Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 22 U 150/91
Tenor
1
T a t b e s t a n d :
23
Der Kläger begehrt Feststellung der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen fristlosen Kündi-gung seines Anstellungsvertrages.
45
Die am 1. Juni 1986 gegründete Beklagte ist ein Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Herstel-lung und dem Vertrieb sowie der Ein- und Ausfuhr von Schokoladenerzeugnissen und sonstigen Süßwaren befaßt. Hauptgesellschafterin (80 %) ist die Fir-ma L. & S. AG in K./Z./S. ; 20 % des 30.000.000,-- DM betragenden Stammkapitals hält die deutsche "Beteiligungs- und Vermögensanla-gegesellschaft Prof. L. Unternehmenstreuhand KG A. ". Bei der Beklagten handelt es sich um eine mitbestimmte GmbH im Sinne der §§ 77, 106 des Betr-VerfG. Gemäß Artikel 11.1 des Gesellschaftsvertra-ges in der derzeit gültigen Fassung vom 15. Dezem-ber 1987 hat die Gesellschaft einen Beirat, der in allen wesentlichen Fragen der Unternehmenspolitik entscheidet und das Recht hat, der Geschäftsführung allgemeine Weisungen zu erteilen. Wegen der weite-ren Einzelheiten der gesellschaftsvertraglichen Re-gelungen wird auf den Gesellschaftsvertrag Anla-ge B 1 Bezug genommen.
67
Der Kläger war seit Beginn des Bestehens der Be-klagten Mitglied der aus drei Personen bestehenden Geschäftsführung; er war Sprecher der Geschäfts-führung. Grundlage seiner Anstellung war zunächst der Geschäftsführervertrag vom 30. Juli/16. Au-gust/19. August 1985 (Bl. 235 ff d.A.), gültig bis 31. Dezember 1990, einschließlich des das Wettbewerbsverbot beinhaltenden Zusatzvertrages vom 15. Dezember 1989. An die Stelle dieses Vertrages trat mit Wirkung vom 1. Januar 1991 der Geschäfts-führervertrag vom 15. Dezember 1989 (Bl. 20 - 29 d.A.). Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Vertragspartner im einzelnen wird auf den Inhalt der genannten Verträge Bezug genommen.
89
Mit Schreiben vom 5. November 1990 (Bl. 30, 31 d.A.) kündigte die Beklagte den Anstellungsvertrag mit dem Kläger fristlos. Eine vom Kläger verlangte schriftliche Begründung der Kündigung (vgl. dessen Schreiben vom 12. November 1990, Bl. 32, 33 d.A.) enthielt das von der Beklagten an den Kläger ge-richtete Schreiben vom 14. November 1990 (Bl. 34-37 d.A.). Die Beklagte sah sich veranlaßt, das Anstel-lungsverhältnis wegen aus ihrer Sicht nicht mehr möglicher vertrauensvoller Zusammenarbeit zu kündi-gen. Die Erschütterung dieses Vertrauensverhältnis-ses erblickte die Beklagte darin, daß der Kläger eine Durchschrift eines an den Beirat gerichteten Schreibens der Geschäftsführung vom 10. September 1990 (Anlage B 10) an Herrn Sp , den Vor-sitzenden des Betriebsrats und des Wirtschaftsaus-schusses sowie Arbeitnehmervertreter im Aufsichts-rat der Beklagten, weitergeleitet hatte. Wirt-schaftlicher Hintergrund der Geschehnisse ist fol-gender:
1011
In der ersten Hälfte des Jahres 1990 wurden im Rahmen des Konzerns, dem die Mehrheitsgesellschaf-terin der Beklagten angehört, Überlegungen ange-stellt, die Tafelproduktion aus dem A. er Werk in ein der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten nahestehendes Unternehmen (Tochtergesellschaft) in die P. nach O./F. zu verlegen. Dieser "Tafeltransfer" bedeutete den Wegfall von 36 Arbeitsplätzen bei der Beklagten. Über die wirt-schaftliche Bedeutung dieser Maßnahme fanden einge-hende Diskussionen zwischen Beirat und Geschäfts-führung statt. Ebenso kam es in Erfüllung der be-triebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu Un-terredungen mit dem Wirtschaftsausschuß und dem Betriebsrat, die ihrerseits Unterstützung der Ge-werkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (" ") in An-spruch nahmen (vgl. hierzu die Anlagen B 2 bis B 7 zur Klageerwiderung). Trotz der von der Geschäfts-führung vorgetragenen Bedenken gegen die Verlegung der Tafelproduktion sicherte diese spätestens im August/September 1990 (vgl. Anlagen B 8 und B 9 zur Klageerwiderung) "loyale" Durchführung des Pro-jektes zu. Vor der am 14. September 1990 stattfin-denen Sitzung des Beirates, in der über das Projekt "Tafelverlegung O. " beschlossen werden sollte, faßte die Geschäftsführung in ihrem an den Beirat gerichteten Schreiben vom 10. September 1990 ( Anlage B 10 zur Klageerwiderung) die Gesichtspunkte zusammen, die gegen die Verlegung der Tafelproduk-tion sprachen und führte in den Punkten 3. und 8. auch mögliche Reaktionen der Arbeitnehmerschaft und der Gewerkschaft auf. Eine Durchschrift dieses Schreibens übergab der Kläger am 13. September 1990 Herrn Sp , dem Vorsitzenden des Betriebsrates und des Wirtschaftsausschusses sowie Arbeitnehmer-vertreter im Aufsichtsrat der Beklagten. Dies ge-schah mit dem ausdrücklichen Hinweis, das Schreiben persönlich und vertraulich zu behandeln.
