Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 3 U 146/89
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Mai 1989 - 89 0 207/88 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000, — DM abwenden, wenn nicht zuvor der Gegner in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer E Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt als Konkursverwalter über das Vermögen der X GmbH vom Beklagten als Konkursverwalter über den Nachlaß des im April 1985 verstorbenen Immobilienkaufmanns L Feststellung von Konkursforderungen zur Konkurstabelle.
3L hatte 1981 98,5% der Kommanditanteile der „X Grundbesitzanlagen GmbH & Co KG" (im folgenden „KG" genannt), erworben. Inhaber der restlichen Anteile war die Q mbH. Komplementärin der KG war die X Grundbesitzanlagen GmbH, deren Anteile L zu 97% erwarb, während als Erwerber der restlichen 3% seine Lebensgefährtin T auftrat. Die KG hielt an der weiteren Gesellschaft „X GmbH" (im folgenden „GmbH" genannt). 97% der Anteile; als Inhaber der restlichen 3% trat Frau T auf.
4Frau T, die zur Geschäftsführerin sowohl der KG wie auch der GmbH bestellt worden war, fungierte nach dem Vortrag des Klägers als völlig willfähriges Werkzeug von L. Sie habe bei ihrer Tätigkeit nicht auf die Belange der Gesellschaften, sondern widerspruchslos und ungeachtet aller rechtlichen Bedenken allein auf die Anweisungen Ls abgestellt. Infolgedessen seien die GmbH und die KG zu einem jedweder Selbständigkeit beraubten Teil des „L-Imperiums" geworden, das dieser in autokratischer Manier allein beherrscht habe.
5Ab Februar 1981 verschaffte sich L finanzielle Mittel durch Aufnahme von Darlehen bei verschiedenen Hypothekenbanken, und zwar bei der C Hypotheken- und Wechselbank 11 Darlehen über einen Gesamtbetrag von 23.528.000, — DM, bei der E Hypothekenbank G 14 Darlehen über 14.645.000, — DM und bei der X2 Hypothekenbank 4 Darlehen über 1.500.000, — DM. Für sämtliche Darlehen bei der C Hypotheken- und Wechselbank sowie für 11 Darlehen bei der E Hypothekenbank übernahmen die GmbH und für drei Darlehen der E Hypothekenbank und für sämtliche Darlehen bei der X2 Hypothekenbank die KG jeweils mit ihrem Grundbesitz die dingliche und zusätzlich auch die persönliche Haftung. Die Darlehensverträge mit der E Hypothekenbank wurden außer von L auch von der GmbH und der KG mitunterschrieben.
6Nach dem Tod Ls wurde am 24.Januar 1986 der Nachlaßkonkurs eröffnet. Über das Vermögen der GmbH wurde das Konkursverfahren am 31. Januar 1986 eröffnet.
7L hatte der GmbH fortlaufend Einnahmen u.a. aus Mieteingängen entzogen. Die daraus resultierende Forderung der GmbH gegen den Nachlaß L auf dem „Verrechnungskonto L" beträgt 9.692.607,84 DM. Diesen Anspruch hat der Beklagte zur Tabelle des Nachlasses anerkannt.
8Die drei Gläubigerbanken haben die GmbH und die KG aus den an ihren Grundstücken bestellten Grundschulden in Anspruch genommen. Die Erlöse aus diesen Verwertungen und die noch verbliebenen persönlichen Forderungen gibt der Kläger bezüglich der GmbH mit 50.454.118.31 DM an.
