Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (4. Senat für Familiensachen) - 7 UF 150/13

Tenor

1. Die Beschwerde vom 18. Dezember 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Familiengericht, vom 9. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beschwerdeführerin zur Last.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die zunächst vom Familiengericht eingesetzte Vormünderin gegen die mit dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Bestellung einer anderen Vormünderin.

2

Am 12. November 2013 kam A. auf die Welt. Sie wurde in einer von der X GmbH, deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin ist, betriebenen Babyklappe mit einem Schreiben abgegeben, in dem u.a. heißt:

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"Meine mama bekommt Subotex deswegen brauche ich es auch. Gibt mir ne gute Familie! Habe hunger und bin Liebesbedürftig!"

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A. kam in die Universitätsklinik ... Mit Schreiben vom 18. November 2013 beantragte X, die Beschwerdeführerin zum Vormund für A. zu bestellen. Noch am selben Tag hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung eine Vormundschaft angeordnet und die Beschwerdeführerin zum Vormund bestellt. Nach mündlicher Erörterung hat das Familiengericht im Hauptsacheverfahren unter Aufhebung des Beschlusses vom 18. November 2013 eine Vormundschaft angeordnet und eine andere Vormünderin, die die Vormundschaft berufsmäßig ausübt, bestellt. Am 25. Dezember 2013 wurde A. aus dem UKE entlassen; sie lebt seitdem bei ihrer Bereitschaftspflegemutter.

II.

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1) Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist die Beschwerdeführerin beschwerdeberechtigt. Dies gilt aber nur, soweit sie begehrt, die vom Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss eingesetzte Vormünderin abzusetzen und sie, die Beschwerdeführerin, wieder einzusetzen. Insoweit greift der angefochtene Beschluss in ihre Rechtsstellung ein, hebt er doch die zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung der Beschwerdeführerin eingeräumte Stellung als Vormünderin wieder auf. Unzulässig ist die Beschwerde hingegen, soweit sie mit ihrem als Hilfsantrag bezeichneten Begehren erstrebt, wenn nicht sie, so möge Rechtsanwalt Y. aus ... mit der Vormundschaft betraut werden. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein anderer als das Mündel durch die Auswahl des Vormundes in seinen Rechten beeinträchtigt ist, wird nur für den ausgewählten Vormund und die Personen, die nach § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB bevorzugt zu berücksichtigen sind, diskutiert (vgl. Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rdnr. 22 zu § 1779 BGB). Zu diesem Personenkreis gehört die Beschwerdeführerin nicht.

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2) Die Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die nunmehrige Vormünderin ausgewählt, denn sie ist besser als die Beschwerdeführerin geeignet, die Vormundschaft zu führen (vgl. § 1779 Abs. 2 BGB). Ihrer Bestellung steht zunächst nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin ausgewählt worden war, denn ihre Bestellung erfolgte im Wege der einstweiligen Anordnung, war damit eine vorläufige Bestellung und ersichtlich dem Umstand geschuldet, schnellstmöglich die medizinische Versorgung für A. sicherzustellen. So ist denn auch vor dem Erlass der einstweiligen Anordnung das Jugendamt nicht angehört worden, was ebenfalls belegt, dass die Auswahl noch gar nicht abgeschlossen war, ist doch gemäß § 1779 Abs. 1 BGB der Vormund erst nach Anhörung des Jugendamtes auszuwählen. In der später eingereichten Stellungnahme und in der nicht öffentlichen Sitzung des Familiengerichts vom 3. Dezember 2013 hat das Jugendamt Bedenken gegen die Einsetzung der Beschwerdeführerin als Vormünderin bekundet, denen das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss sodann gefolgt ist.

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Und dies hat das Familiengericht zu Recht getan, denn zwischen der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin von X als Betreiber einer Babyklappe und A. besteht ein Interessenkonflikt, und dies ist keineswegs ein nur abstrakter. Es mag wohl sein, dass es eine Vielzahl gemeinsamer Interessen einer Mutter, die sich entschließt, ihr Kind in einer Babyklappe abzugeben, und diesem Kind gibt; sie sind aber nicht deckungsgleich. X, und damit auch die Beschwerdeführerin, ist der Mutter verpflichtet, ihr wird Anonymität zugesichert. A. hat aber ein berechtigtes Interesse an der Deanonymisierung ihrer Mutter, ihrer Eltern überhaupt, stehen doch Unterhaltsansprüche und mögliche Erberwartungen im Raum. Und A. hat ein Recht auf Kenntnis der eigenen Biografie (vgl. dazu BVerfGE 79, 256 - Recht auf Herkunft). Der Senat verkennt nicht, dass es entsprechend der zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und X getroffenen Vereinbarung vom 29. Mai 2013 zum Konzept von X gehört, Mütter dahingehend zu beraten und zu unterstützen, dass sie ihre Anonymität aufgeben, sich zu ihrem Kind bekennen und, soweit möglich, das Kind wieder zu sich nehmen. Das ändert aber nichts an der eingegangenen Verpflichtung gegenüber der Mutter; sie ist es, die darüber bestimmt, ob sie ihre Anonymität aufgibt, nicht X. Der Interessenkonflikt bleibt bestehen und manifestiert sich konkret in jedem Einzelfall; mithin lassen sich die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2006, 1509) aus der zu § 1897 Abs. 3 BGB ergangenen Entscheidung auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen. Und so hat der Deutsche Ethikrat in seiner Zusammenfassung der Stellungnahme zum Problem der anonymen Kindesabgabe vom 26. November 2009 als eine Mindestmaßnahme verlangt, dass ein neutraler, von der Einrichtung, bei der die anonyme Kindesabgabe stattgefunden hat, unabhängiger Vormund für das Kind bestellt wird. Nach alledem ist die Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Vormundschaft für A. zu übernehmen.

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Und auch das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin führt zu keinem anderen Ergebnis. Zutreffend weist sie darauf hin, dass gemäß § 1791 b BGB die ehrenamtliche Einzelvormundschaft Vorrang gegenüber der Amtsvormundschaft hat. Ob dies auch für das Verhältnis ehrenamtliche Einzelvormundschaft und Berufsvormund gilt (vgl. dazu OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1665; Wagenitz, a.a.O., Rdnr. 2 zu § 1791 b BGB m.w.N.), lässt sich der Norm jedenfalls nicht entnehmen, muss aber auch nicht vertieft werden, setzt es doch allemal voraus, dass der ehrenamtliche Einzelvormund geeignet ist, und dies trifft für die Beschwerdeführerin nicht zu.

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3) Die Kostenentscheidung folgt § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 FamGKG.

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