Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 4 WF 103/88
Tenor
wird der Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 20.11.1987 (42 F 203/87) teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und der Antrag-stellerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., C. und Rechtsanwalt Dr. J. in 0000 D. als Verkehrsanwalt für folgenden Klageantrag ratenfrei bewilligt
"den Beklagten zu verurteilen, über den durch Urteil des AG Bonn vom 17.11.1983 (47 (45) F 81/81) titulierten und im Rechtsstreit 42 F 310/87 AG Bonn streitigen Unterhalt von insgesamt 460,-- DM hinaus einen weitergehenden Unterhalt von monatlich 240,-- DM ab 1.6.1988 zu zahlen".
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G r ü n d e :
2I.
3Die Ehe der Parteien ist am 13.6.1974 aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden worden. Durch Urteil des AG Bonn vom 17.11.1983 ist der Antragstellerin ein Unterhalt von monatlich 460,-- DM zuerkannt worden, wovon aber nur 243,43 DM tituliert worden sind, weil das AG irrtümlich davon ausgegangen ist, der Rest sei bereits tituliert.
4Im Parallelverfahren 42 F 310/87, das im September 1987 anhängig gemacht worden ist, hat die Antragstellerin beantragt, den nicht titulierten Teilbetrag von 216,57 DM zuzuerkennen. Durch Urteil vom 26.4.1988 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
5In diesem Verfahren ist am 26.6.1987 ein PKH-Gesuch verbunden mit einer Klage für den Fall der PKH-Bewilligung eingereicht worden. Die Antragstellerin verlangt damit Unterhaltsrückstände für November 1986 bis Juni 1987 in Höhe von 2760,-- DM und (über 460,-- DM hinaus) weitere 345,-- DM monatlich ab 1.7.1987.
6Die Klägerin bezieht seit 1.10.1984 vorgezogenes Altersruhegeld und seit 1.10.1986 Rente in Höhe von jetzt 584,42 DM. Mit Schreiben vom 9.10.1986 hatten die Anwälte der Antragstellerin daher beim Beklagten die jetzt verlangte Unterhaltserhöhung angemahnt. Der Beklagte bezieht schon seit 1981 Rente und zwar in Höhe von jetzt 2143,93 DM.
7Bei der Anhörung zum PKH-Antrag hat er vorgetragen, infolge seiner Schwerbehinderung einen Mehrbedarf von insgesamt 700,-- DM zu haben.
8Das Amtsgericht hat daraufhin im PKH-Verfahren ein amtsärztliches Gutachten zur Frage des krankheitsbedingten Mehraufwandes infolge der Behinderung eingeholt, das am 10.11.1987 vorgelegt worden ist.
9Durch Beschluß vom 20.11.1987 hat es dann Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, der Beklagte sei nicht leistungsfähig, da der Mindestselbstbehalt für ihn auf 1350,-- DM festzusehen sei und er nach dem Gutachten des Amtsarztes 300,-- DM Mehrbedarf für Pflege und 120,-- DM für Diät sowie eine Haushaltshilfe von 2 Stunden täglich benötige.
10Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde vom 13.4.1988 mit der insbesondere geltend gemacht wird, der Antragsgegner werde von seiner Ehefrau versorgt und habe daher allenfalls zusätzlichen Diätaufwand von 100,-- bis 120,-- DM monatlich.
11II.
12Die zulässige Beschwerde (§ 127 II 2 ZPO) ist teilweise begründet.
131) Soweit rückständiger Unterhalt und Unterhalt für die Zeit ab Einreichung des PKH-Gesuchs bzw. Zugang beim Gegner geltend gemacht wird, ist die Rechtsverfolgung wegen § 323 III ZPO ohne Aussicht auf Erfolg, da die Abänderung eines Urteils verlangt wird.
14In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1982, 365 f. und ständig; ebenso OLH Köln (Senat) FamRZ 1982, 834 und OLG Nürnberg FamRZ 1985, 1152) steht der Senat auf dem Standpunkt, daß der Zugang des PKH-Gesuchs beim Antragsgegner nicht der Klageerhebung gleichgestellt werden kann.