1213
Nachdem die Gewerkschaft für den 2. November 1990 wegen der "Tafelverlegung O. " eine De-monstration bei der Mehrheitsgesellschafterin in K./S. angekündigt hatte, war dieses ge-plante Vorhaben auch Gegenstand einer am 22. Okto-ber 1990 stattfindenden Besprechung des sogenannten G.C. , eines Gremiums, in dem die engere Geschäftsleitung der Mehrheitsgesellschafterin und Vertreter der Geschäftsführung ihrer deutschen, französischen und italienischen Tochter- bzw. Be-teiligungsgesellschaften gemeinsam interessierende Fragen erörtern. Im Rahmen dieser Zusammenkunft be-richtete der Kläger dem Beiratsvorsitzenden, Herrn R. , davon, daß er Herrn Sp eine Durch-schrift des an den Beirat gerichteten Schreibens der Geschäftsführung vom 10. September 1990 überge-ben habe.
1415
Auf diese Weiterleitung einer Durchschrift des vor-bezeichneten Schreibens an den Beirat vom 10. Sep-tember 1990 an Herrn Sp hat die Beklagte ih-re fristlose Kündigung gestützt. Daneben hat sie im Schreiben vom 14. November 1990 (Bl. 34, 37 d.A.) darauf hingewiesen, es handele sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art, sondern er sei symptoma-tisch für das Verhalten des Klägers gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin und dem Beirat.
1617
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die frist-lose Kündigung sei nicht wirksam. Mit der Weiter-leitung einer Kopie des an den Beirat gerichteten Schreibens habe er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, und zwar einmal im Hinblick auf die Einbindung der Arbeitnehmervertretung in das Projekt und die Information des Wirtschaftsaus-schusses gemäß § 106 Betriebsverfassungsgesetz, zum anderen habe er einer Haftung der Geschäftsführung für zu erwartende Verluste vorbeugen wollen, indem darauf hingewiesen worden sei, daß die Geschäfts-führung auf ausdrückliche Weisung des Beirats ge-handelt habe. Der Kläger hat behauptet, er habe am 22. Oktober 1990 Herrn R. von sich aus von der Weitergabe des Schreibens an Herrn Sp berichtet. Er habe auch nicht versucht, Herrn R. zu veranlassen, diese Information nicht weiterzugeben.
1819
Der Kläger hat beantragt,
2021
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 5. November 1990 beendet ist.
2223
Die Beklagte hat beantragt,
2425
die Klage abzuweisen.
2627
Die Beklagte hat die fristlose Kündigung für gerechtfertigt gehalten. Sie hat die Auffassung vertreten, die unzulässige Weitergabe des Schrei-bens an Herrn Sp sei Beweis für einen "Haus-macht-Opportunismus" des Klägers, bei der er sich die Opposition der Sozialpartner zu der geplanten Maßnahme zunutze gemacht habe. Ein solches Verhal-ten stelle einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der die Vertrauensbasis zerstört habe und eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten unzumutbar mache. Daß der Kläger selbst die Weitergabe des Schreibens als Pflichtverletzung angesehen habe, ergebe sich daraus, daß er sie erst auf entsprechende Frage des Beiratsvorsitzenden Herrn R. eingeräumt habe und hierbei sicht-lich erregt gewesen und stark erörtet sei. Schließ-lich habe er Herrn R. dahingehend zu beein-flussen versucht, er dürfe das Wissen über die Wei-tergabe des Schreibens nicht weiterverbreiten .
2829
Durch Urteil vom 10. Mai 1991 hat das Landgericht festgestellt, daß das zwischen den Parteien be-stehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 5. November 1990 beendet sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil ein Grund für ihren Ausspruch nicht bestanden habe. Die Weiterleitung einer Durchschrift des an den Beirat gerichteten Schreibens der Geschäftsführung vom 10. September 1990 an Herrn Sp durch den Kläger stelle keinen solchen Grund dar. Zwar seien bei der Bewertung des Verhaltens eines Geschäftsführers, insbesondere eines Sprechers der Geschäftsführung, strenge Maßstäbe anzulegen. Zu berücksichtigen sei jedoch, daß es sich bei der Beklagten um eine mitbestimmte GmbH nach deutschem Recht handele. Trotz der auch in einer mitbestimm-ten GmbH grundsätzlich bestehenden Weisungskompe-tenz der Gesellschafter könne sich ein Konflikt zwischen der Folgepflicht des Geschäftsführers und seiner aus dem Mitbestimmungsgesetz herzuleitenden Verantwortlichkeit gegenüber dem Unternehmen selbst ergeben. Der vom Kläger im konkreten Fall für die Lösung dieses Konfliktes eingeschlagene Weg stelle keinen Grund zu einer fristlosen Kündigung dar. Neben der berechtigten Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen seien, wie sich aus dem Inhalt des Schreibens vom 10. September 1990 ergebe, wohl erwogene Unternehmensinteressen der Beklagten Grund für die Geschäftsführung gewesen, sich gegen den in Aussicht gestellten Tafeltransfer nach Frank-reich auszusprechen. Diese noch einmal zusammenzu-fassen, stelle keinen Widerspruch zu der von der Geschäftsführung und auch vom Kläger zugesicherten "Loyalität" dar. In der Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 an Herrn Sp , dem als Vorsitzenden der Mitbestimmungsgremien die Gesamtproblematik nicht nur bekannt, sondern mit dem sie auch erörtert worden sei, könne ein "Haus-macht-Opportunisumus" nicht gesehen werden. Darin dokumentiere sich vielmehr die Verantwortlichkeit gegenüber dem Unternehmen und die unternehmerische Einstellung des Klägers. Erfolgreiche Intention des Klägers sei es ersichtlich gewesen, mit der Weiter-leitung einer Kopie des an den Beirat gerichteten Schreibens an Herrn Sp als Vorsitzenden und Vertreter in den Mitbestimmungsgremien Einfluß auf diese zu nehmen und von diesen bereits erwogene Gegenmaßnahmen zu verhindern und damit zum Wohle des Unternehmens auf die Arbeitnehmerschaft Einfluß zu nehmen. Unerheblich sei, ob der Kläger die Weiterleitung des Schreibens von sich aus gegenüber dem Beiratsmitglied Herrn R. eingeräumt habe und in welcher inneren Verfassung der Kläger sich hierbei befunden habe. Für die Beurteilung der Frage eines wichtigen Kündigungsgrundes komme es ausschließlich auf den Grund selbst an und nicht darauf, wie der Betroffene sich später dazu stelle. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, der Kläger habe auch durch sein früheres Verhalten einen Mangel an Offenheit gezeigt, könne dieser nicht nä-her konkretisierte Vortrag die fristlose Kündigung ebenfalls nicht stützen, abgesehen davon, daß eine darauf gestützte Kündigungserklärung auch verspätet sei.
