Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 17 W 216/75
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 8.4.1975 - 2 O 121/71 - wie folgt abgeändert und neu gefaßt:
Die nach dem Urteil des Landgerichts Köln vom 20.2.1975 weiterhin von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 468,95 DM (in Worten: vierhundertachtundsechzig 95/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 20.3.1975 festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte allein.
1
Gründe
2Mit der vom 2.2.1971 datierenden Klage hat der in Bremen wohnhafte Kläger die Beklagte, deren Hauptverwaltung sich in Köln befindet, vor dem Landgericht Köln auf Gewährung des Versicherungsschutzes aufgrund eines im Jahre 1970 geschlossenen Krankenversicherungsvertrages in Anspruch genommen. Die Beklagte hatte ihre Eintrittspflicht u.a. deshalb verweigert, weil die Hirnvenenthrombose des Klägers, für die nach ihren Versicherungsbedingungen unstreitig eine Wartezeit von 6 Monaten besteht, die erst am 30.6.1970 abgelaufen war, nach ihrer vom Kläger bestrittenen Behauptung bereits am 29.6.1970 aufgetreten war. Unstreitig wurde der Kläger am 1.7.1970 von dem Facharzt Dr. Axxx in stationäre Behandlung eingewiesen. Durch Urteil vom 20.2.1975 hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln die Beklagte verurteilt, 7.107,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24.5.1971 an den Kläger zu zahlen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Kläger hat sich zur Durchführung des Rechtsstreits der Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx in Bremen als Verkehrsanwälte bedient, welche ihn auch in drei am 17.12.1971, 20.12.1972 und 14.3.1973 im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht Bremen durchgeführten Beweisaufnahmen als Unterbevollmächtigte vertreten haben.
3Durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 24.3.1975 hat der Rechtspfleger die aufgrund des Urteils vom 20.2.1975 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 2.393,31 DM festgesetzt. Durch einen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluß vom 8.4.1975 hat er darüber hinaus noch 618,23 DM gegen die Beklagte festgesetzt. Dabei handelt es sich um folgende Kosten der Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx in Bremen:
4Wert: DM 7.107,60
51) Korrespondenzgebühr § 52 BRAGO DM 283,--
62) Beweisgebühr § 31 I BRAGO DM 283,--
73) Auslagenpauschale § 26 BRAGO DM 20,--
84) 5,5 % Mehrwertsteuer DM 32,23
9DM 618,23
10Der Beschluß wurde ausweislich der Kanzleivermerke am 14.4.1975 ausgefertigt und am 17.4.1975 durch den Gerichtswachtmeister zur Zustellung gegeben. Das Datum auf dem Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht eindeutig zu erkennen, es kann sowohl als "14.4.1975" wie auch als "17.4.1975 " gelesen werden.
11Gegen den Beschluß vom 8.4.1975 richtet sich die Erinnerung der Beklagten vom 29.4.1975, bei Gericht eingegangen am 30.4.1975. Sie meint, die Kosten der Bremer Rechtsanwälte des Klägers seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen, weil es dem Kläger sowohl nach § 48 VVG als auch nach ihren Versicherungsbedingungen freigestanden hätte, den Rechtsstreit vor dem Landgericht Bremen zu führen. In diesem Falle hätte es der Einschaltung eines auswärtigen Anwalts als Verkehrsanwalts und zur Wahrnehmung der Beweisaufnahme nicht bedurft. Besondere Gründe, welche die Wahl des Gerichtsstandes Köln rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
12Der Rechtspfleger und die Kammer haben der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, da sie übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß die Zustellung bereits am 14.4.1975 erfolgt und die Notfrist von 2 Wochen daher nicht eingehalten worden sei. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten haben demgegenüber mit Schriftsatz vom 11.8.1975 erklärt, ausweislich einer entsprechenden Notiz ihres Bürovorstehers Exxx sei der Kostenfestsetzungsbeschluß erst am 17.4.1975 zugestellt und Fristablauf auf den 2.5.1975 notiert worden.