9In dem „Jahresabschluß" per 29.1.1986 in der Fassung vom 30.6.1988 hat der Kläger ( „Passiva I Nr. 3") die „Haftungsverbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten“ mit 50.454.118,31 DM angesetzt und die Forderungen gegen den Nachlaß L ( „Erläuterungen zu den Aktiva II Nr. 2") wegen der vorgenannten Forderung aus dem Verrechnungskonto über 9.692.607,84 DM und der Rückgriffsrechte wegen dinglicher Sicherung über 50.454.118,31 DM gegen den Nachlaß L mit dem „Erinnerungswert" von 1,— DM aktiviert. Die Bilanz endet dann mit einem Verlust in Höhe von 22.123.011,90 DM. Wegen dieses Betrages macht der Kläger einen Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Bilanzverlusts geltend. Der Beklagte hat die angemeldeten Regreß- und Erstattungsforderungen und die konzernrechtliche Ausgleichsforderung bestritten.
10Der Kläger hat vorgetragen:
11Wegen der Vermögensverluste in Höhe von 50.454.118,31 DM, die infolge der dinglichen Sicherung und der persönlichen Mithaft der GmbH eingetreten seien. ergebe sich ein Rückgriffsanspruch gegen den Nachlaß L aus § 426 Abs. 1 BGB, da im Innenverhältnis L allein verpflichtet gewesen sei, die Schuld zu tragen; dieser Anspruch sei auch zur Konkurstabelle festzustellen.
12Außerdem stehe der GmbH ein Anspruch aus §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG zu; die Belastung der Grundstücke und die Mitverpflichtung der GmbH zur Sicherung der Darlehen Ls stellten eine Auszahlung des Stammkapitals an den faktischen Alleingesellschafter L dar. Dieser Anspruch unterfalle nicht dem Doppelanmeldungsverbot des § 68 KO, da es sich insoweit nicht um dieselbe Forderung handele, die die Darlehensgläubiger im Nachlaßkonkurs geltend machten. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich auch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung und der Verletzung der Treuepflicht von L gegenüber der GmbH.
13Die GmbH könne daneben vorn L—Nachlaß nach den Grundsätzen über den sogenannten qualifizierten faktischen GmbH-Konzern auch Ausgleich des ausgewiesenen Bilanzverlusts in Höhe von 22.123.011,90 DM verlangen, da dieser ausschließlich konzernbedingt sei.
14Der Kläger hat beantragt,
15die Forderung des Klägers in Höhe von 72.577.130,21 DM zur Konkurstabelle festzustellen.
16Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
17Er hat die dinglichen Belastungen und die Haftungsübernahmen der GmbH und der KG für nichtig gehalten. Er hat hierzu insbesondere ausgeführt, daß die unbegrenzte Haftungsübernahme in den Formularen der Hypothekenbanken eine Überraschungsklausel darstelle, die nach §§ 3, 9 AGBG nichtig sei, und daß die Besicherungen wegen Verstoßes gegen § 30 GmbHG insgesamt gemäß § 134 BGB nichtig seien.
18Vor allem aber hat der Beklagte sich auf das aus § 68 KO, § 33 VerglO herzuleitende Verbot der Doppelanmeldung von Forderungen im Konkurs berufen. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, daß das Verbot der Forderungsvervielfachung im Konkurs des Hauptschuldners nicht nur der Anmeldung der Regreßforderungen aus § 426 BGB entgegenstehe, sondern daß auch die geltend gemachten Forderungen aus unerlaubter Handlung und Treuepflichtverletzung sowie aus §§ 30, 31 GmbHG und aus §§ 302, 302 AG analog aus dem gleichen Grunde nicht zur Tabelle festgestellt werden könnten. Insoweit könne es nicht darauf ankommen, ob diese Forderungen auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhten; entscheidend sei vielmehr allein, ob die Inanspruchnahme aus demselben Vorgang herrühre und ob die Forderungen außerhalb des Konkurses insgesamt nur einmal zu befriedigen wären. Die fraglichen Ansprüche der GmbH und der KG könnten nur dann im Nachlaßkonkurs L angemeldet werden, wenn die Banken ihre Forderungen nicht (mehr) im Nachlaß geltend machten.
