Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 10 U 104/11
Tenor
wird die Vergütung des Sachverständigen Dr. T für die Erstattung seines schriftlichen Gutachtens vom 04.03.2014 unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags auf insgesamt 5.981,60 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 04.07.2013 hat der Senat die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. T zu der Frage einer etwaigen Geschäfts- und Testierunfähigkeit der Beklagten insbesondere im August/September 2009 sowie bei Abgabe der weiteren Rücktrittserklärungen vom 08.12.2010 und vom 30.04.2011 angeordnet und die Beauftragung des Sachverständigen von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses i.H.v. 2.000,- € durch die Klägerin abhängig gemacht.
4Nach Eingang des Vorschusses wurde der Sachverständige mit Schreiben vom 04.10.2013 mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt. In dem Begleitschreiben hieß es unter anderem:
5Bitte prüfen Sie ferner, welche Kosten voraussichtlich für das Gutachten entstehen werden. Sollten voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder den Betrag von 3.000,00 EUR erheblich übersteigen, bitte ich Sie, dem Gericht (nicht den Parteien) umgehend die ermittelte Höhe der Kosten mitzuteilen und von einer Bearbeitung vorerst abzusehen. Dies gilt auch, wenn Sie erst im Laufe Ihrer weiteren Tätigkeit erkennen, dass höhere Kosten entstehen werden als zunächst angenommen.
6Daraufhin teilte der Sachverständige mit Schreiben vom 08.10.2013 mit, angesichts des außergewöhnlichen Aktenumfangs und der vom Gericht gewünschten Untersuchung der Beklagten sei davon auszugehen, dass die Kosten für das Gutachten voraussichtlich deutlich über 2.000,- € liegen würden.
7Auf die gerichtliche Anfrage vom 16.10.2013, soweit möglich die voraussichtlichen Kosten der Begutachtung mitzuteilen, teilte der Sachverständige mit Schreiben vom 21.10.2013 mit, die Kosten für das Gutachten würden sich auf mehr als 5.000,- € belaufen; eine genauere Angabe sei insbesondere angesichts des noch nicht bekannten Umfangs der noch beizuziehenden Unterlagen noch nicht möglich.
8Daraufhin gab der Senat der Klägerin mit Beschluss vom 05.11.2013 auf, einen weiteren Vorschuss i.H.v. 3.000,- € einzuzahlen. Eine Abschrift dieses Beschlusses wurde dem Sachverständigen mit der Bitte zugeleitet, die Begutachtung erst fortzusetzen, wenn er Nachricht von der Einzahlung des weiteren Vorschusses erhalte. Über den anschließend erfolgten Eingang des weiteren Vorschusses wurde der Sachverständige mit Schreiben vom 17.12.2013 unterrichtet.
9Mit Schreiben vom 04.03.2014 übermittelte der Sachverständige sodann sein 247 Seiten umfassendes Gutachten und legte eine Rechnung vor, die sich auf einen Gesamtbetrag von 17.094,69 € belief. Weiterhin legt er Fremdrechnungen in Höhe von insgesamt 18,40 € vor.
10Mit Schreiben vom 18.03.2014 teilte der Anweisungsbeamte des Gerichts dem Sachverständigen mit, gemäß § 8a Abs. 4 JVEG könne eine Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses gewährt werden. Die Rechnung sei daher auf 5.000,- € abzüglich der Fremdkosten von 18,40 € zu kürzen. Dem Sachverständigen wurde eine Zahlung von 4.981,60 € angewiesen; die Fremdrechnungen wurden i.H.v. 18,40 € beglichen.
11Mit Schreiben vom 21.03.2014 beantragte der Sachverständige die gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung. Er wies auf den ungewöhnlich hohen Aufwand der Begutachtung und den Umfang der auszuwertenden Unterlagen hin und vertrat die Auffassung, weitere sukzessive Mitteilungen der Überschreitung des Vorschusses hätten die Angelegenheit unvertretbar verzögert, was auch die Bearbeitung des Gutachtens erschwert hätte. Der notwendige Bearbeitungsumfang sei – wie er mitgeteilt habe – nicht von Anfang an klar abzusehen gewesen, sondern habe sich erst im Laufe der Begutachtung nach und nach herauskristallisiert. Sein Rechnungsbetrag stehe auch nicht außer Verhältnis zu dem über mehrere Millionen € liegenden Streitwert.
