Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 84/91
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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3Berufung und Anschlußberufung sind zulässig. Wäh-rend die Berufung in der Sache nur zu einem gerin-gen Teil Erfolg hat, ist die Anschlußberufung be-gründet.
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5I.
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7Die Berufung ist in vollem Umfang unbegründet, so-weit sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage wendet.
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9Dem Kläger steht für die Behandlung der Beklagten in der Zeit vom 15.10.1986 bis zum 19.01.1987 keine Vergütung gem. §§ 611, 612 BGB zu. Er haftet der Beklagten nämlich aus schuldhafter Verletzung des Behandlungsvertrages aus dem Jahre 1984 in entspre-chender Anwendung der §§ 280, 286, 325, 326, 242 BGB auf Schadensersatz. Die Haftung führt, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, zur Befreiung der Beklagten von der Vergütungspflicht.
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11Der Kläger hat die Beklagte im Jahre 1984 fehler-haft behandelt, indem er bei ihr die erforderliche Parodontosebehandlung nicht ausreichend und damit nicht der ärztlichen Kunst entsprechend vorgenommen hat.
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13Zwar läßt sich der Zustand des Gebisses der Beklag-ten im Jahre 1984 nicht mehr im einzelnen hinrei-chend sicher feststellen, weil die damals angefer-tigten Röntgenbilder nicht zu den Akten gereicht worden sind. Es kann dahinstehen, welche Partei die Röntgenbilder in Besitz hat. Mögliche aus der Nichtvorlage folgende Beweisnachteile für die eine oder andere Partei wären nur entscheidend, wenn die Beklagte nicht auf andere Weise einen Behandlungs-fehler des Klägers beweisen könnte. Indessen läßt sich ein Behandlungsfehler des Klägers auch ohne die Röntgenbilder feststellen. Aufgrund der Auf-zeichnungen des Klägers in der Behandlungskarte be-treffend die Beklagte für das Jahr 1984 steht fest, daß der Kläger - was im übrigen unstreitig ist - die Beklagte wegen Parodontose behandelt hat. Es fanden Zahnsteinentfernungen, Plaqueteste und die Aufklärung der Beklagten über die richtige Putz-technik statt. Es handelte sich hierbei nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. um Maßnah-men, die in die sogenannte Motivationsphase einer Parodontosebehandlung fallen. Daran schließt sich die Behandlung der Parodontose mit chirugischen Maßnahmen an. Chirugische Maßnahmen hat der Kläger aber nicht durchgeführt.
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15In seinem Ergänzungsgutachten vom 07.02.1990 (Bl. 146) führt der Sachverständige aus, die vom Kläger vorgenommenen therapeutischen Maßnahmen wiesen dar-auf hin, daß eine Parodontitis profunda im Anfangs-stadium, mindestens aber eine entzündliche Verände-rung im Gingivalrand vorhanden gewesen sei. Letztes bestreitet auch der Kläger nicht. Zur erfolgreichen Behandlung der Gingivitis reichten die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen jedoch nicht aus. Denn bei der Behandlung in den Jahren 1986/87 hat der Kläger als weitere Behandlungsmaßnahmen Curretagen vorge-nommen, die der Sachverständige aber als ungeeignet bezeichnet hat. Daraus folgt, daß die im Jahre 1984 vorgenomme Behandlung, die noch hinter der im Jahre 1986/87 durchgeführten Behandlung zurückblieb, auch dann unzureichend war, wenn bei der Behandlung im Jahre 1984 keine Parodontitis profunda, sondern nur eine entzündliche Veränderung am Gingivalrand vor-handen war. Daß die vom Kläger im Jahre 1984 durch-geführte Parodontosebehandlung unzureichend war, gesteht der Kläger auch selbst ein. Denn in seiner Stellungnahme vom 16.10.1989 zum Sachverständigen-gutachten versucht er sich für sein Versäumnis mit der Begründung zu entlasten, die Beklagte habe die von ihm damals auch für notwendig gehaltene chiru-gische Therapie als unzumutbar abgelehnt. Er selbst hielt also die chirugische Therapie für notwendig. Unterstellt man die Ablehnung der Beklagten als richtig, muß der Kläger sich fragen lassen, aus welchem Grund er nicht schon im Jahre 1984 anstelle einer chirugischen Therapie wenigstens die von ihm als richtig angesehene und in den Jahren 1986/87 angewandte Therapie der Curretagen vorgenommen hat, die er als konservative Parodontosebehandlung bezeichnet. Zumindest hierzu wäre er verpflichtet gewesen. Aber auch eine solche Behandlung hat er unterlassen. Die Feststellung des Sachverständigen, der Kläger habe die Parodontose nicht ausreichend behandelt, erweist sich somit nach dem eigenen Vor-trag des Klägers als richtig.
