Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 13 U 302/91
Tenor
1
T a t b e s t a n d
23
Am 4. Juli 1988 ordnete das Amtsgericht Aachen die Sequestration des Vermögens der Ursus Süßwaren GmbH zwecks Sicherstellung und Feststellung der Masse an, nachdem am gleichen Tage der Geschäfts-führer dieses Unternehmens beantragt hatte, das Konkursverfahren zu eröffnen. Der Beklagte wurde zum Sequester bestellt. Durch Beschluß vom 19. Au-gust 1988 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
45
Am 19. Juli 1988 veräußerte die spätere Gemein-schuldnerin mit Zustimmung des Beklagten Fertigwa-re (Gummibärchen) im Wert von netto 280.000,-- DM an die neu gegründete Ursus Sweets International GmbH und am 26. Juli 1988 Betriebseinrichtungsge-genstände im Wert von netto 125.000,-- DM. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer von 19.600,-- DM und 17.500,-- DM wurde nicht an den Kläger abge-führt.
67
Der Kläger hat die Umsatzsteuerforderungen zur Konkurstabelle angemeldet. Ob und in welcher Höhe hierauf Zahlungen erfolgen werden, steht noch nicht fest.
89
Mit Haftungsbescheid vom 17. März 1989 nahm das Finanzamt Aachen - Außenstadt den Beklagten gemäß §§ 69 AO, 82 KO in Verbindung mit § 191 AO auf Zahlung der Umsatzsteuerschuld in Anspruch. Hiergegen hatte der Beklagte vor dem Finanzgericht Köln nach vorheriger Einspruchseinlegung Klage erhoben. Nach Klageerhebung hat das Finanzamt den Haftungsbescheid aufgehoben. Das Finanzgericht Köln hat durch Beschluß vom 3. Februar 1992 dem beklagten Finanzamt die Kosten des in der Hauptsa-che erledigten Rechtsstreits auferlegt.
1011
Der Kläger hat mit der Klage die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sich durch seine Zustimmung zu den beiden Veräußerungen schadens-ersatzpflichtig gemacht, weil diese Veräußerungen vor Konkurseröffnung dazu geführt haben, daß die Umsatzssteuerschuld lediglich bevorrechtigte Kon-kursforderung sei. Wäre die Veräußerung erst nach Konkurseröffnung vorgenommen worden, hätte die Um-satzsteuerschuld als Masseschuld angesehen werden müssen. Zu einer Zustimmung zu der Veräußerung vor Konkurseröffnung sei der Beklagte als Sequester nicht berechtigt gewesen, weil die Veräußerung zur Sicherung der Masse nicht erforderlich gewesen sei.
1213
Mit der Begründung, der Schaden könne noch nicht abschließend beziffert werden, hat der Kläger unter Vorlage einer Abtretungserklärung des Bun-desministers der Finanzen vom 8. August 1991 bean-tragt,
1415
16
festzustellen, daß der Beklagte ihm den Scha-den zu ersetzen hat, der dadurch entstand, daß der Beklagte während seiner Tätigkeit als amtlich bestellter Sequester in dem Verfahren auf Eröffnung des Konkurses über das Vermö-gen der Ursus Süßwaren GmbH, 5100 Aachen, vertreten durch den Geschäftsführer Volkmar Horst Malberg, Kesselstraße 35, 5100 Aachen (AG Aachen 19 N 130/88), umsatzsteuerpflich-tige Veräußerungen von Wirtschaftsgütern der Ursus Süßwaren GmbH in Höhe von insgesamt 405.000,-- DM netto genehmigt hat.
1718
Der Beklagte hat beantragt,
1920
21
die Klage abzuweisen.
2223
Er hat behauptet, die Fertigware hätte veräußert werden müssen, weil sonst ihr Verderb gedroht habe und deshalb ein Verlust für die Masse zu befürch-ten gewesen sei. Im übrigen hat er die Auffassung vertreten, sein Handeln sei rechtmäßig gewesen.
2425
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beklagte habe gegenüber dem Kläger nicht gegen die ihm als Sequester obliegenden Pflichten verstoßen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
2627
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Fest-stellungsantrag weiter und bekämpft die Rechtsauf-fassung des Landgerichts.
2829
Er beantragt,
3031
32
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen Schlußantrag zu erkennen.
3334
Der Beklagte beantragt,
3536
die Berufung zurückzuweisen.
3738
Er macht geltend, die Veräußerung sei zur Masse-erhaltung und - mehrung notwendig gewesen. Die hieraus sich ergebenden Erlöse hätten erst dazu geführt, daß das Konkursverfahren überhaupt hätte eröffnet werden können.
