Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 202/91
Tenor
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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5Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Ver-meidung unnötiger Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 15.07.1991 insoweit bestätigt, als die Antragsge-gnerin zu 1) verurteilt worden ist zu unterlassen, für die der Filmproduktion "Sch." erscheinende Zeitschrift entsprechend den dem Urteilstenor bei-gefügten Szenenfotos den Titel "Express" zu ver-wenden.
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7Das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin ist nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB begründet, da die beanstandete Verletzungshandlung geeignet ist, die Antragstellerin in ihrem Ansehen als Zeitungsver-legerin herabzuwürdigen, und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
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9Auch Handelsgesellschaften - wie die Antragstelle-rin als Kommanditgesellschaft - können grundsätz-lich Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein (vgl. BGH NJW 1980, 2801 - "Medizin-Syndi-kat"). Eine Ausdehnung der Schutzwirkung des Per-sönlichkeitsrechts über natürliche Personen hinaus auf Kapital und Personengesellschaften ist gerecht-fertigt, wenn diese in ihrem sozialen Geltungsan-spruch als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (vgl. BGH NJW 1986, 2951 - "BMW").
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11Durch die Verwendung des Titels "Express" für die in der Filmsatire "Sch." erscheinende Zeitschrift werden der soziale Geltungsanspruch und das Anse-hen der Antragstellerin als Wirtschaftsunternehmen beeinträchtigt. Ob gleichzeitig ihr durch das all-gemeine Persönlichkeitsrecht geschütztes Recht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung betroffen wird, indem ihr der geschützte Bereich wirtschaftlicher Entfaltung streitig gemacht wird, weil die konkrete Gefahr wirtschaftlicher Nachteile für die Antrag-stellerin entsteht, mag dahinstehen. Denn für ei-ne Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht es bereits aus, wenn die Antragstellerin in ihrer sozialen Geltung als Wirtschaftsunternehmen betroffen wird.
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13Zweifelsfrei wird derjenige Verlag, auf den der Zuschauer die der Filmsatire zugrundeliegende Ge-schichte bezieht, durch den Film "Sch." in seinem Ansehen geschädigt und in Mißkredit gebracht. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Zuschauer die realen Begebenheiten bekannt sind, an die die Filmgeschichte anknüpft, nämlich die Beschaffung und Veröffentlichung der gefälschten Hitlertagebü-cher durch die Illustrierte "S.", die im Jahre 1983 einen weltweit beachteten Presseskandal ausgelöst hat.
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15Nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin zu 1) will der Film u.a. die Gier des Reporters Wil-lie nach Nazi-Reliquien satirisch darstellen, der Film endet konsequent mit der Präsentation der Hitlertagebücher in einer groß aufgemachten Presse-konferenz. Die Antragsgegnerin zu 1) beruft sich zudem auf den Artikel des Redakteurs H. K. im "Spiegel" Nr. 27/91 über die Dreharbeiten für den Film "Sch." in Hamburg. K. kennzeichnet die Figur des Reporters und Journalisten Willie als "höhnisch-satirisches Echo auf den Führer, der "die Hitlertagebücher hinter dem Rücken seiner schwächlichen Chefs mit Hilfe des Verlags ins Blatt bugsieren konnte", er beschreibt, daß "seine Chefs vor den Nazigrößen Kotau machen", charakterisiert einen der Chefredakteure als "leisetreterischen An-passer", den anderen als "Chefredakteur beim Gesin-nungsknick" und beschreibt die Pressekonferenz mit dem "triumphierenden Gremium aus Chefredakteuren, Verlegern und Ressortleitern" als "die hysterisch-begeisterte Präsentation der Hitlertagebücher". Beim Zuschauer des Films entsteht der Eindruck einer Blamage für den Verlag, dem die Naivität der Redakteure, der journalistische Dilettantismus und das Versagen der Chefredaktion zugerechnet werden. Auch wenn - wie die Antragsgegnerin zu 1) geltend macht - im Vordergrund der Filmgeschichte die handelnden Personen stehen und der Verlag bzw. die Zeitschrift lediglich als formaler Aufhänger dient, so wird doch die dargestellte Persönlichkeitsstruk-tur der Reporter, Redakteure und Verlagsleiter letztlich der Zeitschrift zugeordnet, für die diese Personen tätig sind. Ergebnis der Filmgeschichte ist eine beispiellose Blamage der "Filmzeitschrift" "Expressmagazin" und des dahinterstehenden Verlags aufgrund des Sensationsstrebens, der mangelnden Professionalität und Distanz seiner Mitarbeiter ge-genüber dem Gegenstand der Berichterstattung. Dabei spielt keine Rolle, daß der Film sich nicht mit den nachteiligen Folgen der Fälschungsaufdeckung be-faßt, wie sie seinerzeit die Illustrierte "S." be-trafen.
