Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 21 WF 77/81
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der am 19. Mai 1981 ver-kündete Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht Köln 318 F 283/80 EA-Wo - teilweise geändert und die folgt neu gefaßt:
Die eheliche Wohnung der Parteien in X L. T. Straße 25 wird dergestalt aufgeteilt,
daß dem Antragsgegner das zur Zeit von ihm benutzte Zimmer mit Kochnische nebst separater Toilette, vom Wohnungseingang aus links und unmittelbar vor
den beiden Kinderzimmern gelegen, und der Antragstellerin und den Kindern C. und C. der Parteien sämtliche übrigen Räumlichkeiten desvorbezeichneten Anwesens einschließlich Balkon (Terrasse) und Garten zur jeweils alleinigen Benutzung zugewiesen werden.
Der Antragsgegner ist jedoch berechtigt, das zu der ehelichen Wohnung gehö-rende Badezimmer jeden Montag und jeden Freitag in der Zeit von 19.00 bis 20.00 Uhr zu benutzen, während es zu allen übrigen Zeiten bei der ausschließlichen Benutzung des Badezimmers durch die Antragstellerin und die Kinder C. und C. der Parteien bewendet.
Der auf Zuweisung der ehelichen Wohnung der Parteien zur fortan alleinigen Benutzung derselben durch die Antragstellerin und die Kinder C. und C. der Parteien gerichtete Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Dem Antragsgegner wird gemäß § 890 ZPO unter Androhung eines Ordnungs-geldes von 300,-- DM für den Fall der Zuwiderhandlung, wobei für den Fall, daß dieses Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, an seine Stelle Ordnungshaft von sechs Tagen tritt, verboten, die der Antragstellerin und den Töchtern C. und C. zur alleinigen Benutzung zugewiesenen Räumlichkeiten und das Badezimmer außerhalb der für ihn reservierten Benutzungszeiten zu betreten.
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G r ü n d e:
2Die Parteien haben am 25.3.1960 miteinander die Ehe geschlossen, aus der zwei Kindern, die am 19.8.1960 geborene Tochter C. und die am 29.1.1967 geborene Tochter C. hervorgegangen sind.
3Die Antragstellerin bereitet sich seit einiger Zeit auf die Erlangung der Fachoberschulreife - Prüfungstermin: November 1981 - vor. C., hat am 4.8.1981 das Abitur bestanden und ist inzwischen Studentin im ersten Semester. C. besucht ein Gymnasium. Der Antragsgegner sprach zumindest in der Vergangenheit unstreitig zeitweilig im Übermaß dem Alkohol zu. Aus diesem Grunde verlor er Anfang des Jahres 1980 seinen Arbeitsplatz. Er bezieht Arbeitslosenunterstützung in wöchentlicher Höhe von 216, -- DM. Die Antragstellerin erhält für sich und die beiden Kinder seit 1.2.1981 Sozialhilfe zum Lebensunterhalt in monatlicher Höhe von 1.277,05 DM.
4Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 19.12.1980 bei dem Familiengericht Köln ein Verfahren anhängig gemacht, mit dem sie die Feststellung ihrer Berechtigung zum Getrenntleben vom Antragsgegner erstrebt.
5Gleichzeitig hat sie den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nachgesucht, deren Ziel darauf gerichtet ist, ihr die eheliche Wohnung der Parteien zur fortan alleinigen Benutzung durch sie und die beiden Kinder zuzuweisen, dem Antragsgegner aufzugeben, die Wohnung unverzüglich zu verlassen, und ihm unter Androhung des höchstzulässigen Ordnungsgeldes , ersatzweise Ordnungshaft zu verbieten, die eheliche Wohnung nach seinem Auszug nochmals zu betreten.
6Die eheliche Wohnung - eine Mietwohnung - ist 150 qm groß und besteht aus Diele, Küche, Bad und 5 Zimmern: Wohnzimmer; Elternschlafzimmer, zwei Kinderzimmer und einem weiteren Raum mit vollständig eingerichteter Kochgelegenheit sowie einer separaten Toilette.
7Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Gesuches um Erlaß der einstweiligen Anordnung vorgetragen, der Antragsgegner spreche seit Jahr und Tag, praktisch seit Beginn der Ehe periodisch im Übermaß dem Alkohol zu. Seine gegenteiligen Beteuerungen und Versprechen hätten sämtlich nichts gefruchtet. 1975 habe er von der Möglichkeit einer Entziehungskur keinen Gebrauch gemacht. 1978 habe er eine derartige Kur vorzeitig abgebrochen, nachdem er den Vorschriften der Heimleitung keine Folge geleistet habe. Im Verlaufe des Jahres 1980 habe seine Trunksucht sich kontinuierlich verschlimmert. Etwa im September 1980 habe er, wie schon wiederholt in der
8Vergangenheit, Beziehungen zu einer anderen Frau angeknüpft und sei zeitweilig -teilweise auch wochenlang - von zu Hause weggeblieben. Anfang November 1980 habe er die Unhaltbarkeit dieses von ihm geschaffenen Zustandes eingesehen und sich ihr gegenüber mit der dauernden Trennung, mit seinem endgültigen Auszug aus der ehelichen Wohnung einverstanden erklärt. In Erfüllung dieser Vereinbarung sei er zu einer
9anderen Frau gezogen, habe aber am Abend des 18.12.1980 absprachewidrig
10erneuten Einlaß in die eheliche Wohnung begehrt. Ihr Hinweis auf die Vereinbarung habe nichts gefruchtet; sie habe ihn notgedrungen einlassen müssen, nachdem von
11ihr zu Hilfe gerufene Polizeibeamte erklärt hätten, daß sie nichts unternehmen könnten~ Ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsgegner sei für sie und beide Kinder letztlich aber auch für den Antragsgegner selbst untragbar. C.sei, bedingt durch sein Verhalten bis vor kurzem Bettnässerin gewesen. Ihre schulischen Leistungen hätten sich im Verlaufe des Jahres 1980 rapide verschlechtert, sich aber nach dem vorübergehenden Auszug des Antragsgegners schlagartig gebessert. Sie selbst werde in ihren Prüfungsvorbereitungen ebenfalls empfindlich gestört und müsse das Mißlingen der
12Prüfung befürchten, solange der Antragsgegner mit ihr unter einem Dach wohne. Insbesondere sei das Zusammenleben mit der Familie aber auch. für den .Antragsgegner selbst eine regelrechte Qual, weil er einerseits Wisse, daß ihr Trennungsentschluß
13unabänderlich sei , andererseits aber immer wieder den sinnlosen Versuch unternehme, neue Kontakte und Bindungen anzuknüpfen. Nur dann, wenn er fortan zur eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens gezwungen werde, wofür sein Auszug aus der ehelichen Wohnung unerläßliche Voraussetzung sei, bestehe eine Chance, daß er seine Alkoholabhängigkeit überwinden könne.
14Das Familiengericht hat die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung durch Beschluß vom 19.12.1980 ohne zuvorige Anhörung des Antragsgegners antragsgemäß erlassen.
15Der Antragsgegner hat die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt und angekündigt, daß er die Aufhebung der einstweiligen Anordnung beantragen werde.
16Die Antragstellerin hat ihr bisheriges Vorbringen mit dem Ziel der Bestätigung des erlassenen Beschlusses wiederholt und ergänzt.
17Demgemäß hat sie beantragt,
18den Beschluß vom 19.12.1980 aufrechtzuerhalten.
19Der Antragsgegner hat beantragt,
20den Beschluß vom 19.12.1980 aufzuheben und den auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
21Er hat vorgetragen, Anfang November 1980 habe er mit der Antragstellerin lediglich eine vorübergehende Trennung vereinbart, damit jeder in Ruhe für sich prüfen und entscheiden könne, ob noch eine Basis für die Aufrechterhaltung und Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhanden sei oder nicht. Damit stehe in Einklang, daß er bei seinem Auszuge den größten Teil seiner persönlichen Habe in der ehelichen Wohnung zurückgelassen habe. Er sei vorübergehend zu einem Bekannten gezogen und habe etwas später eine andere Frau kennengelernt, mit der er kurzfristig zusammengelebt habe. Am 19.12.1980 habe er die Antragstellerin gebeten, wieder mit ihm zusammenzuleben. Sie habe ihm erklärt, sofern er nüchtern sei, könne er kommen, so oft er wolle, müsse sich aber zur Nachtzeit außerhalb der ehelichen Wohnung aufhaIten. Seinen Hinweis auf die Vereinbarung einer lediglich vorübergehenden Trennung habe sie nicht gelten lassen, vielmehr die einstweilige Anordnung erwirkt. Nach Erlaß dieses Beschlusses sei er jedoch mit ihrer Zustimmung praktisch weiterhin in der ehelichen Wohnung ein- und ausgegangen, indem er häufig zu teilweise sehr ausgedehnten Besuchen gekommen sei. Die Unterkunft bei seinem Bekannten, die dieser ihm großzügigerweise gewährt habe, sei keine Dauerlösung , und die Antragstellerin habe ohnehin nicht das Recht, ihn aus der ehelichen Wohnung setzen zu lassen. Denn bereits gemessen an ihrem eigenen Vorbringen sei kein Grund ersichtlich, der eine derart schwerwiegende Maßnahme zu rechtfertigen vermöge, zumal Größe und räumliche Verhältnisse der ehelichen Wohnung unschwer ein Getrenntleben innerhalb ihrer selbst ermöglichten. Er sei nicht schlechthin alkoholabhängig und habe den festen Vorsatz
22gefaßt, fortan nicht mehr zu trinken. Nachdem er am 17.2.1981 aus stationärer Behandlung des Landeskrankenhauses M. entlassen worden sei, beabsichtige er die Beantragung einer Langzeitkur mit dem Ziel der dauernden Alkoholentwöhnung, die er aber erst rech etlichen Wochen antreten könne.
23Mit Blick auf diese in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.1981 vorgebrachten Erklärungen des Antragsgegners hat das Familiengericht mit am gleichen Tage verkündeten
24Beschluß die einstweilige Anordnung vom 19.12.1980 aufgehoben, gleichzeitig Termin zur Entscheidung darüber, ob die einstweilige Anordnung erneut zu erlassen sei, auf
25den 5.5.1981 anberaumt, und dem Antragsgegner aufgegeben, sich umgehend um eine andere Unterkunft, insbesondere um eine Langzeitkur zu bemühen.
