Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (3. Zivilsenat) - 3 U 223/16

Tenor

1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.08.2016, Az. 416 HKO 111/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt von den Antragsgegnern die Unterlassung der Benutzung des Kennzeichens „Athlete“.

2

Die Antragstellerin, die I. … Ltd, mit Sitz in Großbritannien, ist ausschließliche Lizenznehmerin (Anlage KPW 2) der Unionsmarke „ATHLET“, Registernummer 009224692 (Anlage KPW 1). Eingetragen ist die Marke für die I. … GmbH mit Sitz in der Schweiz. Die Marke wurde am 25.7.2010 angemeldet (Anlage KPW 1) und nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens am 29.4.2014 eingetragen, unter anderem für die Klasse 12: „Fahrzeuge zur Personenbeförderung sowie deren Teile, Apparate zur Personenbeförderung, nämlich zweirädrige, dreirädrige und vierrädrige Kraftfahrzeuge, muskelbetriebene Fahrzeuge für die Beförderung auf dem Lande, in der Luft und zu Wasser und windbetriebene Fahrzeuge und solarbetriebene Fahrzeuge mit Straßenzulassung und ohne Straßenzulassung, insbesondere Solarrennfahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, ausgenommen Gabelstapler, sowie deren Teile.“

3

Der geschäftsführende Alleingesellschafter der Antragstellerin, Herr E., ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der schweizerischen Gesellschaft I. … GmbH. Die I. … GmbH war und ist Alleininhaberin von 259 nationalen Schweizer beziehungsweise Unionsmarken (Anlage AG 4).

4

Ausweislich eines Auszugs aus dem Handelsregister beträgt das Gesellschaftsvermögen der Antragstellerin ein Britisches Pfund Sterling (Anlagenkonvolut AG 6). Es handelt sich um eine sogenannte „Dormant Company“. Unter „Dormant Companies“ werden im englischen Gesellschaftsrecht Unternehmen bezeichnet, die keine oder keine wesentlichen buchhalterisch zu erfassenden Transaktionen vorgenommen haben. Eine „Dormant Company“ muss lediglich eine einfache Bilanz („dormant account“) als Jahresabschluss beim Companies House einreichen. Hat die Gesellschaft seit ihrer Gründung keine Geschäfte durchgeführt, genügt ein einfaches einseitiges Formular. Am 5.10.2015 und 31.7.2016 (Anlage AG 8) reichte der geschäftsführende Gesellschafter der Antragstellerin einen derartigen „Annual Return“ beim Companies House ein.

5

Der geschäftsführende Alleingesellschafter der Antragstellerin ist darüber hinaus alleiniger Gesellschafter zweier ebenfalls mit einem Pfund Sterling Grundkapital ausgestatteter englischer Gesellschaften S. …Ltd. und C. … Ltd., die ebenfalls ihren Geschäftssitz unter der Anschrift der Antragstellerin haben. Auch bei diesen Gesellschaften handelt es sich um „Dormant Companies“ (Anlage AG 10).

6

Die S. … Ltd. war und ist Inhaberin von 850 nationalen und Unionsmarken (Anlagenkonvolut AG 11). Die C. … Ltd. ist Inhaberin von 40 nationalen deutschen und Unionsmarken (Anlagenkonvolut AG 12).

7

Die Antragstellerin stellte erstmals im September 2015 fest, dass die niederländische Firma H… B.V. Stahlfelgen für Fahrzeuge und Trailer unter dem Wortzeichen „Athlete“ bzw. „Athlete Wheels“ und einem Logo „Athlete Wheels“ anbot. Die Firma H. ist Inhaberin der am 2.2.2011 angemeldeten Wortmarke „Athlete“ für Benelux, welche mit Anmeldung vom 17.5.2015 als internationale Registrierung auch auf die Europäische Union erstreckt wurde. Die Marke ist angemeldet für die Ware „Felgen für Fahrzeugräder“ in Klasse 12.

