Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 58/91
Tenor
1
##blob##nbsp;
2T a t b e s t a n d
3##blob##nbsp;
4Die Klägerin ist eines der führenden Unternehmen der Bundesrepublik im Bereich der Computerspiele für Homecomputer. Sie besitzt an den Computerspie-len teilweise eigene Rechte, teilweise hat sie von ausländischen, insbesondere nordamerikanischen Software-Häusern die ausschließlichen Vertriebs-rechte für deren Computerspiele in Deutschland. Die Originalverpackungen und die Programme trugen im Jahre 1988 einen Aufkleber mit dem Vermerk: "Im Vertrieb der A." "Kein Verleih! Keine Vermietung! Vervielfältigung untersagt! Alle Urheberrechte und Leistungsschutzrecht vorbehalten" bzw. "Computer-programm von A.". Die Klägerin firmierte seinerzeit unter "A. GmbH". In der ersten Instanz war unstrei-tig, daß die Klägerin die ausschließlichen Verwer-tungsrechte an den 24 streitgegenständlichen Pro-grammen besitzt.
5##blob##nbsp;
6Der Beklagte war Inhaber des Postfachs Nr. X beim Postamt in G.. Unter Angabe dieser Postfachnummer inserierte der "Am. G." mit einer Kleinanzeige in der Zeitschrift A., Ausgabe 8/8. Der Zeuge Ma. bat mit Schreiben vom 14.08.1988, adressiert an das vorgenannte Postfach, den "Am. G." unter Bezugnahme auf das Inserat um Informationen über den "A.". Mit dem von ihm beigefügten Freiumschlag erhielt er eine Rückantwort mit dem Poststempel vom 16.08.1988 und der (handschriftlichen) Absenderangabe "P. B.". In erster Instanz war unstreitig, daß diese Rückantwort u.a. die in Anlage K 2 a (Bl. 25 - 31 AH) befindlichen Angebotsschreiben und die Liste der lieferbaren Titel enthielt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. In der Liste befinden sich neben anderen sämtliche Titel der im Klageantrag genannten Computerprogramme. Angeboten wurden wahl-weise 3 1/2 Zoll Disketten zum Preis von 10,00 DM und 5 1/4 Zoll Disketten zum Preis von 8,00 DM, jeweils zuzüglich Porto und Verpackungskosten. Die Lieferung wurde für spätestens 7 Tage nach Bestell-eingang zugesagt. Ferner wurde damit geworben, daß "wir ca. 90 % billiger sind als andere Software-Häuser". Zahlungen und Bestellungen sollten gerich-tet werden an "P., B.".
7##blob##nbsp;
8Aufgrund eines Schreibens des Zeugen Ma. vom 17.08.1981 an die Be. AG und eines weiteren Schrei-bens vom selben Tag an die M. T. AG wurde gegen den Beklagten polizeilich ermittelt. Bei einer Hausdurchsuchung am 29.05.1989 wurden schriftliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem "A." sowie 19 Disketten gefunden. Der Beklagte gab gegenüber dem Ermittlungsbeamten an, daß er den Computer nebst Zubehör und Disketten abgegeben habe, der "A." sei seine Erfindung gewesen, habe sich aber nicht gelohnt, so daß er sich seit einigen Monaten nicht mehr mit Computerspielen beschäftige.
9##blob##nbsp;
10Die Klägerin hat vom Beklagten die Unterlassung der Verbreitung unerlaubt angefertigter Vervielfälti-gungsstücke der im Klageantrag aufgeführten Compu-terprogramme sowie der Vervielfältigung dieser Com-puterprogramme ohne ihre Zustimmung, die Feststel-lung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sowie "Rechnungslegung" verlangt.
11##blob##nbsp;
12Sie hat behauptet, der Beklagte habe unter dem Decknamen "A." mindestens von August 1988 bis Mai 1989 bundesweit an Dritte Raubkopien von Computer-programmen verbreitet und Vervielfältigungsstücke hergestellt, darunter auch die streitgegenständli-chen Programme.