3031
Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzli-chen Entscheidung wird auf die Gründe des erstin-stanzlichen Urteils Bl. 130, 136 ff d.A. Bezug ge-nommen.
3233
Gegen dieses ihr am 16. Mai 1991 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juni 1991, eingegangen am 14. Juni 1991 Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 6. September, einge-gangen am 11. September 1991 nach entsprechender Fristverlängerung begründet hat.
3435
Die Beklagte wiederholt und vertieft zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie rügt insbesonde-re, das erstinstanzliche Urteil habe Vorgeschich-te, Begleitumstände und spätere Rechtfertigung der Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 durch den Kläger nicht ausreichend berücksichtigt. Ob und inwieweit das Vertrauensverhältnis zerstört sei, könne nur bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände festgestellt werden. Das erstinstanzliche Urteil habe im übrigen einseitig die vom Kläger an-gegebene Motivation, er habe mit der Weitergabe des Schreibens auf die Mitbestimmungsgremien zum Wohl des Unternehmens mäßigenden Einfluß nehmen wollen, unterstellt, obwohl die Beklagte dies substantiiert bestritten habe. Da das Schreiben vom 10. September 1990 nicht Gründe für, sondern ausschließlich gegen die Verlagerung der Tafelproduktion aufgeführt ha-be, die unternehmerische Entscheidung daher in dem Schreiben verworfen werde, sei es nicht zu vertre-ten, hierin einen Versuch zu sehen, die Arbeitneh-merschaft zur Aufgabe ihres Widerstandes zu bewe-gen. Das Unterbleiben der geplanten Demonstration der Belegschaft sei im übrigen nicht der Weiter-leitung des Schreibens vom 10. September 1990 zuzu-schreiben, vielmehr sei Grund hierfür gewesen, daß in einem Gespräch am 26. Oktober 1990 in D. strittige Fragen zwischen Beirat, Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft hätten geklärt werden können, weil Beirat und Geschäftsführung u.a. die Erklärung abgegeben hätten, daß die Verla-gerung der W + T- Anlage auf Anfang 1992 verschoben werde und keine Entlassungen aus diesem Anlaß er-folgen würden. Entgegen der Auffassung des erstin-stanzlichen Urteils komme es sehr wohl auch auf die innere Verfassung an, in der der Kläger sich befun-den habe, als er die Weiterleitung des Schreibens vom 10. September eingeräumt habe. Das hierbei ge-zeigte Verhalten lasse Schlußfolgerungen darauf zu, daß der Kläger sich selbst einer Pflichtverletzung schuldig gefühlt habe. Im übrigen sei hierdurch und durch den Versuch des Klägers, eine Weitergabe des Vorfalls zu verhindern, das Vertrauensverhältnis weiter zerstört worden. Angesichts der hinter dem Rücken des Beirats vertraulich/persönlich erfolgten Weitergabe des Schreibens sei unter Berücksichti-gung sämtlicher Umstände für die Beklagte keinerlei Vertrauensbasis mehr für eine Weiterarbeit mit dem Kläger gegeben gewesen, zumal eine fristgerechte Beendigung des Anstellungsverhältnisses erst zum 31. Dezember 1995 möglich gewesen sei. Darüber hinaus sei von Bedeutung, daß es sich nicht um die erste Störung im Vertrauensbereich gehandelt habe. Anfang 1990 habe die Beklagte sich mit dem Problem konfrontiert gesehen, die ausreichende Beliefe-rung mit Schokoladen-Hohlkörpern für Ostern 1991, (Ostereier, Osterhasen etc.) sicherzustellen. Der Kläger habe gegenüber Beirat und dem Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin angegeben, daß der Lohn-verarbeitungsvertrag mit der L. Schokolade GmbH nur bis 1990 laufe und deshalb für 1991 so schnell wie möglich eine Lösung gefunden werden müsse. Dar-aufhin seien verschiedene Alternativen geprüft und es sei in der Geschäftsleitungssitzung am 24. Janu-ar 1990 unter starkem zeitlichen Druck beschlossen worden, eine neue Hohlkörperanlage zu kaufen. Ob-wohl der Kläger bereits am 22. Januar 1990 gewußt habe, daß die Firma L. zur Weiterbelieferung der Beklagten bereit gewesen sei, habe er hier-von erst am 1. Februar 1990 das Beiratsmitglied Herrn G. informiert. Hierdurch seien dem Beirat und dem Vertreter der Mehrheitsgesellschaf-terin entscheidungserhebliche Informationen vorent-halten worden. Dies habe der Präsident des Verwal-tungsrates der Mehrheitsgesellschafterin, Herr Dr. S. , zum Anlaß einer Ermahnung des Klägers genommen (vgl. Anlage B 11).