3940
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Par-teien und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. Die Akten 19 N 130/88 AG Aachen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
4142
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
4344
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
4546
Für die Klage ist der Rechtsweg zu den ordent-lichen Gerichten eröffnet, weil mit ihr geltend gemacht wird, der Beklagte habe sich schadens-ersatzpflichtig gemacht, denn er habe Pflichten verletzt, die sich aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, nämlich einer entsprechenden Anwen-dung des § 82 KO ergeben. Eine Verletzung von steuerrechtlichen Pflichten wird ihm nicht vorge-worfen (vgl. BGH ZIP 1989, 50). Im übrigen hat das Landgericht in seiner Entscheidung konkludent die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechts-weges bejaht, wovon mithin wegen § 17 a Abs. 5 GVG für den weiteren Instanzenzug auszugehen ist.
4748
Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit steht der Klage jedenfalls im Zeitpunkt der münd-lichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr ent-gegen.
4950
Allerdings hat die Finanzbehörde im gegen den Beklagten erlassenen Haftungsbescheid vom 17. März 1989 auch dessen Haftung als Sequester auf der Grundlage des § 82 KO geltend gemacht (vgl. dazu BGH ZIP 1989, 50, 52). Durch die von dem Beklagten dagegen erhobene Klage ist auch dieser Anspruch gemäß § 66 Abs. 1 FGO rechtshängig geworden. Die Finanzbehörde hat jedoch anschlie-ßend den Haftungsbescheid aufgehoben und den Rechtsstreit vor dem Finanzgericht für erledigt erklärt. Aus dem zu den Akten gereichten Beschluß des Finanzgerichts Köln vom 3. Februar 1992 er-gibt sich dementsprechend , daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wodurch die Rechtshängigkeit des Anspruchs geendet hat.
5152
Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Mit seiner Um-satzsteuerforderung nimmt er am Konkursverfahren teil, weil es sich dabei, wie noch auszuführen sein wird, um eine Konkursforderung handelt. Der Kläger macht geltend, hätte der Beklagte als Sequester seine Pflichten nicht verletzt, so wäre er bei einer Veräußerung der Gegenstände nach Konkurseröffnung mit seiner Umsatzsteuerforderung Massegläubiger gewesen. Die sich hieraus mögli-cherweise ergebende Differenz bei der Verteilung der Masse bilde seinen Schaden. Da eine Massever-teilung unstreitig noch nicht stattgefunden hat, ist der Kläger zur Bezifferung seines Schadens derzeit nicht in der Lage. Im Hinblick auf den sonst drohenden Verjährungsablauf kann das Fest-stellungsinteresse nicht verneint werden.
5354
Anspruchsgrundlage ist § 82 KO in entsprechender Anwendung, der auch für den vom Konkursgericht bestellten Sequester gilt (BGH NJW 1989, 1034).
5556
Durch die Veräußerung im Sequestrationszeitraum vor der Konkurseröffnung am 19. August 1988 stellt die hieraus resultierende Umsatzsteuerfor-derung des Klägers eine Konkursforderung im Sinne des § 3 KO dar mit dem Rang aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO. Denn durch die Ausführung der Lieferungen durch die spätere Gemeinschuldnerin mit Zustim-mung des Beklagten als Sequesters ist der Steu-ertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatz-steuergesetz bereits vor Konkurseröffnung erfüllt gewesen (wohl allgemeine Meinung, vgl. BFH ZIP 1989, 384; Onusseit ZIP 1990, 345 mit umfangrei-chen weiteren Nachweisen).
5758
Zu einer entsprechenden Anwendung des § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO und des § 106 Vergleichsordnung mit der Folge, die vor Konkurseröffnung begründete Umsatzsteuerforderung gleichwohl als Masseschuld anzusehen, besteht kein Anlaß. In diesen Bestim-mungen werden spezielle Sachverhalte geregelt, so daß die Vorschriften Ausnahmecharakter haben. Ausnahmevorschriften können aber grundsätzlich nicht auf andere Sachverhalte entsprechend ange-wendet werden.
5960
Hätte der Beklagte nach Konkurseröffnung als Konkursverwalter die beiden Veräußerungsgeschäfte vorgenommen, wäre der Tatbestand des § 1 Umsatz-steuergesetz erst in diesem Zeitpunkt erfüllt. Die Umsatzsteuerforderung wäre also Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. KO gewesen mit der Folge, daß sie gemäß § 57 KO vor den Konkursforderungen hätte berichtigt werden müssen.
6162
Dem Kläger kann infolgedessen ein Schaden entste-hen. Soweit die Umsatzsteuer dem Bund anteilmäßig zusteht, weshalb dieser durch den Ausfall von Steuerzahlungen wegen der beiden Veräußerungsge-schäfte einen Schaden erleidet, hat der Bundes-finanzminister die Forderung an den Kläger abge-treten.
6364
Der mögliche Schaden wird in der Weise zu er-mitteln sein, daß im Konkursverfahren zunächst festgestellt werden wird, in welchem Umfang die Massegläubiger gemäß §§ 59, 60 KO und die Kon-kursgläubiger aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO befriedigt werden. Die Differenz bildet den Schaden.