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17Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf beru-fen, die Beklagte habe im Jahre 1984 eine weiterge-hende Behandlung abgelehnt. Da der Arzt grundsätz-lich gegen den Willen des Patienten zu Eingriffen in dessen körperliche Integrität nicht berechtigt ist, gehört es zu den besonders bedeutungsvollen Berufspflichten des Arztes, wenn er erkennt, daß bestimmte ärztliche Maßnahmen erforderlich sind, um drohende Gesundheitsschäden von der Patientin abzu-wenden, diese mit aller Eindringlichkeit auf die Notwendigkeit der Behandlung hinzuweisen und alles Gebotene zu unternehmen, damit die Patientin ihre Weigerung aufgibt und die Einwilligung erteilt. Weigert sich der Patient, so hat der Arzt ihn auf die Gefahr seiner Weigerung aufmerksam zu machen und ihm die Folgen der unterlassenen erforderlichen Behandlung deutlich zu machen. Unterläßt er diese eindringliche Belehrung, so handelt er seiner Ver-pflichtung zur Fürsorge für den Patienten zuwider und macht sich schadensersatzpflichtig (RGRK-Nüß-gens, Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 823 Anhang II RdN. 45). Daß der Kläger die Beklagte in dieser eindringlichen Form belehrt hat, trägt er selbst nicht vor. Darüber hinaus muß er notfalls die von dem Patienten gewünschte, aber als fehlerhaft er-kannte Behandlung ablehnen.
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19Die fehlerhafte Behandlung im Jahre 1984 war ur-sächlich für die Behandlung der Beklagten durch den Kläger in den Jahren 1986/87. Daran besteht auf-grund des Gutachtens kein Zweifel. Nach Auffassung des Sachverständigen, die ohne weiteres einleuch-tet, war es nur eine Frage der Zeit, wann sich die chronische Parodontose zur Parodontitis (akut) ent-wickelte und eine weitere Behandlung erforderlich machte. Daß dieser Umstand erst im Herbst 1986 ein-trat, war zufällig. Den Einwand des Klägers, die im Jahre 1986 aufgetretene Parodontitis sei die Folge mangelnder Zahnhygiene der Beklagten gewesen, hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, widerlegt.
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21Auch mit seinem Einwand, selbst bei einer ordnungs-gemäßen Parodontosebehandlung hätte die Parodontose erneut aufbrechen können, hat der Kläger keinen Er-folg. Er beruft sich insoweit auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten. In einem solchen Fall trägt der Schädiger die Beweislast dafür, daß der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre. Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht. Er hat noch nicht einmal den Ursachenzusammenhang schlüssig dargelegt und hierfür Beweis angetreten.
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23Ob es zur Weiterbehandlung im Jahre 1986 notwendig war, 8 Kronen zu entfernen, braucht nicht entschie-den zu werden. War deren Entfernung indiziert, be-ruhte dies auf dem Behandlungsfehler aus dem Jahre 1984. Das stellt der Sachverständige ausdrücklich fest (Bl. 123). War sie nicht indiziert, war die Behandlung insofern fehlerhaft.
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25Die Beklagte hat daher Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn der Kläger die Beklagte schon im Jahre 1984 ordnungsgemäß gegen Parodontose behandelt hätte. Dann wären die Kosten der Behandlung durch den Kläger im Jahre 1986/87 nicht angefallen.
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27II.
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29Die Berufung ist bis auf einen Betrag von 367,50 DM ebenfalls unbegründet, soweit der Kläger seine Ver-urteilung aufgrund der Widerklage angreift.
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311.
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33Soweit es um die Erneuerung der Kronen geht, haftet der Kläger aus zwei Gründen.
