Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 1 Ss 75/31
Tenor
Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft wird auf Kosten der Staatskasse verworfen, der auch die insoweit entstandenen Mehrauslagen des Angeklagten zur Last fallen.
1
Gründe
2Der Strafrichter hat den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,-- DM verurteilt.
3Nach den Feststellungen schloß sich der Angeklagte am 17. August 1980 den "Besetzern" des Hauses L.-F., M. Str. 2 d, an. Das seit acht Jahren leerstehende Wohnhaus war von der Stadt L. erworben und zum Abriß bestimmt worden. Als nachmittags Polizei und eine Abbruchfirma anrückten, versammelte sich der Angeklagte mit den übrien jungen Leuten auf dem Dach des Hauses. Aufforderungen der Polizei über Lautsprecher, das Haus zu räumen, ließen sie unbeachtet. Daraufhin wurde das Haus zwangsweise geräumt. Hierbei ließ sich der Angeklagte von der Polizei widerstandslos vom Dach holen und aus dem Haus führen. Eine Erlaubnis der Stadt L., das Haus zu betreten und sich dort aufzuhalten, hatte der Angeklagte nicht.
4Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er vor Eintritt in die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht auf das Strafmaß beschränkt hat. Die Strafkammer hat den Angeklagten des Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen, ihn verwarnt und seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,-- DM vorbehalten.
5Hiergegen richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Während der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge geltendgemacht, daß ein wirksamer Strafantrag fehle, rügt die Staatsanwaltschaft die Anwendung der Verwarnung mit Strafvorbehalt.
6A.
7Revision des Angeklagten
8I.
9Eine Oberprüfung des Schuldspruchs war dem Senat schon deshalb entzogen, weil der Angeklagte seine Berufung auf die Straffrage beschränkt hatte (BGHSt 24, 185,188; BGHSt 29, 359). Diese Beschränkung war wirksam, weil die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils insgesamt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erkennen lassen und eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Straffrage bilden. Der Senat hatte daher auf materiell-rechtliche Fragen zur Strafbarkeit von Hausbesetzungen als Hausfriedensbruch von vornherein nicht mehr einzugehen.
10II.
11Die Revision des Angeklagten mußte erfolglos bleiben, weil der zur Ahndung der Tat als Hausfriedensbruch gemäß § 123 Abs. 2 StGB erforderliche Strafantrag vorliegend wirksam gestellt ist.
121. Verfahrenshindernisse sind von dem Revisionsgericht selbständig zu prüfen, und zwar nach den Grundsätzen des Freibeweises (BGHSt 16,164,166; 21,81; BGH bei Dallinger, NDR 1955, 143). Dabei wäre ein Fehlen eines Strafantrages trotz der Beschränkung der Berufung auf die Straffrage noch zu beachten gewesen (Paulus in KMR, 7.Aufl., § 318 StPO Rn. 20,22 m.weit.Nachw. ).
132. Wie der Senat bereits durch Urteil vom 22. Dezember 1981 - 1 Ss 739/81 - in anderer Sache (die aber denselben Vorfall betraf) entschieden hat, ist der von der Stadt L. mit Schreiben vom 13. Oktober 1980 gestellte Strafantrag rechtswirksam. Dem am 23. Oktober 1980, also rechtzeitig, bei der Staatsanwaltschaft Köln eingegangenen Schreiben ist eine Namensliste beigefügt, unter deren Nummer 26 der Angeklagte aufgeführt ist.
143. Die Stadt L. war berechtigt, Strafantrag zu stellen. Sie war zur Tatzeit Eigentümerin des Grundstücks und damit Inhaberin des Hausrechts.
154. Der Strafantrag ist rechtswirksam gestellt worden.
16a) Juristische Personen üben ihr Antragsrecht durch ihre Organe aus, die ihren Willen innerhalb der ihnen zugewiesenen Aufgaben bilden (Mösl LK, 9.Aufl., § 61 Rn. 18; Stree in Schönke/Schröder, 20.Aufl., § 77 Rn. 14 m.weit.Nachw.). Verfassungsmäßig berufenes Organ zur Vertretung der Stadt L. nach außen in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten ist der Oberstadtdirektor. Dies folgt aus § 55 GemO NW, der die äußere Vertretungsmacht der Gemeinde regelt (vgl. VVO zu § 55 sowie Anm. 1 bei Rauball/Pappermann/Roters, 3.Aufl.; s.a. Kottenberg/Rehn, GO NW zu § 55 Anm. I; OLG Köln DVBl 1960, 816).