13Die Erinnerung war zulässig, insbesondere ist die in § 104 Abs. II Satz 2 ZPO für ihre Einlegung vorgeschriebene Notfrist von zwei Wochen gewahrt. Der Senat ist entgegen der Annahme des Rechtspflegers und der Kammer nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 8.4.1975 nicht schon am 14.4.1975, sondern erst am 17.4.1975 zugestellt worden ist. Zwar ist das handschriftliche Datum auf dem Empfangsbekenntnis nicht zweifelsfrei zu entziffern, die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 11.8.1975, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß ihnen erst am 17.4.1975 zugestellt worden sei, wird jedoch durch zwei wesentliche Umstände erhärtet:
14Dabei handelt es sich einmal um den Kanzleivermerk vom 14.4.1975, wonach der Beschluß an diesem Tage ausgefertigt worden ist. Das allein spricht nach der Lebenserfahrung bereits dagegen, daß er noch am selben Tage zugestellt worden ist, wenn gleich dies nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Hinzu kommt jedoch, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß ausweislich des weiteren Kanzleivermerks erst am 17.4.1975 zur Zustellung durch den Gerichtswachtmeister gegeben worden ist. Wenn das richtig ist, und es besteht kein Anlaß hieran zu zweifeln, so ist ausgeschlossen, daß die Zustellung bereits vor diesem Tage erfolgt sein könnte.
15In der Sache selbst hat die nach § 11 Abs. 1, 2 RpflG als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung der Beklagten jedoch nur teilweise Erfolg.
16Ihr Einwand, der Kläger sei bei der Auswahl zwischen mehreren ihm vom Gesetz eröffneten Gerichtsständen in analoger Anwendung des Rechtsgedankens der Schadensminderung aus Gründen der Kostenersparnis gehalten, grundsätzlich denjenigen Gerichtsstand zu wählen, in dem der Rechtsstreit mit dem geringsten Kostenaufwand durchgeführt werden könne, greift nicht durch.
17Wenn der Gesetzgeber dem Kläger die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen eröffnet, so steht es ihm grundsätzlich frei, die Klage vor demjenigen Gericht zu erheben, das er - aus welchen Gründen auch immer - von seinem Standpunkt aus für am besten geeignet hält, sein Ziel zu erreichen.
18Es ist weder vom Gesetzgeber beabsichtigt noch erscheint es aus sachlichen Erwägungen gerechtfertigt, die Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen durch kostenrechtliche Erwägungen einzuschränken. Dies gilt umso mehr, als das Kostenrisiko im Zeitpunkt der Ausübung der Wahl zwischen mehreren Gerichtständen durch den Kläger in aller Regel für beide Parteien gleich hoch zu veranschlagen sein wird, da der Ausgang des Rechtsstreits und damit die Frage, welche Partei letztlich die Kostenlast zu tragen hat, zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht zu übersehen ist.
19Aus diesen Erwägungen heraus teilt der Senat die bereits in dem einen in tatsächlicher Hinsicht gleich gelagerten Fall betreffenden Beschluß des 8. Zivilsenats vom 6.4.1966 - 8 W 4/66 - vertretene Auffassung, daß die Zweckmäßigkeit der vom Kläger getroffenen Wahl zwischen mehreren vom Gesetz eröffneten Gerichtsständen der Nachprüfung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich entzogen ist. Diese hat sich vielmehr auf die Notwendigkeit der in dem Prozeß, so wie er geführt worden ist, tatsächlich entstandenen Kosten zu beschränken. Ob dieser Grundsatz dann eine Einschränkung erfährt, wenn die vom Kläger getroffene Wahl zwischen mehreren vom Gesetz zugelassenen Gerichtsständen als Rechtsmißbrauch anzusehen ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich sind.
