Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 10 UF 235/99
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 26.08.1999 verkün-dete Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen - 42 F 24/98 - im Ausspruch über den nachehelichen Unterhalt teilweise geändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden nachehelichen Unterhalt zu zahlen, und zwar die Rückstände sofort, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils im voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats:
für die Zeit von Juli bis Dezember 1997
monatlich 12,00 DM,
für die Zeit von Januar bis Dezember 1998
monatlich 87,00 DM,
für Januar 1999 45,00 DM,
für September 1999 bis Januar 2000 monatlich 130,00 DM
und ab Februar 2000 monatlich 215,00 DM.
Die weitergehende Klage auf Ehegattenunterhalt wird abge-wiesen.
Von den Gerichtskosten 1. Instanz tragen:
die Klägerin zu 1) 82 %,
die Klägerin zu 2) 6 %,
der Beklagte 12 %.
Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) werden 95 % dieser selbst und 5 % dem Beklagten auferlegt.
Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Kläge-rin zu 2) tragen zu 44 % diese selbst und zu 56 % der Beklagte, die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen zu 12 % dieser selbst, zu 82 % die Klägerin zu 1) und zu 6 % die Klägerin zu 2).
Die Kosten der Berufungsinstanz werden zu 75 % der Kläge-rin zu 1) und zu 25 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
2Entscheidungsgründe:
3Die Klägerin zu 1) und der Beklagte waren Eheleute, sie sind seit August 1996 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe ist die am 17. Juli 1992 geborene Tochter L , die Klägerin zu 2), hervorgegangen. L lebt bei der Mutter, die auch das staatliche Kindergeld bezieht.
4Für L ist durch das insoweit nicht angefochtene Urteil des Amtsgerichts u.a. ab September 1999 monatlicher Unterhalt von 400,00 DM tituliert.
5Die Klägerin zu 1) hat für die Zeit von Juli 1997 bis August 1999 als Ehegattenunterhalt über monatlich bereits gezahlte 150,00 DM hinaus Beträge zwischen 1.602,38 DM und 1.836,87 DM geltend gemacht und ab September 1999 monatlich 1.986,87 DM.
6Das Amtsgericht hat der Klägerin zu 1) durch das angefochtene Urteil zugesprochen:
7über bis einschließlich August 1999 monatlich freiwillig gezahlte 150,00 DM hinaus
8für Juli bis Dezember 1997 monatlich 271,00 DM,
9für Januar bis Juli 1998 monatlich 358,00 DM,
10für August bis Dezember 1998 monatlich 356,00 DM,
11für Januar 1999 351,00 DM,
12für Februar bis August 1999 monatlich 286,00 DM
13und ab September 1999 monatlich 436,00 DM.
14Mit der Berufung hat der Beklagte zunächst einen Antrag auf vollständige Abweisung der auf Ehegattenunterhalt gerichteten Klage angekündigt, dann aber - nach nur eingeschränkt bewilligter Prozeßkostenhilfe - nur Reduzierung auf folgende Beträge beantragt:
15für die Zeit von Juli bis Dezember 1997
16auf monatlich 12,00 DM,
17für Januar bis Dezember 1998 auf monatlich 87,00 DM,
18für Januar bis August 1999 auf 0,00 DM
19und ab September 1999 auf monatlich 100,00 DM.
20In diesem aufrecht erhaltenen Umfang hat die Berufung weitgehend Erfolg. Sie führt zur Reduzierung des vom Beklagten noch zu zahlenden Ehegattenunterhaltes auf die aus dem Tenor ersichtlichen Beträge.