3637
Ebenfalls bereits Anfang 1990 habe der Kläger eigenmächtig das Mandat mit Herrn Rechtsanwalt G. gekündigt, der der langjährige Marken-rechtsanwalt der Beklagten und deren Mehrheitsge-sellschafterin gewesen sei. Hierzu sei der Kläger nicht befugt gewesen, da die Verantwortlichkeit und die Betreuung der für die Mehrheitsgesellschafterin eingetragenen Warenzeichen dieser durch den Dienst-leistungsvertrag vom 3. April 1987 (vgl. Bl. 222 ff d.A.) übertragen worden sei. Danach habe der Mehr-heitsgesellschafterin die gesamte Administration der der Beklagten nach dem Lizenzvertrag (Bl. 325 ff d.A.) obliegenden Warenzeichenbetreuung sowie die Beratung in den übrigen Rechtsbereichen oble-gen. Erst unmittelbar nach der eigenmächtigen Kün-digung des Mandats von Herrn Rechtsanwalt G. und ohne vorherige Einschaltung seiner Mitge-schäftsführer habe der Kläger ein Beiratsmitglied hiervon in Kenntnis gesetzt. Auch dieser Vorfall sei Ausdruck der Hausmachtpolitik des Klägers, der ganz offensichtlich versucht habe, Herrn G. , der über einen "guten Draht" zur Mehrheitsgesell-schafterin verfüge, durch einen Anwalt zu ersetzen, zu dem das Stammhaus keine näheren Beziehungen besitze, wohl aber der Kläger . Mit Schreiben vom 8. März 1990 an den Kläger (vgl. Bl. 244 d.A.) habe der Präsident des Verwaltungsrats der Mehrheitsge-sellschafterin der Beklagten, Herr Dr. S. , nochmals sein völliges Unverständnis für das Ver-halten des Klägers zum Ausdruck gebracht und den Kläger ermahnt. Die Beklagte ist der Ansicht, sämt-liche der geschilderten Vorfälle hätten kündigungs-rechtliche Relevanz. Sie könnten zur Beurteilung des wichtigen Grundes herangezogen werden, weil sie in innerem Zusammenhang mit den innerhalb der Aus-schlußfrist bekannt gewordenen Vorgängen stünden.
3839
Die Beklagte beantragt,
4041
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts A. vom 10. Mai 1991 - 42 O 235/90 - die Kla-ge abzuweisen.
4243
Der Kläger beantragt,
4445
die Berufung zurückzuweisen.
4647
Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt zunächst zu den Vorfällen Anfang 1990 vor, es sei damals zwischen der Geschäftsführung der Beklagten und dem Beirat Übereinstimmung erzielt worden, den Lohn-produktionsvertrag mit der Firma L. Schokolade GmbH über die Hohlkörperproduktion vorzeitig zu beenden und in A. eine eigene Produktionsanlage zu schaffen. Der Präsident des Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten habe demge-genüber die Idee verfolgt, die Hohlkörper künftig bei der italienischen L.-Schwesterfirma produ-zieren zu lassen. Eine Weiterführung der Produktion bei der Firma L. sei jedenfalls nicht erwünscht gewesen. Die kurzfristig während des Entscheidungs-prozesses eingegangene Information seitens der Fir-ma L. , die Lohnproduktion könne weitergeführt werden, sei daher nicht relevant für die zu tref-fende Grundsatzentscheidung gewesen. Dies sei schon daraus ersichtlich, daß der Beschluß über die Inve-stition, die noch nicht durchgeführt worden sei, in Kenntnis der längeren Bezugmöglichkeit von der Fir-ma L. mühelos hätte wiederrufen werden können, was - unstreitig - nicht geschehen sei.
4849
Hinsichtlich des Anwaltswechsels sei es einstim-miger Beschluß der Geschäftsführung der Beklagten gewesen, einen solchen Anwaltswechsel vorzunehmen. Dies habe auch in der Kompetenz der Geschäftsfüh-rung der Beklagten gelegen, wie sich aus dem Li-zenzvertrag ergebe. Tatsächlich habe auch aufgrund des Dienstleistungsvertrages die Mehrheitsgesell-schafterin nicht die gesamte Warenzeichenbetreuung und Beratung in den übrigen Rechtsbereichen für die Beklagte übernommen. Im übrigen sei es zu einer Verstimmung wegen dieses Vorfalls, ebenso wie wegen der Angelegenheit Hohlkörperanlage, nur mit dem Präsidenten des Verwaltungsrats der Mehrheitsge-sellschafterin, nicht aber mit den zuständigen Or-ganen der Beklagten gekommen. Weder der Beirat der Beklagten noch die Gesellschafterversammlung noch der Aufsichtsrat hätten Veranlassung gesehen, dem Kläger einen Tadel auszusprechen. Der Kläger ist im übrigen der Ansicht, seine erheblichen Leistungen und Erfolge in der Firma der Beklagten seien bei der Bewertung der Vorfälle zu berücksichtigen.
5051
Zur Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 wiederholt der Kläger im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hebt insbesondere hervor, daß stets seine vertrauensvolle Zusammen-arbeit mit dem Betriebsratsvorsitzenden und das harmonische Verhältnis zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung für die Beklagte günstig gewesen seien. Das bestehende Vertrauen habe der Kläger dadurch erhalten und bestätigt, daß er Herrn Spi. vertraulich über den Inhalt des Schrei-bens vom 10. September 1990 informiert und damit deutlich gemacht habe, daß alle Argumente auch des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses wirk-lich zur Kenntnis des zuständigen Gremiums gebracht worden seien.
5253
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Par-teien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen, die Gegenstand der münd-lichen Verhandlung gewesen sind.
5455
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
5657
I.
5859
Die form- und fristgerechte eingelegte und im übri-gen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sa-che keinen Erfolg.
6061
Die Klage ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis ist nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 5. November 1990 beendet worden.
6263
Ein wichtiger Grund für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses bestand nicht.
6465
Angesichts der hervorgehobenen Stellung des Klä-gers als Geschäftsführer der beklagten GmbH kann ein wichtiger Grund zur Kündigung zwar auch in einem schweren Vertrauensbruch oder einem sonstigen Treueverstoß liegen (vgl. Baumbach-Zöllner GmbH-Ge-setz, § 35 Rdn. 116). Dabei kann je nach Schwere des Verstoßes nur ein Verstoß genügen, es können aber auch mehrere Pflichtverletzungen, die zu einem Gesamtverhalten zusammengefaßt werden können und sozusagen als Glieder einer Kette anzusehen sind, in ihrer Gesamtheit einen Kündigungsgrund darstellen. Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt in einem derartigen Fall mit dem letzten Vorfall, der ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bildet, die zum Anlaß der Kündigung genommen werden (Münchener Kommentar - Schwerdner § 626 Rdn. 200, 187).