8

Die Antragstellerin mahnte zunächst mit Schreiben vom 6.10.2015 die H. … B.V. ab (Anlage KPW 7). Diese wies die Abmahnung mit Schreiben vom 26.10.2015 zurück (Anlage KPW 8). Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die H. … B.V. vor dem Landgericht Hamburg nahm die Antragstellerin zurück, nachdem das Landgericht darauf hinwiesen hatte, dass es an einem Verfügungsgrund fehlt.

9

Am 30.11.2015 stieß die Antragstellerin bei einer Internetrecherche auf ein Angebot der Antragsgegnerin zu 1) unter der Bezeichnung „Athlete Wheels“. Die Antragsgegnerin zu 1) handelt mit Reifen und Felgen. Der Antragsgegner zu 2) ist der Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1). Die Antragsgegnerin zu 1) bot bei ebay Felgen der H. … B.V. mit der Kennzeichnung „Athlete wheels“ an.

10

Die Antragstellerin mahnte darauf die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4.12.2015 ab (Anlage KPW 10). Am 11.12.2015 mahnte die H. … B.V. ihrerseits die Antragstellerin wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung der Antragsgegnerin ab. Jeweils mit Schreiben vom 16.12.2015 wiesen die Antragstellerin die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und die Antragsgegnerin die Abmahnung der Antragstellerin zurück.

11

Die H. … B.V. beantragte unter dem 18.12.2015 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragstellerin wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (Anlage AG 27). Am 23.12.2015 verbot das Landgericht Köln der Antragstellerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel: „im geschäftlichen Verkehr gewerblichen Abnehmern der [Antragsgegnerin] gegenüber zu behaupten, die Verwendung der Kennzeichnung „ATHELETE“ für Reifenfelgen ohne Zustimmung der [Antragstellerin] greife in die Rechte aus der Gemeinschaftsmarkeneintragung 009224692 „ATHLET“ ein.“. Die einstweilige Verfügung wurde auf den Widerspruch der Antragstellerin mit Urteil vom 21.4.2016 bestätigt (Anlage AG 2). Die dagegen gerichtete Berufung nahm die Antragstellerin zurück, nachdem das OLG Köln in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2016 darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte (Anlage AG 48).

12

Darüber hinaus reichte die H. … B.V. beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Unionsmarkeneintragung der Marke „ATHLET“ ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

13

Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die I. … GmbH ein Unternehmen sei, welches vorentwickelte Markenrechte verwalte, um sie bestehenden oder potentiellen Kunden zum Kauf oder zur Lizensierung anzubieten. Die Tätigkeit der I. … GmbH sei ähnlich der einer Markennamen-, Namens-, Brand- oder Naming-Agentur. Die Antragstellerin sei eine eigenständige Vertriebsgesellschaft, welche die Marken der I. … GmbH Kunden in der EU zum Kauf oder zur Lizensierung anbiete und zu diesem Zweck Inhaberin der ausschließlichen Markenlizenz sei.

14

Die Antragstellerin hat beantragt,

15

den Antragsgegnern bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr Fahrzeugteile, insbesondere Felgen für Fahrzeugreifen mit den Wortzeichen ATHLETE bzw. ATHLETE WHEELS zu vertreiben und/oder zu bewerben und/oder eine der vorgenannten Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn diese nicht von der Antragstellerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Mitgliedstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind, wie in Anlage KPW 9 geschehen.

16

Das Landgericht, Zivilkammer 12, hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß mit Beschluss vom 21.1.2016 erlassen.

17

Dagegen haben die Antragsgegner Widerspruch eingelegt.

18

Die Antragsgegner haben die Ansicht vertreten, dass die Antragstellerin gezielt die geschäftlichen Aktivitäten der Firma H. … B.V. und der Antragsgegnerin zu 1) behindere. Es bestünden bereits keine kennzeichenrechtlichen Ansprüche. Der Schutzbereich der eingetragenen Marke der Antragstellerin erstrecke sich nicht auf Felgen für Lastkraftwagen. Es liege keine kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr vor.