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17Die vorgenannten Feststellungen konnten die Mit-glieder des Senats aus eigener Kenntnis tref-fen, nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.1991 die entsprechenden Filmszenen in Augen-schein genommen worden sind.
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19Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft ge-macht, daß ein nicht unerheblicher Teil des Ver-kehrs - wobei es sich keineswegs um die Mehrzahl der Zuschauer handeln muß, wie die Antragsgegnerin zu 1) meint - die Verwendung des Zeitschriftenti-tels "Expressmagazin" im Film als Hinweis auf die Antragstellerin ansieht, indem er einen gedankli-chen Bezug zu der von ihr verlegten Tageszeitung "Express" herstellt.
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21Die Hinweisfunktion besteht sowohl bei denjenigen, die die "Filmzeitschrift" mit der Tageszeitung der Antragstellerin in dem Sinne gleichsetzen, daß sie annehmen, der Skandal habe sich seinerzeit bei dieser Tageszeitung ereignet, als auch bei denje-nigen, die die Vorstellung gewinnen, die Tageszei-tung "Express" bzw. ihr Verlag hätten irgendetwas mit der Filmgeschichte zu tun. Eine Gleichsetzung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die "Film-zeitschrift" in der Aufmachung einer typischen Illustrierten und in der typischen "S."-Aufmachung erscheint. Dies kann ebensogut als filmisches Ver-fremdungsmittel angesehen werden wie der Spielort der Presseszene in Hamburg. Ebenso wie die Antrags-gegnerin zu 1) tatsächlich eine Verfremdung durch die Auswechslung der Namen "S." gegen "Express" vornehmen wollte, kann der Zuschauer die Verfrem-dung in der Verlegung des Erscheinungsortes und der Änderung der Aufmachung sehen. Im übrigen genügt es, wenn der Verkehr annimmt, die Antragstellerin habe der Antragsgegnerin zu 1) die Benutzung des Namens "Express" für die "Filmzeitschrift" gestattet, oder wenn er organisatorische Verbindun-gen zwischen der Tageszeitung "Express" und der Illustrierten "S." vermutet - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - oder wenn auch nur eine gedankliche Verbindung zwischen dem Titel der Film-zeitschrift und der Tageszeitung der Antragstelle-rin hergestellt wird. Eine solche kommt auch dann noch in Betracht, wenn der Filmzuschauer erst nach-träglich die Tageszeitung "Express" kennenlernt. Ebenso reicht es aus, wenn derjenige, der den Film nicht gesehen hat, aber von der Filmgeschichte und dem Titel der "Filmzeitschrift" weiß - z. B. durch die Presse oder durch Erzählungen - Assoziationen zur Tageszeitung "Express" herstellt.
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23Unabhängig davon, welchen konkreten Inhalt die Vorstellungen der Teile des Verkehrs haben, die gedankliche Verbindungen zwischen der "Filmzeit-schrift" und der Tageszeitung aufgrund des gleichen Titels "Express" entwickeln, wird jedenfalls der extrem negative Eindruck, der bei denjenigen, die die Filmgeschichte kennen, von der "Film-zeitschrift" und ihrem Verlag entsteht, auf die Tageszeitung "Express" übertragen. Bereits dieser negative Imagetransfer reicht aus, die Tageszeitung "Express" und den dahinterstehenden Verlag, die An-tragstellerin, in Mißkredit zu bringen und ihr An-sehen zu schädigen.
