zum Unfall bereits eine längere Strecke sowohl auf Landstraßen - teilweise auch mit Gefälle - als auch auf der Autobahn zurückgelegt hatte. Dabei haben sich keine Anhaltspunkte für eine überhöhte Geschwindigkeit oder eine verspätete Reaktion des mit Gespannfahrten vertrauten Klägers auf die plötzlich auftretende Instabilität des Gespanns ergeben. Auf dieser Grundlage ist der Sachverständige mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Unfall plötzlich durch eine Resonanz ausgelöst worden ist, und daß kein Fahrfehler des Klägers zu erkennen ist. Dieser hat demgemäß den Unfall nicht verschuldet.
193.
20Er braucht für den am Anhänger der Beklagten eingetretenen Schaden auch nicht gemäß § 7 StVG aufgrund der Betriebsgefahr seines Zugfahrzeugs einzutreten, wie sich aus der in § 8 a StVG getroffenen Regelung ergibt. Danach erstreckt sich die Haftung gemäß § 7 StVG nur ausnahmsweise auf Schäden an einer durch das Kraftfahrzeug beförderten Sache, nämlich dann, wenn eine entgeltliche und geschäftsmäßig beförderte Person die Sache an sich trägt oder mit sich führt. Das war hier bei dem Hänger der Beklagten nicht der Fall. Die Frage, ob überhaupt ein Anhänger als Sache verstanden werden kann, die von dem ziehenden Kraftfahrzeug befördert wird, hat der BGH in einem Fall offengelassen (vgl. VersR 81, 322), in dem sie von der Vorinstanz unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 11 Nr. 3 AKB a.F. bejaht worden war (vgl. OLG Bremen, VersR 80, 226). Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus der Zusammenschau der §§ 7 und 8 a StVG, daß die für das Zugfahrzeug statuierte Gefährdungshaftung sich zumindest im Regelfall nicht auf Schäden erstrecken soll, die an dem von ihm gezogenen Anhänger entstanden sind, weil dieser während der Fahrt Teil des Gefährtes ist, von dem die Gefahr ausgeht. Ob eine derartige Haftung generell ausscheidet, weil Zugfahrzeug und der mit ihm verbundene Anhänger haftungsrechtlich als Einheit zu begreifen sind, oder ob ausnahmsweise unter den hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 8 a I 2 StVG eine derartige Haftung eintreten kann, bedarf keiner Entscheidung.
214.
22Auf der anderen Seite hat auch der Kläger gegen die Beklagten keine Ansprüche aus der Gefährdungshaftung, da der Anhänger selbst kein Kraftfahrzeug i.S.d. § 7 I StVG ist.
235.
24Die Entscheidungen über die Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.
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