15Die abweichende Auffassung (Zöller/Schneider, 15. Aufl., § 117 Rn. 11; Rosenberg/Schwab, ZPO, 14. Aufl. § 159 VI 4 und ausführlich Maurer FamRZ 1988, 445 ff.) weist zwar mit Recht darauf hin, daß dies trotz § 65 VII S. 1 Nr. 3 und 4 GKG (Zustellung ohne Vorschußzahlung) eine Schlechterstellung der bedürftigen Partei bedeuten kann. Bei richtiger Handhabung dieser Vorschriften sowie bei gesetzlicher Durchführung des PKH-Prüfungsverfahrens (vgl. Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, NJW-Schriften 47, Rn. 165 ff., 196) kann die zeitliche Verzögerung aber so gering gehalten werden, daß der Gesetzgeber den Abänderungszeitpunkt im Interesse der Rechtssicherheit ohne Verfassungsverstoß so festlegen konnte. Gerade der Streitfall zeigt, daß es – bei unbefristeter Beschwerde, sonst in der Hand des Antragstellers läge, einen frühzeitigen Abänderungszeitpunkt durch Einreichung (und darauf folgende Zustellung) eines PKH-Gesuches sicherzustellen, ohne gezwungen zu sein, auch eine alsbaldige Klärung herbeizuführen, weil er das PKH-Verfahren durch unvollständige Angaben zu Bedürftigkeit und Erfolgsaussicht verzögern kann und gegen eine ablehnende Entscheidung – im Grundsatz – unbefristet Beschwerde einlegen kann. Die Nachteile, die dem Antragsgegner durch eine vom Gericht zu vertretende Verzögerung der PKH-Entscheidung entstehen können, kann er dagegen durch die Einlegung von Rechtsbehelfen weitgehend vermeiden (vgl. Zöller/Schneider, a.a.O., § 118 Rn. 16; Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 167). So hätte im Streitfall schon gegen die "Beweisanordnung im PKH-Prüfungsverfahren, die einer PKH-Ablehnung gleichkommt, Beschwerde eingelegt werden können. Daß dies nicht geschehen ist und gegen die ablehnende Entscheidung erst nach fast 5 Monaten Beschwerde eingelegt worden ist, ist der Antragstellerin zuzurechnen und kann nicht zu einer Schlechterstellung des Antragsgegners entgegen dem klaren Wortlaut des § 323 III ZPO führen.
162) Für die Zeit ab Zustellung der Klage nach PKH-Gewährung bietet die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 240,-- DM Aussicht auf Erfolg.
17Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht muß das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten außer Betracht bleiben. Die Einholung dieses Sachverständigengutachtens verstieß gegen § 118 ZPO. Danach werden (Zeugen und) Sachverständige nicht vernommen, es sei denn, daß auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und nicht mutwillig erscheinen. Damit sind dem Gericht nicht etwa die Vorwegnahme des Hauptprozesses und die Beweiserhebung über streitige Tatsachen erlaubt (vgl. OVG Hamburg FamRZ 1987, 178; Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 169 ff.), sondern die Erhebungen dienen nur der Glaubhaftmachung. Eine Glaubhaftmachungslast trifft die Antragstellerin dabei nur für Tatsachen, für die sie im Prozeß beweispflichtig ist. Für krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ist aber der Antragsgegner beweispflichtig. Der Streit darüber mußte daher im ordentlichen Verfahren geklärt werden.
18Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife an (vgl. zum Streit darüber Schneider, Rpfl. 1985, 430 (431 ff.) und Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 439 ff. m.w.N.). Würde man in Fällen rechtswidriger Entscheidungsverzögerung auf den Zeitpunkt der Entscheidung abstellen, wäre das Verfassungsgebot des effektiven und chancengleichen Rechtsschutzes verletzt. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht muß daher das Ergebnis der Beweiserhebung außer Betracht bleiben. Ein Gesamtunterhaltsanspruch von 660,-- DM (460,-- DM + 200,-- DM) kommt unter Berücksichtigung des auch von der Antragstellerin eingeräumten Mehrbedarfs in Betracht (2143 – 460 = 1643,-- DM – 120 = 1523,-- DM Nettoeinkommen des Antragsgegners; 584 + 460 = 1044,-- DM Einkommen Antragstellerin. Differenz: 479,-- DM, davon ½ = 239,50).
19OLG, 4. ZS – FamS –
20Köln, 13.5.88
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