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25Eine Gleichsetzung der "Filmzeitschrift" mit der Tageszeitung "Express" bzw. einen Transfer der in dem Film dargestellten journalistischen und verlegerischen Fehlleistungen auf das Image der Tageszeitung "Express" nimmt ein nicht unbeachtli-cher Teil derjenigen vor, der die Tageszeitung als Leser oder auch nur vom Namen her kennt. Nach der von der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegten Umfrage der GFS-GETAS von September 1991 ist 23,8 % der in den alten Bundesländern Befragten und 68,5 % der im Verbreitungsgebiet des "Express" Befragten die Tageszeitung bekannt. Bereits dieses Ergebnis reicht für die Feststellung aus, daß ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs, wenn er den Film "Sch." anschaut oder von der Filmgeschichte und dem Titel der Filmzeitschrift auf andere Weise erfährt, gedankliche Verbindungen zur Tageszeitung "Express" herstellen wird. Nicht maßgeblich ist hingegen die Anzahl derjenigen, die bei der von der GFS-GETAS durchgeführten Verkehrsbefragung auf die Frage, an welches Blatt sie bei Vorlage des Deckblattes der "Filmzeitschrift" denken, mit "Express" geantwortet haben. Denn die Befragung zielte aufgrund der vor-hergehenden Fragen darauf ab zu ermitteln, mit wel-cher Zeitschrift die Befragten den einige Jahre zu-rückliegenden Medienskandal um die Veröffentlichung gefälschter Hitlertagebücher verbinden. Wer im Zu-sammenhang damit an die Illustrierte "S." dachte, wird angesichts des vorgelegten Titelblattes der "Filmzeitschrift" nicht mit "Express" geantwortet haben. Wie oben ausgeführt, sind aber nicht nur die Teile des Verkehrs maßgebend, die annehmen, mit der "Filmzeitschrift" sei die Tageszeitung "Ex-press" gemeint. Wenn allerdings nach der Befragung der GFS-GETAS bundesweit 7,7 % derjenigen, die den "Express" kennen, einer entsprechenden Verwechslung mit dem "S." erliegen, indiziert bereits diese Zahl, daß darüber hinaus ein erheblicher Teil der-jenigen, die den "Express" kennen, beim Anschauen des Films eine gedankliche Verbindung zur Tageszei-tung herstellt. Auch diese Feststellung können die Mitglieder des Senats aus eigener Kenntnis sowohl des "Express" als auch der entsprechenden Filmsze-nen treffen.
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27Der Titel der "Filmzeitschrift" wird in den Pres-sekonferenzszenen wiederholt und in einprägsamer Weise dargestellt. Bei der Verteilung der Zeit-schrift in der Szene 104 des Drehbuchs ist der Name "Express" auf den Zeitschriften für den Zuschauer deutlich lesbar. Besonders auffällig erscheint das Logo "Express" bei der Darstellung des dramatischen Höhepunktes der Filmgeschichte, nämlich während der Präsentation der Hitlertagebücher auf der Presse-konferenz. Der Blick des Zuschauers wird wiederholt auf das in der Bildmitte übergroß erscheinende Logo "Express" gelenkt, das sich auf dem Deckblatt der Zeitschrift befindet, die als Plakat den optischen Hintergrund der Pressekonferenz bildet, wobei der Zusatz "magazin" kaum ins Auge fällt. Selbst wenn sich der Zuschauer nicht für den Namen der "Film-zeitschrift" interessiert, die die Hitlertagebücher veröffentlichen will, kann er sich bei der Pres-sekonferenz-Szene nicht dem Anblick dieses Namens entziehen. Er erscheint derart auffallend für einen so langen Zeitraum im Bild, daß er weder übersehen noch sogleich wieder vergessen werden kann, bevor sich Assoziationen zu einem dem Zuschauer bekannten Zeitungstitel "Express" einstellen können. Der Ti-tel wird also entgegen der Behauptung der Antrags-gegnerin zu 1) gerade nicht nur im Hintergrund und nur beiläufig gezeigt. Auch gehen die Filmszenen, in denen die Zeitschrift vorkommt, gerade nicht so schnell an dem Betrachter vorbei, daß er sich den Titel nicht merkt. Die Antragsgegnerin zu 1) bezweckt selbst, daß er vom Zuschauer bewußt aufge-nommen wird. Denn sie hat ihn ihrem Vorbringen zu-folge mit Bedacht ausgewählt, weil er im Zeitungs-/Zeitschriftenbereich am weitesten verbreitet ist.