26In der Folgezeit hat die Antragstellerin vorgetragen, der Antragsgegner benutze seit der Aufhebung der einstweiligen Anordnung, wie unstreitig ist, ein separates Zimmer der
27ehelichen Wohnung mit Kochgelegenheit. Auch diese Form des Getrenntlebens habe sich indessen als unzumutbar erwiesen. C. habe erneut Schwierigkeiten, ihre schulischen Obliegenheiten ordnungsgemäß zu erfüllen. Dasselbe gelte in gleichem Maße für sie, die Antragstellerin, weil sie seit der neuerlichen häuslichen Anwesenheit ihres Ehemannes ebenso wie C. wieder unter starker Nervösität und damit verbundener
28Konzentrationsschwäche leide. Aber auch die seelische Verfassung des Antragsgegners werde durch den gegenwärtigen Zustand erheblich beeinträchtigt; er trinke nach wie vor periodisch Alkohol und wiege sich in der urerfüllbaren Hoffnung, sie doch noch zurückgewinnen zu können. Die in Aussicht gestellte Langzeitkur werde er voraussichtlich nicht antreten und es sei mit einer weiteren Verschlechterung des ohnehin
29untragbaren Zustandes zu rechnen, falls er nicht aus der, ehelichen Wohnung gesetzt werde.
30Durch am 19.5.1981 verkündeten, hiermit in Bezug genommenen Beschluß hat das Familiegericht die einstweilige Anordnung erneut, und zwar mit der Maßgabe erlassen, daß dem Antragsgegner aufgegeben worden ist, die eheliche Wohnung bis spätestens zum 1.7.1981 zu räumen.
31Der Antragsgegner hat gegen diesen ihm am 21.5.1981 von Amts wegen zugestellten Beschluß mit einer am 4.6.1981 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schrift sofortige Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
32Mi t dem Rechtsmittel verfolgt er, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 15.9.1981 vor dem Senat klargestellt hat, allein das Ziel, es unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Beschlusses bei dem derzeitigen Zustand - Getrenntleben innerhalb der ehelichen Wohnung - zu belassen.
33Er macht erneut geltend, daß kein Grund vorliege, der eine derart gravierende Maßnahme wie die völlige Entsetzung eines Ehegatten aus der ehelichen Wohnung zu rechtfertigen vermöge. Seit Wochen habe er mit Ausnahme einer halben Flasche
34Rotwein, die er sich anläßlich des bestandenen Abiturs der Tochter C. genehmigt habe, keinen Tropfen Alkohol getrunken, und die räumliche Trennung von seiner Familie innerhalb der ehelichen Wohnung abgesehen von gelegentlichen Begegnungen und kurzfristigen Gesprächen strikt eingehalten.
35Der Antragsgegner beantragt,
36unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Beschlusses den zur Zeit bestehenden Zustand der räumlichen Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung der Parteien bei Bestand zu belassen.
37Die Antragstellerin beantragt,
38die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
39Sie stützt sich auch im Beschwerdeverfahren auf ihre durch zeugenschaftliche Benennung der Tochter C. zu Beweis gestellte Behauptung, derzufolge der Antragsgegner mit ihr Anfang November 1980 seinen endgültigen, dauernden Auszug aus der ehelichen
40Wohnung vereinbart hat; schon aus diesem Grunde könne der sofortigen Beschwerde kein sachlicher Erfolg beschieden sein. Darüber hinaus trägt sie vor, im Grunde bestehe der bisherige, von ihr bereits in der ersten Instanz im einzelnen geschilderte Zustand unverändert fort. Der Antragsgegner sei schubweise immer wieder betrunken, bleibe tage- und nächtelang, wie schon in der Vergangenheit, von zu Hause weg, unterhalte
41abermals Beziehungen zu anderen Frauen, und lasse keine Anzeichen einer Besserung erkennen. Auch seit dem Getrenntleben in der ehelichen Wohnung lasse er nichts unversucht, Mitleid zu erregen und Entgegenkommen zu wecken. Als letztes Mittel setze er Selbstmorddrohungen ein; er habe bereits mehrere Suicidversuche hinter sich. Auf dieseWeise richte er die Familie psychisch und physisch zugrunde. Schließlich sei nicht auszuschließen, daß er seine Selbstmordversuche im Zustand der Trunkenheit "auf die Familie ausdehnen" werde.
42Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 15.9 .1981 angehört.
43Ferner hat er die Tochter C. als Zeugin darüber vernommen, wie es im November 1980 zum Auszug des Antragsgegners aus der ehelichen Wohnung gekommen ist, und was hierbei besprochen worden ist.
44Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.9.1981 verwiesen.
45Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
46Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet; sie führt unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu der Regelung, wie sie sich im einzelnen aus dem Tenor der Entscheidung des Senats ergibt.
47Das Rechtsmittel ist zulässig.