19Er hat ausgeführt, daß der konzernrechtliche Verlustausgleichsanspruch die Regreßforderung wegen der Besicherungen lediglich in anderer Form darstelle. Da in der Bilanz nämlich die Haftungsverbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten in der vollen Höhe von 50.454.118,31 DM passiviert seien, müsse auch die entsprechende Ausgleichsforderung gegen den Nachlaß L in dieser Höhe angesetzt werden. Werde diese Forderung aber auf den Betrag von 1, — DM abgeschrieben, dann werde auf diesem Wege der im Konkursverfahren nicht anzuerkennende Regreßanspruch in der bilanzmäßigen Gestalt eines Verlustausgleichsanspruchs im Ergebnis gleichwohl zur konkursmäßigen Befriedigung angemeldet. Auch dürfe die zur Konkurstabelle bereits anerkannte Forderung aus dem Verrechnungskonto über 9.692.607,84 DM nicht im Konkursstatus auf 1, — DM abgeschrieben werden. Für die Frage, in welchem Umfang die Konkursmasse mit Forderungen belastet werden könne, sei nämlich vom Prinzip der vollen Nominalbeträge auszugehen; die Berücksichtigung der Forderung durch Feststellung zur Tabelle sei konkursmäßig der vollen Zahlung gleichzusetzen, so daß eine anerkannte Forderung nicht zur Ermittlung weiterer Konkursforderungen unbewertet gelassen werden dürfe. Da der Bilanzverlust von in Höhe von 22.123.011,90 DM nur aus der konkursmäßig nicht korrekten Bilanzierung resultiere, könne er nicht anerkannt werden.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
21Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die geltend gemachten Rückgriffsansprüche aus § 426 Abs. I. BGB und §§ 31, 30 GmbHG sowie aus unerlaubter Handlung und Treuepflichtverletzung zwar an sich für begründet erachtet; wegen des Verbots der Doppelanmeldung von Forderungen im Konkurs hat es jedoch die Feststellung dieser Ansprüche zur Konkurstabelle abgelehnt. Wegen der weiteren Begründung wird auch insoweit auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
22Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig begründeten Berufung macht der Kläger geltend:
23Das Landgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß L und die GmbH gegenüber den Gläubigerbanken wegen der Bestellung der dinglichen Sicherheiten durch die GmbH, der Mitunterzeichnung der Darlehensverträge und der Abgabe abstrakter Schuldversprechen durch diese Mitschuldner im Sinne des § 421 BGB geworden seien und daß L im Innenverhältnis allein verpflichtet gewesen sei; es habe aber zu Unrecht die Feststellung der daraus resultierenden Rückgriffsforderungen als Konkursforderungen abgelehnt. Das Verbot der Doppelanmeldung beeinträchtige nämlich den Charakter der Rückgriffsansprüche als Konkursforderungen nicht. Die Rückgriffsansprüche der GmbH müßten deshalb als bedingte Forderungen im Sinne des § 67 KO festgestellt werden. Das Ziel des Doppelanmeldeverbots, eine mehrfache Inanspruchnahme der Konkursmasse wegen derselben Forderung zu vermeiden, könne dadurch erreicht werden, daß die Berücksichtigung der festgestellten Forderungen unter der zusätzlichen Bedingung der Nichtteilnahme der Banken als Hauptgläubiger gestellt werde.
24Zu Unrecht habe das Landgericht auch den Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG und die Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Treuepflichtverletzung dem Verbot der Doppelanmeldung unterstellt. Es handele sich hierbei um selbständige Ansprüche aus dem Verhältnis von L zur GmbH, die auch im weitesten Sinne nicht als Regreßansprüche aus der gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber den Gläubigerbanken angesehen werden könnten. Dies gelte bereits deshalb, weil der einmal entstandene Anspruch aus § 31 GmbHG selbst durch nachträgliches Auffüllen des Stammkapitals nicht wieder untergehe.