20Nach den vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verkehrsanwaltes und der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts mit der Wahrnehmung einer im Wege der Rechtshilfe durchgeführten Beweisaufnahme begegnet die Einschaltung der Bremer Anwälte keinen Bedenken. Der Rechtsstreit war in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierig gelagert. Das ergibt sich einmal aus der Dauer von mehr als 3 Jahren (die Klageschrift datiert vom 2.2.1971, das Urteil vom 20.2.1975), zum anderen aus der Tatsache, daß 4 Beweisbeschlüsse und 1 Hinweisbeschluß ergangen sind, und zwar am 15.4.1971, 23.6.1971, 17.2.1972, 27.3.1973 und 21.12.1973. In Ausführung dieser Beschlüsse haben drei Beweisaufnahmen vor dem Amtsgericht Bremen im Wege der Rechtshilfe stattgefunden, nämlich am 17.12.1971, 20.12.1972 und 14.3.1973. Außerdem sind mehrere medizinische Gutachten eingeholt worden. Hinzu kommt, daß der Rechtsstreit für den Kläger nicht gut stand. Das ergibt sich aus dem Hinweisbeschluß vom 23.6.1971, mit dem die Kammer dem Kläger die Rücknahme der Klage nahegelegt hat, sowie aus dem in dem Beweisbeschluß vom 17.2.1972 enthaltenen Vergleichsvorschlag, die Klageforderung zu teilen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Unter diesen Umständen wären dem Kläger, hätte er sich nicht der Bremer Anwälte als Verkehrsanwälte bedient, mindestens drei Reisen zur Information seines Prozeßbevollmächtigten in Köln zuzubilligen, nämlich die erste zur Erteilung des Mandats, die zweite zur Besprechung der durch den Hinweisbeschluß vom 23.6.1971 gestellten Frage einer Klagerücknahme und die dritte zur Besprechung des Vergleichsvorschlages vom 17.2.1972.
21Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat jede Partei einen Anspruch darauf, sich bei der Beweisaufnahme durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Die Wahrnehmung der drei Beweisaufnahmen vor dem ersuchten Richter in Bremen durch die bereits als Verkehrsanwälte mit der Sache befaßten Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx war auch sachgerecht. Die im Falle der Wahrnehmung dieser Termine durch seine Kölner Prozeßbevollmächtigten entstandenen Fahrtkosten zuzüglich Tage- und Abwesenheitsgeld hätten nämlich mit Sicherheit die Beweisgebühr des in Untervollmacht handelnden Bremer Anwalts überstiegen. Unter diesen Umständen besteht kein Zweifel, daß die Aufwendung der Verkehrs- und Beweisgebühr der Bremer Anwälte nebst Unkostenpauschale und Mehrwertsteuer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers notwendig war, weil durch sie Reisekosten des Klägers und seiner Kölner Prozeßbevollmächtigten in mindestens derselben Höhe erspart worden sind, ohne daß es einer genauen Ausrechnung dieser Kosten bedarf.
22Indessen stand den Rechtsanwälten Dxxx und Bxxx für diese Tätigkeit gemäß § 54 S. 1 BRAGebO nur eine 5/10 Beweisgebühr zu. Die in dieser Vorschrift außerdem vorgesehene 5/10 Prozeßgebühr können sie dagegen nicht beanspruchen, weil sich ihre Tätigkeit nicht auf die Vertretung in der Beweisaufnahme beschränkte, da sie außerdem als Verkehrsanwälte tätig waren. Deshalb ist die 5/10 Prozeßgebühr nach § 13 Abs. 2 BRAGebO auf die 10/10 Verkehrsgebühr, die ihnen nach § 52 BRAGebO zusteht, anzurechnen (vgl. Lauterbach-Hartmann, Kostengesetze, 17. Auflage 1973, Anm. 2 A zu § 52 BRAGebO und Anm. 3 zu § 54 BRAGebO).
23Die Kosten der Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx sind daher nur in folgendem Umfang erstattungsfähig:
24Verkehrsgebühr § 52 BRAGebO 283,-- DM
255/10 Beweisgebühr § 54 BRAGebO 141,50 DM
26Auslagenpauschale § 26 BRAGebO 20,-- DM
27444,50 DM
285,5 % Mehrwertsteuer 24,45 DM
29468,95 DM
30Aus diesem Grunde war der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 8.4.1975 abzuändern wie geschehen. Die weitergehende Beschwerde war mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
31Soweit die Beschwerde Erfolg hatte, ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei, § 46 Abs. 2 GKG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 91, 92 ZPO.
32Beschwerdewert: für die außergerichtlichen Kosten 618,23 DM
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