48Gemäß § 620 c Satz 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung aufgrund mündlicher Verhandlung die eheliche Wohnung einem Ehegatten ganz zugewiesen hat. So liegt es hier. Der angefochtene Beschluß ist aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5.5.1981 ergangen und verkörpert eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 620 Satz 1 Nr. 7 ZPO mit dem vorgenannten , beschwerdefähigen Regelungsgehalt. Als einstweilige Anordnung setzt dieser Beschluß begrifflich die Anhängigkeit einer Ehesache voraus, die im Verhältnis zur einstweiligen Anordnung das sog. Hauptverfahren ist. Ehesache im Sinne des § 606 ZPO ist hier die von der Antragstellerin gleichzeitig mit ihrem Gesuch um Erlaß der einstweiligen Anordnung bei dem Familiengericht anhängig gemachte Klage, deren Ziel darauf gerichtet ist, ihr das Getrenntleben von dem Antragsgegner zu gestatten. Eine derartige Klage ist als Gegenstück (Pendant) der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, als sog. negative HerstelIungsklage, mit der auf der materiellrechtlichen Ebene die Bestirnmung des § 1353 Abs. 2 BGB korrespondiert, wonach ein Ehegatte zum Getrenntleben berechtigt ist, wenn sich entweder das Herstellungsverlangen des anderen Teils (§ 1353 Abs.1 BGB) als rechtsmißbräuchlich erweist oder die Ehe gescheitert ist,
49Ehesache im Sinne des § 606 ZPO mit der Folge, daß ab Anhängigkeit dieser Klage der Erlaß einer einstweiligen .Anordnung der hier einschlägigen Art möglich ist (vergI. OLG Zweibrücken, FamRZ 1981, 186, 187; Zöller-Philippi, ZPO,'12.Aufl., Anm.2 d vor § 606; Rolland, 1. EheRG, 1977, § 606 Rz 6, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
50Die demnach an sich statthafte sofortige Beschwerde ist auch im übrigen zulässig; sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 620 c Satz 1, 577 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 erster Halbsatz, 569 Abs. 2 Satz 1, 620 d ZPO.
51Das zulässige Rechtsmittel hat auch in sachlicher Hinsicht Erfolg.
52Die Antragstellerin muß sich, was der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde allein anstrebt, darauf verweisen lassen, daß die Parteien innerhalb ihrer ehelichen Wohnung einstweilen weiterhin so, wie es sich im einzelnen aus dem Beschlußtenor
53ergibt, räumlich voneinander getrennt leben. Dazu nötigen folgende Erwägungen:
54Soweit die Antragstellerin geltendmacht, daß die eheliche Wohnung den beiden Kindern und ihr einstweilen zur fortan alleinigen Benutzung zugewie.sen werden müsse, weil der Antragsgegner im November 1980 mit ihr seinen endgültigen Auszug vereinbart habe und sich an dieser Vereinbarung festhalten lassen müsse, kann ihr nicht gefolgt werden. Dabei kann offen bleiben, .ob eine solche Vereinbarung, deren Abschluß zwischen den Parteien streitig ist getroffen wurde. Bejahendenfalls ist sie aus rechtlichen Gründen unwirksam, weil ein Scheitern der Ehe nicht festgestellt werden kann. Gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft besteht, solange nicht die Voraussetzungen des § 1353 Abs. 2 BGB vorliegen, wonach ein Ehegatte, dem -grundsätzlich gerechtfertigten und dementsprechend zu befolgenden - Herstellungsverlangen des anderen Teils ausnahmsweise dann keine Folge zu leisten braucht, wenn entweder sich dieses Verlangen als Mißbrauch seines Rechts darstellt oder die Ehe gescheitert ist. Diese Rechtslage hat durch das 1. EheRG, das das Recht der Ehescheidung unter Abkehr vom früheren Verschuldensprinzip (§§ 42, 43 EheG) auf die Zerrüttung der Ehe - in der Regel mit bestimmten Trennungsfristen verknüpft abgestellt hat (§§ 1564 ff BGB) , keine Veränderung erfahren. Das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft ist zwingendes Gesetzesrecht. Als solches ist es weder insgesamt noch teilweise verzichtbar. Deshalb sind während der Dauer seiner Geltung alle gegenteiligen Vereinbarungen der Ehegatten, vornehmlich auch solche, die ein dauerndes Getrenntleben ermöglichen oder erleichtern sollen, gemäß § 134 BGB wegen Gesetzesverstoßes wichtig (vergl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 545 ff). Denn gerade der Begründung und Beibehaltung der ehelichen Wohnung kommt für das eheliche Leben überragende und
55unverzichtbare Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich um den räumlichen Daseinsmittelpunkt der ehelichen Gemeinschaft, der als nach außen abgegrenzter Bereich erst die Gewähr dafür zu bieten vermag, daß sich eheliches Leben als auf Lebenszeit angelegte Partnerbeziehung (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit alldem~ was zu einem Familienleben gehört, in sinnvoller, harmonischer Weise entfalten, fortwährend erneuern und erhaIten kann. Daß eine auf Dauer angelegte Trennung diesen Kernbereich des ehelichen Lebens kurz über lang zerstören muß und damit Wesen, Aufgaben und eigentlicher Zielsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft zuwiderläuft ist so selbstverständlich, daß es keiner weiteren Begründung