19

Darüber hinaus handele die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich. Die I. … GmbH habe die streitgegenständliche Marke allein zu dem Zweck abgesichert, mit Hilfe einer zwischengeschalteten juristischen Personenhülle Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. Als gegen einen Benutzungswillen sprechende Indizien lägen insbesondere die Anmeldung einer Vielzahl von Marken mit völlig unterschiedlichen Waren, das Fehlen einer ernsthaften Planung für die eigene oder fremde Benutzung dieser Marken und die Hortung derselben lediglich zu dem Zweck, Dritte bei der Verwendung gleicher oder ähnlicher Marken mit Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen zu überziehen, vor. Das Oberlandesgericht Frankfurt habe bereits ein Verfahren der C. … Ltd. wegen der Marke „Furioso“ als rechtsmissbräuchlich eingestuft (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2013, 211). Die Unionsmarkeneintragung „LUCEO“ der C. … Ltd. bzw. seit dem 13.11.2013 der I. … GmbH, sei vom EUIPO wegen Bösgläubigkeit gelöscht worden (Anlage AG 41). Die Entscheidung sei zunächst von der Beschwerdekammer (Anlage AG 42) und anschließend vom EuG mit Urteil vom 7.7.2016 bestätigt worden (Anlage AG 43). Die Antragsgegnerin meint, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit der Markenentwicklung nicht konkret sondern nur abstrakt beschreibe.

20

Auf Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht, 16. Kammer für Handelssachen, die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 11.8.2016 aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

21

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung. Die Antragstellerin trägt vor, dass es bereits zweifelhaft sei, ob es den Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit im Unionsrecht gebe. Es liege keine Behinderungsabsicht der Antragstellerin vor. Eine Benutzung des Kennzeichens „Athlete“ durch die H. … B.V. habe es vor der Anmeldung der Marke durch die Antragstellerin nicht gegeben. Es liege auch ein Geschäftsbetrieb der Antragstellerin vor. Sie biete Marken zum Verkauf an (Anlage KPW 28). Für die eingetragenen Marken der I. … GmbH seien neben den Entwicklungskosten auch Anmeldegebühren in sechsstelliger Höhe angefallen. Jeder Markenanmelder oder Zeichennutzer könne die Marken problemlos umgehen, da die Marken in einem öffentlichen Register einsehbar seien. Die Geltendmachung der Ansprüche sei für die Antragstellerin mit Anwaltskosten verbunden. Der Antragstellerin oder ihrem Geschäftsführer seien auch noch nie Schadensersatzansprüche zugesprochen worden. Selbst wenn im Einzelfall Schadensersatzansprüche bestünden, stünden diese in keinem Verhältnis zu den eingegangenen Risiken. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Antragstellerin über ein nachvollziehbares Geschäftsmodell verfüge. Tatsächlich habe der Geschäftsführer der Antragstellerin in der Vergangenheit erfolgreich Marken entwickelt und veräußert (z. B. E…., W. … und L. …). Der Geschäftsführer der Antragstellerin biete auch über eine seiner Gesellschaften Marken auf dem Handelsportal des Dänischen Patent- und Markenamtes an, z.B. die Marke E. … (Anlage KPW 32). Die Gesellschaftsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung spreche auch nicht für eine Bösgläubigkeit. Der Status der „Dormant Company“ werde sich im Geschäftsjahr 2016 ändern. Die von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen seien fehlerhaft und beträfen anders gelagerte Sachverhalte. Die Löschungsabteilung des EUIPO habe zu beurteilen gehabt, ob eine wiederholte Anmeldung derselben Marke ohne Einzahlung der Gebühren eine bösgläubige Markenanmeldung darstelle, wenn nach Anmeldung eines Dritten durch dann erfolgte Einzahlung der Gebühren und Inanspruchnahme der Priorität diese zeitlich überholt werden solle. Es zeige sich, dass es für das Angebot der Antragstellerin einen Bedarf am Markt gebe. Es gebe auch einen nachvollziehbaren Grund für die zahlreichen Markenanmeldungen ohne anschließende Einzahlung der Anmeldegebühren. Würde man demgegenüber einen entwickelten Namen erst nach akribischer Sondierung anmelden, liefe man Gefahr, dass ein dritter sich einen älteren Zeitrang sichere und so die Arbeit umsonst sei. Im Übrigen betreffe diese Argumentation nicht die streitgegenständliche Marke.