6667
Ein derartiger, angesichts der Stellung das Klägers notwendige Vertrauensverhältnis erschütternder und die Beklagte zur Kündigung berechtigender Grund lag jedoch weder in der Weitergabe des an den Beirat gerichteten Schreibens der Geschäftsführung vom 10. September 1990 an Herrn Sp für sich gesehen noch im Zusammenwirken mit den von der Be-klagten vorgetragenen Vorfällen Anfang 1990.
6869
1.)
7071
In der Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 durch den Kläger an den Vorsitzenden des Be-triebsrats und des Wirtschaftsausschusses kann eine Pflichtverletzung, die geeignet gewesen wäre, das Vertrauen der Beklagten zu zerstören, nicht gesehen werden.
7273
Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob subjektiv die Beklagte, einer ihrer Gesellschafter oder der Beirat dieses Verhalten als vertrauenszerstörend empfunden hat, vielmehr ist entscheidend, ob dieses Verhalten objektiv geeignet war, aus der Sicht der Gesellschaft die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger zu entziehen (vgl. Scholz GmbH-Gesetz § 38 Rdn. 52).
7475
a)
7677
Das Verhalten des Klägers war allerdings, wie das Landgericht zutreffend ausführt, nicht bereits des-halb gerechtfertigt, weil die Übergabe des Schrei-bens an den Vorsitzenden des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses durch den Kläger etwa in Er-füllung der Verpflichtung gegenüber dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß nach §§ 106, 111 Be-triebsverfassungsgesetz erforderlich gewesen wäre. Hiergegen spricht bereits die persönlich/vertrauli-che Aushändigung des Schreibens an Herrn Sp , die auf eine Information des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses gerade nicht abzielte. Im übrigen war der Inhalt des Schreibens mit den darin enthaltenen Informationen bereits Gegenstand der Beratungen mit dem Wirtschaftsausschuß und dem Be-triebsrat gewesen. Auch zur Vermeidung einer etwai-gen Haftung des Klägers konnte die Weitergabe des Schreibens nicht dienen noch ist ersichtlich, daß sie zu diesem Zweck erfolgte, wie das Landgericht gleichfalls überzeugend ausgeführt hat. Unabhängig davon war die Weitergabe des Schreibens jedoch weder geeignet, der Beklagten einen Nachteil zuzu-fügen noch konnte sie berechtigterweise Zweifel der Beklagten oder eines ihrer Organe an der Loyalität des Klägers wecken noch den Verdacht der "Kumpanei" mit dem Betriebsrat oder den der "Hausmacht-Poli-tik" begründen.
7879
Aufgrund des Inhalts des Schreibens vom 10. Sep-tember 1990 wurden durch dessen Weitergabe dem Betriebsratsvorsitzenden weder neue Informationen noch zusätzliche Argumente und Bedenken gegen das Projekt Tafeltransfer übermittelt. Sämtliche in dem Schreiben enthaltenen Fakten, Argumente und Beden-ken der Geschäftsführung hatte diese nicht nur dem Beirat gegenüber, sondern auch dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß gegenüber geäußert bzw. mit diesem besprochen. Insbesondere die in dem Schrei-ben angesprochenen zu erwartenden Gegenmaßnahmen des Betriebsrats bzw. der Belegschaft und die Ausführungen, es sei nicht gelungen, das Projekt überzeugend darzustellen, stellen Fakten dar, deren Richtigkeit die Beklagte nicht angegriffen hat. Die Beklagte hat sich auch nicht, - ebenso wenig wie der Beirat im Zusammenhang mit der Entscheidung und Vorbereitung des Projekts -, dagegen gewandt, daß die Geschäftsführung und der Kläger als deren Sprecher Bedenken gegen die Verlagerung der Tafel-produktion geäußert und diese mit dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß erörtert hatten. Ins-besondere dem Beirat war aufgrund der Übersendung des Protokolls der Sitzung des Wirtschaftsausschus-ses mit Telefax vom 12. September 1990 bekannt, daß der Kläger im Wirtschaftsausschuß Bedenken der Geschäftsführung des A. er Unternehmens aus rein lokaler Sicht geäußert und mitgeteilt hatte, daß diese von einer Verlagerung abgeraten habe, wenn es auch andere Gesichtspunkte gebe, die er vertreten könne und akzeptieren müsse (Bl. 7 des Protokolls der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses vom 4. September 1990, Anlage B 7). Diese Bedenken waren auch aus der Sicht des A. er Unternehmens der Beklagten nicht unberechtigt. Die - für das A. er Unternehmen - einschneidende Maßnahme lag ersichtlich jedenfalls in erster Linie im Interesse des Konzerns bzw. der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten. Demgegenüber war der Kläger als Ge-schäftsführer der Beklagten jedenfalls auch gehal-ten, die Interessen der Beklagten im Hinblick auf Gewinnmaximierung und Erhaltung von Arbeitsplätzen zu vertreten.
