Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 10 U 104/71
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Mal 1971 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn -8 O 36/71- wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist ein Versandhaus. Am 20. September 1966 kauften die Beklagte und ihr damaliger Ehemann bei der Klägerin Möbel und sonstige Hausratsgegenstände. Der Gesamtkaufpreis betrug 1.687,-- DM. Zuzüglich eines Kreditaufschlages von 404,88 DM (1% pro Monat für 24 Monate) belief sich der Kreditrestbetrag auf 2.091,88 DM. Für diese Summe hafteten die Beklagte und ihr damaliger Ehemann nach den getroffenen Vereinbarungen als Gesamtschuldner.
3Ihre Ehe ist etwa Mitte des Jahres 1967 geschieden worden. Nach Darstellung der Beklagten hat bei der Scheidung ihr Ehemann ihr gegenüber die Erfüllung der Forderung der Klägerin allein übernommen.
4Auf die Gesamtschuld von 2.091,88 DM sind bisher vor Erlass des Zahlungsbefehls insgesamt 213,-- DM gezahlt worden, und zwar 163,-- DM im Jahre 1967, 20,-- DM im Jahre 1968 10,-- DM im Jahre 1969 und weitere 20,-- DM im Jahre 1970.
5Nach § 2 der vereinbarten Lieferbedingungen kann die Klägerin für jeden angefangenen Monat 1% des Gesamtkreditbetrages anstelle von Verzugsschaden und Unkostenersatz verlangen.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit ihrem bereits durch Vollstreckungsbefehl verurteilten geschiedenen Ehemann ebenfalls zu verurteilen, an sie 1.878,88 DM nebst 1% Zinsen seit dem 1. Januar 1967 zu zahlen, und zwar abzüglich am 17. November 1970 gezahlter weiterer 20,-- DM und am 19. Dezember 1970 gezahlter weiterer 77,-- DM.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klägerin mit ihrer Klage abzuweisen.
10Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klageforderung sei mit Ende des Jahres 1968 verjährt gewesen. Die Forderung stamme aus dem Jahre 1966 und unterliege der zweijährigen Verjährung; die Klägerin habe aber ihren Zahlungsbefehl - wie unstreitig ist - erst am 27. Oktober 1970 beantragt.
11Demgegenüber hat sich die Klägerin auf die Unterbrechung der Verjährung durch die geleisteten Zahlungen berufen. Dazu hat die Klägerin behauptet, die Überweisungen im Jahre 1967 seien durch die Beklagte, die Tilgungen in den Jahren 1968, 1969 und 1970 seien dagegen durch deren geschiedenen Ehemann erfolgt (Beweis Zeugnis der Herren R. und B.) .
12Die Beklagte hat bestritten, an die Klägerin irgendwann Geld gezahlt zu haben (Beweis: Parteivernehmung des Inhabers der Klägerin ). Bereits kurze Zeit nach dem Kauf der Gegenstände am 20. September 1966 habe sie sich von ihrem damaligen Ehemann getrennt. Sie sei auch nicht im Besitz der Möbel; die gekauften Sachen habe vielmehr ihr geschiedener Ehemann veräußert.
13Das Landgericht hat ohne weitere Beweisaufnahme die Klage zugesprochen. Es hat ausgeführt, die Einrede der Verjährung sei nicht begründet. Vielmehr sei die Verjährung durch die Ratenzahlungen in den Jahren 1967 bis 1970 immer wieder unterbrochen worden. Dabei könne unentschieden bleiben, ob die Beklagte oder ihr geschiedener Ehemann die Geldbeträge überwiesen hätten. Denn auch die durch ihren früheren Ehemann herbeigeführten Unterbrechungen der Verjährung wirkten gegenüber der Beklagten. Belanglos sei auch, wann die Beklagte geschieden worden sei. Maßgebender Zeitpunkt für den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnisses sei vielmehr der Augenblick der Begründung der vertraglichen Beziehungen. Eine andere Auffassung könne allenfalls dann erwogen werden, falls die Klägerin von der Scheidung der Ehe erfahren hätte und aus diesem Grunde auf eine einverständliche Abäderung des ursprünglichen Schuldverhältnisses geschlossen werden könne. Dies habe die Beklagte aber nicht behauptet. Unerheblich sei schließlich ihre Einwendung, bei der Scheidung habe ihr Ehemann die Schuld allein übernommen. Denn eine solche Absprache sei zwischen den Prozessparteien bedeutungslos.
