Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 19 U 205/90
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die Berufung ist zulässig und begründet.
3Die Klage ist im zuletzt aufrechterhaltenen Umfang begründet.
4Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 433 Abs. 1, 459 Abs. 1, 462, 467 Satz 1, 346 ff. BGB i.V.m. Abschnitt VII. Ziffer 4 der AGB der Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises ab-züglich der gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften PKW.
5Der vom Kläger bei der Beklagten im Mai 1989 gekaufte fabrikneue X. wies bei Auslieferung am 23. August 1989 einen Fehler im Sinne von § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB auf.
6Im Fahrbetrieb entwickelte sich ein Geräusch, das eine negative Abweichung von der vertraglich ver-einbarten Beschaffenheit bedeutet.
7Es mag offen bleiben, ob, wie der Kläger behauptet, Ursache hierfür ein Defekt an den Antriebswellen ist; denn die Geräuschentwicklung selbst ist als Sachmangel einzustufen.
8Im Bereich des Fahrzeugvorderwagens treten bei Fahrgeschwindigkeiten zwischen 60 bis 90 km/h und einer Motordrehzahl von 3400 bis 3800 U/min sowohl im zweiten wie im dritten Gang während der Be- schleunigung unüberhörbare und zunehmende Dröhnge- räusche auf, die als Vibrationen auf der Beifahrer- seite sowohl in der Bodengruppe als auch in der Stirnwand spürbar sind. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H. in seinem Gutachten vom 15. August 1990, deren Richtigkeit von der Beklagten nicht in Zweifel ge-zogen wird.
9Solche Dröhngeräusche stehen nicht in Einklang mit den kaufvertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Hiernach - Abschnitt VII. der AGB der Beklagten - hat der Kaufgegenstand dem jeweiligen Stand der Technik seines Typs zu entsprechen.
10Diese Anforderung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei ist unerheblich, ob - wie die Beklagte gel-tend macht - bezogen auf die hier in Rede stehende Serie X. und ihren Ausstattungsstandard keine Min-derwertigkeit vorliegt, bzw. ob sich die Geräusch-entwicklung innerhalb des serienbedingten Streube-reichs eines Kleinwagens vom Typ X. bewegt.
11Entscheidend für den vertraglich vereinbarten Maß-stab des Standes der Technik des Typs ist nicht der Standard der Marke, sondern der Entwicklungsstand vergleichbarer Fahrzeuge insgesamt. Diese sind mit dem Begriff "Typ des Kaufgegenstandes" im Sinne der Bedingungen gemeint (OLG Köln, DAR 86, 320; Rein-king-Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rdz. 272).
12Eine Beschränkung der Gewährleistung auf den Stan-dard des Herstellers für sein Produkt - hier X. - würde demgegenüber bedeuten, daß für Konstruktions- oder Fertigungsfehler einer ganzen Serie keine Gewähr geleistet werden müßte. Dies wird der durch-schnittliche Neuwagenkäufer, dessen Verständnis maßgebend ist, aber nicht annehmen, sondern erwar-ten, Anspruch auf ein dem allgemeinen Stand der Technik in der Automobilindustrie entsprechendes Fahrzeug und entsprechende Gewährleistungsrechte zu haben.
13Dabei ist unter Stand der Technik nicht die jeweils beste und fortgeschrittenste Entwicklung in jedem Einzelpunkt zu verstehen. Der Durchschnittskunde eines Neuwagens rechnet vielmehr mit Qualitätsun-terschieden zwischen den verschiedenen Marken bei den technischen Details innerhalb einer Fahrzeug-klasse. Dies gilt insbesondere auch für die Ge-räuschentwicklung. Maßstab für die vereinbarte Be-schaffenheit ist im Streitfall nicht etwa der im Innenraum leiseste Kleinwagen.
14Dem Stand der Technik im Verständnis des durch-schnittlichen Käufers eines Kleinwagens in West-deutschland entspricht aber eine solche Eigenschaft nicht, die bei den hier zeitgleich marktgängigen Wagen der gleichen Klasse gänzlich ungewöhnlich ist.
15Dies trifft für die Geräuschentwicklung bei dem vom Kläger gekauften X. zu.