13##blob##nbsp;
14Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Com-puterspiele seien urheberrechtsschutzfähig, jeden-falls laufbildschutzfähig; ferner stehe ihr ein Ti-telschutz gemäß § 16 Abs. 1 UWG analog und ein Un-terlassungsanspruch aus § 1 UWG wegen unmittelbarer Leistungsübernahme in unlauterer Weise zu. Die Wie-derholungsgefahr werde aufgrund der begangenen Ver-letzungshandlungen vermutet, da der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - nicht abgegeben habe.
15##blob##nbsp;
16Die Klägerin hat beantragt,
17##blob##nbsp;
18##blob##nbsp;
191.
20##blob##nbsp;
21##blob##nbsp;
22den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmit-teln zu verurteilen, es zu unterlassen, uner-laubt angefertigte Vervielfältigungsstücke der Computerprogramme
23##blob##nbsp;
24##blob##nbsp;
25...
26##blob##nbsp;
27##blob##nbsp;
28im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten und/oder Vervielfältigungsstücke von diesem Computerprogramm ohne Zustimmung der Klägerin anzufertigen;
29##blob##nbsp;
30##blob##nbsp;
312.
32##blob##nbsp;
33##blob##nbsp;
34festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend unter Ziff. 1 be-zeichneten Handlungen des Beklagten entstanden ist und künftig entstehen wird;
35##blob##nbsp;
36##blob##nbsp;
373.
38##blob##nbsp;
39##blob##nbsp;
40den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über Art und Umfang der vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar insbesondere unter Angabe der Anzahl der Vervielfältigungsstücke.
41##blob##nbsp;
42Der Beklagte hat beantragt,
43##blob##nbsp;
44##blob##nbsp;
45die Klage abzuweisen.
46##blob##nbsp;
47Er hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf bestritten und behauptet, er habe damit nichts zu tun.
48##blob##nbsp;
49Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
50##blob##nbsp;
51Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 19.12.1990 stattgegeben und zur Begründung ausge-führt, bei den Computerspielen der Klägerin handele es sich jedenfalls um Laufbilder im Sinne von § 95 UrhG mit der Folge, daß der Klägerin Ansprüche aus § 97 UrhG zustünden. Mit seiner Behauptung, er habe mit der Herstellung und Verbreitung von Raub-kopien nichts zu tun, sei der Beklagte dem substan-tiierten Vortrag der Klägerin nicht hinreichend entgegengetreten, so daß dieser als zugestanden an-zusehen sei.
52##blob##nbsp;
53Gegen das ihm am 31.01.1991 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 28.02.1991 bei Gericht einge-gangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.05.1991 an jenem Tag begründet hat.
54##blob##nbsp;
55Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vor-bringen. Er bestreitet nunmehr "die Inhaberschaft der Klägerin an Urheberrechten" bezüglich der streitgegenständlichen Computerprogramme mit Nicht-wissen und stellt zur Prüfung des Senats, ob diese Computerprogramme überhaupt Urheberrechtsschutzfä-higkeit besitzen. Ferner behauptet er erneut, mit den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen nichts zu tun zu haben, insbesondere keine Kopien der streitge-genständlichen Computerprogramme hergestellt, ange-boten und in den Verkehr gebracht zu haben.
56##blob##nbsp;
57Der Beklagte vertritt die Auffassung, das Landge-richt habe sein Bestreiten zu Unrecht als unbeacht-lich behandelt. Die Indizien, auf die das Landge-richt seine Entscheidung gestützt habe, seien zur Bestätigung des Klagevorbringens nicht geeignet. Ob nach dem Inhalt der Ermittlungsakten er Inhaber eines Postfachs in G. gewesen sei und ob die Polizei bei der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten Unterlagen in Zusammenhang mit dem "A." gefunden habe, besage nichts darüber, daß er Kopien von den in der Klageschrift bezeichneten Computerprogrammen gefertigt und diese vertrieben habe. Bekanntlich sei insofern das Ermittlungsverfahren gegen ihn auch nicht weitergeführt worden. Ebensowenig sei etwa festgestellt worden, daß sich auf bei ihm si-chergestellten Disketten kopierte Computerprogramme befänden, insbesondere der in der Klageschrift bezeichneten Art. Der Inhalt der Ermittlungsakten lasse es somit keineswegs zu, das Klagevorbringen als zugestanden oder gar erwiesen zu beurteilen.