12Der Leiter des Dezernats 10 des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vertritt in seiner hierzu vorgelegten Stellungnahme vom 15.08.2014 die Auffassung, die Vergütung des Sachverständigen sei auf insgesamt 5.981,60 € festzusetzen. Die insgesamt abgerechneten Kosten überstiegen den angeforderten Vorschuss annähernd um das dreieinhalb-fache, so dass eine erhebliche Vorschussüberschreitung im Sinne von § 8a Abs. 4 JVEG vorliege. Zudem habe der Sachverständige seine Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 S. 2, 2. Alt. ZPO verletzt, was auch schuldhaft geschehen sei. Der Sachverständige habe nämlich – nach eigenem Vortrag – im Laufe der Begutachtung den immer weiter steigenden Kostenaufwand erkannt, das Gericht hierüber jedoch nicht informiert. Dabei habe der Sachverständige seine Hinweispflicht gekannt, was nicht nur aus den ihm bei der Beauftragung erteilten Hinweisen, sondern auch daraus folge, dass er mit Schreiben vom 08.10.2013 und 21.10.2013 zunächst darauf hingewiesen habe, dass der ursprünglich angeforderte Vorschuss nicht ausreiche und jedenfalls ein Betrag von 5.000,- € benötigt werde. Von dem gebotenen Hinweis habe der Sachverständige auch nicht im Hinblick auf die Höhe des Streitwerts oder die Eilbedürftigkeit absehen dürfen. Vielmehr hätte er die Entscheidung, ob die Begutachtung gegebenenfalls zu verschieben war, dem Gericht und den Parteien überlassen müssen, wie es § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgebe. Nach der durch § 8a Abs. 4 JVEG eingeführten gesetzlichen Neuregelung komme es auch nicht mehr auf eine rückschauende Betrachtung an, ob sich eine rechtzeitige Anzeige des Sachverständigen auf den Fortgang des Gutachtens tatsächlich ausgewirkt hätte. Insofern sei der Gesetzeswortlaut eindeutig. Auch sei nicht nur das Interesse der Partei, einen Beweisantritt zu überdenken, zu berücksichtigen, sondern auch das vom Gesetzeszweck geschützte Interesse der Landeskasse, Zahlungsausfällen vorzubeugen. Daher sei die Vergütung auf den vom Vorschuss gedeckten Betrag gemäß § 8a Abs. 4 JVEG zu kappen. Ein maßvoller Aufschlag sei dem Sachverständigen lediglich deshalb zuzugestehen, weil er im Schreiben vom 21.10.2013 mitgeteilt habe, die Gutachtenkosten würden sich auf mehr als 5.000,- € belaufen. Damit habe der Sachverständige hinreichend deutlich gemacht, dass bei der Vorschussanforderung ein gewisser Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden müsse.
13Mit Schreiben vom 15.09.2014 kündigt der Sachverständige an, eine Festsetzung seiner Vergütung in Höhe des vom Dezernats 10 des Präsidenten des Oberlandesgerichts für gerechtfertigt gehalten Betrages werde er akzeptieren.
14Die Klägerin vertritt die Ansicht, dem Sachverständigen stehe gemäß § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG überhaupt keine Vergütung zu. Hierzu verweist sie auf ihre inhaltlichen Einwendungen gegen das Gutachten. Allenfalls hält sie eine Vergütung i.H.v. 5.981,60 € für gerechtfertigt.
15Die Beklagte nimmt zu dem Vergütungsantrag des Sachverständigen keine Stellung.
16II.
171.
18Die dem Sachverständigen Dr. T für die Erstattung seines Gutachtens vom 04.03.2014 zustehende Vergütung war gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen, da der Sachverständige eine solche Beschlussfassung beantragt hat.
192.
20Da der Sachverständige durch das Gericht im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG zur Gutachtenerstattung herangezogen wurde und seine Vergütung rechtzeitig im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 JVEG geltend gemacht hat, kann er grundsätzlich ein Honorar sowie Fahrtkosten- und Aufwendungsersatz nach Maßgabe von §§ 8, 9 Abs. 1 JVEG beanspruchen, wobei die Vergütungsgruppe M3 zugrundezulegen ist. Angesichts des Umfangs der vom Sachverständigen zu sichtenden Unterlagen, der Notwendigkeit einer Untersuchung der Beklagten sowie des Umfangs des 247 Seiten starken Gutachtens erscheint der vom Sachverständigen geltend gemachte Zeitaufwand ohne weiteres nachvollziehbar, so dass sich grundsätzlich ein Vergütungsanspruch in der vom Sachverständigen geltend gemachten Höhe errechnet.
213.
22Der Vergütungsanspruch ist entgegen der Ansicht der Klägerin keinesfalls gemäß § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG entfallen. Mangelhaft im Sinne dieser Regelung ist eine gutachterliche Leistung dann, wenn sie wegen fachlicher Mängel oder Darstellungsmängeln nicht oder nur eingeschränkt verwertbar ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 43 Aufl., § 8a JVEG Rn. 53, 54). An derartigen Mängeln leidet das Gutachten des Dr. T, dessen hohe medizinische Fachkunde dem Senat aus einer Reihe weiterer gerichtlicher Verfahren bekannt ist, keineswegs. Vielmehr geht der Sachverständige ausführlich und in nachvollziehbarer Darstellung auf die Fragestellung des Beweisbeschlusses ein und beantwortet diese. Der Umstand, dass hierauf aufbauend Anlass für ergänzende Fragen – auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen von Geschäfts- und Testierfähigkeit – besteht, macht die bisherige gutachterliche Leistung keineswegs unbrauchbar, sondern allenfalls erläuterungsbedürftig. Insoweit ist es das gute Recht der Klägerin, sich mit dem Inhalt des Gutachtens kritisch auseinanderzusetzen und sich auf den Standpunkt zu stellen, die getroffenen Feststellungen trügen nicht die gezogenen Schlussfolgerungen und seien zudem ergänzungsbedürftig. Mit diesen Einwänden wird sich der Senat selbstverständlich ergebnisoffen im Rahmen der weiteren Verfahrensleitung und der Beweiswürdigung auseinandersetzen.