21Dem Grunde nach folgt der der Klägerin zu 1) zugesprochene Unterhalt aus § 1570 BGB. Die Klägerin zu 1) betreut und versorgt die aus der Ehe hervorgegangene Tochter L . Diese war bei Beginn der hier streitigen Unterhaltszeit 5 Jahre und ist jetzt knapp 8 Jahre alt. Angesichts dieses Alters der Tochter kann von der Klägerin zu 1) jetzt noch nicht erwartet werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
22Die Höhe des Unterhaltes richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Diese waren allein geprägt durch das Einkommen des Beklagten aus dessen Tätigkeit bei der Firma M . Etwaige Einkünfte aus dem Hobby des Beklagten, nämlich dem Musizieren in einer Band und als Alleinunterhalter, sind nicht in die Bedarfsberechnung einzubeziehen. Neben der vollschichtigen Erwerbstätigkeit des Beklagten bei der Firma M waren seine Auftritte als Hobbymusiker in vollem Umfang überobligatorisch. Der Beklagte konnte diese Tätigkeit ohne unterhaltsrechtliche Konsequenzen jederzeit einstellen. Daher waren etwaige überschießende Einnahmen aus Auftritten mit der Band oder als Alleinunterhalter nicht bedarfsprägend.
23Das anrechenbare Einkommen des Beklagten und der Bedarf der Klägerin zu 1) errechnen sich wie folgt:
241997:
25Nach der Verdienstabrechnung für Dezember 1997 mit den Jahressummen hat der Beklagte in diesem Jahre ein Gesamtnettoeinkommen von 33.874,21 DM erzielt, monatsanteilig also rund 2.823,00 DM.
26Hinzuzurechnen ist eine Steuererstattung in
27der von beiden Parteien akzeptierten Höhe von
28monatsdurchschnittlich + 332,00 DM.
29Abzuziehen sind die vermögenswirksamen
30Leistungen des Arbeitgebers mit dem
31Nettobetrag von - 29,00 DM
32sowie Fahrtkosten von
3338 x 2 x 0,35 x 220 : 12 = rd. - 488,00 DM.
34Die bei der Fahrtkostenberechnung akzeptierten 38 km entsprechen der Fahrtstrecke, die der Beklagte von seinem ursprünglichen Wohnsitz bis zur Arbeitsstelle hatte. Soweit er geltend macht, daß er seit seinem Umzug nach H arbeitstäglich 55 km einfache Fahrt zurücklegen müsse, konnte das nicht berücksichtigt werden. Gründe für den Umzug sind nicht dargetan. Ohne triftige, auch unterhaltsrechtlich anzuerkennende Gründe für den Umzug aber kann der Beklagte nicht einfach höhere Fahrtkosten ansetzen und so den Bedarf der Klägerin herabsetzen.
35Entgegen der Ansicht des Beklagten sind auch nicht 0,42 DM, sondern nur 0,35 DM pro Kilometer anzusetzen. Der Senat billigt bei Fahrtstrecken von über 20 km einfache Fahrt nur eine Kilometerpauschale von 0,35 DM zu, da sich bei höheren Fahrtstrecken die Allgemeinkosten besser verteilen und so auf den einzelnen Kilometer nur ein geringerer Anteil von Allgemeinkosten entfällt. Dafür, daß abweichend von der Regel 230 Arbeitstage pro Jahr anzusetzen seien, ist nichts dargetan.
36Das anrechenbare Einkommen des Beklagten
37in 1997 betrug also 2.638,00 DM.
38Nach Abzug des Kindestabellenunterhaltes von
39400,00 DM + 110,00 DM = - 510,00 DM
40verbleiben 2.128,00 DM.
41Daraus errechnet sich ein 3/7-Bedarf der
42Klägerin zu 1) von 912,00 DM.
43Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist es nicht gerechtfertigt, dem Beklagten den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu streichen und somit die Hälfte des anrechenbaren Einkommens als Bedarf anzusetzen. Die vom Amtsgericht für seine Handhabung gegebene Begründung, nämlich daß schon hohe Fahrtkosten berücksichtigt seien, rechtfertigt ein Entfallen des Erwerbstätigenbonus nicht. Die 3/7-Quote bezweckt auch einen Arbeitsanreiz für den Verpflichteten, der auch dann anzuerkennen ist, wenn größere arbeitsbedingte Kosten, wie hier die Fahrtkosten von 488,00 DM, anfallen.
441998:
45Nach der Verdienstabrechnung für Dezember 1998 mit den Jahressummen hatte der Beklagte in 1998 ein Gesamtnettoeinkommen von 35.960,56 DM entsprechend monatsdurchschnittlich rund 2.997,00 DM.