22

Die Antragstellerin beantragt,

23

unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg (Az. 416 HKO 111/16) werden die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt:

24

1. Die Antragsgegner haben es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr Fahrzeugteile, insbesondere Felgen für Fahrzeugreifen mit dem Wortzeichen ATHLETE bzw. ATHLETE WHEELS zu vertreiben und/oder zu bewerben und/oder eine der vorgenannten Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn diese nicht von der Antragstellerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Mitgliedsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind, wie in Anlage KPW9 geschehen.

25

2. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Anordnung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

26

Die Antragsgegner beantragen,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

29

II. Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.

30

1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch gemäß Art. 102 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV auf Unterlassung der Benutzung des in der konkreten Verletzungsform angegriffenen Kennzeichens durch die Antragsgegner. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin ist rechtsmissbräuchlich. Insoweit ist auch im Rahmen des Unionsmarkenrechts nationales - hier also deutsches - Recht ergänzend anwendbar (Art. 101 Abs. 2 UMV).

31

Rechtsmissbrauch ist allerdings auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der nicht nur im deutschen Recht (vgl. BGH, NJW 2013, 66, Rn. 9), sondern auch im europäischen Recht anerkannt ist. Die Feststellung eines Missbrauchs setzt grundsätzlich zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde. Zum anderen setzt sie ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 14.12.2000, C-110/99, Rn. 52f – Emsland Stärke; EuG, Urteil vom 7.7.2016, T-82/14, Rn. 52 – Luceo).

32

Der Bundesgerichtshof hat die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts weiter konkretisiert. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung sei auszugehen, wenn ein Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts - und (3) die Marken im wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (Vgl. BGH, GRUR 2001, 242, Rn. 35 – Classe E).

33

Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs entsprechen im Wesentlichen der Rechtsprechung zur Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 b) UMV. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat hinsichtlich der Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 b) UMV in der Entscheidung LUCEO ausgeführt, dass sich der Begriff der Bösgläubigkeit auf ein Verhalten bezieht, das von den anerkannten Grundsätzen ethischen Verhaltens oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel abweicht. Um zu beurteilen, ob ein Anmelder bösgläubig sei, sei insbesondere zu prüfen, ob er beabsichtige, die angemeldete Marke zu benutzen. Die Absicht, die Vermarktung einer Ware zu verhindern, könne unter bestimmten Umständen für die Bösgläubigkeit des Anmelders kennzeichnend sein. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn sich später herausstelle, dass er ein Zeichen, ohne dessen Benutzung zu beabsichtigen, allein deshalb als Unionsmarke hat eintragen lassen, um den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern. Die Absicht des Anmelders zum maßgeblichen Zeitpunkt sei ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand aller erheblichen Faktoren zu bewerten sei, die dem Einzelfall eigen seien und zum Zeitpunkt der Anmeldung eines Zeichens als Unionsmarke vorlägen. Diese Absicht lasse sich normalerweise anhand objektiver Kriterien feststellen, zu denen unter anderem die unternehmerische Logik gehöre, in die sich die Anmeldung einfüge (vgl. EuG, Urteil vom 7.7.2016, T-82/14, Leitsätze – Luceo).

34

Der Einwand einer rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist vorliegend bereits deshalb möglich, weil nicht der Markeninhaber, sondern der ausschließliche Lizenznehmer aus dem Markenrecht vorgeht. Gegenüber diesem kann der Einwand einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht direkt verfangen. Die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs liegen auch vor.

35

a) Die Antragstellerin verfügt über eine Vielzahl von ausschließlichen Markenlizenzen. Die Antragstellerin ist nach ihrem eigenen Vortrag als Vertriebsgesellschaft Inhaberin der ausschließlichen Markenlizenzen der I. … GmbH für die EU. Die I. … GmbH war und ist unstreitig Alleininhaberin von 259 nationalen Schweizer Marken beziehungsweise Unionsmarken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen (Anlage AG 4). Die Antragstellerin verfügt damit über eine Vielzahl von Markenrechten, die die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ermöglichen.