58##blob##nbsp;
59Mit Schriftsatz vom 17.09.1991 behauptet der Be-klagte, die von ihm unter Angabe des Postfachs X. geschaltete Anzeige in der Zeitschrift des A.s habe nichts mit dem Vertrieb sogenannter Raubkopien zu tun gehabt. Wer auf diese Anzeige geschrieben habe, habe von ihm ein Formblatt bezüglich des A.s erhal-ten. Dort sei u.a. auf die Möglichkeit des verbil-ligten Einkaufs von PC`s hingewiesen worden. Eine solche günstigere Einkaufsmöglichkeit habe sich im Rahmen des A.s ergeben, wenn eine Mehrzahl von In-teressenten die Bestellung größerer Warenmengen er-möglicht habe. Wer auf die Anzeige des Beklagten in der Zeitschrift geschrieben habe, habe als Antwort jedenfalls nicht das Angebot gemäß Anlage K 2 a oder auch nur etwas Vergleichbares erhalten. Daher werde bestritten, daß der Zeuge Ma. auf ein Schrei-ben auf die Anzeige des Beklagten im A. hin die An-gebotsunterlagen bekommen habe, wie sie Gegenstand der Klage seien. Ohne sachverständige Überprüfung könne auch nicht festgestellt werden, daß es sich bei den gemäß Anlagen zur Klageschrift angebotenen Computerprogrammen um sogenannte Raubkopien hande-le. Abgesehen davon, daß er mit diesen Angeboten nichts zu tun habe, spreche der niedrige Preis für sich alleingenommen keineswegs zwingend dafür, daß es sich um Raubkopien handele. Es könnten vielmehr Restposten auslaufender Programme sein, die von der Industrie häufig zu sehr günstigen Preisen abgege-ben würden.
60##blob##nbsp;
61Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvor-bringens des Beklagten wird auf die Berufungsbe-gründung vom 13.05.1991 und auf den Schriftsatz vom 17.09.1991 Bezug genommen.
62##blob##nbsp;
63Der Beklagte beantragt,
64##blob##nbsp;
65##blob##nbsp;
66unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen;
67##blob##nbsp;
68##blob##nbsp;
69hilfsweise: Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu können.
70##blob##nbsp;
71Die Klägerin beantragt,
72##blob##nbsp;
73##blob##nbsp;
74die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß zu Ziff. 3 des Klageantrags nicht Rech-nungslegung, sondern Auskunftserteilung ver-langt werde;
75##blob##nbsp;
76##blob##nbsp;
77hilfsweise, ihr zu gestatten, Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deut-schen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
78##blob##nbsp;
79Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstin-stanzliches Vorbringen. Sie bietet vorsorglich Beweis durch Einholung eines Sachverständigengut-achtens dafür an, daß die streitgegenständlichen Computerprogramme die Anforderung erfüllen, die die Rechtsprechung an die Urheberrechtsschutzfähigkeit von Computerprogrammen stellt. Ferner wiederholt sie ihr Angebot auf Vorlage der einschlägigen Ver-träge zum Nachweis ihrer Urheberverwertungsrechte. Sie behauptet weiterhin, daß es sich bei den dem Zeugen Ma. angebotenen Computerspielen um Raubko-pien gehandelt habe. Dafür sprächen alle Indizien, so auch der Preis, der deutlich unter den - un-streitig - bei 50,00 DM bis 100,00 DM und darüber liegenden Ladenpreisen liege.
80##blob##nbsp;
81Den neuen Vortrag im Schriftsatz des Beklagten vom 17.09.1991 rügt die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.09.1991 als verspätet und wie-derholt ihr Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen Ma..