bedarf. Daraus erklärt es sich denn auch, daß jeder Ehegatte zufolge des in § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB generalklauselartig umschriebenen Gebots prinzipiell verpflichtet ist, dem anderen Ehegatten die Mitbenutzung der ehelichen Wohnung einschließlich aller Einrichtungs- und Hausratsgegenstände zu gestatten und zwar unabhängig von der jeweiligen Eigentumsverhältnissen und dem jeweiligen Güterstand, in dem die Eheleute leben (vergI. BGHZ 12, 380 ff, 399; BGH NJW 1979, 1004; OLG Düsseldorf a.a.O. mit weiteren Nachw.). Nur im Falle der Rechtsmißbräuchlichkeit des Herstellungsverlangens oder des Scheiterns der Ehe ist der andere Teil dieser Verpflichtungen, wozu gemäß den vorigen Ausführungen auch und insbesondere die Verpflichtung rechnet, dem Ehepartner den Zugang zur und den Aufenthalt innerhalb der ehelichen Wohnung zu ermöglichen, ledig: da eine Ehe ohne ein Mindestmaß an Achtung vor der Persönlichkeit des Partners und an Rücksichtnahme auf seine berechtigten Belange nicht funktionieren und gedeihen kann, wird derjenige Ehegatte, der es daran fehlen läßt, hinsichtlich seines Herstellungsverlangens gewissermaßen klaglos gestellt; ebenso erweist sich das Herstellungsverlangen als
56sinnlos, wenn die Ehe gescheitert ist und demgemäß auf Antrag geschieden werden muß. Mit dem zentralen Stellenwert, der der ehelichen Wohnung im Rahmen einer funktionsfähigen Ehe zukommt, korrespondiert die ebenso gewichtige Bedeutung der
57Preisgabe der häuslichen und ehelichen Gemeinschaft für die Entscheidung der Frage, ob eine Ehe zu scheiden ist. Die Ehescheidung darf vorbehaltlich der eng zu interpretierenden Ausnahmeregelung des § 1565 Abs. 2 BGB dann nur ausgesprochen
58Werden, wenn sich das erforderliche Scheitern der Ehe u. a. in einem mindestens einjährigen, auf Dauer angelegten Getrenntleben in nach außen hin erkennbarer und feststellbarer Weise manifestiert hat (§§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB), wobei § 1567 BGB nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen des Getrenntlebens im Rechtssinne trifft. Liegen die Voraussetzungen der §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB - mindestens einjährige Trennungszeit~ Scheidungsantrag beider Ehegatten oder eines Ehegatten mit Zustimmung des anderen Teils - nicht vor und läßt sich das Scheitern der Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres auch nicht indiziell im Sinne des § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB
59feststellen, dann wird das Scheitern der Ehe gemäß § 1566 Abs. 2 BGB erst nach dreijähriger Trennungszeit unwiderlegbar vermutet und die Ehe ist alsdann auf Antrag zu scheiden, sofern nicht die sog. Härteklausel gemäß § 1568 BGB die Erstreckung der Trennungszeit auf fünf Jahre gebietet. Zufolge aller dieser Erwägungen, aus denen sich einerseits die überragende Bedeutung der Beibehaltung der gemeinsamen Wohnung
60für Aufrechterhaltung und Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft und andererseits ebenso ihrer Preisgabe für die Entscheidung der Frage, ob die Scheidung auszusprechen ist, ergibt, ist der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf (a.a.O.) der Ansicht, daß die von der Antragstellerin zur sachlichen Rechtfertigung ihres auf völlige Entsetzung des Antragsgegners aus der ehelichen Wohnung der Parteien gerichteten Ziels angeführte, angeblich endgültige Trennungsvereinbarung unwirksam ist. Die hiergegen von Knütel (Anm. zu OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 547 ff) ins Feld geführten Argumente erscheinen dem Senat nicht stichhaltig Zuzugeben ist, daß eine auf endgültige Trennung angelegte Vereinbarung der Ehegatten dann rechtliche Wirkungen zeitigt, wenn sie zur Vorbereitung oder zur Erleichterung einer Ehescheidung getroffen worden ist, dies aber nur unter der unerläßlichen und unverzichtbaren,
61gewissermaßen als aufschiebende Bedingung einer derartigen Vereinbarung anzusehenden Voraussetzung, daß dle Trennungsvereinbarung in ein auf Auflösung der Ehe angelegtes Verfahren eingeführt ·wird, und daß die gerichtliche Überprüfung des in
62ein derartiges Verfahren eingeführten Lebenssachverhaltes die sachliche Begründetheit des Eheauflösungsverlangens (Scheidungsbegehrens) ergibt. Auf keinen Fall aber geht es an, daß die auf dauernde Trennung angelegte Vereinbarung im Rechtssinne ein Eigenleben entfalten und gewissermaßen aus sich heraus und um ihrer selbst Willen Rechtswirkungen zu zeitigen vermag, weil das mit dem zwingenden Gesetzesgebot, wie es in § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB seinen, dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft Rechnung tragenden Niederschlag gefunden hat, unvereinbar ist.
63Mißt man nun die von der Antragstellerin angeführte Trennungsvereinbarung an diesen unverzichtbaren Wirksamkeitserfordernissen, dann ist festzustellen, daß sich das Vorliegen dieser Erfordernisse gegenwärtig nicht verläßlich feststellen läßt.