16Das bei diesem Fahrzeug auftretende Dröhnen war auch bei einem Kleinwagen im Jahre 1989 nicht zu erwarten. Es handelt sich um ein durchdringend lau-tes und dumpfes Tönen (vgl. Duden, Das große Wör-terbuch der deutschen Sprache; Der Große Brockhaus, 18. Aufl.), das zudem mit Vibrationen verbunden und als Innengeräusch eines PKW nicht akzeptabel ist. Die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Dämmung bei Fahrzeugen verschiedener Größe und Ausstattung können zwar zu einer höheren Geräuschbelastung bei kleineren Wagen führen, jedoch ist das Auftreten von Geräuschen der hier gegebenen Art und Intensi-tät bei einem Fahrzeug mitteleuropäischer Herkunft und der Preisklasse von 21.900,-- DM im Jahre 1989 gänzlich unerwartet. Dies gilt auch dann, wenn die Lärmentwicklung in einem Zusammenhang mit der Aus-rüstung des Fahrzeugs mit ABS stehen sollte; denn auch bei einer solchen Ausstattung ist nicht mit einer für einen PKW grundsätzlich unangemessenen Geräuschbelastung zu rechnen.
17Durch den Fehler wird die Gebrauchstauglichkeit des PKW zu dem gewöhnlichen und nach dem Vertrage vor-ausgesetzten Gebrauch nicht unerheblich gemindert. Die unüberhörbaren mit Vibrationen verbundenen Dröhngeräusche beeinträchtigen den Fahrkomfort stark. Sie treten in Situationen auf, die bei nor-malem Fahrbetrieb häufig vorkommen.
18Die Voraussetzungen des Wandlungsrechtes nach Ab-schnitt VII. Ziffer 4 der AGB der Beklagten sind erfüllt. Unstreitig hat der Kläger den gekauften Wagen mindestens zweimal wegen der Geräuschbela-stung bei der Beklagten vorgeführt. Die Beklagte hat das Fahrzeug untersucht und erklärt, ein Mangel liege nicht vor. Damit ist die Nachbesserung end-gültig fehlgeschlagen, weitere Versuche sind für den Kläger unzumutbar. Auf fehlende Schriftform der Mängelanzeige kann sich die Beklagte in diesem Zu-sammenhang nicht berufen, nachdem die Anzeige un-streitig erfolgt und von der Beklagten auch bear-beitet worden ist.
19Der Kläger kann aufgrund des erfolgreichen Wand-lungsbegehrens gemäß §§ 346 ff. BGB Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückge-währ des gekauften PKW verlangen.
20Auszugehen ist von einem Kaufpreis in Höhe von 21.900,-- DM einschließlich des für den zwischen-zeitlich offenbar verwerteten Altwagen fest ange-rechneten Betrages.
21Der Kläger hat sein Wandlungsrecht durch die Wei-terbenutzung des Fahrzeugs nicht verloren. Er hat sich jedoch gemäß §§ 467 Satz 1, 347 Satz 2, 987 bzw. 988, 818, 100 BGB, die ihm durch die Benutzung des Fahrzeugs entstandenen Gebrauchsvorteile an-rechnen zu lassen. Der Kläger ist mit dem Fahrzeug rund 26.000 Kilometer gefahren. Der hierfür zu vergütende Nutzungswert ist gemäß § 287 ZPO auf den Betrag von 3.815,-- DM zu schätzen, um den der Kläger die Klage zuletzt zurückgenommen hat. Der Betrag errechnet sich, ausgehend von einer anzuneh-menden Gesamtfahrleistung des X. von 150.000 Kilo-meter aus 0,67 % des Kaufpreises pro gefahrene 1000 Kilometer (OLG Hamm, NJW RR 88, 1140; OLG Frank-furt, DAR 88, 243; OLG Köln, DAR 82, 402; NJW 87, 2520).
22Zinsen auf die demnach in Höhe von 18.084,90 DM be-rechtigte Klageforderung stehen dem Kläger wie ver-langt in Höhe von 4 % ab dem 21. November 1989 ge-mäß §§ 347 Satz 3, 246 BGB zu.
23Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO, diejenige über die vorläufige Voll-streckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
24Streitwert bis 21. März 1991: 21.900,-- DM ab 22. März 1991: 18.084,90 DM (zugleich Beschwer der Beklagten).
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