82##blob##nbsp;
83Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der zweiten Instanz wird auf die Beru-fungserwiderung vom 08.07.1991 sowie die Schrift-sätze vom 18.09.1991 und 23.09.1991 und die in An-lage K 11 überreichten Bildschirmfotos der streit-gegenständlichen Computerspiele Bezug genommen.
84##blob##nbsp;
85E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
86##blob##nbsp;
87Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sa-che keinen Erfolg.
88##blob##nbsp;
891. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verur-teilt, die Vervielfältigung und Verbreitung der streitgegenständlichen Computerprogramme ohne Zu-stimmung der Klägerin zu unterlassen.
90##blob##nbsp;
91Der Unterlassungsanspruch ist jedenfalls nach § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 95 UrhG begründet.
92##blob##nbsp;
93Es mag dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Computerspiele urheberrechtlichen Schutz beanspru-chen können. Nach Auffassung des Senats sind Compu-terspiele grundsätzlich einem Urheberrechtsschutz als Computerprogramm (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und/oder als Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) zu-gänglich (vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg GRUR 1983, 436, 437; OLG Karlsruhe CR 1986, 723, 725), wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen und als persönliche geistige Schöpfung qualifiziert werden können. Die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöp-fung oblag der Klägerin; sie erfordert grundsätz-lich die konkrete Darlegung der die Urheberrechts-schutzfähigkeit begründenden Elemente, insbesondere der hinreichenden Individualität und Gestaltungshö-he (vgl. BGH CR 1991, 80, 82). Hierzu hat die Klä-gerin in bezug auf die 24 streitgegenständlichen Computerspiele nicht substantiiert vorgetragen. Ei-ne abstrakte Beurteilung allein anhand der Angaben über den Zeit- und Geldaufwand für die Herstellung heute im Verkehr befindlicher Computerspiele und der in Anlage K 11 vorgelegten Bildschirmfotos der streitgegenständlichen Computerspiele ist nicht möglich.
94##blob##nbsp;
95Kann das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung nicht festgestellt werden, so stehen dem Hersteller der Videospiele sowie demjenigen, der ausschließliche Nutzungsrechte hieran hat, die Leistungsschutzrechte aus § 97 Abs. 1 UrhG in Ver-bindung mit §§ 95, 94 UrhG zu. Unabhängig davon, ob Computerspiele ihrer Natur nach Computerprogrammen oder Filmwerken näherstehen, lassen sie sich unter den Begriff des Laufbildes subsumieren. Die auf dem Bildschirm erscheinende bildliche Darstellung der Computerspiele ist eine Folge von Bildern bzw. Bildern und Tönen, also eine Bild- bzw. Bild- und Tonfolge im Sinne von § 95 UrhG. Vermittelt wird der Eindruck eines bewegten Spiels, also eines Films. Unschädlich für die Einordnung ist, daß der Spieler in das Spielgeschehen eingreifen und die Bild- bzw. Bild- und Tonfolgen verändern kann, denn letztlich sind alle auf dem Bildschirm darstellba-ren Handlungsabläufe ungeachtet ihrer Steuerbarkeit durch den Spieler bereits endgültig im Programm festgelegt, so daß durch die Eingriffe nicht jeweils ein neuer Film entsteht (vgl. Nordemann GRUR 1981, 891, 893). Wie das durch § 95 UrhG geschützte Ergebnis einer fertigen Bild- bzw. Bild- und Tonfolge geschaffen wird, ist unerheblich. Indem das Gesetz in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG den Filmwerken die Werke gleichstellt, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, stellt es klar, daß es nicht auf das Herstellungsverfahren ankommt. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Frankfurt (GRUR 1983, 753, 756 - "P." - und GRUR 1983, 757 - "D.") und des ihm folgenden OLG Düsseldorf (CR 1990, 394, 396) vermag sich der Senat daher jedenfalls für die in den letzten Jahren im Verkehr befindlichen Videospiele nicht anzuschließen. Entgegen der Auf-fassung des OLG Frankfurt scheitert die Erfassung der Videospiele als Filmwerke bzw. ähnlich wie Filmwerke geschaffene Werke auch nicht an einer fehlenden Wiedergabe eines zuvor aufgezeichneten Handlungsablaufs. Unabhängig davon, ob der Filmbe-griff überhaupt die Wiedergabe eines aufgezeich-neten Handlungsablaufs voraussetzt (verneinend: Fromm/Nordemann-Hertin, 7. Aufl., § 95 UrhG Rz. 1) entspricht der Ablauf der einzelnen vom Spieler abgerufenen Programmschleifen der Wiedergabe ein-zelner Filmteile (vgl. Schlatter-Krüger in Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, S. 83). Auf dem Bildschirm kann nur das erscheinen, was zuvor als mögliche Spielvariante festgelegt war. Der Senat teilt daher die in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretene Meinung, wo-nach Computerspiele als Laufbilder gemäß § 95 UrhG geschützt sind, wenn das Vorliegen der Werkqualität nicht festgestellt werden kann (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamburg GRUR 1990, 127, 128; OLG Hamm NJW 1991, 2161; LG Köln, Urteil vom 15.12.1982, zitiert bei von Gravenreuth in CR 1987, 161, 164; LG Hannover GRUR 1987, 635; LG Mannheim, Urteil vom 27.11.1987; LG Hannover CR 1988, 826; LG Braunschweig CR 1991, 223; Schricker, § 95 UrhG Rz. 7, 12; Fromm/Norde-mann-Hertin, vor § 88 UrhG Rz. 1, § 95 UrhG Rz. 1; Nordemann GRUR 1981, 891, 893; von Gravenreuth CR 1987, 163, 166; a.A. OLG Frankfurt GRUR 1988, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; kritisch: Lehmann-Schneider NJW 1990, 3181).
96##blob##nbsp;
97Handelt es sich folglich bei den streitgegenständ-lichen Videospielen um Laufbilder, so stehen dem Hersteller der Spiele sowie demjenigen, der aus-schließliche Nutzungsrechte hieran hat, die Lei-stungsschutzrechte des Filmproduzenten oder des ausschließlichen Nutzungsberechtigten aus §§ 95, 94 UrhG zu, insbesondere das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht.
98##blob##nbsp;
99Die Klägerin ist aktivlegitimiert, den wegen wider-rechtlicher Verletzung der geschützten Rechte be-stehenden Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG geltend zu machen. Sie hat in erster Instanz unbestritten die ausschließlichen Verwer-tungsrechte in bezug auf die streitgegenständlichen Videospiele behauptet. Wenn der Beklagte nunmehr "die Inhaberschaft der Klägerin an Urheberrechten bezüglich der in der Klageschrift bezeichneten Com-puterprogramme" mit Nichtwissen bestreitet, reicht dies angesichts der gesamten Umstände nicht aus, um sein Bestreiten als erheblich zu werten.
100##blob##nbsp;
101Die Originalverpackungen der Videospiele gemäß Kla-geantrag enthalten einen Aufkleber, der die Kläge-rin als Vertreiberin ausweist und den Hinweis ent-hält, daß alle Urheberrechte und Leistungsschutz-rechte vorbehalten seien.
102##blob##nbsp;
103Daher wird gemäß der hier analog anzuwendenden Vor-schrift des § 10 Abs. 2 UrhG zugunsten der Klägerin die widerlegbare Vermutung für eine unbeschränkte Ermächtigung begründet, im eigenen Namen die Schutzrechte des Laufbildherstellers geltend zu ma-chen (vgl. OLG Hamm NJW 1991, 2162; LG Hannover GRUR 1987, 635; LG Hannover CR 1988, 826; Syndikus GRUR 1988, 821).