46Eine fiktive Zurechnung eines höheren Einkommens wegen der vom Beklagten vorgenommenen Steuerklassenwahl kommt nicht in Betracht. Nach seiner Wiederverheiratung im Januar 1998 wurde das Einkommen des Beklagten ab April 1998 nach Steuerklasse 4 versteuert. Diese Steuerklassenwahl kann ihm unterhaltsrechtlich nicht vorgeworfen werden. Die günstigere Steuerklasse 3 hätte er nur mit Zustimmung seiner jetzigen Ehefrau treffen können, die selbst ein erhebliches Einkommen zu versteuern hat und bei einer Steuerklassenwahl 3 selbst nach Steuerklasse 5 versteuert würde und erhebliche finanzielle Einbußen hätte, die hinzunehmen ihr nicht zumutbar ist.
47Hinzuzurechnen ist dem Einkommen des
48Beklagten die Steuererstattung mit
49monatsdurchschnittlich + 332,00 DM.
50Abzuziehen sind die vermögenswirksamen
51Leistungen des Arbeitgebers mit jetzt netto - 28,00 DM,
52sowie Fahrtkosten von - 488,00 DM.
53Es ergibt sich somit ein anrechenbares
54Monatseinkommen von 2.813,00 DM.
55Nach Abzug des Kindestabellenunterhaltes von 510,00 DM
56verbleiben 2.303,00 DM.
57Daraus errechnet sich ein 3/7-Bedarf der
58Klägerin von 987,00 DM.
591999:
60Nach der Dezember-Abrechnung mit den Jahressummen hat der Beklagte in 1999 ein Gesamtnettoeinkommen von 36.640,29 DM entsprechend monatsanteilig 3.053,80 DM.
61Hinzuzurechnen ist die in 1999 geflossene
62Steuererstattung für 1997 mit 2.318,83 DM
63entsprechend monatsanteilig + 193,24 DM.
64Abzusetzen sind die vermögenswirksamen
65Leistungen mit netto - 29,00 DM
66sowie die Fahrtkosten von - 488,00 DM,
67so daß rund 2.730,00 DM
68verbleiben.
69Nach Abzug des Kindestabellenunterhaltes von
70400,00 DM + 125,00 DM = - 525,00 DM
71ergeben sich 2.205,00 DM.
72Daraus errechnet sich ein 3/7-Bedarf
73der Klägerin zu 1) von 945,00 DM.
74Diesen Bedarf schreibt der Senat auch für die Folgejahre fort.
75Auf die oben ermittelten Bedarfsbeträge ist ein Eigeneinkommen der Klägerin zu 1) wie folgt anzurechnen:
76Für die Zeit von Juli 1997 bis März 1999 ein fiktives Entgelt für Versorgungsleistungen. Unstreitig haben die Klägerin zu 1) und der Zeuge Dr. P in dieser Zeit in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt. Während dieser Zeit hat die Klägerin zu 1) im wesentlichen den Haushalt geführt und somit auch für dem Zeugen hausfrauliche Versorgungsleistungen wie Kochen, Waschen und Putzen erbracht. Zwar hat Dr. P nach seiner Bekundung gelegentlich im Haushalt einzelne Arbeiten verrichtet, beispielsweise hat er den Müll weggebracht. Im wesentlichen aber hat die Klägerin zu 1) die Hausarbeit verrichtet, während Dr. P ganztägig außer Haus war und abends erst gegen 8 Uhr nach Hause kam. Das Amtsgericht hat die Versorgungsleistungen mit 750,00 DM bewertet, dieser Betrag erscheint angemessen.
77Spätestens für die Zeit ab August 1999 aber entfällt der Ansatz von fiktiven Versorgungsleistungen. Seit diesem Zeitpunkt hat die Klägerin zu 1) nämlich eine eigene Wohnung, nachdem ihre Beziehung zu Dr. P nach ihren Angaben und den Aussagen der Zeugen Dr. P und Frau E bereits im April 1999 beendet war. Soweit der Beklagte demgegenüber behauptet, die Klägerin zu 1) und Dr. P lebten weiterhin zusammen und die räumliche Trennung sei nur aus prozeßtaktischen Gründen erfolgt, ist das durch die Beweisaufnahme widerlegt. Die Tatsache, daß auch noch nach dem Umzug der Klägerin zu 1) in eine neue Wohnung ihr Wagen des öfteren vor der früheren gemeinsamen Wohnung stand, steht zu der Annahme, daß die Beziehung der Klägerin zu 1) zu Dr. P beendet war, nicht entgegen. Die Klägerin und Dr. P haben das nämlich plausibel damit erklärt, daß die Klägerin zu 1) bzw. die Tochter L noch des öfteren eine Freundin in dem Hause besuchten, ferner damit, daß das Klavier, an dem L üben mußte, noch eine Zeitlang nach dem Umzug in der früheren Wohnung verblieb.