17b) Hatte der Oberstadtdirektor das Strafantragsrecht für die Stadt L. auszuüben, so brauchte er doch einen dahingehenden Antrag nicht persönlich zu unterzeichnen. Die Zulässigkeit einer Ausübung des Strafantragsrechts durch Bedienstete folgt verwaltungsrechtlich aus dem in § 53 Abs. 1 Satz 1 GemO NW verankerten Organisationsrecht des Oberstadtdirektors und ist auch strafrechtlich stets zugelassen worden (RGSt 41, 195; 67, 47 49; RG GA 65, 116; OLG Karlsruhe OLGSt 1 zu § 303 StGB, S. 11; OLG Celle NStZ 1981,223;OLG Karlsruhe OLGSt § 303 StGB, Bl. 4).
18c) Daß vorliegend der Sachbearbeiter X. beauftragt und ermächtigt war, für den Oberstadtdirektor den Strafantrag der Behörde zu stellen, folgt für den Senat an sich schon aus den Schreiben des Oberstadtdirektors vom 8. und 22. Oktober 1981 (Bl. 116, 120 ff d.A.). In den persönlich unterzeichneten Schreiben erklärt der Oberstadtdirektor, daß jedenfalls nach langjähriger Verwaltungsübung "das Rechtsund Versicherungsamt verwaltungsintern beauftragt und damit auch nach außen berechtigt ist, Strafanzeigen zu erstatten und gegen Nichtbedienstete der Stadt L. Strafantrag zu stellen". Dementsprechend war vorliegend auch der Bearbeiter des Geschäftsvorfalles "Herr X. berechtigt, den Strafantrag vom 13.10.1980 zu unterzeichnen". An der Wahrheit dieser dienstlichen Erklärungen bestehen keine Zweifel.
19d) Die Richtigkeit der Erklärungen des Oberstadtdirektors wird zudem durch die bei den Akten befindlichen Zeichnungs- und Geschäftsverteilungspläne der Stadt L. bestätigt:
20Aus 4.5.3 Abs. 1 Satz 2 der Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt L. (AGA, -vgl. Bl. 135 d.A.) i.V.m. Nr. 4 der Zeichnungsregelung für das Rechts- und Versicherungsamt vom 30.8.1979 (Bl. 138 ff d.A.) folgt, daß - sofern nicht höhere Zeichnungsregelungen eingreifen, was vorliegend nicht ersichtlich ist - der "Bearbeiter des Geschäftsvorfalls" nach außen unterschriftsberechtigt ist. Die Vertretungsbefugnis nach außen folgt damit der verwaltungsinternen Zuständigkeit.
21Der Sachbearbeiter des Rechts- und Versicherungsamtes X. war aber auch innerdienstlich zuständig.
22Zunächst handelt es sich bei der Stellung eines Strafantrages für die Gemeinde um ein "einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung" i.S.v. § 28 Abs. 3 GemO NW, das im Verhältnis zwischen Rat und Gemeindedirektor als auf den Gemeindedirektor übertragen gilt, soweit nicht der Rat sich oder einem Ausschuß die Entscheidung vorbehalten hat.
23Vorliegend gehörte die Stellung des Strafantrages für die Stadt L. auch zu den "einfachen Geschäften der laufenden Verwaltung". Insoweit war allerdings mitzuberücksichtigen, daß sich der Strafantrag insgesamt gegen 59 meist jüngere Personen richtete und die Hausbesetzung vorliegend auch eine gewisse kommunalpolitische Bedeutung gehabt hat. Andererseits fiel ins Gewicht, daß es sich bei der Stadt L. um eine Großstadt mit hoher Einwohnerzahl, Finanzkraft und Bedeutung handelt (vgl. zu diesen Kriterien BGH NJW 1980, 117 m.w.N.; Rauball/Pappermann/Roters aa0 § 28 Rn. 30). Für sie gehört die Stellung eines Strafantrages zur Sicherung ihrer Liegenschaften zu den regelmäßig vorkommenden Verwaltungsgeschäften, deren Entscheidung keine größeren Schwierigkeiten bereitet und im Rahmen der kommunalen Verwaltungsübung erledigt wird (s.a. BayObLGSt 53, 185 zur Stellung des Strafantrages nach der BayGemO bei einer kleinen Gemeinde).