104##blob##nbsp;
105Eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 2 UrhG scheidet aus, da hierfür das Vorliegen eines Werkes i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG vorausgesetzt wird. Es be-steht aber keine Veranlassung, dem Hersteller bzw. Vertreiber von Laufbildern in bezug auf die Schutz-rechte nach § 94 UrhG nicht die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 2 UrhG zugute kommen zu lassen. Denn § 95 UrhG geht von dem Umstand aus, daß es Filme gibt, die zwar den urheberrechtlichen Schutzvoraus-setzungen nicht genügen, bei denen aber die sonsti-gen Bedingungen ihrer Herstellung und Verwertung im Grunde die gleichen sind wie bei urheberrechtlich geschützten Filmwerken und bei denen daher in bezug auf die Vervielfältigungs- und Verwertungsrechte das Schutzbedürfnis des Herstellers bzw. Vertrei-bers das gleiche ist.
106##blob##nbsp;
107Der Beklagte hat zur Widerlegung der zugunsten der Klägerin geltenden Vermutung nichts vorgetragen.
108##blob##nbsp;
109Dem Beklagten war die Verbreitung ohne Zustimmung der Klägerin angefertigter Vervielfältigungsstücke der streitgegenständlichen Computerprogramme zu un-tersagen, da er das Verbreitungsrecht der Klägerin aus § 94 UrhG widerrechtlich verletzt hat, indem er Raubkopien der Videospiele der Öffentlichkeit ange-boten hat.
110##blob##nbsp;
111Zur Erfüllung des Tatbestandes der Verbreitung ge-nügt bereits das Einzelangebot an einen der Öffent-lichkeit angehörenden Dritten, zu dem keine persön-lichen Bindungen bestehen (vgl. BGH NJW 1991, 1234, 1235). Für das Verbreiten in Form des Anbietens kommt es nicht darauf an, ob das Anbieten erfolglos geblieben ist und ob Kopien zum Zeitpunkt des Ange-bots bereits erstellt waren (vgl. BGH, a.a.O.). An-bieten zur alsbaldigen Herstellung und Lieferung genügt in Anbetracht des Umstandes, daß die Ver-vielfältigungsstücke technisch schnell und problem-los herzustellen sind.
112##blob##nbsp;
113Der Beklagte hat eine Angebotsliste, die u.a. die im Klageantrag aufgeführten Computerspiele enthält (Bl. 26 ff. AH) an Herrn Ma. im Li. versandt.
114##blob##nbsp;
115Wie der Beklagte nunmehr mit Schriftsatz vom 17.09.1991 ausdrücklich einräumt, war die Anzeige in der Zeitschrift "A. M." unter Angabe des Post-fachs X. von ihm selbst geschaltet. Unstreitig hat der Zeuge Ma. auf diese Anzeige hin mit Schreiben vom 14.08.1988 (Anlage K 5) den "A." um Informatio-nen gebeten. Wenn nach dem Vortrag des Beklagten dieser dem Absender einer Anfrage ein Formblatt bezüglich des "A." übersandte, in dem u.a. auf die Möglichkeit des verbilligten Einkaufs von PC`s hingewiesen wurde, so steht dieser Vortrag mit demjenigen der Klägerin in Einklang, die behauptet, der Zeuge Ma. habe die in Anlage K 2 a aufgeführten Unterlagen erhalten, in denen u.a. damit geworben wird, daß die Disketten ca. 90 % billiger seien als bei anderen Software-Häusern.