64Insbesondere läßt sich zur Zeit nicht genügend sicher beurteilen, ob die Ehe der Parteien bereits gescheitert ist, ob also eine endgültige Zerrüttung ihres ehelichen Verhältnisses eingetreten ist und die Möglichkeit ihrer nochmaligen Herstellbarkeit (sog. Zukunftsprognose) ausgeschlossen erscheint. Die Parteien leben noch kein Jahr voneinander getrennt, was jedenfalls generell eine der wichtigsten Voraussetzungen des Scheiterns der Ehe ist. Ob die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB, wonach die Ehe ausnahmsweise schon vor dem Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden kann, erfüllt sind, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Die Antragstellerin hat bislang, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, noch keinen Scheidungsantrag ausgebracht. Das am 19.12.1980 bei dem Familiengericht anhängig gemachte, auf Feststellung ihrer Berechtigung zum Getrennleben vom Antragsgegner gerichtete Verfahren ist auf ihren Antrag im Termin vom 5.8.1981 zum Ruhen gebracht worden. Die Antragstellerin hat zur sachlichen Rechtfertigung ihres Gesuches um Erlaß der einstweiligen Anordnung u. a. eingehend vorgetragen, das Zusammenleben mit dem Antragsgegner unter einem Dach, so wie es seit geraumer Zeit unstreitig besteht, belaste sie vornehmlich deshalb in außerordentlichem Maße, weil der Antragsgegner ihr durch seine, wenn auch räumlich weitgehend getrennte Anwesenheit im gleichen Hause fortwährend den Konflikt vor Augen führe, in dem sie sich schon seit längerem befinde: zum einen könne sie es nicht länger ertragen, sich für ihren Ehemann weiterhin wie bisher verantwortlich zu fühlen, ringe vielmehr um ihre Verselbständigung und Loslösung ihres zukünftigen Lebensschicksals von dem des Antragsgegners, was sie schon aus Gründen ihres eigenen seelischen Wohlergehens für unbedingt erforderlich halte, andererseits habe
65sie aber noch Mitleid mit ihm und sei demnach hin- und hergerissen zwischen ihrem Bestreben, einen Schlußstrich unter ihre Ehe zu ziehen, und ihrem Mitgefühl; mit diesem
66gefühlsmäßigen, sie außerordentlich quälenden und bedrückenden Zwiespalt werde Sie nicht fertig, solange der Antragsgegner mit ihr unter einem Dach lebe. Gerade daran zeigt sich aber recht deutlich, daß die Antragstellerin zumindest innerlich noch keinen endgültigen Schlußstrich unter ihre Ehe gezogen hat, mag auch ihr Scheidungsentschluß gegenüber einem etwaigen, nach Lage des Falles gegenwärtig noch nicht
67eindeutig ausschließbaren Festhaltenwollen an der Ehe mit dem Antragsgegner bereits das Übergewicht erlangt haben.
68Muß aber nach alledem davon ausgegangen werden, daß die Vereinbarung auf Dauer angelegten Getrenntlebens, falls sie getroffen wurde, aus den dargelegten Rechtsgründen unwirksam ist, dann brauchte der Antragsgegner sich an einer derartigen Vereinbarung auch nicht festhalten zu lassen, vielmehr blieb rs ihm unbenommen, erneut Zutritt zur ehelichen Wohnung zu begehren, worin sich sein auf Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Antragstellerin und sein dementsprechend an sie herangetragenes Herstellungsverlangen im Sinne des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB gleichermaßen widerspiegelten. Ob dieses Verlangen rechtsmißbräuchlich und folglich gemäß § 1353 Abs. 2 BGB unbeachtlich war, kann nicht im vorliegenden, nur vorläufigen, auf mehr pauschale und summarische Überprüfung des Streitstoffes angelegten Verfahren der einstweiligen Anordnung entschieden werden, sondern muß der Klärung im Hauptverfahren, wie es von der Antragstellerin mit ihrer Berechtigung zum Getrenntleben erhobenen Klage ausgebracht worden ist, vorbehalten bleiben.
69Auch das weitere Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluß unverändert bei Bestand zu belassen.
70Der Gesetzgeber hat zwar mit § 620 Satz 1 Nr. 7 ZPO auch für das Verfahren der einstweiligen Anordnung dieMöglichkeit geschaffen, einem Ehegatten die Ehewohnung unter völligem Ausschluß des anderen Teils zuzuweisen. Dabei handelt es sich aber um einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Lebensbereich des davon betroffenen Ehegatten, daß eine so weitreichende und einschneidende Anordnung nur in besonderen Ausnahmefällen möglich ist: eine solche Anordnung darf nur ergehen, wenn die Grenze des ncht mehr Zumutbaren erreicht ist. Daß ist dann der Fall, wenn die bei Anlegung eines objektiven Bewertungsmaßstabes vorzunehmende Prüfung der
71gesamten Situation, in der die Ehegatten in der Ehewohnung leben, eine Schädigung oder zumindest eine ernstliche, unmittelbare und schwerwiegende Gefährdung der psychischen oder physischen Unversehrtheit des anderen Ehegatten und/oder der
72Kinder erkennen läßt (vergl. OLG Schleswig, SchlHA 1978, 20; OLG Düsseldorf, FamRZ1978, 604 - Leitsatz Nr. 3 -; OLG Köln – 4. ZS -, FamRZ 1980, 275; Senat in ständiger Rspr.: Beschlüsse vom 19.3.1979 – 21 WF 19/71 -; 24.1.1980 – 21 WF 3/80 -; 20.5.1980 – 21 WF 31/80 -; 5.5.1980 – 21 WF 39/81 -; Müller-Gindullis im Münchener Komm. Zum BGB, Ergänzungsband, §§ 14, 15 oder 6. DVO zum EheG, Rz. 13 Beklagte, Rolland a.a.O., § 620 ZPO Rz 43; Ambrock, Ehe und Ehescheidung 1977, § 620 ZPO, Anm. III 7; Thomas/Putzo, ZPO, 11. Aufl., § 620 Anm. 2 Beklagte cc; anderer Auffassung: Zöller-Philippi a.a.O., § 620 Anm. 15 Beklagte; der Tendenz nach auch OLG Kalrsruhe, FamRZ 1878, 132; OLG München, FamRZ 1979, 429, 430).