36

b) Es ist unstreitig, dass weder die Antragstellerin noch die Markeninhaberin der streitgegenständlichen Marke diese oder die weiteren Marken selbst im eigenen Geschäftsbetrieb zu nutzen beabsichtigt.

37

Die Antragstellerin hat aber auch nicht, wozu sie vorliegend aufgrund ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen wäre, ausreichend dargelegt, dass sie entsprechend der anerkannten Grundsätze ethischen Verhaltens oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel (vgl. EuG, Urteil vom 7.7.2016, T-82/14, Rn. 52 Leitsätze – Luceo) vorentwickelte Marken bzw. Markenrechte verwaltet und Unternehmen zum Kauf anbietet.

38

Die Antragsgegnerin behauptet, dass die I. … GmbH die streitgegenständliche Marke allein zu dem Zweck abgesichert habe, mit Hilfe einer zwischengeschalteten juristischen Personenhülle Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. Die Antragstellerin beschreibe ihre Tätigkeit der Markenentwicklung nicht konkret sondern nur abstrakt. Sie entfalte keinerlei Geschäftstätigkeit. Dies zeige sich an dem Status als sogenannte „Dormant Company“, also einer Gesellschaft, die keine nennenswerte Tätigkeit ausübe.

39

Die Antragstellerin hat demgegenüber vorgetragen und durch ihren Geschäftsführer an Eides statt versichert (Anlage KPW 2), dass die Markeninhaberin, die I. … GmbH, ein Unternehmen sei, welches vorentwickelte Marken bzw. Markenrechte verwalte und Unternehmen zum Kauf anbiete. Die Tätigkeit der I. … GmbH sei ähnlich der einer Markennamen-, Namens-, Brand- oder Naming-Agentur. Die Antragstellerin sei eine eigenständige Vertriebsgesellschaft mit Sitz in der EU, welche die Marken der I. … GmbH Kunden in der EU zum Kauf oder zur Lizensierung anbiete und zu diesem Zweck Inhaberin der ausschließlichen Markenlizenz sei.

40

Mit diesem Vortrag hat die Antragstellerin nicht ausreichend dargelegt, dass sie eine Tätigkeit ausübt, die vorliegend die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtfertigt. Zwar trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Indizien, die einen Rechtsmissbrauch begründen, die Antragsgegnerin. Vorliegend lag es jedoch an der Antragstellerin angesichts des unterschiedlichen Informationsstands nach Treu und Glauben im Wege der sekundären Darlegungslast zu den näheren Umständen ihres Geschäftsbetriebes vorzutragen (vgl. BGH, GRUR 2015, 685, Rn. 10 – STAYER). Dem ist die Antragstellerin nicht ausreichend nachgekommen. Sie hat in der Berufungsinstanz lediglich auf die Geschäftstätigkeit des Geschäftsführers der Antragstellerin und anderer Gesellschaften verwiesen. Nach ihrem Vortrag werbe der Geschäftsführer, Herr E., über die Internetseite Linkedin (Anlage KPW 28) und habe in der Vergangenheit erfolgreich Marken entwickelt und – auch über andere Gesellschaften - veräußert (z. B. E….., W. … und L. …). Er biete auch über eine seiner Gesellschaften Marken auf dem Handelsportal des Dänischen Patent- und Markenamtes an, z.B. die Marke E. … (Anlage KPW 32).