24e) Kommt es danach allein noch darauf an, ob innerhalb der Behörde des Oberstadtdirektors die Aufgabe der Stellung eines Strafantrages gegen Nichtbedienstete dem Rechtsamt übertragen war, so folgt dies aus Nr. 3.5.4.5. AGA.
25Nach dieser Vorschrift ist das Rechtsamt für die Stadt L. zuständig für die Stellung von Strafanträgen. Zwar besagt Absatz 1 Satz 1 wörtlich nur, daß das Rechtsamt befugt sei, Strafanzeigen zu erstatten.
26Aus Absatz 1 Satz 2 folgt aber, daß das Rechtsamt grundsätzlich die Dienststelle sein soll, der Anzeigesachen von anderen Dienststellen übersandt werden müssen. Dort sollen die Vorgänge ersichtlich tatsächlich und rechtlich geprüft und dann unter Federführung des Rechtsamtes von dort aus nach außen weitergeleitet werden. Schon diese Kompetenz schließt eine Zuständigkeit auch dafür ein, in diesen Sachen nach außen Erklärungen für die Stadt L. abzugeben.
27Ausgenommen sind allerdings die Fälle, in denen wegen Körperverletzung oder Beleidigung eines Amtsträgers gemäß § 194 Abs. und § 232 Abs. 2 auch der Dienstvorgesetzte einen eigenen Strafantrag stellen kann. Hier sind die Vorgänge dem Personalamt vorzulegen, das dann (gleichfalls) nicht nur für eine Strafanzeige, sondern ausdrücklich auch für den Strafantrag zuständig ist ("mit einem Strafantrag ... verbundenwerden können"). Die Kompetenzen sind danach zwischen Personalamt und Rechtsamt aufgeteilt. Die Art der Aufteilung läßt den Rückschluß zu, daß sowohl das Personalamt als auch das Rechtsamt in den ihnen zugewiesenen Sachen zur Stellung von Strafanzeigen und Strafanträgen zuständig sind.
28Dem steht die Regelung in Absatz 1 Satz 2 nicht entgegen. Hier kommen Taten in Betracht, in denen zugleich sowohl ein Bediensteter der Stadt L. als auch diese selbst unmittelbar verletzt worden sind und daher beide ein Antragsrecht haben. Schließlich gibt die Vorschrift auch für die Fälle einen Sinn, in denen lediglich der Bedienstete ein Strafantragsrecht hat, die Tat aber gleichwohl dienstliche Belange berüht und daher eine Strafanzeige durch die Stadt L. in Betracht kommt. Jedenfalls geht auch diese Vorschrift dahin, daß das Rechtsamt die Stelle ist, die innerhalb der Stadtverwaltung für die Anzeigensachen abschließend zuständig ist und unter deren Federführung Erklärungen nach außen abgegeben werden sollen.
29Letztlich besagt Absatz 2, daß das Rechtsamt zur Erklärungeiner Zurücknahme des Strafantrages zuständig ist. Zusammen mit den vorgenannten Regelungen läßt dies wiederum erkennen, daß das Rechtsamt bei den ihm zugewiesenen Fällen die umfassende Zuständigkeit für die Bearbeitung von Strafanträgen nach außen hat, - eine Kompetenz, die nicht nur die Rücknahme, sondern erst recht schon die Stellung derartiger Strafanträge einschließt.
30Lediglich ein ergänzendes Indiz war danach, daß der Aufgaben-gliederungsplan der Stadtverwaltung nach der Tat für das Rechts- und Versicherungsamt in Nr. 14 "zur Klarstellung" dahin neugefaßt worden ist, daß jetzt die Erstattung von Strafanträgen dort auch wörtlich genannt ist.
315. Im übrigen wird auf die zur Veröffentlichung bestimmte Senatsentscheidung vom 22. Dezember 1981 - 1 Ss 759/81 -Bezug genommen, die dem Verteidiger in vorliegender Sache bereits längere Zeit vor dem Verhandlungstermin übersandt worden war (Bl. 143, 144 d.A.).