73Hierbei läßt sich nicht verkennen, daß die Feststellung der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens im angeführten Sinne durchaus nicht auf Fälle körperlicher Mißhandlungen oder sonstigen gewalttätigen Verhaltens des einen Ehegatten gegenüber dem anderen Teil beschränkt ist. Zureichenden Anlaß für die Entsetzung aus der ehelichen Wohnung kann auch ein solches Verhalten eines Ehegatten bieten, das die gesundheitliche Verfassung des anderen Ehegatten in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt, wozu nach Lage des jeweiligen Falles u.U. auch ständiger übermäßiger Alkoholgenuß mit allen seinen negativen Begleiterscheinungen rechnen kann, wobei aber zusätzlich steets erforderlich ist, daß kein weniger einschneidendes Mittel in Betracht kommt, um das in derartigen Fällen erforderliche Getrenntleben der Ehegatten zu gewährleisten (vergI. OLG Hamburg, FamEZ 1981, 64, 65).
74Auch diese Erwrägung rechtfertigt indessen entgegen der Meinung der Antragstellerin nicht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Der Senat ist zwar aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er anläßlich der eingehenden Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung von ihnen beiden gewonnen hat, von der Richtkgiet des diesbezüglichen Vorbringens der Antragstellerin überzeugt. Danach ist davon auszugehen, daß das Zusammenleben der Parteien unter einem Dach für alle Familienangehörigen
75starke Belastungen mit sich bringt. Der Antragsgegner hat seine schriftsätzlichen Ausführungen, inhalts derer er sich inzwischen weitgehend von seiner Alkoholabhängigkeit
76gelöst und im wesentlichen gefangen haben will, bei seiner Anhörung nicht plausibel machen können. Dasjenige, was er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, läßt eher auf das Gegenteil schließen. Er ist abgesehen von gelegentlichen Unterbrechungen seit weit über einem Jahr ohne geregelte Beschäftigung, nachdem er Anfang des Jahres 1980 seinen Arbeitsplatz wegen übermäßigen Alkoholkonsums verloren hatte. Die Langzeitkur hat er entgegen seiner Ankündigung nicht angetreten, weil er sich davon nichts versprochen haben will, was er nicht näher verdeutlichen und nicht nachvollziehbar begründen konnte. Statt dessen besucht er seit einiger Zeit, allerdings nur sporadisch Zusammenkünfte der Blaukreuz-Vereinigung, deren Zielsetzung sich mit den Bestrebungen der Anonymen Alkoholiker vergleichen läßt. Alle Erklärungen, die er in der mündlichen Verhandlung zur Frage der zukünftigen Bewältigung seines Lebensschicksals abgegeben hat, vermochten nicht zu befriedigen, ließen vielmehr erkennen, daß er sehr labil ist und jedenfalls zur Zeit, ohne konkrete Pläne und Zielvorstellungen zu besitzen, mehr oder weniger alles dem Zufall überläßt und gewissermaßen in den Tag hinein lebt. Obwohl sein Arbeitgeber ihm wiederholt telefonisch hat ausrichten lassen, daß Arbeit für ihn da sei, hat er sich zur Annahme dieses Angebots nicht durchringen können, und seine Erklärung, daß er sogleich nach dem Ende der Sitzung entsprechende Schritte in die Wege leiten werde, klang wenig überzeugend. Davon, daß er genügend Einsicht in seine Alkoholabhängigkeit besitzt und den festen Entschluß gefaßt hat, nunmehr seinem Leben eine entscheidende Wende zu geben, was ohne derartige Einsicht ohnehin ausgeschlossen erscheint, kann nach dem Ergebnis seiner Anhörung und des persönlichen Eindrucks, den der Senat hierbei von ihm gewonnen hat, nicht ausgegangen werden. Daß diese gesamte Situation für die übrigen Familienangehörigen eine erhebliche Belastung bedeutet, kann unter gebotener Bedachtnahme darauf, daß der Antragsgegner gemäß seinem eigenen Eingeständnis schon seit langen Jahren, wenn auch nur gelegentlich im Übermaß trinkt, keinem vernünftigen Zweifel begegnen. Gleichwohl ist damit aber die Grenze der Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens innerhalb der ehelichen Wohnung nach Lage des Falles noch nicht erreicht. Der Antragsgegner ist zum einen unstreitig nicht der Typ ~ der nach Alkoholgenuß zu Gewalttätigkeiten oder sonstigen unberechenbaren Verhaltensweisen neigt, die eine Schädigung oder ernstzunehmende Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Antragstellerin oder der Kinder besorgen lassen. Wenn er getrunken hat, leidet er, wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist, an übersteigertem Selbstmitleid, beansprucht alsdann Trost und Hilfe im Gespräch, und fällt seiner Familie, auf einen kurzen Nenner gebracht, ausgesprochen lästig. "Selbstmordversuche" sind gemäß der Schilderung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung von ihm so angelegt worden, daß mit einer Ausnahme keine ernstliche Gefahr vorhanden war; sie waren ein weiteres Mittel, das er eingesetzt hat, um auf sich aufmerksam zu machen, um Mitleid und Bedauern zu erregen und vermehrte Zuwendung, Trost und Hilfe zu erfahren, worauf er zufolge seiner Alkoholabhängigkeit und seines angeschlagenen Selbstwertgefühls offensichtlich angewiesen ist. Soweit ist der Antragsgegner unstreitig aber seit mehr als 1 Jahr nicht mehr gegangen. Ferner besteht, was letztlich für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens von entscheidender Bedeutung ist, zwischen den Parteien seit geraumer Zeit jedenfalls zum ganz überwiegenden Teil der faktische Zustand der Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung: abgesehen von gelegentlichen, hauptsächlich vom Antragsgegner gesuchten Begegnungen und Gesprächen beschränkt sich sein
77Aufenthalt in der ehelichen Wohnung auf die Benutzung des separaten Zimmers mit; eingerichteter Kochgelegenheit. .Auch hält er sich, wie die Antragstellerin bei ihrer mündlichen Anhörung ausgeührt hat, viel außerhalb der Wohnung auf.
