Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - I-19 U 117/09
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.09.2009 verkündete Urteil der 6. Zivil-kammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.446,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, die ihr aus dem Ölunfall vom 04.01.2007 zukünftig noch entstehen werden, in Höhe von 2/3 zu ersetzen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Beklagte zu 2/3, die Klägerin zu 1/3.
Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin zu 1/3, im Übrigen erfolgt eine Kostenerstattung nicht.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der Gegenseite abwenden durch Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.911,55 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Nach § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil verwiesen, soweit sich auf dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt. Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt die unvollständige Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das Landgericht. Sie behauptet, die Parteien hätten für die Dauer ihrer vertraglichen Beziehungen zumindest stillschweigend den Sitz der Klägerin als Erfüllungsort vereinbart. Sie habe keine Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte das Heizöl nicht von ihrem Sitz versandt habe. Die Streithelferin sei daher als Erfüllungsgehilfe für die Beklagte tätig geworden, mit der Folge, dass die Beklagte für das Verschulden der Streithelferin bei dem Befüllen des Heizöltanks einzustehen habe. Sie beantragt,
4- die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 3.850,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2007 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche materiellen Schäden, die der Klägerin aus dem Ölunfall vom 04.01.2007 zukünftig noch entstehen werden, zu ersetzen;
- hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an sie ihre Schadenersatzansprüche aus der Heizöllieferung vom 04.01.2007 von M2 nach N zur Klägerin gegen Herrn L, G-str.101, E2 abzutreten.
6Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
7die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte behauptet, im kaufmännischen Verkehr wisse jeder Empfänger von Heizöllieferungen, dass Heizöl regelmäßig über Fremdlager ausgeliefert werde. Zu dem Schaden sei es allein deshalb gekommen, weil die Tankanlage der Klägerin veraltet und nicht mehr funktionstüchtig gewesen sei. Hilfsweise erklärt sie die Aufrechnung mit einer Forderung in Höhe von 1.061,55 € wegen der Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Privatgutachten zur Schadensursache. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Erklärungen der Parteien zu Protokoll Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Industrie- und Handelskammer Dortmund. Insoweit wird auf das Gutachten vom 28.06.2010 Bezug genommen. Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen U sowie durch die Vernehmung der Zeugen I, L und Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur Sitzung vom 07.12.2010 verwiesen.
8II.
9Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. 1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 2.446,67 € aus § 280 Abs.1 i.V.m. §§ 433, 278 BGB nach dem Ölunfall vom 04.01.2007. Der der Klägerin zustehende Ersatzanspruch ist aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin an dem Schadensfall gem. § 254 Abs.1 BGB um ein Drittel zu kürzen. a) Die Beklagte hat gem. § 278 BGB für das Verschulden und die Pflichtverletzung der Streithelferin bei der Befüllung des Öltanks einzustehen, da sie sich der Streithelferin zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Vertrag über die Lieferung des Heizöls bedient hat. Die Beklagte war gem. § 433 Abs.1 S.2 BGB verpflichtet, an die Klägerin Heizöl zu liefern. Diese Verpflichtung hat die Beklagte gem. § 446 BGB erst mit Ablieferung des Öls bei der Klägerin und nicht bereits mit Übergabe an die Streithelferin erfüllt. aa) Nach der Vereinbarung der Parteien ist von einer Schickschuld gem. § 447 Abs.1 BGB auszugehen. Nach den gem. § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts haben die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages am 03.01.2007 keine Vereinbarung dahin getroffen, dass nicht am Sitz der Beklagten sondern am Sitz der Klägerin erfüllt werden sollte. Eine Bringschuld ergibt sich auch nicht aus den Umständen des Schuldverhältnisses. Im kaufmännischen Verkehr begründen