78Anzurechnen sind des weiteren die an die Klägerin zu 1) ab Februar 1999 geflossenen BAföG-Leistungen. Diese betrugen zunächst 815,00 DM netto im Monat. Ab Februar 2000 wurden die BAföG-Leistungen auf 730,00 DM herabgesetzt, wie durch einen im Senatstermin überreichten Bescheid vom 28.01.2000 belegt ist.
79Die von der Klägerin zu 1) im Jahre 1997 als Aushilfskellnerin bezogenen Einkünfte von 208,00 DM + 104,00 DM + 36,00 DM hat schon das Amtsgericht zutreffend als überobligationsmäßig erzielt bezeichnet und unberücksichtigt gelassen. Einen Berufungsangriff hat der Beklagte dagegen nicht erhoben.
80Zusammenfassend ergeben sich für die einzelnen Unterhaltszeiträume folgende noch zu zahlende Beträge:
81Juli bis Dezember 1997:
82Bedarf 912,00 DM
83darauf anzurechnendes fiktives Entgelt
84für Versorgungsleistungen 750,00 DM
85bereits gezahlt 150,00 DM
86verbleiben monatlich 12,00 DM;
871998:
88Bedarf 987,00 DM
89darauf anzurechnendes fiktives Entgelt
90für Versorgungsleistungen 750,00 DM
91bereits gezahlt 150,00 DM
92verbleiben monatlich 87,00 DM;
93Januar 1999:
94Bedarf 945,00 DM
95darauf anzurechnendes fiktives Entgelt
96für Versorgungsleistungen 750,00 DM
97bereits gezahlt 150,00 DM
98verbleiben 45,00 DM;
99Februar bis August 1999:
100Bedarf 945,00 DM
101darauf anzurechnend BAföG-Leistungen von 815,00 DM
102bereits gezahlt 150,00 DM.
103Auch ohne Anrechnung von Versorgungsleistungen verbleibt kein offener Bedarf.
104September 1999 bis Januar 2000:
105Bedarf 945,00 DM
106abzüglich BAföG-Leistungen von 815,00 DM
107bleiben zu zahlen 130,00 DM;
108ab Februar 2000:
109Bedarf 945,00 DM
110abzüglich BAföG-Leistungen von 730,00 DM
111bleiben zu zahlen monatlich 215,00 DM.
112Das im Senatstermin angesprochene Problem, daß die BAföG-Leistungen teilweise zurückgefordert werden - wohl wegen der Unterhaltsleistungen des Beklagten -, konnte bei der vorliegenden Entscheidung keine Berücksichtigung finden. Nach dem Zuflußprinzip sind die geflossenen BAföG-Leistungen anzurechnen, eventuelle spätere Rückzahlungen können nur im Wege der Abänderungsklage Berücksichtigung finden.
113Eine Verwirkung der oben errechneten Ansprüche im Hinblick auf eine sozio-ökonomische Gemeinschaft kommt nicht in Betracht. Für eine solche Gemeinschaft ist schon das Zeitmoment nicht erfüllt, da die Klägerin zu 1) und Dr. P nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur von März 1997 bis März 1999 zusammengelebt haben. Im übrigen belegt die dann erfolgte Trennung, daß die Beziehung sich noch nicht zu einer dauerhaften Gemeinschaft verfestigt hatte.
114Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 und 515 Abs. 3 ZPO. Bei der Kostenquotelung ist berücksichtigt, daß die Verhandlungsgebühr nur nach dem durch die teilweise Berufungsrücknahme reduzierten Streitwert angefallen ist.
115Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10 und 713 ZPO.
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