Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (11. Zivilsenat) - 11 U 22/14

Gründe

I.

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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

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Mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger den von ihm erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der bis zum 31. Dezember 2005 aus dem Vermögen der Schuldnerin auf deren durch angeblich eigenkapitalersetzende Bürgschaften der Beklagten besicherte Kreditverbindlichkeiten geleisteten Zahlungen unverändert weiter.

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Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe die Überleitungsvorschrift des Art. 103d Satz 2 EGInsO zu Unrecht auch auf den von ihm geltend gemachten Zahlungsanspruch angewandt, obwohl dieser Überleitungsvorschrift Bedeutung lediglich für die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) neu geregelte Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, nicht aber für das materielle Gesellschaftsrecht der Rechtsprechungsregeln zukomme. Unter Anwendung der Grundsätze des intertemporalen Rechts habe es vielmehr dabei zu bleiben, dass der bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG zu Gunsten der Schuldnerin gegenüber den Beklagten entstandene Erstattungsanspruch unverändert fortbestünde. Soweit durch die rückwirkende Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG auf Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, ein zu Gunsten der Gesellschaft bereits bestehender Erstattungsanspruch nachträglich in Wegfall gebracht würde, sei dies auch mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot nicht zu vereinbaren.

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Soweit das Landgericht seine Entscheidung zudem damit begründet habe, es sei eine Voraussetzung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs, dass auch noch zum Zeitpunkt des Erstattungsverlangens eine Schmälerung des haftenden Kapitals fortbestünde, wovon mit Rücksicht darauf, dass Gesellschafterdarlehen oder sonstige eigenkapitalersetzende Leistungen seit dem Inkrafttreten des MoMiG gerade nicht mehr zum geschützten Stammkapital gehörten, vorliegend aber nicht auszugehen sei, habe das Landgericht die Schutzfunktion des Eigenkapitalersatzrechts analog §§ 30, 31 GmbHG a.F. verkannt. Auch nach altem Recht sei das Reinvermögen der Gesellschaft entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht etwa gegenständlich, sondern nur im Sinne einer bilanziellen Betrachtung insoweit geschützt gewesen, wie dies zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung lediglich des statutarischen Stammkapitals erforderlich gewesen sei. Darauf, dass die Gesellschafterleistung mit dem Inkrafttreten des MoMiG keiner eigenkapitalersetzenden Bindung mehr unterfallen wäre, komme es nicht an, entscheidend sei vielmehr, dass die Rückführung der gesellschafterbesicherten Forderungen im Zeitpunkt der Rückführung gegen das Kapitalerhaltungsgebot aus §§ 30, 31 GmbHG a.F. verstoßen habe.

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Auch soweit das Landgericht gemeint habe, dem mit der Klage geltend gemachten Erstattungsanspruch stünde es zudem entgegen, dass die Beklagten mit dem Inkrafttreten des MoMiG einen Anspruch auf Befreiung von einer nicht mehr eigenkapitalersetzenden Sicherheit erlangt hätten, den sie der Inanspruchnahme durch ihn, den Kläger, im Wege der Aufrechnung oder des dolo-petit-Einwands entgegenhalten könnten, sei dies unzutreffend. Bezüglich der Gewährung eigenkapitalersetzender Sicherheiten könne eine Aufrechnungslage schon aus tatsächlichen Gründen nicht bestehen, weil ein Zahlungsanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft gemäß § 774 BGB erst aufgrund der Erfüllung des der Gesellschaft dem Gesellschafter gegenüber zustehenden Erstattungsanspruchs entstehen könne. Mit Rücksicht auf das Gebot der realen Kapital-(wieder-)aufbringung sei auch der dolo-petit-Einwand nicht begründet.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 18. Dezember 2013 - Az. (…) - zu verurteilen, an den Kläger als Gesamtschuldner EUR 215.170,09 nebst Zinsen auf diesen Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

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Die zulässige Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, da die Berufung nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

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Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen. Für die Begründung im Einzelnen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 22. Januar 2015 Bezug genommen. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers mit Schriftsatz vom 20. Februar 2015 zu diesem Hinweisbeschluss hält der Senat daran fest, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Maßstab für die offensichtlich fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung ist entgegen der Auffassung des Klägers insoweit lediglich die zweifelsfreie Auffassung des Senats, dass eine mündliche Verhandlung zu keinem höheren Erkenntnisgrad führen kann (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 522 Rn. 36).

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1. Soweit der Kläger der Anwendbarkeit der Überleitungsvorschrift des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf den von ihm unter Bezugnahme auf die sog. Rechtsprechungsregeln in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG a.F. weiterverfolgten Erstattungsanspruch entgegenhält, bei dieser Überleitungsvorschrift handele es sich um rein anfechtungsrechtliches Übergangsrecht, dem sich der gesetzgeberische Wille einer Anwendbarkeit auch auf die bisherigen Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts in nach dem 1. November 2008 eröffneten Insolvenzverfahren nicht entnehmen lasse, folgt der Senat dem weiterhin nicht. Nach Auffassung des Senats erschließt sich die Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auch auf den vorliegenden Streitfall vielmehr gerade daraus, dass der Gesetzgeber ausweislich der bereits mit dem Hinweisbeschluss des Senats in Bezug genommenen Begründung des Gesetzentwurfs zum MoMiG hierdurch eine ausschließlich insolvenz- und anfechtungsrechtliche Neukonzeptionierung des Rechts der Gesellschafterdarlehen vorgenommen hat (BGH, Urt. v. 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10 -, BGHZ 190, 364 ff., juris Rn. 30). In der Folge dieser gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung ergibt sich die Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf den vorliegenden Streitfall aber als unmittelbare Gesetzesanwendung (so im Übrigen auch der Kläger persönlich in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 135 InsO Rn. 92).

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Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfene verfassungsrechtliche Rückwirkungsproblematik rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Der mit der Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf vor dem 1. November 2008 unter Anwendung der sog. Rechtsprechungsregeln entstandene Erstattungsansprüche verbundene Eingriff in die Vermögenslage der Gesellschaft geht über mit der Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene und vom Bundesgerichtshof (Urt. v. 22. März 2010 - II ZR 12/08 -, BGHZ 185, 44 ff., juris Rn. 20 ff.) bereits für zulässig erachtete Eingriffe in die Vermögenslage der Gesellschaft nicht hinaus (Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 30 Rn. 114 a.E.). Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund der Regelung des Art. 103d Satz 2 EGInsO für die Zeit vor dem Inkrafttreten des MoMiG zu Lasten der Gesellschaft eintretende Rechtsfolgen nicht ausgeschlossen sind, erschließt sich ferner auch aus dessen Beschluss vom 15. November 2011 (- II ZR 6/11 -, ZIP 2012, 86 ff., juris Rn. 12), mit dem er eine Verzinsung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen auch für die Zeit vor dem 1. November 2008 anerkannt hat.

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2. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt der Rechtssache auch weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.

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Die vorliegend streitentscheidende Rechtsfrage der Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren erst nach dem 1. November 2008 eröffnet worden ist, der haftungsbegründend geltend gemachte Sachverhalt aber bereits zuvor verwirklicht worden ist, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht Gegenstand der instanzgerichtlichen und erst Recht nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen. Dafür, dass dieser Rechtsfrage nunmehr bis abschließend zum 31. Oktober 2018 gleichwohl noch in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen sollte, ist nichts ersichtlich.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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