8081
Auch die Aufrechterhaltung der von der Geschäfts-führung geäußerten Bedenken in dem an den Betriebs-ratsvorsitzenden weitergegebenen Schreiben vom 10. September 1990 ließ aus der Sicht der Beklagten vernünftigerweise keine berechtigten Zweifel an der Loyalität des Klägers zu. Die vom Kläger bereits Ende August 1990 zugesagte Loyalität bei der Durch-führung einer Entscheidung zugunsten der Verlage-rung war stets und von vornherein unter Aufrecht-erhaltung der Bedenken erklärt worden. Sowohl der Entwurf des Klägers über die Fassung des Protokolls über die spätere Beiratssitzung vom 27. August 1990 (Anlage B 8) als auch der vom Kläger unter dem 6. September 1990 abgestimmte überarbeitete Entwurf der Fassung des Protokolls (Anlage B 9) enthalten die Feststellung, daß die Geschäftsführung auch noch zum Zeitpunkt der Beschlußfassung Bedenken gegen den sogenannten Tafeltransfer geltend gemacht hatte und nehmen, und zwar insbesondere auch der Entwurf vom 27. August 1990, - Bezug auf ein von der Geschäftsführung hierzu aufgesetztes Schreiben. Offenbar in der sicheren Erwartung, daß die Ver-lagerung der Tafelproduktion und der Produktions-anlagen von A. nach O. trotz der Bedenken vom Beirat beschlossen werden würde, beinhalten die Protokollentwürfe am Ende die Zusicherung der Geschäftsführung, das beschlossene Projekt loyal und zügig durchzuführen. Angesichts dessen konnte es für die Beiratsmitglieder in keiner Weise über-raschend sein, daß die Geschäftsführung in einem Schreiben ihre Bedenken nochmals zusammenfassen würde. Eine Aufgabe der Bedenken der Geschäfts-führung konnte die Beklagte neben der zugesagten Loyalität nicht verlangen und hat sie, wie die Ab-stimmung des Protokolls mit dem Beirat gezeigt hat, auch nicht erwartet.
8283
Angreifbar könnte das Verhalten des Klägers daher nur unter dem Aspekt sein, daß durch die Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 an den Be-triebsratsvorsitzenden diesem deutlich gemacht wur-de, daß die Geschäftsführung ihre Bedenken auch in der entscheidenden Sitzung des Beirats aufrechter-halten hatte. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt ist weder der Verdacht der Illoyalität noch der der "Kumpanei" mit dem Betriebsrat und des Versuchs des Klägers, sich zusammen mit dem Betriebsrat eine "Hausmacht" zu verschaffen, berechtigt. Auch ohne die Weitergabe des entsprechenden Schreibens bestand weder für den Betriebsratsvorsitzenden noch für den Betriebsrat oder den Wirtschaftsausschuß Anlaß zu der Annahme, die Geschäftsführung werde bei einer etwaigen Entscheidung für die Verlagerung der Produktion über die von ihr stets bekundete Loyalität hinaus ihre Bedenken aufgeben. Vielmehr konnte die Weitergabe des Schreibens vom 10. Sep-tember 1990 durch den Kläger aus der Sicht des Be-triebsratsvorsitzenden offensichtlich lediglich als Beleg dafür dienen, daß der Kläger entsprechend seiner Zusage in der Sitzung des Wirtschaftsaus-schusses vom 4. September 1990 die dort erörterten Bedenken auch tatsächlich in der Beiratssitzung vorgetragen hatte. Sinn der Weitergabe des Schrei-bens war bei objektiver Würdigung sämtlicher Um-stände erkennbar die Stärkung des Vertrauens des Betriebsratsvorsitzenden in die Redlichkeit der Ge-schäftsführung. Hieran mußte und durfte der Kläger, der bereits bei der Abstimmung des Protokolls über die entscheidende Beiratssitzung davon ausging, daß die Verlagerung der Tafelproduktion beschlossen werden würde, auch im Interesse des Wohlergehen des Unternehmens der Beklagten ein erhebliches In-teresse haben. Die Durchführung der Verlagerung der Tafelproduktion mit ihren einschneidenden Auswir-kungen auf die Belegschaft, insbesondere wegen des hiermit verbundenen Wegfalls von Arbeitsplätzen, oblag (auch) der Geschäftsführung. Eine Konfronta-tion mit der Belegschaft bzw. dem Betriebsrat, die bereits einschneidende Gegenmaßnahmen angekündigt hatten, zu vermeiden, war nicht nur im Interesse der Geschäftsführung und des Klägers geboten, son-dern auch und gerade im Interesse der Beklagten. Die Weitergabe des Schreibens an den Betriebs-ratsvorsitzenden war jedenfalls bei objektiver Betrachtungsweise eher geeignet, mäßigend auf den Betriebsratsvorsitzenden und mittelbar über diesen auf den Betriebsrat und die Belegschaft einzuwirken und diese von etwa geplanten Aktionen abzuhalten. Dabei konnte der Kläger durch die vertraulich/per-sönliche Weitergabe des Schreibens an den Betriebs-ratsvorsitzenden davon ausgehen, daß das Schreiben im Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuß nicht Anlaß zu agitatorischen Maßnahmen geben wurde. Die per-sönlich/vertrauliche Übergabe des Schreibens deutet demgegenüber nicht etwa auf eine Kumpanei des Klä-gers mit dem Betriebsratsvorsitzenden hin, sondern diente nach den gesamten Umständen ersichtlich nur der Beschränkung des Empfängerkreises. Aus der Sicht der Beklagten bestanden aufgrund der Weiter-gabe des Schreibens an den Betriebsratsvorsitzenden keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger sich mit dem Betriebsratsvorsitzenden verbünden wollte, um - entgegen seiner Zusicherung - eine zügige und loyale Durchführung des Projekts zu verhindern oder zu erschweren.
8485
Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Beklagten tatsächlich ein Nachteil durch die Weitergabe des Schreibens entstanden ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die Planungen zu der Demonstration in Kilchberg hierdurch initiiert oder auch nur be-stärkt worden sind. Ob - im Gegenteil - das Verhal-ten des Klägers und das Vertrauen des Betriebsrats-vorsitzenden in diesen zur Verhinderung der Demon-stration mit beigetragen hat, kann demgegenüber da-hinstehen.
8687
b)
8889
Auch in Verbindung mit der von der Beklagten behaupteten Reaktion des Klägers in der Sitzung vom 22. Oktober 1990 kann der Vorgang der Weiterga-be des Schreibens an den Betriebsratsvorsitzenden nicht als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung angesehen werden. Die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten unterstellt kann hierin bei objektiver Betrachtungsweise kein Schuldeingeständnis gesehen werden, sondern allenfalls der vom Kläger zum Ausdruck gebrachte Wunsch, die Angelegenheit nicht ausufern zu lassen. Eine hierin möglicherweise aus der Sicht der Beklagten liegende Ungeschicklichkeit des Klägers rechtfertigt auch in Verbindung mit den übrigen Umständen jedenfalls keine fristlose Kün-digung.
