Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 15 W 122/14
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beteiligte ist Eigentümerin des eingangs genannten Grundstücks, das mit einem Kaufhaus mit einer Tiefgarage bebaut ist. Dieses Grundstück ist in Abt. II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 11 belastet mit einer Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts:
4„Wegerecht (Befahren durch Benutzer der auf dem herrschenden Grundstück errichteten Tiefgarage) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung H Flur ## Flurstücke ##1 und ##2 (eingetragen in H Blatt ****). Unter Bezug auf die Bewilligung vom 15. Juni/4. Dezember 1998 (UR-Nr. 515 und 1027/1998, Notar Q in H) mit Rang vor den Rechten Abt. III Nr. 2, 3, 4, 5, 9 und 10 eingetragen am 18. Februar 1999.
5Eigentümerin des mit der Grunddienstbarkeit begünstigten Grundstücks ist die E GmbH in H, die auf dem herrschenden Grundstück in zwei unterirdischen Geschossen eine Tiefgarage unterhält. Die E GmbH will diese Tiefgarage um ca. 121 öffentliche Tiefgaragenplätze und 29 Stellplätze, die privat genutzt werden, erweitern, und zwar auf den Flurstücken ##3 und ##4, wiederum in zwei Untergeschossen. Auch diese Tiefgarage soll über den der Beteiligten gehörenden Weg zugängig sein.
6Die Beteiligte will daher den Inhalt der bereits eingetragenen Grunddienstbarkeit dahingehend erweitern, dass das bereits bestehende Wegerecht in unveränderter Form für die Nutzer der vorhandenen Tiefgarage erhalten bleibt, aber erweitert wird zugunsten der Nutzer des Erweiterungsbaus. Sie hat daher in einer unterschriftsbeglaubigten Erklärung am 08.07.2013 (UR-Nr. 473/2013 des Notars Q) die Erweiterung der unter lfd. Nr. 11 eingetragenen Grunddienstbarkeit bewilligt und beantragt, diese einzutragen.
7Mit Zwischenverfügung vom 26.11.2013 rügte das Grundbuchamt, das Gesetz sehe eine Erweiterung einer Grunddienstbarkeit nicht vor, inhaltlich sei wohl die Bestellung einer Grunddienstbarkeit für andere gewollt. Zur Behebung des Mangels sei deshalb die Vorlage einer Bewilligung für die Bestellung einer neuen Grunddienstbarkeit erforderlich. Die begünstigten Flurstücke müssten gemäß § 28 GBO bezeichnet sein, die in der Erklärung vom 08.07.2013 bezeichneten seien nicht mehr existent. An dieser Auffassung hielt das Grundbuchamt auf die Einwendung der Beteiligten, dass das bestehende Recht nicht geändert, sondern nur auf eine Mehrzahl von Nutzern erweitert werde, mit Zwischenverfügung vom 10.02.2014 fest und setzte zur Behebung des Eintragungshindernisses eine Frist gemäß § 18 GBO bis einschließlich 30.04.2014.
8Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 04.03.2014 nicht abhalf.
9II.
10Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar (§ 15 GBO) eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 3. Aufl., § 71 Rn. 11) und bereits aus formellen Gründen begründet, weil das Grundbuchamt unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung grundbuchverfahrensrechtlich eine Zwischenverfügung nicht hätte erlassen dürfen. Dieser Mangel allein führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.
11Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nur zulässig, wenn sie zur Behebung eines mit auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkender Kraft heilbaren Hindernisses dienen soll (BayObLGZ 1990, 6, 8; in Bauer/von Oefele/Wilke, a.a.O., § 18 Rn. 9; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 8 Rn. 8). Die Zwischenverfügung soll damit dem gestellten Eintragungsantrag zum Erfolg verhelfen und dient zugleich der Rangwahrung des noch nicht erledigten Antrags gegenüber später eingehenden weiteren Eintragungsanträgen (§ 18 Abs. 2 GBO). Hier hält das Grundbuchamt aber die Bestellung einer neuen Dienstbarkeit (Wegerecht) zugunsten des Eigentümers eines weiteren Grundstücks für erforderlich, um die beantragte Eintragung vornehmen zu können. Ein noch vorzunehmendes Rechtsgeschäft kann jedoch aus den genannten Gründen nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein.
12Da die Beschwerde bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg hat, weist der Senat ohne Präjudiz daurauf hin, dass das Grundbuchamt in der Sache Recht hat:
13Die Beteiligte will den Inhalt der eingetragenen Dienstbarkeit in Bezug auf die Befugnisse des eingetragenen Begünstigten nicht ändern - der Eigentümer des herrschenden Grundstücks (H Flur ## Flurstücke ##1 und ##2) soll das Wegerecht weiterhin so, wie es bestellt ist, nutzen dürfen -, sondern dahin erweitern, dass das eingetragene Wegerecht auch von dem Eigentümer des auf zwei anderen Grundstücken (von der Beteiligten mit Flurstücken „##3 und ##4“ bezeichnet) errichteten Tiefgaragenerweiterungsbaus genutzt werden darf. Eine solche Änderung der Rechtsinhaberschaft ist von der in § 877 BGB geregelten Inhaltsänderung, wonach für Änderungen des Inhalts eines Rechts an einem Grundstück die §§ 873, 874 und 876 BGB Anwendung finden, nicht erfasst und nicht zulässig. Der Inhalt eines Grundstücksrechts wird durch die Gesamtheit der mit ihm verbundenen Befugnisse und Pflichten bestimmt. § 877 BGB regelt demnach eine nachträgliche Abwandlung der Befugnisse oder Pflichten des Berechtigten, die unter Wahrung der Identität des bestehenden Rechts weder Begründung, Übertragung, Belastung noch Aufhebung ist. § 877 regelt daher nur Inhaltsänderungen, die sich auf bloße inhaltsändernde Modalitäten des Rechts beschränken, nicht jedoch Änderungen, die die Rechtsinhaberschaft betreffen (vgl. MünchKommBGB/Kohler, 6. Aufl., § 877 Rn. 2; Staudinger/Gursky, BGB [2012] § 877 Rn. 8, 9, 22).
14Die Beteiligte hat daher zur Verwirklichung ihrer Absicht, auch zugunsten des Eigentümers der Grundstücke, auf denen die neuen Tiefgaragenplätze erbaut sind, ein Wegerecht zu bestellen, nur die Möglichkeiten,
15- entweder das bestehende Recht aufzuheben und zugunsten der Eigentümer aller herrschenden Grundstücke neu zu bestellen
16- oder unter Beibehaltung des bestehenden Wegerechts ein neues, ggf. gleichrangiges Wegerecht für den Eigentümer der Grundstücke, auf denen die neuen Tiefgaragenplätze erbaut sind, zu bestellen.
17Eine Wertfestsetzung und Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 515 und 1027/19 1x (nicht zugeordnet)