Warenlieferungen grundsätzlich Schickschulden und keine Bringschulden (BGH NJW 1991, 915). bb) Obwohl die Beklagte das Heizöl auf Verlangen der Klägerin gem. § 447 Abs.1 BGB an einen anderen als den sich aus § 269 Abs.1 BGB ergebenden Erfüllungsort versandt hat, ist die Gefahr nicht mit der Übergabe des Heizöls an die Streithelferin auf die Klägerin übergegangen. Die Beklagte blieb als Verkäuferin nach § 433 Abs.1 S.2 BGB verpflichtet, das Heizöl unmittelbar bei der Klägerin abzuliefern, so dass das Transportrisiko bei ihr verblieb. Das Heizöl ist nämlich nicht von dem gesetzlich bestimmten Erfüllungsort, der Niederlassung der Beklagten, versandt worden, sondern von einem dritten Ort (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 69.A., § 447 Rn.13; Münchener Kommentar-Westermann, BGB, 5.A., § 447 Rn.5). cc) Eine Vereinbarung, dass das Auslieferungslager Erfüllungsort i.S.d. § 269 Abs.1 BGB sein sollte, haben die Parteien nicht getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin ohne eine besondere Vereinbarung über den Erfüllungsort zumindest mit der Lieferung des Heizöls ab Auslieferungslager als dritten Ort einverstanden war (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 69.A., § 447 Rn.139). Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts gab es keine Absprache der Parteien über den Erfüllungsort bzw. eine Verständigung über die Auslieferstelle. Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort ist auch nicht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten getroffen worden. Zwar mögen die bis 2006 verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen ausdrücklichen Hinweis auf den Gefahrübergang ab Auslieferstelle enthalten haben. Dem Geschäft vom 03./04.01.2007 können aber allenfalls die zu diesem Zeitpunkt gültigen Geschäftsbedingungen der Beklagten zugrunde gelegen haben. Zu anderen Konditionen hat die Beklagte ihre Leistungen nicht angeboten. Die seinerzeit aktuellen Geschäftsbedingungen enthielten jedoch keinen Hinweis auf einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort. dd) Das Auslieferungslager ist auch nicht nach den Umständen des Schuldverhältnisses als Erfüllungsort für das Geschäft anzusehen. Einen die Umstände des Schuldverhältnisses prägenden Handelsbrauch gem. § 346 HGB (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69.A., § 269 Rn.12) konnte der Senat auf der Grundlage des Gutachtens der IHK Dortmund vom 10.05.2010 nicht sicher feststellen. Die Mehrheit der Unternehmen hat die Beweisfragen des Senats verneint. Danach bleibt offen, ob im kaufmännischen Verkehr allgemein bekannt ist, dass Heizöllieferungen von einem Fremdlager aus erfolgen und die Transportgefahr bereits mit Abgabe an den Spediteur auf den Käufer übergeht. Die Zweifel an der Existenz eines solchen Handelsbrauchs gehen zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69.A., § 269 Rn.19). b) Die Beklagte hat gem. § 278 BGB für die schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten der Streithelferin während des Tankvorgangs einzustehen. Der Lieferant von Heizöl hat beim Befüllen eines Öltanks alles zu tun, um Zwischenfälle, die auf einem Versagen technischer Einrichtungen beruhen, auszuschließen und sich in zumutbaren Umfang zu vergewissern, dass kein Öl austritt. Dazu hat er vor dem Tanken eine Sichtprüfung der Anlage vorzunehmen und während des Tankvorgangs die Anlage zu kontrollieren (BGH NJW 1978, 1576 f). Die Streithelferin ist diesen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen. Dies steht nach der Beweisaufnahme im Termin vom 07.12.2007 zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat sieht es zwar als erwiesen an, dass die Streithelferin den Grenzwertgeber des Tanks vor dem Betanken angeschlossen hat. Die Angaben des Zeugen L sind glaubhaft und nachvollziehbar. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge den Grenzwertgeber hätte überbrücken sollen. Der Tankvorgang wäre dadurch nicht vereinfacht worden. Der Tankanschluss und der Grenzwertgeber waren nebeneinander installiert, so dass der Zeuge L den Grenzwertgeber ohne zusätzlichen Aufwand anschließen konnte. Das Versäumnis der Streithelferin liegt vielmehr darin, dass sie nicht die auf den Tank entfallende maximale Befüllmenge an dem Tankwagen voreingestellt hat, sondern sich pflichtwidrig ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen auf die Beendigung des Tankvorgangs durch den Grenzwertgeber verlassen hat. Gem. § 280 Abs.1 S.2 BGB hat die Streithelferin ihr pflichtwidriges Verhalten zu vertreten, der Entlastungsbeweis ist nicht geführt. Dass die Streithelferin vor Beginn der Betankung nicht die korrekte, maximale Befüllmenge für den Tank am Tankwagen voreingestellt hatte, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen L. Dieser hat angegeben, es sei durchaus üblich, vor dem Tankvorgang nicht die Menge für den jeweils zu befüllenden Tank einzustellen, sondern die insgesamt zu liefernde Menge. Wichtig sei nur, dass eine Voreinstellung am Tankwagen vorgenommen werde, da ansonsten der Tankvorgang nicht gestartet werden könne. Da die Tankuhr des Lkws nach Abbruch des Tankvorgangs eine Befüllmenge von 3074 l auswies, nach Angaben des Zeugen I aber maximal 2600 l hätten getankt werden können und der Tank übergelaufen ist, muss der Zeuge L zwangsläufig eine zu große Liefermenge voreingestellt haben. Da eine zeitgleiche Kontrolle des Tankwagens und der Anlage nicht möglich war, hat sich der Zeuge L darauf verlassen, dass der Tankvorgang durch den Grenzwertgeber rechtzeitig gestoppt würde. Nach den Ausführungen des Sachverständigen U ist ein solches Verhalten zwar in Praxis üblich aber dennoch pflichtwidrig. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Grenzwertgeber lediglich eine Sicherheitsvorrichtung ist, die aber nicht dazu gedacht ist, den Tankvorgang zu regulieren. Vielmehr würden die Lieferanten dahin geschult, von vorneherein nur Öl in einer Menge abzufüllen, bei der der Grenzwertgeber nicht anspreche. Der Sachverständige hat dargetan, es komme gerade bei älteren Anlagen vor, dass sich der Grenzwertgeber zusetze und nicht wie vorgesehen funktioniere. Durch sein Verhalten hat der Zeuge L eine der zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen – Anschluss des Grenzwertgebers, Voreinstellen der Befüllmenge und Sichtkontrolle - außer Kraft gesetzt und damit eine Gefahrenlage geschaffen, der er nicht angemessen begegnet ist. Wenn die Streithelferin eine der vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen umgeht, hätte sie dies durch zusätzliche Maßnahmen auffangen müssen. Es wäre erforderlich gewesen, die maximale Befüllmenge zu errechnen und den Tankvorgang rechtzeitig manuell zu unterbrechen. c) Die Pflichtverletzung der Streithelferin hat kausal und zurechenbar zu dem der Klägerin entstandenen Schaden durch das übergelaufene Öl geführt. Ihre Versäumnisse waren nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne weiteres geeignet, den geltend gemachten Schaden herbeizuführen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69.A., Vorb v § 249 Rn.26). Hätte die Streithelferin die auf den Tank entfallende Befüllmenge korrekt voreingestellt oder den Tankvorgang manuell rechtzeitig unterbrochen, wäre der Ölunfall vermieden worden. d) Der Senat geht nach der Einvernahme des Zeugen Q unter Würdigung aller Umstände gem. § 287 Abs.1 S.1 ZPO davon aus, dass der Klägerin durch den Ölunfall ein finanzieller Schaden von insgesamt 4.210,00 € entstanden ist. Unstreitig sind 800 l Öl in die Halle der Klägerin gelaufen. Der Zeuge Q hat bekundet, dass Halle und Nebenräume vor der Reinigung durch die Firma M geräumt, verunreinigte Gegenstände aussortiert oder mit geeigneten Putzmitteln gesäubert und später zurückgeräumt werden mussten. Die durch diese Arbeiten verursachten Arbeitsstunden hat der Zeuge durch einen Abgleich mit der Stempeluhr des Betriebes nachgehalten. Dass finanzielle Aufwendungen für Reinigungsmaterial entstehen, Gegenstände Öl aufnehmen, dadurch irreparabel zerstört werden und die Säuberung angesichts der Menge des übergelaufenen Öls zeitintensiv ist, versteht sich nach allgemeiner Lebenserfahrung. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Zeugen kalkulierten Aufwendungen unangemessen übersetzt oder nicht entstanden sind. e) Die Beklagte haftet für den entstandenen Schaden jedoch aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin an dem Schadensfall gem. § 254 Abs.1 BGB nicht uneingeschränkt. Der Senat bemisst den Mitverschuldensanteil der Klägerin gem. § 287 Abs.1 ZPO nach Würdigung aller Umstände mit einem Drittel. In dieser Höhe ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu kürzen. Die Klägerin ist gem. § 22 Abs.2 WHG als Inhaberin der Anlage für deren Zustand verantwortlich. Bei der Bemessung der Verschuldensanteile nach § 254 Abs.1 BGB ist die von der Anlage ausgehende Betriebsgefahr in die Abwägung einzustellen, da diese durch technische