14Gegen dieses ihr am 9. Juli 1971 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 21. Juli 1971 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 6. Oktober 1971 eingegangenen Schriftsatz begründet.
15Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter. Sie behauptet, zwischen Mai und Juni 1967 habe der Inhaber der Klägerin wiederholt ihre - der Beklagten - Mutter aufgesucht. Dabei sei er über ihre bereits erfolgte Scheidung informiert worden (Beweis: Zeugnis ihrer Mutter). Außerdem sei der Inhaber der Klägerin von ihr - der Beklagten - gebeten worden, die damals bei Dritten abgestellten Möbel dort heraus - zuholen und ihr - der Beklagten - zu verschaffen. Unter dieser Voraussetzung habe sie sich bereit erklärt gehabt, die Möbelrechnung selbst zu begleichen (Beweis: Zeugnis ihrer Mutter und der Frau M.). Nach Ansicht der Beklagten ergibt sich aus ihrer Darstellung eine zumindest stillschweigende einverständliche Abänderung des Inhalts des ursprünglichen Schuldverhältnisses zwischen ihr und dem Inhaber der Klägerin. Im übrigen wiederholt die Beklagte ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge.
16Sie beantragt,
17das angefochtene Urteil abzuändern und die Klägerin mit ihrer Klage abzuweisen,
18hilfsweise: ihr - der Beklagten - Vollstreckungsschutz zu gewähren.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte mit ihrer Berufung zurückzuweisen,
21hilfsweise: ihr - der Klägerin - Vollstreckungsschutz (auch durch die Bürgschaft einer Bank oder öffentlichen Sparkasse) zu gewähren.
22Die Klägerin hält die Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils für zutreffend. Sie bestreitet, daß sie von der Scheidung der Beklagten Kenntnis bekommen habe. Im übrigen sei diese Behauptung der Beklagten unerheblich. Insbesondere habe sie - die Klägerin - niemals zum Ausdruck gebracht, daß sie das ursprüngliche Vertragsverhältnis inhaltlich abändern wolle.
23Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 516, 518 und 519 ZPO). In der Sache kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte verurteilt, den noch ausstehenden Rest- betrag aus der Bestellung Vom 20. September 1966 in Höhe von 1.878,88 DM gesamtschuldnerisch mit ihrem geschiedenen Ehemann zu zahlen.