32B.
33Revision der Staatsanwaltschaft
34Auch die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer den Angeklagten unter Strafvorbehalt verwarnt hat (§ 59 StGB).
351. Die formellen Voraussetzungen des § 59 StGB hat die Strafkammer beachtet. Ohne Rechtsfehler hat sie ferner die begründete Erwartung erlangt, der Angeklagte werde künftig auch ohne Verurteilung zu Strafe keine Straftaten mehr begehen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB).
362. Auch soweit die Strafkammer "besondere Umstände, die in der Tat und der Persönlichkeit des Täters liegen", (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) bejaht hat, ist sachliches Recht nicht verletzt.
37Verwarnung mit Strafvorbehalt ist statthaft, wenn mildernde Umstände von besonderem Gewicht vorliegen, welche die Tat jedenfalls in einer Hinsicht aus dem Kreis vergleichbarer, gewöhnlich vorkommender Durchschnittsfälle so deutlich herausheben, daß Verschonung von Strafe angezeigt ist (BayObLG JR 1976,511 m.Anm.Zipf). Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist, gewöhnliche Strafmilderungsgründe genügen insoweit nicht (s.a. BGH bei Dallinger,MDR 1976,14; OLG KoblenZ BA 1978,207; SenE OLGSt § 59 StGB, S.1 und 9; ebenso SenE vom 12.10.1976 - Ss 388/75-). Andererseits können an das Tatbestandsmerkmal "besondere Umstände" in § 59 StGB nur geringere Anforderungen gestellt werden, als an das gleiche Merkmal in § 56 Abs. 2 StGB. Im Bereich des § 59 StGB geht es von vornherein nur um Straftaten von verhältnismäßig geringem Unrechts- und Schuldgehalt, wegen derer der Täter lediglich Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verwirkt haben kann (vgl. Dallinger a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.; Ruß LK,. 10.Aufl., § 59 Rn.5; Dreher/ Tröndle, 40.Aufl., § 59 StGB Rn. 5). Ebenso dürfen an § 59StGB nicht so hohe Anforderungen gestellt werden, daß eine Anwendung der Vorschrift praktisch nicht mehr in Betracht kommt und der gesetzgeberische Wille mißachtet würde (zur Kritik an einer zu restriktiven Auslegung vgl. Schöch, JR 1978, 74; Schreiber in Schaffstein-Festschrift, 290, Horn, NJW 1980, 106; Baumann, JW 1980, 464).
38Vorliegend genügen die Feststellungen den gesetzlichen Anforderungen. Der Staatsanwaltschaft ist zwar insoweit zuzustimmen, als das angefochtene Urteil teilweise allgemeine Ausführungen enthält, die für sich genommen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht tragen würden. So könnten "besondere Umstände" nicht generell stets schon darin gefunden werden, daß Hausbesetzungen eine "Zeiterscheinung" sind und als Reaktion, der Jugend auf wohnungspolitische Mißstände oder kommunale Fehlplanungen zu verstehen seien. Hierzu läßt die Staatsanwaltschaft aber außer Betracht, daß dahingehende Formulierungen des Urteils nicht isoliert verstanden werden können. Es handelt sich vielmehr um Wertungen, welche die Strafkammer auf der Grundlage der Feststellungen zum konkreten Tatgeschehen angestellt hat.
39So hat sich die Strafkammer hinsichtlich der festgestellten Besonderheiten zur Persönlichkeit des Täters ersichtlich darauf gestützt, daß der Angeklagte ein zur Tatzeit erst 23jähriger Student war, der als Fakultätssprecher für die Medizinische Fakultät gesellschaftlichen Einsatz bewiesen hat und in keiner Hinsicht vorbestraft ist, Sein Motiv war uneigennützig und entsprang seiner Überzeugung, sich für die Schaffung und Erhaltung preisgünstigen Wohnraums einsetzen zu sollen.
