Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 4 UF 19/90
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin und die Anschlußberufung des Antragsgegners wird das am 8. Januar 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Waldbröl (Az.: 3 F 240/88) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung - auch über die Entscheidung außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht Waldbröl - Familiengericht - zurückverwiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Berufungsinstanz wird gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen.
1
T a t b e s t a n d :
2Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
3E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
4Auf die zulässigen Rechtsmittel der Parteien war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Familiengericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Wenn einem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben wird, schafft dies eine selbständige Beschwer, der mit Rechtsmitteln gegen das Scheidungsurteil begegnet werden kann (vgl. BGH FamRZ 1984, 254, 25 m. w. N.).
5Das angefochtene Urteil, durch das die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich und das Sorgerecht geregelt worden ist, ohne gleichzeitig über die anhängigen Folgesachen auf nachehelichen Unterhalt und Zugewinnausgeleich zu entscheiden, beruht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das Verfahren des Amtsgerichts ist durch § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht gedeckt. Das Amtsgericht hat sich überprüfbar mit den Voraussetzungen für eine Abtrennung nach dieser Vorschrift nicht auseinandergesetzt. Hiernach darf dem Scheidungsantrag vor Regelung
6der Folgesachen nur in bestimmten Fällen, die als Ausnahme zu betrachten sind, entsprochen werden. Dies erfordert der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, weil sonst der mit der Einführung des Verfahrensverbundes erstrebte Erfolg nicht
7zu erreichen wäre, nämlich den Eheleuten bereits während des Scheidungsverfahrens vor Augen zu führen, welche tatsächlichen Auswirkungen ihre Trennung
8mit sich bringt. Der Verfahrensverbund soll den sozial schwächeren Ehepartner oder demjenigen, der sich der Ehescheidung selbst nach der Neuregelung der Scheidungsvoraussetzungen nicht mehr mit Erfolg widersetzen kann, schützen und davor bewahren, daß ein Scheidungsausspruch ohne die Regelung der Rechte und deren Sicherstellung ergeht. Die Parteien sollen sich nach der Ehescheidung nicht
9noch jahrelang mit Rechtsstreitigkeiten über die wirtschaftlichen Folgen der Eheschließung befassen müssen.
10§ 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verlangt zunächst, daß eine gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde.
11Für eine solch außergewöhnliche Verzögerung fehlt es hier bereits am erforderlichen Zeitmoment, wie der Senat bereits in seiner prozeßleitenden Verfügung vom 11.04.1990 dargelegt hat. Dabei ist nicht auf den Eingang des Scheidungsantrages der Antragstellerin am 17.11.1988 abzustellen, vielmehr frühestens auf den Zeitraum Mai 1989 nach Ablauf des Trennungsjahres (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1981, 579; Thomas-Putzo, ZPO, 14. AufI., § 628 Anm. 3). Ein erster Termin hätte dann nicht vor Ende 1989 stattfinden können unter Berücksichtigung der Auskunftsdauer der Versicherungsträger zum Versorgungsausgleich von regelmäßig ca. 3 Monaten, weil die Einreichung des Scheidungsantrags vor Ablauf des Trennungsjahres (Trennung Mai 1988) gesetzwidrig und mithin unzulässig war. Gerechnet ab dem Zeitpunkt des Ablaufs des Trennungsjahres bis zur Entscheidung im angefochtenen Urteil vom 08.01.1990 war erst gut ein halbes Jahr vergangen, also eine wesentlich kürzere Zeit als der Durchschnitt der meisten Scheidungsverfahren, der nach einer von Walter (JZ 1982, 835) mitgeteilten statistischen Erhebung bei über 90 % aller mit Urteil endenden Verbundverfahren etwa 2 Jahre beträgt. Daß die Antragstellerin selbst den Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres erhoben hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da die Zulässigkeit einer Vorabentscheidung nach § 628 ZPO in gleicher Weise wie die Einhaltung des Trennungsjahres nicht zur Disposition der Parteien steht (vgl. OLG Hamm, Rechtspfleger 1984, 15; Zöller-Philippi, ZPO, 15. AufI., § 628 Rdn. 9).
12Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aus der Stellung des Antrages auf Zugewinnausgleich, der bereits am 31.07.1989 beim Familiengericht eingegangen und gut 2 Monate nach Ablauf des Trennungsjahres offensichtlich nicht verzögerlich gestellt worden ist. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils eine Entscheidung über die Folgesache Zugewinnausgleich eine über das dargestellte normale Maß hinaus außergewöhnliche Verfahrensdauer zu erwarten stünde. Ebenso ist nicht erkennbar, welche Hindernisse bestanden und bestehen, über die Unterhaltsanträge zusammen mit dem Scheidungsausspruch zu befinden.
13Für die weitere Voraussetzung des § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dahingehend, daß die durch die Entscheidung über die Folgesachen bedingte Verzögerung auch unter
14Berücksichtigung der Bedeutung dieser Folgesachen eine unzumutbare Härte darstellen würden, fehlt es gänzlich an hinreichenden Anhaltspunkten. Auch die Parteien haben erkennbar, wie sich aus ihrem zweitinstanzlichen Sachvortrag ergibt, keine
15beachtlichen Interessen an einer Ehescheidung vor der Regelung ihrer güterrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Ansprüche. Das Amtsgericht hat infolgedessen
16derartige Interessen einer der Parteien auch weder angeführt noch anführen können.
17Da das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht, war es aufzuheben und die Sache gemäß § 539 ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
18an das Familiengericht zurückzuverweisen. Eine Entscheidung des Senats über die Folgesachen auf Unterhalt und Zugewinnausgleich war nicht möglich, weil eine rechtsmittelfähige Entscheidung insoweit fehlt. Sie wäre auch nicht sachdienlich, da
19sie den Parteien eine Tatsacheninstanz nehmen würde (§ 540 ZPO).
20Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren hat der Senat gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen, da solche Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären.
21Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens war dem erstinstanzlichen Schlußurteil vorzubehalten.
22Streitwert der Berufung: 17.226,60 DM
23(Ehesache: 9.600,00 DM; Sorgerecht: 1.500,00 DM, Versorgungsausgleich: 6.126,60 DM)
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