116##blob##nbsp;
117Weder in der ersten Instanz noch in der Beru-fungsbegründungsschrift hat der Beklagte aber bestritten, daß der Zeuge Ma. auf seine Anfrage vom 14.08.1988 die in Anlage K 2 a aufgeführten Unterlagen erhalten hat; dies ist vielmehr erstmals mit Schriftsatz vom 17.09.1991 geschehen. Der mit dem Freistempler versehene Rückumschlag des Zeugen (Bl. 25 AH), den der Zeuge seiner Anfrage beigefügt hatte, enthält den Poststempel der Post in G. vom 16.08.1988 und die Absenderangabe "P. B.". Diese Bezeichnung ist - mit Ausnahme der in der hand-schriftlichen Absenderagabe fehlenden Ziffer 9 (wo-bei es sich offensichtlich um einen Schreibfehler handelt) - auch in dem anonymen Angebotsschreiben Bl. 27 des Anlagenheftes als Anschrift angegeben, an die Zahlungen und Bestellungen gerichtet werden sollten, ferner auch am Schluß des Schreibens anstelle einer Unterzeichnung. Der Zeuge Ma. hat am selben Tag nach Erhalt der Rückantwort den Sachver-halt - wie ihn die Klägerin in diesem Rechtsstreit vorträgt - in einem Schreiben vom 17.08.1988 der Be. AG und der M. T. AG mitgeteilt. Diese Schreiben haben zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten geführt. Wäre sein neuer Vortrag zutreffend, so hätte nichts näher gelegen, als sich von Anfang an gegen die für diesen Fall verleumderischen Anschuldigungen des Zeugen Ma. zur Wehr zu setzen. Die erstmalige Behauptung eines derart wesentlichen Sachverhalts 3 Jahre nach dem Vorfall steht so sehr im Widerspruch zu dem früheren Verhalten des Beklagten in diesem Rechts-streit, daß sie zum Bestreiten der Darlegungen der Klägerin nicht ausreicht. Der Beklagte hätte nicht nur nachvollziehbar erläutern müssen, warum er den für seine Rechtsverteidigung entscheidenden Sach-verhalt erst zwei Tage vor der Berufungsverhandlung schriftsätzlich vorträgt; er hätte darüber hinaus auch erklären müssen, was er mit der Absenderangabe "P. B." zu tun hat und hätte den genauen Inhalt des Formblattes wiedergeben müssen, das er seinem Vor-trag zufolge an den Zeugen Ma. versandt hat.
118##blob##nbsp;
119Hat der Beklagte somit das Vorbringen der Klägerin zur Übersendung der Angebotsunterlagen an den Zeu-gen Ma. nicht in erheblicher Weise bestritten, so ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzuse-hen, daß der Beklagte die streitgegenständlichen Videospiele einem der Öffentlichkeit angehörenden Dritten, zu dem keine persönlichen Beziehungen be-standen, angeboten hat.
120##blob##nbsp;
121Daß es sich bei diesen Spielen um Raubkopien han-delte, ist vom Beklagten ebenfalls nicht hinrei-chend substantiiert bestritten worden, da die Indi-zien dafür sprechen, daß Raubkopien angeboten wor-den sind: Die in den Angebotsunterlagen genannten Preise von 10,00 DM bzw. 8,00 DM liegen deutlich unter den Ladenpreisen von 50,00 DM bis 100,00 DM und darüber bzw. werden im Angebotsschreiben selbst als "ca. 90 % billiger" bezeichnet. Das Angebot, die Programme wahlweise auf einer 3 1/2 Zoll- oder 5 1/4 Zoll-Diskette zu liefern, deutet darauf hin, daß Vervielfältigungsstücke auf Bestellung nach Wunsch hergestellt und nicht Originalware versandt werden sollte, ebenso wie die Zusicherung, späte-stens 7 Tage nach Bestelleingang zu liefern. Allein der Umfang des Angebots in der Liste Bl. 28 f. des Anlagenheftes spricht dagegen, daß der Beklagte ei-nen entsprechenden Lagerbestand an Original-Disket-ten zur Verfügung hatte. Unter diesen Umständen kann die Behauptung des Beklagten, die Möglichkeit des verbilligten Einkaufs habe sich ergeben, wenn eine Mehrzahl von Interessenten die Bestellung grö-ßerer Warenmengen ermöglicht habe, nur als un-schlüssig gewertet werden. Gerade die kurze Liefer-frist und das Angebot unterschiedlicher Disketten-größen sprechen eindeutig gegen "Sammelbestellun-gen". Die Spekulation des Beklagten, der niedrige Preis sei dadurch begründet, daß es sich möglicher-weise um Restposten auslaufender Programme handele, die von der Industrie häufig zu sehr günstigen Preisen abgegeben würden, ist ebenfalls unerheb-lich, da der Beklagte gewußt hat, welche Ware er anbot, und da er konkret zu den einzelnen Program-men hätte Stellung nehmen können.