25Bezüglich der Ansprüche aus faktischem qualifiziertem Konzernverhältnis habe das Landgericht die Aktivlegitimation des Klägers zu Unrecht verneint. Selbst wenn man nur eine entsprechende Anwendung der §§ 303, 322 Abs. 2 und 3 AktG annehme, ergebe sich die Aktivlegitimation aus § 171 Abs. 2 HGB analog. Diese Ausgleichsforderung unterfalle auch nicht dem Doppelanmeldeverbot. Unabhängig davon existierten auch noch durch Aktiva nicht gedeckte Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin in Höhe von insgesamt 6.203.272,72 DM, die nicht auf die Besicherung von Krediten zurückzuführen seien; diese Positionen werden im einzelnen im Schriftsatz des Klägers vom 14.5.1990 aufgeführt.
26Der Kläger beantragt,
27unter Abänderung des angefochtenen Urteils die vom Kläger im Konkursverfahren AG Köln - 71 N 641/85 - angemeldete Forderung über den vom Beklagten anerkannten Betrag von 9.692.607,84 DM hinaus in Höhe von weiteren 72.577.130,21 DM, insgesamt also in Höhe von 82.269.738,05 DM, zur Konkurstabelle festzustellen;
28hilfsweise, ihm nachzulassen, Sicherheiten auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer E Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.
29Der Beklagte beantragt,
30die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
31Er tritt dem angefochtenen Urteil insoweit bei, als die Feststellung der Regreri-- ansprüche wegen des Verbots der Doppelanmeldung abgelehnt worden ist. Im übrigen hält er seine Auffassung, daß die Übernahme der Belastungen durch die GmbH nichtig seien, aufrecht. Bezüglich der konzernrechtlichen Ausgleichsforderung des Klägers sieht er einen ausgleichsfähigen Verlust nicht als nachgewiesen an, was im einzelnen dargelegt wird. Im übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte sein früheres Vorbringen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat die gemäß § 146 KO zulässige Klage auf Feststellung bestrittener Forderungen zur Konkurstabelle im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob die Einwendungen des Beklagten gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Forderungen durchgreifen. Denn es handelt sich insoweit sämtlich um Regreßansprüche oder diesen gleich zu bewertende Ausgleichsforderungen, die im Konkurs nicht gleichzeitig mit den Ansprüchen der Hauptgläubiger, nämlich der Hypothekenbanken, angemeldet werden können; einer solchen Anmeldung steht jeweils das aus § 68 KO in Verbindung mit § 33 Verg10 analog hergeleitete Verbot der Doppelanmeldung im Konkurs entgegen.
351. Die Rückgriffsansprüche der GmbH gegen den Nachlaß L aus § 426 BGB berechtigen - ihr Bestehen immer unterstellt - den Kläger nicht, am Nachlaßkonkursverfahren teilzunehmen. Denn die Regreßforderungen aus der Mithaft mit L, sei diese aus der dinglichen Besicherung, der Abgabe abstrakter Schuldversprechen oder der Schuldmitübernahme durch die GmbH begründet, können nicht neben den Ansprüchen der Hauptgläubiger angemeldet werden. Andernfalls müßte die Konkursmasse nämlich zwei Gläubiger nebeneinander befriedigen, von denen der Schuldner außerhalb des Konkurses nur den einen oder den anderen zu befriedigen hätte; diese eine Schuld darf durch den Konkurs nicht verdoppelt werden (vgl. RGZ 14, 172, 175; BGHZ 27, 51, 53; BGHZ 39, 319. 327 und BGHZ 55, 117, 120; Jaeger-Henckel § 3 Rdnr. 54).
36Die Regelung des § 68 KO gestattet dem Gläubiger, dem mehrere Personen nebeneinander für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, im Konkurs in jedem Verfahren den vollen Betrag seines Anspruchs geltend zu machen, bis er vollständig befriedigt ist. Die Beteiligung der Gläubigerbanken am Konkursverfahren L würde allerdings eine Teilnahme des Klägers insoweit nicht blockieren, als es um selbständige Einzelforderungen der Gläubigerbanken ginge, die jeweils voll befriedigt worden wären oder mit denen die Gläubiger endgültig am Verfahren nicht teilnähmen. Derartiges hat der Kläger zwar erstinstanzlich - pauschal -behauptet. Er hat hierzu jedoch trotz des Bestreitens seitens des Beklagten und ungeachtet der Aufforderung durch das Landgericht (Sitzungsniederschrift vom 20. Januar 1989, S. 2) nichts Substantiiertes vorgetragen.