41

Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Die Antragstellerin hat nicht ansatzweise ihre eigene Tätigkeit dargelegt, die immerhin 259 Marken der I. … GmbH als Vertriebsgesellschaft in der EU zum Kauf oder zur Lizensierung anzubieten. Es fehlt an einem konkreten Vortrag, die Marken im Rahmen eines stimmigen und seriösen Geschäftsmodells zu veräußern. Dies wäre aber vor dem Hintergrund des Hinweises der Antragsgegnerin auf den Status der Antragstellerin als Dormant Company erforderlich gewesen. Eine Dormant Company nimmt keine oder keine wesentlichen buchhalterisch zu erfassenden Transaktionen vor. Es wird lediglich eine einfache Bilanz als Jahresabschluss eingereicht. Im Hinblick darauf, dass seitens der Antragstellerin für das Jahr 2015, dem Jahr in dem die Abmahnung der Antragsgegnerin erfolgte, die Antragstellerin selbst mitgeteilt hat, keine wesentliche geschäftliche Tätigkeit auszuüben, hätte sie diesem Vortrag entgegentreten müssen. Vielmehr bestätigt der Vortrag der Antragstellerin, dass sich der Status der Antragstellerin im Geschäftsjahr 2016 ändern werde, dass die Antragstellerin im Jahr 2015 keinerlei Geschäftstätigkeit ausgeübt hat. In dieses Bild fügt sich ein, dass die Markeninhaberin, die I. … GmbH, die ausschließliche Lizenz unentgeltlich erteilt. Im Übrigen hat die Antragstellerin aber auch zur Tätigkeit des Geschäftsführers nicht ausreichend vorgetragen. Insbesondere fehlt es am Vortrag dazu, unter welchen exakten Umständen Herr E. die genannten Marken veräußert hat. Die Tatsache der Veräußerung der Marken alleine lässt keine Rückschlüsse über die Art und Weise zu. Im Ergebnis ist vorliegend deswegen zu Grunde zu legen, dass die Antragstellerin keine ausreichende Absicht hat, die angemeldete Marke in geschützter Weise zu benutzen.

42

c) Die Antragstellerin hortet die Markenlizenzen auf dieser Grundlage überwiegend wahrscheinlich auch allein, um daraus zu ihrem finanziellen Vorteil Ansprüche herzuleiten. Diese Absicht lässt sich anhand objektiver Kriterien feststellen, zu denen unter anderem die unternehmerische Logik gehört (vgl. EuG, Urteil vom 7.7.2016, T-82/14, Leitsätze – Luceo). Die Antragstellerin selbst entrichtet für die ausschließlichen Markenlizenzen, von denen nicht erkennbar ist, dass sie Grundlage einer weiteren, auf eine ernsthafte Benutzung der Marke gerichteten unternehmerischen Tätigkeit sind, kein Entgelt. Eine maßgebliche Tätigkeit im Rahmen einer Markennamen-, Namens-, Brand- oder Naming-Agentur hat die Antragstellerin, wozu sie, wie bereits ausgeführt, aufgrund ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen wäre, nicht dargelegt. Der unternehmerischen Logik folgend erzielt die Antragstellerin ihre Einkünfte daher überwiegend wahrscheinlich nur aus der Geltendmachung von Ansprüchen, die sie lediglich aus der Existenz von Markeneintragungen herleitet. Sie ist auch bezogen auf die streitgegenständliche Marke „ATHLET“ nicht auf die Antragsgegnerin beziehungsweise auf die H. … B.V zugegangen, um ihr die Marke zu veräußern oder diese zu lizenzieren. Vielmehr hat sie im Wege einer Abmahnung die Nutzung der Marke Athlete beanstandet und sowohl die H. … B.V. als auch ihre Abnehmerin, die Antragsgegnerin, zur Unterlassung aufgefordert. Die Folgen einer Schutzrechtsverwarnung wiegen schwer und üben auf den Unternehmer, dessen Vertrieb betroffen ist, einen erheblichen Druck aus, die betroffene Marke oder eine Lizenz zu erwerben. Die vorliegende Geltendmachung der Unterlassungsansprüche bestätigt im Ergebnis mangels anderweitiger Feststellungen, dass die der Antragstellerin eingeräumten Lizenz ebenfalls ausschließlich dazu dient, auf die abgemahnten Marktteilnehmer einzuwirken und so im Ergebnis finanzielle Vorteile zu erzielen. Sei es, um wirtschaftlichen Druck auszuüben und so eine Lizenzvereinbarung zu bewirken, sei es, um letztlich Lizenzzahlungen im Wege von Schadensersatzforderungen zu erzielen. Dass sie, wie sie vorträgt, bislang keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts liegen damit im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich vor.

43

2. Da der Antragstellerin mithin bereits der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht zusteht, bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob ihr der für eine Verfolgung ihrer Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO zur Seite steht.

44

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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