Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 3 RBs 19/16
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Bereithaltens eines Taxis außerhalb von behördlich zugelassenen und gekennzeichneten Taxenstandplätzen zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt.
4Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.
5Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil aufzuheben und den Betroffenen freizusprechen.
6II.
7Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
8Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.
9Der Begriff des „Bereithaltens“ umfasst das Aufstellen an einer behördlich zugelassenen Stelle, eine durch Leerfahrt mit beleuchtetem Taxi-Dachschild ausgedrückte Bereitschaft, Fahraufträge anzunehmen und sofort auszuführen oder darüber hinaus jedes andere Verhalten, welches die Bereitschaft zur Aufnahme eines Fahrgastes und zur Durchführung eines Beförderungsauftrages zum Ausdruck bringt (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 1-14/10 RB, VRS 119, 138 m.w.N.; vgl. zum „Bereitstellen“ BVerwG, Urteil vom 12. September 1980 - 7 C 92/78, BVerwGE 61, 9; Erbs/ Kohlhaas, PBefG, 2015, § 47 Rn. 2a). Diese Voraussetzung ist gerade nicht erfüllt, wenn der Taxifahrer auf einen bestimmten Auftraggeber wartet, der ihm bereits einen verbindlichen Fahrauftrag erteilt hat (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 3 ObOwi 42/02, NStZ-RR 2002, 281).
10Aus den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils ergibt sich zweifelsfrei, dass ein entsprechender Fahrauftrag von dem Zeugen G erteilt worden ist, der Betroffene sich zum Zwecke der entsprechenden Abwicklung wartend außerhalb eines Taxenstandplatzes mit seinem Fahrzeug aufhielt und es im Nachgang zur vereinbarten Taxifahrt mit dem Zeugen gekommen ist.
11Ein „Bereithalten“ lag nach den Feststellungen also gerade nicht vor.
12Die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts zu etwaigen nur beschränkt zulässigen „Wartezeiten“ finden im Gesetz keine Stütze und sind nach den diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 12. Januar 2016 nicht tragend.
13Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:
14„Auch die weiteren Erwägungen des Amtsgerichts Bielefeld vermögen die Verurteilung des Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Das Argument, ein über eine noch als zulässig anzusehende zeitliche Höchstspanne hinausgehendes Warten auf einen Fahrgast müsste schon deshalb als „Bereithalten“ im Rechtsinne angesehen werden, weil andernfalls eine „Umgehung“ des aus § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Taxiordnung der Stadt Bielefeld folgenden Verbotes drohe, dürfte schon mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG unzulässig sein und ist im Übrigen auch für sich gesehen nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, weil ein übermäßig langes Warten eines Taxifahrers auf einen bestimmten Fahrgast - oder an einem nicht als Taxistand gekennzeichneten Ort - dem ureigensten wirtschaftlichen Interesse des Fahrers daran widerspricht, keine größeren zeitlichen Lücken zwischen seinen „Fuhren“ entstehen zu lassen und einen möglichst hohen Umsatz zu erzielen. Soweit das „Umgehungsargument“ des Amtsgerichts darauf abzielen sollte, dass ein außerhalb von gekennzeichneten Taxenstandplätzen angetroffener Taxi-Fahrer stets mit der Einlassung, er warte auf einen bestimmten Fahrgast, einer Sanktionierung entgehen könne, ist dem entgegen zu halten, dass anhand der bereits oben erwähnten typischen Verhaltensweisen eines Taxifahrers - der Meldung gegenüber der Zentrale, Aufträge empfangen zu können, oder dem Einschalten der Beleuchtung auf dem Dachschild - im Einzelfall verlässlich abgegrenzt werden kann, ob es sich bei der vorzitierten Einlassung um eine Schutzbehauptung oder um die Wahrheit handelt. Soweit die Definition des „Bereithaltens“ daneben immer noch Raum für unwiderlegbare Schutzbehauptungen lassen sollte, müssten diese hingenommen werden und darf dies jedenfalls nicht zu Verdachtsverurteilungen oder - wie im vorliegenden Fall - dazu führen, dass der Begriff des „Bereithaltens“ in rechtlich unvertretbarer Weise auf die Situation des Wartens auf einen bestimmten Fahrgast ausgedehnt wird. Wer - nachweislich - auf das Eintreffen eines Bestellers wartet, der bereits einen strikten Auftrag erteilt hat, mag allenfalls bei Überschreiten einer bestimmten Zeitspanne gegen die Park- und Halteverbote der Straßenverkehrsordnung verstoßen oder andere Ordnungswidrigkeitentatbestände verwirklichen.“
15Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
16Wegen des dargelegten Mangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gem. § 79 Abs. 6 OWiG (aus prozessökonomischen Erwägungen) zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kam nicht in Betracht, da weitere tatsächliche Feststellungen insbesondere zur Beleuchtung des Taxi-Dachschildes erforderlich und möglich gewesen wären ebenso wie zu einer alternativ bestehenden Bereitschaft zur Aufnahme anderer Fahrgäste. Ferner sind auch weitere Feststellungen, die zu einer Besserstellung des Betroffenen führen könnten, nicht ausgeschlossen.
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Referenzen
- 7 C 92/78 1x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 61 Ordnungswidrigkeiten 1x
- § 3 OWiG 1x (nicht zugeordnet)
- § 79 Abs. 6 OWiG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 ObOwi 42/02 1x (nicht zugeordnet)