9091
2.)
9293
Die von der Beklagten vorgetragenen Vorfälle Anfang 1990 im Zusammenhang mit der Hohlkörperproduktion und der Kündigung des Mandats von Herrn Rechtsan-walt G. stellen weder für sich gesehen noch im Zusammenhang mit der Weitergabe des Schreibens vom 10. September 1990 einen Grund für die angebli-che Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten bzw. dem Beirat dar, der eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger un-zumutbar gemacht hätte.
9495
a)
9697
Das Vorbringen der Beklagten unterstellt, ist nicht ersichtlich, daß im Zusammenhang mit der Beschlußfassung über die Anschaffung der Anlage zur Hohlkörperfertigung die Information durch den Kläger über die Möglichkeit der Weiterbelieferung durch die Firma L. Schokolade GmbH relevant war oder aus der Sicht des Klägers hätte sein können. Daß der Beirat etwa davon ausgegangen wäre, die Belieferung durch die Firma L. durch Abschluß eines neuen Vertrages sei nicht möglich oder dies überhaupt nur in Betracht gezogen hat, ist nicht ersichtlich. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es nahegelegen, die Geschäftsführung mit der Abklärung dieser Möglichkeit zu beauftragen und die Entschei-dung hiervon abhängig zu machen. Daß die Möglich-keit des Abschlusses einer neuen Vereinbarung mit der Firma L. Schokolade GmbH und eine frühere Information durch den Kläger tatsächlich Einfluß auf die Entscheidung gehabt hätte, insbesondere die Produktion nicht in A. übernommen worden wäre, trägt die Beklagte nicht vor. Hiergegen spräche im übrigen auch entscheidend, daß der entsprechende Beschluß des Beirats über die Anschaffung der Produktionsanlage für A. in der Folgezeit nach Erhalt der entsprechenden Information durch den Kläger nicht widerrufen worden ist. Angesichts der ersichtlichen Bedeutungslosigkeit der Information kann in dem Verhalten des Klägers jedenfalls keine Pflichtverletzung von Gewicht gesehen werden, die berechtigterweise das Vertrauen der Gesellschaft in die Zuverlässigkeit des Klägers hätte beeinträchti-gen können. Dem entspricht, daß weder der Beirat der Beklagten noch ein sonstiges Organ der Beklag-ten dem Kläger im Zusammenhang mit diesem Vorgang irgendwelche Vorhaltungen gemacht hat. Diese stamm-ten vielmehr ausschließlich von dem Präsidenten des Verwaltungsrats der Mehrheitsgesellschafterin.
9899
b)
100101
Zu keiner anderen Beurteilung führt auch der vom Kläger am 5.3.199O vorgenommene Entzug des Mandats Herrn Rechtsanwalt G. gegenüber. Weder für sich gesehen noch im Zusammenwirken mit dem Vorfall "Hohlkörperproduktion" und/oder der Weitergabe des Schreibens vom 1O.9.199O an den Betriebsratsvorsit-zenden Sp konnte dies zu einem Vertrauens-verlust der Beklagten führen, der ihr eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger als Sprecher der Ge-schäftsführung unzumutbar machte. Die Handlungswei-se des Klägers im Zusammenhang mit diesem Vorfall stellt sich weder als Anzeichen für mangelnde Loya-lität des Klägers noch als gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtet dar, sondern als der - wenn auch möglicherweise unzweckmäßige und ungeschick-te - Versuch des Klägers, die Beurteilung wettbe-werbsrechtlich relevanter und die Haftung der Be-klagten betreffende Fragen durch einen Anwalt sei-nes Vertrauens klären zu lassen.
102103
Eine Überschreitung der rechtlichen Kompetenzen des Klägers ist nach Auffassung des Senats nicht fest-stellbar. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Beklagte und der Entzug eines entsprechenden Mandats lag in der Kompetenz der Beklagten und nach deren gesellschaftsvertraglicher Regelung in der Zuständigkeit der Geschäftsführung.
104105
Nach dem zwischen der Beklagten und ihrer Mehr-heitsgesellschafterin geschlossenen Dienstlei-stungsvertrag vom 3.4.1987 hat zwar die Mehrheits-gesellschafterin der Beklagten die der Beklagten nach dem zwischen ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma L.M. AG und der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten geschlossenen Lizenzvertrag obliegen-de Warenzeichenbetreuung sowie die Beratung der Be-klagten in den übrigen Rechtsbereichen übernommen. Diese vertragliche Regelung kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß die Beklagte zur Prüfung ihrer rechtlichen Angelegenheiten in wettbewerbs-rechtlicher Hinsicht nicht selbst berechtigt und verpflichtet war und zu diesem Zweck einen Rechts-anwalt ihrer Wahl beauftragen durfte. Im geschäft-lichen Verkehr verantwortlich, insbesondere für ihre Werbung, war die Beklagte, die daher zwar nach dem Dienstleistungsvertrag die Beratung durch die Mehrheitsgesellschafterin in Anspruch nehmen konnte, die anstehenden Rechtsfragen aber selbstän-dig prüfen mußte und durfte. Daß sie sich hierbei nicht der Hilfe eines Rechtsanwalts ihrer Wahl be-dienen durfte, ist dem Dienstleistungsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Auch eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis für derartige Maßnahmen ist weder den gesellschafts-vertraglichen Regelungen noch dem Geschäftsführer-vertrag zu entnehmen, insbesondere bedurfte eine derartige Maßnahme nicht der Zustimmung des Beirats der Beklagten. Die Beklagte hat zwar behauptet, der Kläger habe entgegen der ihm erteilten Gesamt-vertretungsmacht vor der Kündigung des Mandats gegenüber Herrn Rechtsanwalts G. seine Mitge-schäftsführer nicht eingeschaltet, daß diese aber mit der Maßnahme, jedenfalls im Nachhinein, nicht einverstanden gewesen wären oder der Kläger mit ih-rem Einverständnis nicht hätte rechnen können, ist nicht ersichtlich.