122##blob##nbsp;
123Schließlich kommt es angesichts der der Entschei-dung zugrundeliegenden Indizien nicht darauf an, ob bei der polizeilichen Durchsuchung der Räume des Beklagten Raubkopien oder andere Beweise dafür, daß der Beklagte solche Kopien gefertigt und/oder ver-trieben hat, vorgefunden wurden.
124##blob##nbsp;
125Die vorgenannten Umstände begründen den Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Beklagte auf ent-sprechende Bestellung der Interessenten hin jedes in der umfangreichen Angebotsliste angeführte Com-puterprogramm ohne Zustimmung der Klägerin kopiert hat bzw. haben würde oder zumindest das Kopieren durch Dritte veranlaßt hat bzw. haben würde. Damit bestand unabhängig davon, welche Computerprogramme der Beklagte tatsächlich unerlaubt kopiert hat, zu-mindest die konkrete Gefahr einer Vervielfältigung der streitgegenständlichen Computerprogramme und somit einer widerrechtlichen Verletzung des Ver-vielfältigungsrechts der Klägerin (§§ 94, 16 UrhG).
126##blob##nbsp;
127Die Wiederholungsgefahr ergibt sich hinsichtlich der Verletzung des Verbreitungsrechts der Klägerin aus der festgestellten Verletzungshandlung. Für de-ren Wiederholung besteht eine tatsächliche Vermu-tung. Die Angaben des Beklagten im Ermittlungsver-fahren, daß es sich nicht gelohnt habe und er sich mit Computern seit einigen Monaten nicht mehr be-schäftige, beseitigen die Wiederholungsgefahr nicht. Dies ist in Ermangelung anderer konkreter Anhaltspunkte nur - wie im Regelfall - durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung möglich, die der Beklagte jedoch abgelehnt hat. In bezug auf die Verletzung des Vervielfältigungs-rechts der Klägerin ist zumindest Erstbegehungsge-fahr gegeben. Zwar läßt sich nicht feststellen, welche Spiele der Beklagte in der Vergangenheit vervielfältigt hat. Aus der andauernden Wiederho-lungsgefahr für die Verbreitung von Raubkopien folgt aber gleichzeitig die Gefahr ihrer Herstel-lung.
128##blob##nbsp;
1292. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatz-pflicht ist gemäß § 256 ZPO zulässig und gemäß § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit §§ 95, 94 UrhG auch begründet. Aus den vorgenannten Umständen folgt, daß der Beklagte vorsätzlich Raubkopien angeboten hat. Es besteht die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, denn aufgrund des Inserates des Beklagten im "A. M." und seiner Äußerung, es habe sich nicht gelohnt, ist wahrscheinlich, daß es je-denfalls in gewissem Umfang zum Verkauf von Raubko-pien gekommen ist, wodurch der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Die Höhe des Schadens läßt sich derzeit noch nicht beziffern, sondern hängt von der vom Beklagten zu erteilenden Auskunft ab.
130##blob##nbsp;
131Daraus ergibt sich zugleich, daß das Auskunftsver-langen der Klägerin aus § 97 Abs. 1 UrhG in Verbin-dung mit §§ 95, 94 UrhG und § 242 BGB begründet ist. Insofern hat die Klägerin ihr Begehren in der Berufungsverhandlung klargestellt.
132##blob##nbsp;
133Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Umformulierung des Klageantrags zu 3) im Beru-fungstermin rechtfertigt nicht die Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin hat ihr Klageziel, das von Anfang an auf Auskunftserteilung gerichtet war, nicht verändert.
134##blob##nbsp;
135Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar-keit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
136##blob##nbsp;
137Die Beschwer des Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.