Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 22 U 12/91
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sa-che keinen Erfolg.
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Dem Kläger steht aus dem erst am 30.06.1989 beende-ten Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien ein Anspruch auf entgangene Provision in der Zeit vom 15.03. bis zum 30.06.1989 zu.
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Der ursprünglich von der Beklagten mit der Handels-agentur G. und M. geschlossene Handelsvertreter-vertrag setzte sich nach der Auflösung dieser OHG am 31.12.1988 ab 01.01.1989 zwischen der Beklagten und dem Kläger allein fort und ist erst durch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Wirkung vom 30.06.1989 beendet worden. Für die Frage der Vertragsfortsetzung ist im vorliegendem Fall ohne Bedeutung, ob der Kläger, was die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet, die von der OHG betriebene Handelsagentur durch Vereinbarung mit dem ausscheidenden Gesellschafter G. ohne Abwick-lung übernommen hat.
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Im Falle einer Übernahme ohne Abwicklung war der Klägerin entsprechender Anwendung der §§ 142 HGB, 738 BGB ab 01.01.1989 Alleininhaber der Handelsver-tretung mit allen Aktiven und Passiven geworden, so daß sich auch der Handelsvertretervertrag mit der Beklagten ohne weiteres mit dem Kläger allein fort-setzte. Auf die zutreffenden Ausführungen des Land-gerichts in dem angefochtenen Urteil wird Bezug ge-nommen. Einer Ergänzung dieser Ausführungen bedarf es nicht.
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Ist dagegen die OHG im Wege der Abwicklung aufge-löst und beendet worden, so sind zwar nicht bereits kraft Gesetzes die Rechte und Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag mit der OHG auf den Kläger übergegangen. Gleichwohl bestand auch in diesem Fall ab 01.01.1989 ein Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits, weil die Beklagte deutlich zu erkennen gegeben hatte, daß sie das Handelsvertreterverhältnis mit dem Klä-ger allein fortsetzen wollte und in diesem Sinne auch von beiden Seiten ab 01.01.1989 verfahren wur-de.
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Die Beklagte hat sich im Januar/Februar 1989 schlüssig mit der Fortsetzung des Vertrags durch den Kläger einverstanden erklärt und damit ein ent-sprechendes Fortsetzungsangebot des Klägers ange-nommen. Dies folgt zweifelsfrei daraus, daß die Be-klagte den Kläger im Januar/Februar 1989 vorbehalt-los für sich weiterarbeiten ließ, daß sie an den Kläger ihre üblichen Rundschreiben und Anweisungen für ihre Handelsvertreter richtete, daß sie dem Kläger für seine Tätigkeit ab 01.01.1989 die ge-schuldete Provision vergütete und daß sie diese Provision für Januar 1989 auf seine neue Firma ab-rechnete. Aus der Sicht des Klägers konnte dieses Verhalten der Beklagten nur so verstanden werden, daß sie mit der Handelsvertretung durch den Kläger allein einverstanden war. Damit war zwischen den Parteien mit Wirkung vom 01.01.1989 ein neuer Han-delsvertretervertrag zustande gekommen, der sich allerdings inhaltlich als Fortsetzung des bisheri-gen Handelsvertreterverhältnisses mit der aufgelö-sten OHG darstellte. Zwar fehlte noch eine förmli-che Umschreibung des bisherigen schriftlichen Han-delsvertretervertrags, woran der Kläger noch zu-letzt mit Schreiben vom 02.02.1989 erinnert hatte. Diese Umschreibung war jedoch nicht mehr Vorausset-zung für einen wirksamen Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien, sondern stellte nur noch ei-ne Klarstellung nach außen dar.
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Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht bereits durch die fristlose Kündigung der Be-klagten vom 07.03.1989 beendet worden.
