Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 190/82
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Juni 1982 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 576/81 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
- Von der Darstellung des TATBESTANDES wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen. -
2E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
3Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist auch in der Sache selbst begründet.
4Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen der Klägerin Ansprüche aus dem von ihrem verstorbenen Ehemann im Jahre 1964 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag nicht zu.
51.
6Eine Bezugsberechtigung der Klägerin aus diesem Vertrag ist nicht gegeben. Im Antrag vom 1.2.1964 hat der verstorbene Ehemann, der damals noch mit einer anderen Frau verheiratet war, unter Ziffer 6 (Begünstigung) angegeben: "Im Todesfall Ehefrau". Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß diese Begünstigungsklausel nicht dahin ausgelegt werden kann, die jeweilige Ehefrau, d.h. diejenige, mit der der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist, sei bezugsberechtigt. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - die erste Ehe des Versicherungsnehmers inzwischen geschieden worden ist.
7Benennt ein Versicherungsnehmer in einer Lebensversicherung seinen Ehegatten als Bezugsberechtigten, so ist dessen Bezugsrecht nicht ohne weiteres auflösend bedingt durch die Scheidung der Ehe. Auch § 2077 BGB findet im Fall der Scheidung keine analoge Anwendung (vgl. BGH VersR 1975, 1020; OLG Düsseldorf, VersR 1975, 918; OLG Hamm, VersR 1981, 228; Prölls-Martin, VVG, 22.Aufl. Anm.3 zu § 167 m.w.Nachw.).
8Entscheidend ist der bei der Festlegung des Bezugsberechtigten vorhandene und der Versicherung gegenüber zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers, wobei es keine Rolle spielt, ob der Bezugsberechtigte namentlich benannt oder wie hier lediglich allgemein mit "Ehefrau" umschrieben ist (vgl. BGH aa0.). Unter den gegebenen Umständen ist die Erklärung des Versicherungsnehmers im Antrag vom 1.2.1964 eindeutig dahin auszulegen, daß er nicht die Klägerin, sondern seine damalige Ehefrau als Begünstigte eingesetzt hat. Eine gegenteilige Auslegung hieße dem Willen des Versicherungsnehmers Gewalt antun, der sich in der Regel bei der Festlegung des Bezugsberechtigten überhaupt keine Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe macht (vgl. BGH aaO.). Daß hier ausnahmsweise etwas anderes gilt, dafür ist nichts vorgetragen.
9Es ist schließlich auch ohne Bedeutung, wenn die frühere Ehefrau des Versicherungsnehmers in einem im Zusammenhang mit der Scheidung geschlossenen Vergleich auf Unterhalt, auch auf Notunterhalt, und den Ausgleich des Zugewinns verzichtet hat, wie dies vorliegend der Fall ist (vgl. dazu LG Düsseldorf aa0., 919). Daß die frühere Ehefrau darüber hinaus auch auf die Anwartschaft für das Bezugsrecht verzichtet hätte, dafür sind im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
10Entgegen der in der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung kann die Klägerin aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 79,295 VersR 1981,326 eine für sie günstigere Beurteilung hinsichtlich der Bezugsberechtigung nicht herleiten. Der dortige Sachverhalt ist mit demjenigen im Streitfall nicht vergleichbar. Er weist entscheidungserhebliche Besonderheiten und Unterschiede auf, so daß die dortige Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann.
11Es handelte sich in dem vom BGH entschiedenen Fall um eine Lebensversicherung im Rahmen der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der selbständigen hauptberuflichen Versicherungsvertreter eines Versicherers. Anders als hier war die Bezugsberechtigung dort unwiderruflich festgelegt, weil sich der Versicherungsnehmer den entsprechenden Bedingungen unterworfen hatte, in denen von vorneherein der Kreis und die Reihenfolge der Bezugsberechtigten bestimmt war (vgl. BGH aaO).
122.
13Vorliegend konnte der Versicherungsnehmer hingegen die Bezugsberechtigung nach § 14 Nr.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) bis zum Eintritt des Versicherungsfalles widerrufen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind im Antrag vom 1.2.1964 ausdrücklich in Bezug genommen und Vertragsbestandteil geworden. Der Widerruf ist nach § 14 Nr.4 AVB der Gesellschaft gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn ihn der bisherige Verfügungsberechtigte dem Vorstand schriftlich angezeigt hat. Weiter ist in § 13 Nr.3 AVB bestimmt, daß Willenserklärungen und Anzeigen gegenüber der Gesellschaft der Schriftform bedürfen und von ihr nur dann als rechtswirksam angesehen zu werden brauchen, wenn sie dem Vorstand der Gesellschaft zugegangen sind. Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der genannten Regelungen bestehen nicht.
14Im Streitfall ist ein schriftlicher Widerruf des Bezugsrechts der früheren Ehefrau des Versicherungsnehmers unstreitig nicht erfolgt. Ebensowenig ist dem Vorstand der Beklagten eine schriftliche Erklärung des Versicherungsnehmers zugegangen des Inhalts, die Klägerin sei nunmehr Bezugsberechtigte aus dem im Jahre 1964 geschlossenen Vertrag.
15Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, der Versicherungsnehmer habe die Bezugsberechtigung seiner früheren Ehefrau rechtswirksam durch konkludente Erklärung gegenüber dem Versicherungsvertreter T widerrufen.
16Selbst wenn man einmal den Standpunkt der Berufungserwiderung verfolgt, es sei fraglich, ob der Versicherungsnehmer die in §§ 13 Nr.3, 14 Nr.4 AVB liegende Beschränkung der nach § 43 Nr.2 VVG bestehenden Vertretungsmacht des Versicherungsvertreters gegen sich gelten lassen müsse (vgl. § 47 WG) und auch ein mündlich erklärter Widerruf gegenüber dem Versicherungsvertreter möglich sei, liegt im Streitfall ein rechtswirksam erklärter Widerruf der Bezugsberechtigung der früheren Ehefrau des Versicherungsnehmers nicht vor.
17Die Klägerin hat einen Widerruf schon nicht schlüssig behauptet. Das Vorbringen in Zusammenhang mit dem Besuch des Versicherungsvertreters T am 26.1.1976 und der Abschluß einer weiteren Lebensversicherung reichen hierfür nicht aus. Die Klägerin trägt selbst vor, daß der Versicherte die damalige Begünstigung der Ehefrau nicht ausdrücklich und wörtlich widerrufen hat. Auch von einem konkludenten Widerruf kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ein solcher käme überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsvertreter T bei der Verhandlung im Januar 1976 gewußt hätte, daß der Versicherungsnehmer geschieden und die Klägerin seine zweite Ehefrau war. Davon kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Dem Vorbringen der Beklagten, der Versicherungsvertreter T sei von der Wiederverheiratung nicht unterrichtet gewesen, ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat lediglich vorgetragen, dies treffe "in dieser Formulierung" nicht zu. Ein substantiiertes Vorbringen, in welcher Form der Versicherungsvertreter T unterrichtet worden ist, fehlt, geschweige denn ist der Gesprächsverlauf zu diesem Punkt konkret wiedergegeben. Die Klägerin beschränkt sich auf das Vorbringen, die Beteiligten seien als selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Klägerin aus beiden Versicherungen im Todesfall des Versicherten berechtigt gewesen sei, also auch aus dem im Jahre 1964 geschlossenen Vertrag. Dieses Vorbringen reicht nicht aus, einen konkludenten Widerruf anzunehmen. Deshalb kommt eine Vernehmung des Zeugen T hierzu nicht in Betracht.
18Läßt sich aber nicht feststellen, daß der Zeuge T von der Wiederverheiratung des Versicherungsnehmers gewußt hat, kann aus dem Umstand, daß eine Erhöhung der Versicherung Gegenstand des Gesprächs am 26.1.1976 gewesen ist, ein konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung der früheren Ehefrau des Versicherungsnehmers nicht hergeleitet werden.
193.
20Der Klage müßte aber auch aus einem weiteren Gesichtspunkt der Erfolg versagt bleiben.
21Nach § 47 VVG muß der Versicherungsnehmer die durch §§ 13 Nr.3, 14 Nr.4 AVB vorgegebene Beschränkung der Vollmacht des Versicherungsagenten, nämlich daß der Widerruf schriftlich zu erklären sei und dem Vorstand der Beklagten zugehen muß, nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Letzteres ist hier jedenfalls gegeben.
22Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grade außer Acht läßt. Das ist zu bejahen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten mußte (RGZ 141, 131; BGHZ 10, 16). Im Versicherungsantrag ist auf die AVB ausdrücklich Bezug genommen. Es hätte nichts näher gelegen, daß der Versicherungsnehmer, wollte er die Bezugsberechtigung seiner früheren Ehefrau widerrufen, sich zunächst in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen informierte, wie und in welcher Form der Widerruf zu erklären war. Das war auch unschwer möglich, umfassen doch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Streitfall nur 4 Seiten. Sie sind somit weder besonders umfangreich noch unübersichtlich. Die Regelung der §§ 13 Nr.3 und 14 Nr.4 AVB ist klar und unmißverständlich gefaßt und in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unschwer aufzufinden. Der Versicherungsnehmer handelte grob fahrlässig, wenn er sich nicht vor Erklärung des Widerrufs in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen über die einschlägigen Bestimmungen informierte.
234.
24Dem Umstand, daß der Versicherungsschein des Vertrages von 1964 nicht bei der früheren Ehefrau, sondern bei der Klägerin lag, kommt unter den vorliegenden Umständen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. In der Regel verbleibt der Versicherungsschein beim Versicherungsnehmer. Es war nur natürlich, daß sich die Klägerin als Ehefrau des Versicherungsnehmers nach dessen Tod im Besitz des Versicherungsscheins befand.
255.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.10, 713 ZPO.
276.
28Der Anregung der Klägerin, die Revision zuzulassen, ist der Senat nicht gefolgt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 546 Abs.1 Satz 2 ZPO.
29Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Klägerin:
303.500,-- DM.
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Referenzen
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