Mängel der Anlage erhöht war (vgl. BGH NJW 1995, 1150 Tz.25; OLG Düsseldorf VersR 1992, 1478, 1479; Geigel-Münkel, Haftpflichtprozess, 25.A., S.794). Die erhöhte Betriebsgefahr ist für den Schadensfall mitursächlich geworden. Für die technischen Mängel der Tankanlage war die Klägerin nach den Ausführungen des Sachverständigen U in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 17.02.2007 sowie in der mündlichen Verhandlung aufgrund einer unzureichenden Überwachung und Wartung verantwortlich. Der Sachverständige hat festgestellt, dass der Grenzwertgeber des Tanks verpilzt war. Ist der Grenzwertgeber in dieser Weise verunreinigt, besteht die Gefahr, dass er sich durch einen Film oder eine Membran zusetzt, deshalb bei der Überfüllung des Tanks nicht reagiert und den Tankvorgang nicht unterbricht. Der Senat sieht es als erwiesen an, dass sich diese Gefahr in dem konkreten Schadenshergang realisiert hat. Hätte der Grenzwertgeber ordnungsgemäß funktioniert, wäre der Schadenseintritt verhindert worden, weil der Tankvorgang rechtzeitig gestoppt worden wäre. Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob die Klägerin den Grenzwertgeber pflichtwidrig zu hoch montiert hat, um das Fassungsvermögen des Tanks zu vergrößern. Der Tankvorgang wäre nach den Angaben des Sachverständigen auch im Falle dieser Manipulation zwar später als werkseitig vorgesehen aber dennoch rechtzeitig beendet worden. Der Schadensfall kann daher nur auf einem Funktionsausfall des verunreinigten Grenzwertgebers beruhen; auf andere Weise ist der Schadensfall nicht erklärbar. Die später festgestellte Funktionsfähigkeit des Grenzwertgebers im Zuge der Überprüfung durch den Sachverständigen lässt nicht den Schluss zu, dass er während des schadensstiftenden Tankvorgangs funktioniert hat. Der Sachverständige hat erläutert, dass bei einer späteren Überprüfung des Grenzwertgebers zuvor vorhandene Verunreinigungen nicht zwingend erkennbar sind, weil die schadensursächlichen Ablagerungen gerissen oder abgespült worden sind. Die Klägerin hat die Tankanlage außerdem nicht entsprechend dem geltenden technischen Stand betrieben. Der Anlage fehlte die seit mehreren Jahren gesetzlich vorgeschriebene Berstsicherung, durch die das Öl im Fall einer Überfüllung des Tanks kontrolliert hätte abfließen können, wodurch das Überlaufen des Auffangbeckens vermieden worden wäre. Das Auffangbecken des Öltanks war nicht hinreichend abgedichtet, so dass das Öl durch die hintere Wand des Auffangbeckens in den Heizungsraum sickern konnte. Der Senat wertet die sich aufgrund dieser Versäumnis ergebenden Haftungsanteile der Klägerin dennoch geringer als die der Beklagten. Die Klägerin ist für den Schadensfall im Wesentlichen wegen der von der Tankanlage ausgehenden Betriebsgefahr verantwortlich, der Verschuldensanteil der Klägerin ist als gering zu werten. Die Klägerin hat zwar durch eine unzureichende Wartung der Anlage deren Betriebsgefahr erhöht. Von der Klägerin können allerdings hinsichtlich Wartung und Funktionsfähigkeit der Anlage nicht die vom Sachverständigen dargestellten Fachkenntnisse erwartet werden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Tankanlage keinen behördlichen Kontrollen unterlag. Die Klägerin hat, wie es auch der Zeuge I schildert, niemals einen Hinweis dahin erhalten, dass sich die Anlage aufgrund des Fehlens der Berstsicherung nicht auf dem aktuellen technischen Stand befindet und insgesamt nicht mehr verkehrssicher ist. Der Klägerin kann lediglich der Vorwurf gemacht werden, dass sich für einen sorgfältigen Betreiber angesichts des Alters der Tankanlage eine Überprüfung aufgedrängt hätte, ob die Anlage tatsächlich verlässlich funktioniert und für den fortwährenden Betrieb geeignet ist. Eine grobe Nachlässigkeit bei der Wartung der Anlage kann der Klägerin lediglich wegen der unzureichenden Abdichtung des Auffangbeckens vorgeworfen werden. Dieser Umstand hatte aber nur geringe Auswirkungen auf den Schadensumfang, da ein Großteil des Öls mit hohem Druck ausgetreten ist und deshalb nicht in das Auffangbecken gelangt ist. Demgegenüber hat die Streithelferin durch den groben Pflichtenverstoß die Hauptursache für den Schaden gesetzt, indem sie sich auf die Beendigung des Tankvorgangs durch den Grenzwertgeber verlassen hat. Hätte die Streithelferin die ihr obliegenden Anforderungen erfüllt, die richtige Menge des zu liefernden Öls voreingestellt und die Liefermenge kontrolliert, wäre die zu dem Schaden führende