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Es kann offen bleiben, ob die Beendigung der zwi-schen dem Kläger und Herrn G. bestehenden offenen Handelsgesellschaft zum 31.12.1988 der Beklagten ein Recht zur fristlosen Kündigung des Handelsver-treterverhältnisses nach § 89 a HGB gab, falls sich das Vertragsverhältnis in entsprechender Anwendung der §§ 142 HGB, 738 BGB ohne Abwicklung und Neuab-schluß mit dem Kläger fortgesetzt hatte. Jedenfalls hätte ein solches Kündigungsrecht - wenn auch die 2 - Wochen Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei einem Handelsvertretervertrag nicht gilt - nach einer an-gemessenen Überlegungszeit ausgeübt werden müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hierfür ein Zeitraum von 2 Monaten zu lang (BGH, BB 1983, 1630). Da die Beklagte schon im Oktober 1988, jedenfalls aber bei der Besprechung am 15.12.1988 vom Ausscheiden des 2. Gesellschafters und von dem Fortsetzungswunsch des Kläger wußte, war die erst Anfang März 1989 erklärte fristlose Kündigung verspätet und ein etwaiges außerordentliches Kündi-gungsrecht bereits verwirkt.
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Weitere Kündigungsgründe, auf die sich die Beklagte hätte stützen können, sind nicht ersichtlich. So-weit sich die Beklagte auf unzureichende Kundenbe-treuung und mangelhafte Berichterstattung des Klä-gers beruft, fehlt ihrem Vorbringen die erforderli-che nähere Substantiierung. Außerdem hätte eine au-ßerordentliche Kündigung wegen solcher Vorkommnisse zunächst eine Abmahnung vorausgesetzt, die jedoch unstreitig nicht erfolgt ist. Auch die unterbliebe-ne Abstimmung des Urlaubs des Klägers mit der Be-klagten stellte aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts, auf die verwiesen wird, keinen Grund für eine fristlose Kündigung des Handelsvertreter-vertrags dar.
2021
Die Beklagte haftet wegen der ungerechtfertigten fristlosen Kündigung sowohl nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung als auch nach § 615 BGB auf Zahlung der dem Kläger entgangenen Pro-vision. Die Voraussetzungen des § 615 BGB sind er-füllt. Der Kläger hatte der fristlosen Kündigung der Beklagten eindeutig widersprochen und damit die Beklagte in Annahmeverzug gesetzt (Baumbach/ Duden-Hopt, HGB, 28. Ausfl., § 89 a Anmerkung 5 B mit weiteren Nachweisen). Der Anspruch aus § 615 BGB ist nicht auf Schadensersatz, sondern auf Vertrags-erfüllung gerichtet und hat deshalb denselben Um-fang wie der Vergütungsanspruch bei tatsächlicher Dienstleistung (Palandt-Putzo, BGB, 49. Aufl. § 615 Anmerkung 1 c). Dies bedeutet, daß die Beklagte dem Kläger die bis zum 30.06.1989 entgangenen Provisio-nen einschließlich der Mehrwertsteuer zu zahlen hat. Das Landgericht ist insoweit nicht über den Klageantrag hinaus gegangen. Denn der Kläger hatte ausweislich seiner Klageschrift auch die Mehrwert-steuer in sein Klagebegehren einbezogen (Bl. 12 d. A.).
2223
Ob auch der Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung, auf den das Landgericht seine Verurteilung gestützt hat, die Mehrwertsteuer mit umfaßt, kann offenbleiben, da sich dieses Ergebnis jedenfalls aus § 615 BGB ergibt.
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Der Anspruch des Klägers erstreckt sich der Höhe nach zumindest auf den mit dem angefochtenen Teil-urteil zugesprochenen Betrag, den die Beklagte selbst als Provisionsmindereinnahme für die Zeit bis zum 30.06.1989 errechnet hat und der sich netto auf 2.571,16 DM und einschließliche Mehrwertsteuer auf 2.931,12 DM beläuft. Der Anspruch wird nicht durch Ersparnisse oder anderweitigen Erwerb im Sin-ne des § 615 Satz 2 BGB gemindert. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte (Palandt-Putzo, aaO, § 615 Anmerkung 3 b). Die Beklagte hat jedoch weder konkrete Vorteile des Klägers aus der fristlosen Kündigung nach Grund und Höhe im einzel-nen vorgetragen noch hierfür irgendwelche Beweise angeboten.
2627
Der Zinsanspruch des Klägers ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.
2829
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Ent-scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
3031
Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Urteilsbeschwer: 2.931,12 DM.
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