37Eine Korrektur der jeweils zur Konkurstabelle angemeldeten Forderungen der E Hypothekenbank ist von dieser im Schreiben vom 29.11.1989 bisher nur angekündigt worden. Die in dem Schreiben als Voraussetzung genannte Prüfung der Forderungen hat noch nicht stattgefunden; die Parteien streiten insoweit nämlich noch darüber, wer von beiden Konkursverwaltern die Prüfung der Abrechnung vorzunehmen hat. Im übrigen hat der Beklagte für den Fall der Reduzierung durch die Gläubigerbank bereits eine Anerkennung der entsprechenden Regreßforderung zur Konkurstabelle angekündigt.
38Nach Sinn und Zweck der Regelung der §§ 68 KO, 33 VerglO kann der Mitschuldner oder Bürge solange am Verfahren nicht teilnehmen, wie der Hauptgläubiger sich beteiligt. Das schließt auch aus, daß der Rückgriffsgläubiger seine Forderungen als bedingte Konkursforderungen nach § 67 KO anmeldet. Die hiergegen vom Kläger erhobenen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen.
39Für eine solche Zulassung besteht zum einen schon kein praktisches Bedürfnis. Die in diesem Zusammenhang in einem Teil der Literatur angeführte Gefahr, daß der Rückgriffsgläubiger bis zum Ausscheiden des Hauptgläubigers aus dem Konkursverfahren oder bis zu dessen Vollbefriedigung etwa die Ausschlußfrist des § 152 KO versäumen könnte, besteht bei richtiger Auslegung dieser Vorschrift nicht. Das Problem der Frist des § 152 KO löst Henckel (Jaeger-Henckel, § 3 Rdnr. 54) überzeugend mit einer analogen Anwendung der §§ 412, 401 Abs. 1, 426 Abs. 2 BGB, indem nämlich angenommen wird, daß der zahlende Mitschuldner in die Stellung des Hauptgläubigers einrückt. Geht man von der - wohl seltenen - Fallgestaltung aus, daß der Hauptgläubiger später ohne Befriedigung erlangt zu haben aus sonstigen Gründen ausscheidet, läge eine teleologische Reduktion des § 152 KO dahingehend nahe, den Fristbeginn für den Rückgriffsgläubiger erst mit dem Ausscheiden des Hauptgläubigers anzusetzen. Abgesehen davon betrifft die Vorschrift nur bestrittene Forderungen, und es ist zumindest wenig wahrscheinlich, daß der Konkursverwalter die Rückgriffsforderung überhaupt bestreiten sollte, wenn der Hauptgläubiger aus dem Vermögen des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners befriedigt worden ist; so hat der Beklagte vorliegend für den oben erwähnten Fall des (teilweisen) Ausscheidens der E Hypothekenbank bereits angekündigt, daß er die entsprechenden Rückgriffsforderungen insoweit anerkennen werde.
40Überdies müßte man, falls § 67 KO auf den Rückgriffsgläubiger überhaupt angewendet werden sollte, das Stimmrecht, das mit der Anmeldung verbunden wäre, bis zur Vollbefriedigung des Hauptgläubigers oder bis zu dessen Ausscheiden suspendieren. Denn ein doppeltes Stimmrecht für dieselbe Forderung wäre mit dem konkursrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren.
412. Auch Ansprüche wegen verbotener Rückzahlung des Haftkapitals aus §§ 30, 31 GmbHG können - ihr Bestehen wieder unterstellt - wegen des Verbots der Doppelanmeldung nicht zur Konkurstabelle angemeldet werden.