Ursachenkette nicht in Gang gesetzt worden. In der Gewichtung der Verursachungsbeiträge unterscheidet sich dieser Fall ganz wesentlich von der durch die Streithelferin zitierten Entscheidung des BGH (NJW 1995, 1150 ff). Die vom BGH vorgenommene Bewertung der Verschuldensanteile ist darin begründet, dass der Öllieferant in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht für einen groben Pflichtenverstoß einzustehen hatte, sondern ein technischer Defekt der Anlage Hauptursache für den Schadensfall geworden ist. Den Inhaber traf schon wegen der Art und Größe der Anlage als betriebseigene Tankstelle sowie wegen der Frequentierung der Anlage durch Abnehmer und Befüller eine ungleich größere Verantwortung für deren Sicherheit als die Klägerin. Danach hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 2.806,67 €, der jedoch durch die Zahlung der Haftpflichtversicherung der Streithelferin in Höhe von 360,00 € anteilig gem. § 362 Abs.1 BGB erloschen ist. Danach verbleibt der ausgeurteilte Anspruch in Höhe von 2.446,67 €. 2. Die Forderung der Klägerin ist nicht durch die erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 1.061,55 € gem. §§ 387, 389 BGB erloschen. Die in der Berufung erklärte Aufrechnung ist zwar gem. §§ 533, 529 Abs.1 ZPO zulässig, in der Sache besteht jedoch keine Gegenforderung der Beklagten. Es ist nicht ersichtlich nach welcher Anspruchsgrundlage die Klägerin verpflichtet sein sollte, die Kosten eines von der Beklagten veranlasstes Privatgutachten über die Schadensursache zu tragen. Selbst wenn ein Anspruch konstruiert würde, ist die geltend gemachte Forderung nicht ersatzfähig. Das Privatgutachten war gem. § 249 BGB weder zur Schadensfeststellung noch zur Rechtsverfolgung erforderlich. 3. Daneben stehen der Klägerin auf die Hauptforderung Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2007 aus §§ 280 Abs.1, 2, 286 Abs.2 Nr.3, 288 Abs.1 BGB zu. Die Klägerin hat die Beklagte vergeblich aufgefordert, sie bis zum 29.10.2007 klaglos zu stellen, ohne dass die Beklagte auf die geltend gemachte Forderung Zahlungen erbracht hätte. Der Höhe nach stehen der Klägerin nur die ausgeurteilten Verzugszinsen gem. § 288 Abs.1 BGB zu, da sie eine Schadenersatzforderung geltend macht. § 288 Abs.2 BGB betrifft nur den auf Entgeltforderungen entfallenden Zinsschaden. 4. Der Feststellungsantrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem Interesse der Klägerin, die Verjährung künftiger Schadenersatzansprüche zu verhindern. Ausreichend ist, dass weitere Schadensfolgen entfernt möglich sind, ihr Eintritt braucht nicht wahrscheinlich zu sein (Zöller-Greger, ZPO, 28.A., § 256 Rn.9; Geigel-Bacher, Haftpflichtprozess, 25.A., Kap.39 Rn.19). Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags scheitert nicht daran, dass die Klägerin ihre Ansprüche beziffern und im Wege der Leistungsklage geltend machen könnte. Die Klägerin verfolgt mit dem Feststellungsantrag ausschließlich Ansprüche für die Zukunft, die ihr etwa aufgrund der Kontamination des Erdreichs durch das ausgelaufene Heizöl entstehen können. Hierzu ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen U vom 17.02.2007, dass 800 l Öl in die Halle der Klägerin gelaufen sind und von dort aus auch in das Erdreich eingedrungen sind. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der Ölbelastung in der Zukunft weitere Schadensfolgen zu besorgen sind. In der Sache ergibt sich der Anspruch aus § 280 Abs.1 i.V.m. §§ 433, 278 BGB. Die Beklagte ist für die Folgen des Ölunfalls vom 04.01.2007 grundsätzlich einstandspflichtig. Die Klägerin legt substantiiert Tatsachen dar, die den Schluss zulassen, dass künftig weitere materielle Schäden eintreten können, die von dem mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht erfasst sind (vgl. Geigel-Bacher, Haftpflichtprozess, 25.A., Kap. 39 Rn.35 f). Die Klägerin ist nach dem Ölunfall vom Amt für Umweltschutz in die Liste der mit Öl verunreinigten Betriebe aufgenommen worden. Durch die behördliche Registrierung besteht für die Zukunft konkret die Gefahr, dass die Klägerin bei einem Verkauf des Grundstücks Wertverluste hinzunehmen hat oder dass von der Klägerin – sei es aufgrund geänderter gesetzlicher Vorschriften oder anlässlich eines Nutzungswechsels – die Sanierung des Erdreichs verlangt wird. 5. Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs.1, 101 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.
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