78Von weiterem übermäßigen Alkoholkonsum, wie er gemäß ihren Angaben zeitweilig nach wie vor vorkommen soll, hat sie jedenfalls seit geraumer Zeit keine eigenen, unmittelbaren Eindrücke mehr empfangen, sondern will lediglich aus Geräuschen, die durch tastendes Suchen mit dem Schlüssel nach dem Türschloß verursacht wurden, wenn er beispielsweise zur späten Abend- oder Nachtzeit nach Hause gekommen ist, auf Anzeichen von Trunkenheit geschlossen haben. Gemessen daran kann aber von einem derart unzumutbar hohen Maße an Beeinträchtigungen und Belästigungen, wie es für den Erlaß der von der Antragstellerin nachgesuchten einstweiligen Anordnung erforderlich ist, nicht ausgegangen werden. Mangels Vorlage ärztlicher Atteste läßt sich auch nicht hinreichend verläßlich feststellen, daß die Antragstellerin und/oder die Kinder zufolge des Verhaltens des Antragsgegners bereits gesundheitliche Schäden erlitten haben oder daß derartige Schäden oder ernstliche Gefahren in naher Zukunft zu besorgen sind, wenn es bei dem derzeitigen Zustand verbleibt. Der hauptsächliche Beweggrund, der die Antragstellerin nach Ansicht des Senats zur Durchführung des vorliegenden Verfahrens bestimmt hat, ist, was ihre Anhörung recht deutlich gezeigt hat, folgender: die Anwesenheit des Antragsgegners im gleichen Hause führt der Antragstellerin teils bewußt, teils unbewußt ständig den Konflikt vor Augen, in dem sie sich schon seit geraumer Zeit befindet, nämlich ihr noch nicht entschiedenes Ringen um .die schicksalhafte, für die zukünftige Lebensgestaltung beider Ehegatten gleichermaßen entscheidend bedeutsame Frage, ob sie einen endgültigen Schlußstrich unter die Ehe ziehen soll oder ob nicht letztlich ungeachtet aller bisher vorgefallenen und aller erlittenen Enttäuschungen doch noch eine Möglichkeit zur Fortsetzung der seit langen Jahren bestehenden ehelichen Gemeinschaft gefunden werden kann. Diese Entscheidung aber kann niemand der Antragstellerin abnehmen und es ist angesichts aller dargelegten Umstände auch nicht möglich, zur Erleichterung jener Entscheidung die völlige Entsetzung des Antragsgegners aus der ehelichen Wohnung anzuordnen,. so verständlich dieses Anliegen der Antragstellerin angesichts ihrer außerordentlich tiefgreifenden seelischen Konfliktlage, in der sie sich nicht zuletzt wegen der hohen moralischen Anforderungen befindet, die sie an ihre endgültige Entschließung stellt, auch ist.
79Hierbei dürfen insbesondere auch die verhältnismäßig günstigen räumlichen Verhältnisse nicht unberücksichtigt bleiben, die ein Getrenntleben der Parteien innerhalb der ehelichen Wohnung, wie es seit geraumer Zeit praktiziert wird, ermöglichen. Der Raum,
80auf dessen weitere Belassung der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren Anspruch erhebt, kann ohne notwendiges Passieren anderer Räumlichkeiten betreten und verlassen werden, ist verschließbar, und verfügt über eine vollständig eingerichtete Kochgelegenheit. Da sich in seiner unmittelbaren Nähe eine separate Toilette befindet, bedarf der Antragsgegner im übrigen nur der gelegentlichen Benutzung des Badezimmers, wobei die aus dem Tenor ersichtliche Regelung hinreichende Gewähr dafür bietet ,daß es auch insoweit nicht zu unerwünschten Begegnungen der Parteien kommt, weil die Antragstellerin sich gemäß ihren Erklärungen zu den für den Antragsgegner reservierten Benutzungszeiten außerhalb der ehelichen Wohnung aufhält.
81Konnte der sofortigen Beschwerde nach alledem der sachliche Erfolg nicht versagt bleiben, so hat der Senat es allerdings für erforderlich gehalten, dem Antragsgegner das Betreten der übrigen Räumlichkeiten bzw. des Badezimmers außerhalb der ihm zugewiesenen Benutzungszeiten unter Strafandrohung zu untersagen. Denn der gesamte Ablauf des vorliegenden Verfahrens und vornehmlich auch die in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretene Labilität des Antragsgegners hat deutlich gezeigt, daß der Rechtsfriede zwischen den Parteien ggfls. nur gewährleistet werden kann, wenn der Antragsgegner sich strikt an die Trennungsanordnung innerhalb der ehelichen Wohnung hält, es sei denn, daß die Antragstellerin dem Antragsgegner eine weitergehende Benutzung gestattet.
82Die Kostenentscheidung regelt sich nach § 620 g ZPO.
83Danach gelten die Kosten des vorliegenden Verfahrens als Teil der Kosten der Hauptsache.
84Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.800, -- DM.
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