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29Die Assoziation zwischen "Filmzeitschrift" und Ta-geszeitung "Express" entsteht auch bei demjenigen, der die der Filmsatire zugrundeliegenden wahren Begebenheiten kennt und der die Filmzeitschrift als Verfremdung der Illustrierten "S." versteht. Sie entsteht unabhängig davon, ob einer Gleichset-zung der Tageszeitung "Express" mit der "Filmzeit-schrift" im Sinne einer Verwechslung mit dem "S." durch die Berichterstattung in den Medien anläßlich der Dreharbeiten bzw. aus Anlaß der Einführung des Films in den Kinos sowie durch den Vor- und Abspann des Films, der einen Hinweis darauf enthalten soll, daß alle Namen der im Film vorkommenden Personen, Gewerbebetriebe und Presseerzeugnisse frei erfunden seien, entgegengewirkt wird. Denn auch hierdurch wird nicht verhindert, daß der Zuschauer mittelbare Zusammenhänge in dem Sinne herstellt, daß er die negativen Eindrücke, die der Verlag in der Filmge-schichte hinterläßt, auf den "Express" und die An-tragstellerin überträgt, wodurch deren Ruf geschä-digt wird.
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31Der Senat vermochte auch diese Feststellungen aus eigener Anschauung und unabhängig davon zu treffen, daß er aufgrund seiner Kenntnis vom Gegenstand des Streites - wie bei allen vergleichbaren Wettbe-werbsstreitigkeiten, in denen es um die Auffassung des Verkehrs geht - die Filmausschnitte mit einem bestimmten Vorverständnis angesehen hat.
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33Der beanstandete Name der "Filmzeitschrift" ist schließlich nicht durch die grundgesetzlich garan-tierte Freiheit der Kunst geschützt. Diese findet ihre Grenze in einem schweren Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich. Sie ist dem durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Persönlich-keitsschutz nicht übergeordnet. Andererseits ge-nießt auch der Schutz des allgemeinen Persönlich-keitsrechts keinen generellen Vorrang gegenüber dem Recht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; nur soweit es unmittelbarer Ausfluß der Menschenwürde ist, wirkt diese Schranke absolut (vgl. BVerfG NJW 1987, 661, 2662). Da es hier um das - eingeschränk-te - allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Handels-gesellschaft geht, ist zwischen den nachteiligen Auswirkungen der Veröffentlichung des Films mit der "Filmzeitschrift" unter dem Namen "Expressmaga-zin" für die Antragstellerin in ihrem Tätigkeits-bereich einschließlich ihrer sozialen Geltung als Wirtschaftsunternehmen auf der einen Seite und den durch ein Verbot betroffenen Belangen freier Kunst auf der anderen Seite abzuwägen. Das Landgericht hat auch hierzu zutreffend ausgeführt, daß die Antragsgegnerin zu 1) in ihrer künstlerischen Frei-heit nicht ungebührlich beengt wird, wenn sie für die "Filmzeitschrift" einen Namen wählt, der ent-sprechend ihrem Anliegen tatsächlich zur Verfrem-dung geeignet ist und nicht demjenigen einer der größten deutschen Tageszeitung entspricht. Auch in-soweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug.
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35Schließlich hat das Landgericht mit Recht ausge-führt, daß die Vorführung des Films in der bean-standeten Fassung nicht nur zu einer geringfügigen Beeinträchtigung der Antragstellerin oder zu einer bloßen Möglichkeit einer schwerwiegenden Beein-trächtigung führt, sondern daß eine solch schwer-wiegende Beeinträchtigung konkret droht, wenn der Film mit den beanstandeten Szenen, in denen der Ti-tel "Express" zu sehen ist, gezeigt wird.
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37Die Berufung war daher als unbegründet zurückzu-weisen.
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39Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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41Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Ver-kündung rechtskräftig.
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