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35Zum einen war nach der Beurteilung des Sachverstän-digen, dem der Senat folgt, das feste Eingliedern des Zahnersatzes im Jahre 1987 wegen der noch nicht abgeklungenen Parodontose nicht vertretbar. Die Auffassung, daß bei noch nicht abgeklungener Parodontose nur ein provisorischer Einsatz des Zah-nersatzes angezeigt ist, vertritt auch der Kläger selbst (Bl. 50). Daß die Parodontose noch nicht ab-geklungen war, ergibt sich aus den unabhängig von-einander zeitnah nach der Eingliederung vorgenom-menen Untersuchungen der Dr. G. und Dr. N., deren Ergebnisse in ihren Berichten vom 14.09.1988 und 31.10.1988 (Anlagenhefter) wiedergegeben werden. Danach stellte sich röntgenologisch ein starker horizontaler Knochenabbau mit vertikalen Einbrüchen im Ober- und Unterkiefer dar. Dem schließt sich der Sachverständige aufgrund der vorliegenden Röntgen-aufnahmen vom 25.02.1987 an.
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37Daß die Beklagte angeblich trotz nicht abgeklunge-ner Parodontose den festen Einsatz des Zahnersatzes wünschte, entlastet den Kläger aus den angeführten Gründen nicht.
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39Zum anderen wies nach dem Befundbericht des Dr. G. der im Januar 1987 vom Kläger eingegliederte Zahn-ersatz Mängel auf. Dr. G. stellte sowohl Fehlfunk-tionen in der zentralen Relation/Okklusion als auch in den Lateralbewegungen fest. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser zeitnah getrof-fenen Feststellungen. Wegen dieser Fehlfunktionen hätte, wie der Sachverständige feststellt, auch ei-ne Einschleiftherapie nicht zum Erfolg geführt.
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412.
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43Die daraus gezogene Schlußfolgerung des Sachver-ständigen, die Behandlung des Dr. G. hätte es nicht gegeben, wenn der Kläger die Beklagte nach den Re-geln der Zahnheilkunde behandelt hätte, die gesamte Leistungspalette des Dr. G. sei daher notwendig gewesen, geht allerdings zu weit. Die chirugischen Parodontosemaßnahmen wären auch bei ordnungsgemäßer Behandlung angefallen und zu vergüten gewesen. Aus der Rechnung vom 17.11.1987 ist daher die Position 110 b Parodontal-OP 16-26, 36, herauszunehmen. Bei Ansatz einer 3,5-fachen Gebühr entfallen hierauf 3,5 x 10 = 35,-- DM x 10 = 350,-- DM + Position 111 = 17,50 DM, insgesamt 367,50 DM. Daß weitere "Ohne-hin" Kosten entstanden wären, trägt der Kläger sub-stantiiert nicht vor.
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45Daß der Kläger auf die Behandlung im Jahre 1986/87 von der Beklagten 5.000,-- DM Akonto erhalten hat, hindert den Abzug nicht, da die Beklagte hieraus nur herleitet, daß sie ihm für seine Behandlung je-denfalls nichts mehr schulde.
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47Die Erstattungsleistung der privaten Krankenkasse braucht sich die Beklagte nicht im Wege der Vor-teilsausgleichung anrechnen zu lassen, da die Kran-kenversicherung eine Schadensversicherung ist und die Schadensersatzforderung der Beklagten gegen den Kläger gem. § 67 VVG auf die private Krankenver-sicherung übergeht (BGH Z 52, 352). Da der Kläger aber die Aktivlegitimation der Beklagten nicht bestreitet, erübrigt sich, die Frage der Erstattung weiter aufzuklären.
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49Das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,-- DM, das der Kläger wegen der fehlerhaften Behandlung gem. §§ 823 Abs. 1, 847 BGB schuldet, ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Betrag, den der Senat in ver-gleichbaren Fällen zuerkannt hat.
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51III.
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53Die Anschlußberufung - Verzinsung des Schmerzens-geldbetrages ab 18.03.1988 - ist aus §§ 288, 291 BGB begründet.
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55IV.
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57Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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59Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.069,92 DM ;
60Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,-- DM.
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Referenzen
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