Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 10/91
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05. Dezember 1990 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 143/90 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulässig. Sie ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Da keine der Parteien den ihr obliegenden Beweis, daß der Unfall für sie unabwendbar war, geführt hat, hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht eine hälftige Schadensteilung angenommen (§ 17 StVG).
3Nach den Angaben des unbeteiligten Zeugen , auf die sich beide Parteien beziehen, deren Richtigkeit von ihnen auch nicht in Zweifel gezogen wird, und die deshalb der Entscheidung zugrunde gelegt werden können, ist der Zeuge auf der zweiten Spur (ersten Überholspur) gefahren, als ihn der Beklagte zu 1) auf der dritten Spur (2. Überholspur) überholte. Daraufhin ist der Zeuge seinerseits auf die 2. Überholspur ausgeschert und hat sich hinter das Fahrzeug des Beklagten zu 1) gesetzt. Da die dritte Spur nach ca. 1 km endete, wollte der Beklagte zu 1) in die zweite Spur einscheren. Dies gelang ihm indessen nicht, weil die auf der zweiten Spur fahrenden Fahrzeuge bremsten, so daß sich keine Lücke fand. Bei dem Einscherversuch kam der Beklagte zu 1) ins Schleudern und fuhr in die Leitplanke. Der Beklagte bremste sofort scharf ab, als sein Abstand zum Beklagten zu 1) noch etwa 50 bis 70 Meter betrug. Da die Räder seines PKW blockierten und er immer näher an das Fahrzeug des Beklagten zu 1) "heranrutschte", ließ er die Bremsen wieder los und wich nach rechts in die zweite Spur aus. Dem hinter ihm fahrenden Kläger gelang es nicht, seinen PKW vor dem mittlerweile querstehenden Fahrzeug des Beklagten zum Stehen zu bringen oder nach rechts auszuweichen.
4Bei diesem Unfallhergang erweist sich das angefochtene Urteil als richtig.
5Es kann keine Rede davon sein, daß der Unfall für den Kläger im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG unabwendbar war. Er hat entweder seine Geschwindigkeit nicht den Verhältnissen entsprechend angepaßt (§ 3 Abs.1 StVO), indem er aus Unachtsamkeit diese
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7nicht rechtzeitig herabgesetzt hat, oder nicht den gebotenen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten (§§ 4 Abs.1, 18 Abs. 6 Nr. 1 StVO), denn ansonsten wäre es nicht zu dem Unfall gekommen.
8Ausgangspunkt der Beurteilung ist die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden spricht (vgl. VersR 1962, 672; 1987, 1241). Das Auffahren auf ein die Fahrbahn versperrendes Kraftfahrzeug erlaubt grundsätzlich eine alternative Schuldfeststellung dahin, daß entweder der Bremsweg des Auffahrenden länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend gewesen sein muß (vgl. BGH VersR 1965, 88). Abweichendes kann für Fallgestaltungen gelten, in denen der Anhalteweg aufgrund besonderer Umstände ohne Verschulden des Auffahrenden verkürzt worden ist, etwa durch ein von der Seite her in den Anhalteweg geratenes Hindernis, mit dem der Auffahrende nicht rechnen konnte. So liegt der Fall hier indessen nicht.
9Der Beklagte zu 1) ist nicht plötzlich und unvermutet von der Seite in die Fahrspur des Klägers geraten. Er ist vielmehr bei dem Versuch, von der Fahrspur des Klägers in die nebenliegende Spur zu wechseln, ins Schleudern geraten und hat zunächst und in erster Linie für den Zeugen und dann erst auch für den Kläger ein Hindernis gebildet. Da der Kläger jedenfalls einen Abstand von mindestens der halben Geschwindigkeit zum Vorausfahrenden einzuhalten hatte, der Abstand des Zeugen zum Beklagten zu 1) wiederum mindestens 50 Meter betrug, hat sich das Hindernis somit in einer Entfernung von etwa 100 Metern vor dem Kläger gebildet. Unter diesen Umständen kann von einer unvermuteten Hindernisbereitung keine Rede sein.
10Freilich hat der BGH entschieden, daß der nachfolgende Kraftfahrer nach § 4 Abs. 1 StVO nicht verpflichtet ist, generell den Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug so zu wählen, daß er rechtzeitig vor einem durch den Vorausfahrenden zunächst verdeckten Hindernis anhalten kann, wenn dieser vor dem Hindernis die Fahrspur wechselt (vgl. VersR 1987, 358). Das gilt indessen nur, wenn der Vorausfahrende ohne zu bremsen unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur wechselt. Hier hat der Zeuge indessen mit dem Bremsen begonnen, als sich das Hindernis bildete, und ist erst nach einiger Zeit, nämlich nachdem er befürchtete, in das Hindernis hineinzurutschen, nach rechts ausgewichen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, daß das Hindernis durch das vorausfahrende Fahrzeug des Zeugen verdeckt und deshalb nicht vom Kläger wahrnehmbar war.
11Der Beklagte zu 1) stand schräg zur Fahrbahn und war gegen die Leitplanke geprallt, bevor er zum Stehen kam. Diese Ereignisse hätte der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen können.
12Nach allem trifft den Kläger ein Mitverschulden am Unfall, so daß es gem. § 17 StVG zu einer Schadensteilung kommen muß. Der Senat folgt dem Landgericht darin, daß bei der gegebenen Sachlage ein Mitverursachungsbeitrag von 50 % angemessen ist.
13Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
14Wert der Beschwer: unter 60.000,00 DM.
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