106107
Vorzuwerfen ist dem Kläger im Zusammenhang mit der Kündigung des Mandats daher allenfalls, daß ihm hätte bewußt sein müssen, daß diese Maßnahme auf Widerstand der Mehrheitsgesellschafterin und der von ihr entsandten Beiratsmitglieder stoßen würde. Eine vorherige Abstimmung der Maßnahme jedenfalls mit dem Beirat wäre daher unter diesem Gesichtspunkt, insbesondere angesichts der in der Gesellschaft bestehenden Mehrheitsverhältnisse, ge-boten gewesen. Dabei ist dem Kläger aber zugute zu halten, daß zum damaligen Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Frage, ob bei einer Verlagerung der Tafel-produktion in die P. eine "Alpenmilchtafel" im deutschen Verkehr noch als solche bezeichnet werden könne, erhebliche Haftungsfragen für die Beklagte in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht anstan-den und das Ergebnis des von Herrn Rechtsanwalt G. vorgelegten Gutachtens, dies sei unbedenk-lich, den Kläger nicht überzeugte. Diese Sicht des Klägers erscheint dem Senat zumindest als gut ver-tretbar. Ohne das Ergebnis des dem Senat inhaltlich nicht bekannten Gutachtens von Herrn Rechtsanwalt G. in Frage stellen zu wollen, erscheint es jedenfalls nicht als unzweifelhaft, ob die Bezeich-nung einer in den P. hergestellten Schokolade als Alpenmilchschokolade eine irreführende werb-liche Angabe nach § 3 UWG darstellt. Diese Frage zweifelsfrei zu klären, lag objektiv im Interesse der Beklagten. Wenn der Kläger daher die gesell-schaftlichen Strukturen und Mehrheitsverhältnisse bei seiner Vorgehensweise unrichtig einschätzte, läßt sich dieses Verhalten jedenfalls weder als ein Mangel an Loyalität der Beklagten gegenüber noch als eine "Hausmacht-Politik" qualifizieren. Die sich darin möglicherweise äußernde Ungeschicklich-keit des Klägers war jedenfalls bei einer Gesamt-würdigung der Umstände und angesichts der sonstigen - unbestrittenen - Fähigkeiten und Verdienste des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten nicht von derartigem Gewicht, daß das Vertrauen der Beklagten in den Kläger in einem Maße hätte tangiert sein können, daß eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Kündigungsrechtliche Rele-vanz hatte der Vorfall weder für sich gesehen noch als "Glied in der Kette" der von der Beklagten vor-getragenen weiteren Vorfälle.
108109
Nach Auffassung des Senats gilt dies im übrigen auch dann, wenn man der Auffassung der Beklagten folgte, die Kündigung des Mandats gegenüber Herrn Rechtsanwalt G. habe in der Kompetenz der Mehrheitsgesellschafterin gelegen, der Kläger habe seine Kompetenzen daher überschritten. Auch in diesem Fall wäre dem Kläger allenfalls eine - nach der jedenfalls nicht klaren vertraglichen Regelung entschuldbare - Fehleinschätzung seiner Kompetenzen und der Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft vorzuwerfen, die weder zu einem Schaden für die Be-klagte geführt hat noch unter Berücksichtigung der konkreten Situation und des übrigen Verhaltens des Klägers eine fristlose Kündigung rechtfertigendes Gewicht haben kann.
110111
Im übrigen ist auch insoweit zu berücksichtigen, daß eine Reaktion auf diesen Vorfall nicht durch eines der Organe der Beklagten, sondern nur durch die Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Mehrheits-gesellschafterin erfolgte, der hierbei jedenfalls für den Kläger nicht erkennbar gemacht hat, daß er seine Kritik etwa auch in Namen der Beklagten oder eines ihrer Organe äußerte.
112113
3.)
114115
Selbst wenn das dem Kläger vorgeworfene Verhalten entgegen der Auffassung des Senats entweder in seinem Zusammenwirken oder jeder Vorfall für sich gesehen geeignet gewesen wäre, zu einem Vertrau-ensverlust der Beklagten zu führen, fehlte es jedenfalls an einer Abmahnung durch die Beklagte. Eine Abmahnung vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist nur dann entbehrlich, wenn das Ver-trauen derart zerstört ist, daß die Prognose für die Zukunft, nämlich die Frage der Zumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit, aufgrund des Maßes der Zerstörung des Vertrauens ohne weiteres negativ und eine Abmahnung daher sinnlos ist. Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die genannten Vorfälle, insbesondere die von der Beklagten zum Anlaß der fristlosen Kündigung genommene Weitergabe des Schreibens vom 1O.09.199O durch den Kläger an den Vorsitzenden des Betriebsrats konnten bei ver-nünftiger, objektivierter Sicht der Beklagten die Grundlagen der Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht in einem Maße berühren, daß die weitere Zusammenar-beit mit dem Kläger der Beklagten gänzlich unzumut-bar erscheinen konnte. Insbesondere angesichts der unbestrittenen erheblichen Verdienste des Klägers, die sich dieser als Geschäftsführer der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin um das Unternehmen erworben hat, wäre es der Beklagten zuzumuten gewesen, den Kläger abzumahnen und sein weiteres Verhalten in der Folgezeit abzuwarten. Daß im Geschäftsablauf über einen längeren Zeitraum hinweg Differenzen zwischen der Geschäftsführung und den übrigen Organen der Gesellschaft auftreten können, liegt in der Natur der Sache. Ein langjähriges Vertrauen können derartige Differenzen, auch wenn sie auf einer objektiven Pflichtwidrigkeit im Ein-zelfall beruhen, nicht ohne weiteres gänzlich zer-stören.
116117
II.
118119
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 7O8 Nr. 1O, 711 ZPO.
120121
Streitwert und Wert der Beschwer für die Beklagte: 1.440.000,-- DM.
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