Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (1. Strafsenat) - 1 Ws 32/15

Tenor

Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 26. Januar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird an die zuständige Kleine Strafkammer des Landgerichts Berlin abgegeben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 2. April 2013 hat das Amtsgericht Tiergarten den Beschwerdeführer wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Wahl und wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten Becker zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

2

Die gegen das Urteil des Amtsgerichts gerichtete Berufung des Beschwerdeführers hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. Juli 2013 verworfen. Auf die Revision des Beschwerdeführers hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts Berlin mit Beschluss vom 2. Dezember 2013 unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Wahl verurteilt worden ist, sowie im Gesamtstrafenausspruch.

3

In der neuen Berufungshauptverhandlung vor der 80. Kleine Strafkammer des Landgerichts Berlin erklärte der Beschwerdeführer am 17. Januar 2014 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Rücknahme der Berufung nachdem der Vollzug des Haftbefehls im Anschluss an inhaltlich nicht weiter protokollierte Erörterungen ausgesetzt worden war.

4

Der Beschwerdeführer verbüßt die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe seit dem 16. April 2014, seit November 2014 in der Justizvollzugsanstalt Billwerder in Hamburg.

5

Am 10. Oktober 2014 hat der Beschwerdeführer „Beschwerde gegen die Wiedereinsetzung des Haftbefehls“ eingelegt und insoweit ausgeführt, es sei nach Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht Berlin nicht zu einer erneuten Verhandlung gekommen, er, der Beschwerdeführer, bitte um Mitteilung, warum das Verfahren nicht erneut - unter Einvernahme von Zeugen - verhandelt werde.

6

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die „Haftbeschwerde“ als Einwendung gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung gemäß § 458 StPO des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. April 2013 ausgelegt und diese Einwendung zurückgewiesen.

7

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten, der geltend macht, die Berufung nicht wirksam zurückgenommen, sondern nur einer Haftverschonung zugestimmt zu haben. Die Dolmetscherin habe er kaum verstanden. Im Übrigen sei die Zustimmung nur bedingt erklärt und durch eine illegitime Gegenleistung erwirkt worden, über die der Beschwerdeführer „getäuscht worden sein dürfte“.

II.

8

Die Beschwerde ist begründet. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist aufzuheben, weil sie nicht dazu berufen war, über den Antrag des Beschwerdeführers zu entscheiden.

9

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag zu Unrecht als Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung nach § 458 Abs. 1 Var. 3 StPO ausgelegt (§ 300 StPO). Zwar können mit dem Rechtsbehelf des § 458 StPO durch den Verurteilten Vollstreckungshindernisse geltend gemacht werden, zu denen grundsätzlich auch die fehlende Rechtskraft der Vollstreckungsgrundlage gehört (vgl. HansOLG Hamburg, Beschl. vom 30. Juni 2009 - 2 Ws 118/09, VRS 117 (2009), 201 [zu Zweifeln an der wirksamen Zustellung eines Gesamtstrafenbeschlusses]; Graalmann-Scheerer in LR 26. Aufl., § 458 StPO Rn. 6; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 458 StPO Rn. 10). Soweit der Verurteilte aber die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme bestreitet, erweist sich der - zunächst an die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde gerichtete, sodann vom Gericht erster Instanz bzw. nach § 462a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 462 Abs. 1 StPO von der Strafvollstreckungskammer zu entscheidende - Rechtsbehelf des § 458 StPO als unzulässig, weil der Streit über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme ausschließlich durch das Rechtsmittelgericht zu klären ist.

10

Bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme hat das Rechtsmittelgericht, sofern es bereits mit der Sache befasst war, darüber eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2000 - 3 StR 257/00; Beschluss vom 5. Februar 2014 - 1 StR 527/13; BeckOK StPO/Cirener § 302 Rn. 13 m.w.N.). Zuständiges Gericht ist bei Zweifeln an der vor dem Berufungsgericht erklärten Rechtsmittelrücknahme die Kleine Strafkammer. Gegen ihre Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft.

11

Die Sache war daher an die 80. Kleine Strafkammer des Landgerichts Berlin abzugeben. Diese wird zu entscheiden haben, ob die Berufungsrücknahme - nach Zurückverweisung nur eines Teils der angefochtenen Entscheidung der 65. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Berlin durch das Kammergericht (vgl. dazu Jesse in LR 26. Aufl., § 302 Rn. 14 m.w.N.) - wirksam war.

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