42Nach den genannten Grundsätzen, aus denen das Verbot der Doppelanmeldung von Forderungen im Konkurs herzuleiten ist, kommt es nicht darauf an, ob die Forderungen auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt werden können. Ebensowenig kann darauf abgestellt werden, ob es sich um Freistellungs- oder Rückgriffsansprüche handelt oder in welcher zeitlichen Reihenfolge welche Form der Belastung entstanden ist: Entscheidend ist allein, ob der Schuldner außerhalb des Konkurses nur einmal zu zahlen hätte. Die Konkursdividende kann insgesamt nur einmal verlangt werden, wenn der Schuldner außerhalb des Konkurses nur den einen oder den anderen Gläubiger zu befriedigen gehabt hätte. Eben dieses Verhältnis besteht zwischen den Gläubigerforderungen und den geltend gemachten Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG:
43Hätte L die Gesellschaft von den dinglichen und persönlichen Belastungen freigestellt, so wäre ein auf Erstattung verbotener Auszahlungen gegen ihn gerichteter Anspruch der Gesellschaft entfallen. Sieht man nämlich in der Belastung bereits die verbotene Auszahlung des Haftkapitals, so muß - insoweit korrespondierend mit dieser Auslegung der Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG - entsprechend die Befreiung von der Belastung als Rückzahlung des Kapitals gewertet werden. Dies wäre erst recht im Falle der Zahlung anzunehmen. Jedenfalls aber ist durch Fortfall der Belastungen das Stammkapital wieder aufgefüllt, so daß ein Anspruch der Gesellschaft aus §§ 30, 31 GmbHG fortan entfallen müßte.
44Die Ansicht des Klägers, der Rückerstattungsanspruch gegen den Gesellschafter bleibe auch nach dem Wiederauffüllen des Stammkapitals bestehen, geht fehl. Nach dem Zweck der Regelung der §§ 30, 31 GmbHG muß die Haftung des entnehmenden Gesellschafters wieder entfallen, wenn das Stammkapital für die Haftung wieder voll zur Verfügung steht (so auch BGH ZIP 1987, 1113).
45Auf insoweit abweichende Literaturmeinungen beruft der Kläger sich im übrigen für den vorliegenden Fall zu Unrecht: Die Frage einer Fortdauer der Haftung des Gesellschafters nach Verbesserung der bilanziellen Verhältnisse kann sich nämlich nur stellen, wenn das Auffüllen des Stammkapitals aufgrund sonstiger Umstände eintritt, z.B. infolge des Jahresgewinns oder infolge anderer mit der Entnahme nicht in Zusammenhang stehender günstiger Entwicklungen. Liegt die Ursache der bilanziellen Verbesserung hingegen gerade darin, daß der zur Auszehrung des Stammkapitals führende Vorgang im Ergebnis rückgängig gemacht wird, indem der Gesellschafter die eingegangenen Belastungen - wieder beseitigt, so ist kein Grund vorhanden, ihn darüber hinaus nochmals in Anspruch zu nehmen.
463. Aus den gleichen Gründen muß auch eine Anmeldung der Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Treuepflichtverletzung scheitern. Die als Schaden geltend gemachten Belastungen durch Bestellung von Grundpfand-rechten und Begründung persönlicher Mithaft wären außerhalb des Konkurses entfallen, wenn L die Gesellschaft freigestellt oder an die Gläubiger gezahlt hätte. Der Betrag der Hauptschuld hätte vom Schuldner also nur einmal aufgewendet werden müssen, wodurch die geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Beseitigung der beanstandeten Belastungen und damit des hier behaupteten Schadens gegenstandslos geworden wären.