26Die Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Die geltend gemachte Forderung wäre der Beklagten gegenüber selbst dann nicht verjährt, falls sie persönlich in den Jahren 1967 bis 1970 keine Geldbeträge an die Klägerin überwiesen hätte. Denn zutreffend hat das Landgericht bereits ausgeführt, daß die Zahlungen ihres früheren Ehemannes auch ihr gegenüber den Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist unterbrochen hätten (§§ 196 Abs. 1 Nr. 1; 201 Satz 1; 208 BGB). Richtig ist zwar, daß bei einer Gesamtschuldnerschaft die Unterbrechung der Verjährung nur gegen den Gesamtschuldner wirkt, in dessen Person sie eintritt (§ 425 BGB). Diese Rechtsfolge gilt aber nur, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt (§ 425 Abs. 1 BGB). Das ist hier aber der Fall. Verpflichten sich nicht getrennt lebende Eheleute. den Kaufpreis und den Kreditaufschlag für auf Raten gekaufte Möbel und sonstige Gegenstände des gemeinsamen Haushalts gesamtschuldnerisch zu tilgen, so ergibt sich aus dem zwischen ihnen und der Verkäuferin begründeten Schuldverhältnis, daß die von einem der Ehegatten durch Abschlagszahlungen herbeigeführte Unterbrechung der Verjährung auch gegenüber dem anderen Ehegatten wirkt (ebenso Soergel-Siebert 1967, § 425, Randnummer 5; früher schon OLG Stuttgart, Das Recht 1911, Nr. 1715). Eine solche Regelung ist stillschweigender Inhalt des Vertragsverhältnisses. Denn sie entspricht dem Sinn und Zweck der vereinbarten Gesamtschuldnerschaft, der beiderseitigen Interessenlage und somit dem an Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte orientierten Parteiwillen (§§ 157, 242 BGB). Zwar entspricht der Grundsatz des § 425 BGB der auch bei einem Gesamtschuldverhältnis regelmäßig bestehen bleibenden rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Verpflichtungen und bezweckt den Schutz der Gesamtschuldner. Diese beiden Gründen treten zugunsten des Gläubigers aber zurück, wenn die Gesamtschuldner besonders eng verbunden sind, dem Gläubiger gegenüber wirtschaftlich eine Einheit darstellen und dieser deshalb häufig praktisch nicht einmal prüfen kann, wer von den Gesamtschuldnern den Betrag überwiesen und dadurch die Verjährung unterbrochen hat. Das Interesse des Gläubigers an einem gemeinsamen rechtlichen Schicksal der beiden gesamtschuldnerischen Verpflichtungen ist dann höher zu bewerten, als das Interesse der Schuldner an einer Trennung.
27Eine spätere Scheidung der Ehe und die bloße Kenntnisnahme davon durch den Gläubiger ändern an dieser eingetretenen Rechtslage hier nichts. Denn der zunächst begründete Inhalt des Schuldverhältnisses kann einseitig durch die Gesamtschuldner nicht abgeändert werden. Und die Mitteilung der erfolgten Ehescheidung an den Gläubiger und dessen bloße Kenntnisnahme davon kann noch nicht als Einverständnis zu einer inhaltlichen Änderung des Vertragsverhältnisses angesehen werden. Ein derartiger Geschäftswille des Gläubigers ist nicht erkennbar. Unerheblich ist deshalb die Behauptung der Beklagten, der Inhaber der Klägerin sei zwischen Mai und Juni 1967 von ihrer Mutter über die inzwischen ausgesprochene Scheidung informiert worden; die Richtigkeit dieser unter Beweis gestellten Behauptung kann demnach zugunsten der Beklagten unterstellt werden. Ohne entscheidende Bedeutung ist schließlich auch, daß die Beklagte nach ihrem Vortrag den Inhaber der Klägerin gebeten habe. die bei Dritten abgestellten Möbel dort herauszuholen und ihr - der Beklagten - zu verschaffen. Für diesen Fall wolle sie die Möbelrechnung selbst begleichen. Die Richtigkeit auch dieser unter Beweis gestellten Behauptung würde an der Entscheidung des Rechtsstreits ebenfalls nichts ändern: die Beklagte selbst trägt nicht vor, daß der Inhaber der Klägerin ihr Angebot angenommen und sich somit einverstanden erklärt habe. Einseitig konnte die Beklagte aber ihr am 20. September 1966 mit der Klägerin begründetes Vertragsverhältnis nicht abändern. Auch für eine
28stillschweigende einverständliche Änderung trägt die Berufung keine ausreichenden Tatsachen vor.
29Der Zinsanspruch ist aus § 2 der Lieferbedingungen gerechtfertigt.
30Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 und 708 Nr. 7 ZPO. Eine Anordnung nach § 713 Abs. 2 ZPO ist nicht ergangen, weil die Voraussetzungen, unter denen die Revision gegen dieses Urteil stattfindet, nach dem Ermessen des Senats unzweifelhaft nicht vorliegen (§ 713 a ZPO).
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