40Zur T a t liegen festgestellte Besonderheiten darin, daß sich der Angeklagte nur wenige Stunden in dem Gebäude aufgehalten hat, daß es sich um ein nicht mehr bewohntes Haus handelte, das seit acht Jahren leerstand und nunmehr abgerissen werden sollte. Zudem habe der Angeklagte ein Mißverständnis zwischen Polizei und Stadtverwaltung für möglich gehalten; bis zuletzt habe er gehofft, die Stadt L. hätte eine Genehmigung zur Renovierung des Hauses durch die Besetzer doch erteilt oder werde eine Nutzung des Hauses noch stillschweigend dulden.
41Danach wertet die Strafkammer die Tät zur Recht als an der unteren Grenze des in Fällen des Hausfriedensbruchs denkbaren Unrechts- und Schuldgehalts liegend. Im Vergleich mit anderen Störungen aus dem kriminologischen Erscheinungsbild des Hausfriedensbruchs - etwa dem Eindringen in bewohnte Häuser oder Wohnungen, dem unbefugten Verweilen in Geschäfts- oder Büroräumen, Bahnhöfen usw. - ist vorliegend die soziale Funktion des befriedeten Besitztums tatsächlich allenfalls noch minimal gestört worden. Dies gilt schon ohne Rücksicht auf unterschiedliche rechtliche Auffassungen hinsichtlich des in § 123 StGB geschützten Rechtsguts (vgl.Schäfer LK, § 123 StGB Rn. 1 ff m.weit.Nachw.) oder neuen Tendenzen zu einer restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmais "beriedetes Besitztum" (hierzu Engels, DuR 1981,293 m.weit.Nachw.). Rein ordnungsbehördliche Gesichtspunkte der Tat hatten zur Frage des Schuldgehalts nach § 123 StGB ohnehin außer Betracht zu bleiben.
423. Ohne Rechtsfehler ist die Kammer schließlich auch zu der Überzeugung gelangt, daß vorliegend die Verteidigung der Rechtsordnung die Verurteilung zur Strafe nicht gebietet (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Dies wäre nur anzunehmen gewesen, wenn eine bloße Verwarnung bei Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müßte und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung erschüttert werden könnte (Ruß LK a.a.O., Rn. 7). Generalpräventive Erwägungen dürfen allerdings nicht dazu führen, bestimmte Tatbestandsgruppen schlechthin von der Möglichkeit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt auszuschließen (Dreher/Tröndle,40.Aufl, § 59 StGB Rn, 4; Ruß LK a.a.O. ; OLG Cello NsRpfl. 1977,90). Dies gilt auch hinsichtlich von Taten mit geringem Unrechts-und Schuldgehalt, die von gesellschaftspolitisch motivierten Überzeugungstätern begangen werden.
43Auch hier greifen Bedenken gegen die Urteilsgründe letztlich nicht durch. Insbesondere sieht der Senat keinen Rechtsfehler darin, daß die Strafkammer zu Beginn ihrer diesbezüglichen Ausführungen allgemein wiederholt hat, daß es bei der Tat "zu keinerlei Gewalttätigkeiten oder Beleidigungen gegenüber der Polizei gekommen ist". Die Staatsanwaltschaft weist zwar richtig darauf hin, daß in die Wertung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB nur fallbezogene Umstände einfließen dürfen. Die der beanstandeten Formulierung nachfolgenden Sätze machen aber deutlich, daß die Strafkammer lediglich den "Hintergrund, vor dem die Tat des Angeklagten zu sehen ist" hervorgehoben hat (UA S. 5). Der negativ formulierte Eingang soll danach lediglich den geringen Unrechtsgehalt der Tat herausstellen.
44Insgesamt bringt die Strafkammer ihre auf der Grundlage der konkreten Feststellungen gewonnene Überzeugung zum Ausdruck, daß eine bloße Verwarnung mit Strafvorbehalt von einer über den Sachverhalt unterrichteten Bevölkerung verstanden würde. Einer solchen Wertung liegt letztlich eine tatsächlich Beurteilung zugrunde, die vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren ist(Ruß LK a. O. 2n. 12;s.a. BGH bei Holtz, MDR 1979, 987; s.a. BGH NJ7 1976, 1413; BGH NJW 1977, 639; BGH NStZ 1981, 434; OLG Schleswig SchlHA. 1977, 178).
45Diese Grenze ist vorliegend jedenfalls nicht überschritten.
46C.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 2, 3 StPO (vgl. Schäfer in Löwe-Rosenberg, 23. Aufl., § 473 StPO Rn. 66).
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