474. Die Anmeldung von Ansprüchen auf Verlustausgleich aus einem faktischen qualifizierten Konzernverhältnis gemäß §§ 302 oder 303 AktG analog scheitert - die Aktivlegitimation des Klägers und die Anspruchsvoraussetzungen im übrigen unterstellt - wiederum am Verbot der Doppelanmeldung im Konkursverfahren. Der Anspruch auf Ersatz des in der Konkursbilanz per 30.6.1988 ausgewiesenen Verlusts von 22.123.011,90 DM stellt nämlich nur eine andere Form der oben bereits behandelten Regreß- und Erstattungsansprüche dar, die ihrerseits dem Verbot der Doppelanmeldung unterfallen.
48Denn die Konkursbilanz weist überhaupt nur deshalb einen Verlust aus, weil in ihr im Ergebnis das Scheitern der Regreßansprüche, die als solche gerade nicht angemeldet werden können, voll bilanziert ist: Während der Kläger die Forderungen der Gläubigerbanken mit dem Betrag von 60.454.118,31 DM passiviert hat, hat er die entsprechenden Regreßforderungen gegen den Nachlaß L - nebst anderen Forderungen - wegen der Zweifel an der Realisierbarkeit mit nur 1, — DM aktiviert. Damit sind die von den Banken angemeldeten Darlehensrückzahlungsforderungen voll im Verlust enthalten. Bei Anmeldung
49eines derart ermittelten Bilanzausgleichsanspruchs sind mithin die nur einmal zu befriedigenden Gläubigerforderungen unzulässigerweise ein zweites mal gegen den Nachlaß L geltend gemacht. Der Fehler beruht letztlich darauf, daß bei der Aktivierung der Regreßforderungen gegen den oben dargestellten Grundsatz verstoßen worden ist, wonach die Feststellung zur Konkurstabelle und die Zuteilung der Konkursdividende konkursmäßig als volle Befriedigung der (Haupt-) Forderung zu bewerten sind. Wäre dieser Grundsatz beachtet worden, wäre ein Bilanzverlust zum Nachteil des Nachlasses L nicht feststellbar gewesen.
50Bei der Ermittlung des Bilanzverlusts ist darüber hinaus auch hinsichtlich der „Forderung aus dem Verrechnungskonto" über 9.692.607,84 DM gegen das Verbot der Doppelanmeldung verstoßen worden: Der Beklagte hat diese Forderung bereits zur Konkurstabelle anerkannt, so daß diese Forderung als konkursmäßig voll befriedigt gilt. Sie durfte dann nicht in der Konkursbilanz mit nur 1, — DM aktiviert werden mit der Folge, daß der Bilanzverlust auf diesem Wege entsprechend erhöht und damit letztlich über den Verlustausgleichsanspruch diese Forderung noch einmal gegen den Nachlaß L geltend gemacht worden ist. Bei konkursmäßig korrekter Behandlung der bereits anerkannten Forderung über 9.692.607,84 DM hätte der - immer unterstellte - Bilanzverlust zum Nachteil des Nachlasses L also schon um diesen Betrag geringer ausfallen müssen. Das erhellt im Übrigen auch daraus, daß diese Forderung aus einem Vorgang resultierte, der den konzernbedingten Verlust besonders anschaulich manifestierte: L hatte als „Konzernherr" in der vom Kläger geschilderten autokratischen Manier Mieteingänge der Gesellschaft schlicht für sich beansprucht; wenn der Beklagte die entsprechenden Ausgleichsansprüche der Gesellschaft zur Konkurstabelle anerkennt, dann kann dieser Verlust nicht noch einmal über den konzernrechtlichen Ausgleichsanspruch angemeldet werden.
51Nach dem Vorgesagten durfte ein Bilanzverlust überhaupt nicht ausgewiesen werden. Im Hinblick darauf geht der Hinweis des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz vom 14.5.1990 auf die sonstigen in der Konkursbilanz ausgewiesenen Passiva und auf teilweise geringfügig erhöhte Ansätze fehl, da bei konkursmäßig korrekter Behandlung der Regreßforderungen die Verlustzone bei weitem nicht erreicht worden wäre.
52Da die Berufung des Klägers erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten zu tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
53Beschwer: über 40.000, — DM.
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