234.
24Gemäß § 8a Abs. 4 JVEG war die dem Sachverständigen grundsätzlich zustehende Vergütung auf einen Betrag von 6.000,- € abzüglich der direkt durch das Gericht abgerechneten Fremdkosten i.H.v. 18,40 € zu begrenzen.
25Dass die abgerechnete Vergütung von 17.094,69 € den i.H.v. 5.000,- € angeforderten Auslagenvorschuss ganz erheblich übersteigt, ist offenkundig und wird auch von dem Sachverständigen nicht in Abrede gestellt.
26Auf diesen Umstand hat der Sachverständige insoweit nicht rechtzeitig im Sinne von § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO hingewiesen, als sich sein zuletzt gegebener Hinweis vom 21.10.2013 auf die Mitteilung beschränkte, die voraussichtlichen Kosten würden sich auf „mehr als 5.000,- €“ belaufen, wobei eine „genauere Angabe derzeit nicht möglich“ sei. Hierdurch hat der Sachverständige zwar deutlich gemacht, dass der von ihm genannte Betrag von 5.000,- € keinesfalls als feste Obergrenze der voraussichtlichen Kosten verstanden werden dürfe. Gleichzeitig hat er damit jedoch objektiv zum Ausdruck gebracht, dass mit Kosten in der ungefähren Größenordnung des genannten Betrages zu rechnen sei. Unter Zubilligung eines angemessenen Sicherheitszuschlags von 20 % sieht der Senat daher im vorliegenden Einzelfall einen Betrag von 6.000,- € als vom Hinweis des Sachverständigen gedeckt an, wobei sich die Notwendigkeit des Sicherheitszuschlags aus den konkreten Formulierungen des Schreibens vom 21.10.2013 ergibt.
27Die Notwendigkeit, im weiteren Verlauf der Begutachtung darauf hinzuweisen, dass auch der vorgenannte Kostenrahmen überschritten werden würde, entfiel auch nicht deshalb, weil sich die letztlich abgerechneten Kosten noch in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert bewegen. Gemäß §§ 407a Abs. 3 S. 2 ZPO; 8a Abs. 3, 4 JVEG hat der Sachverständige sowohl auf ein Missverhältnis zwischen Gutachtenkosten und Streitwert hinzuweisen, als auch auf eine Überschreitung des Vorschusses. Diese Hinweispflichten stehen selbstständig nebeneinander.
28Der Sachverständige hat die Verletzung der Hinweispflicht betreffend die Überschreitung des Vorschusses auch im Sinne von § 8a Abs. 5 JVEG zu vertreten. Seine Verpflichtung, auf eine sich im Laufe der Begutachtung herausstellende Überschreitung des Vorschusses hinzuweisen, war ihm insbesondere aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 04.10.2013 bekannt. Daher konnte er erkennen, dass er auch nach seiner Mitteilung vom 21.10.2013 weiterhin verpflichtet war, auf eine weitere Kostensteigerung hinzuweisen, derer er sich im weiteren Verlauf der Bearbeitung des Gutachtenauftrags auch tatsächlich bewusst wurde.
29Ob dem Sachverständigen zum Zeitpunkt der Bearbeitung seines Gutachtens bereits die aus der Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG folgende Konsequenz der Verletzung seiner Hinweispflichten bewusst war oder bewusst gewesen sein musste, kann dahinstehen. Denn Bezugspunkt für ein fehlendes Vertretenmüssen ist gemäß § 8a Abs. 5 JVEG allein die Verletzung der aus § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO folgenden Hinweispflicht, nicht aber die Kenntnis der vergütungsrechtlichen Konsequenzen einer Hinweispflichtverletzung.
30Weiterhin kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin von ihrem Beweisantritt im Falle der Kenntnis von den durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte. Die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, ist durch die gesetzliche Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG überholt (Greger in Zöller, ZPO, 30 Aufl. § 413 Rn. 8). Zwar mag es nach wie vor unbillig erscheinen, dem Sachverständigen einen Großteil seiner Vergütung auch dann zu versagen, wenn sich seine Hinweispflichtverletzung auf die letztlich entstandenen Kosten nicht kausal ausgewirkt hat. Jedoch lässt der klare und eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung insoweit keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung.
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