6566
Diesen Schaden muß der Beklagte ersetzen, weil er seine dem Kläger als Beteiligten gegenüber ob-liegenden Pflichten als Sequester schuldhaft ver-letzt hat.
6768
Wer Beteiligter im Sinne des § 82 KO ist, be-stimmt sich nach den Aufgaben und damit nach den Pflichten des Sequesters. Beteiligt ist deshalb jeder, der durch Handlungen des Sequesters, die sich aus seinen Aufgaben ergeben, betroffen wird. Daß sich aus der entsprechenden Anwendung des § 82 KO ergebende gesetzliche Schuldverhältnis entsteht mit der Anordnung der Sequestration, so daß jeder, der von den Handlungen des Sequesters betroffen ist, als Beteiligter anzusehen ist. Anders ausgedrückt: Beteiligter ist jeder , der nach der Konkurseröffnung Konkursgläubiger wird (so Merz, Die Haftung des Konkursverwalters..., KTS 1989, 277, 289 f.).
6970
Die Aufgaben eines Sequesters haben ihre Grundla-ge in § 106 Abs. 1 Satz 2 KO und dem darauf beru-henden Sequestrationsbeschluß. In letzterem ist hier die Sequestration zur Sicherung und Fest-stellung der Masse angeordnet worden. Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens durften nur mit Zustimmung des Beklagten vorgenommen werden. Die spätere Gemein-schuldnerin hatte sich jeder Verfügung zu enthal-ten. Zugleich wurde ein allgemeines Veräußerungs-verbot zur Sicherung der Masse erlassen.
7172
Daraus ist zu schließen, daß Aufgabe des Beklag-ten nur war, das Vermögen der späteren Gemein-schuldnerin sicherzustellen und die Masse fest-zustellen. Zweck der Sequestration war es dem-nach, im Interesse der Gläubiger das Vermögen in Besitz zu nehmen und ferner zu prüfen, ob eine die Kosten des Konkursverfahrens deckende Masse überhaupt vorhanden war. Die Verwertung der Masse ist dagegen nach der gesetzlichen Regelung allein Aufgabe des Konkursverwalters.
7374
Danach kann der Auffassung des Beklagten nicht gefolgt werden, eine Pflichtverletzung liege schon deshalb nicht vor, weil erst die Veräu-ßerung der Gegenstände dazu geführt habe, daß das Konkursverfahren überhaupt eröffnet werden konnte. Denn erst dadurch hätten genügend liquide Mittel zur Verfügung gestanden, nachdem eine Sicherungsgläubigerin die Zahlung eines Masseko-stenvorschusses abgelehnt hatte. Seine Aufgabe war es nicht, die Eröffnung des Konkursverfahrens durch Beschaffung liquider Mittel zu ermöglichen, sondern das Vermögen zu sichern und die Masse festzustellen.
7576
Aus dem so umschriebenen Aufgaben- und Pflich-tenkreis des Beklagten folgt, daß er nicht berechtigt war, der Veräußerung der hier in Re-de stehenden Vermögensgegenstände zuzustimmen. Im Sequestrationsbeschluß heißt es zwar, Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens dürften nur durch den Sequester vorgenommen werden. Damit war er aber nicht be-fugt , jedweder Veräußerung zuzustimmen, sondern nur solchen, die eben zur Sicherung und Verwal-tung dienten. Damit mag der Beklagte zwar berech-tigt gewesen sein, Veräußerungen zuzustimmen, die notwendig waren, um das vorhandene Vermögen in seinem Bestand zu erhalten. Das könnte der Fall sein, wenn ein Verderb von Gegenständen drohte, also zu besorgen war, ihr Wert gehe der Masse verloren, wenn sie nicht veräußert wurden (vgl. dazu Merz a.a.0., S. 290).
7778
Das bedarf aber hier keiner Entscheidung, weil der Fall so nicht liegt.
7980
Den Betriebsgegenständen, die mit Zustimmung des Beklagten für 125.000,-- DM veräußert wurden, drohte kein Verderb. Das macht auch der Beklagte nicht geltend. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Wert der Gegenstände auf andere Weise hätte gemindert werden können, wenn sie nicht am 26. Juli 1988 veräußert worden wären. Denn der Erwerber war als Auffanggesellschaft neu gegrün-det worden und wollte den Betrieb der späteren Gemeinschuldnerin fortführen. Daß bei einer Ver-äußerung nach Konkurseröffnung der Kaufpreis von 125.000,-- DM nicht mehr zu erzielen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substantiiert vorgetragen. Hinzu kommt, daß eine Entscheidung darüber , ob das Konkursverfahren eröffnet werden könne, alsbald getroffen werden konnte und getroffen wurde. Denn der Beklagte selbst hatte mit seinem vorläufigen Bericht an das Konkursgericht vom 12. Juli 1988 (Bl. 23 BA) mitgeteilt, es sei zu erwarten, daß nach Ab-lauf eines weiteren Zweiwochenzeitraums über den Konkurseröffnungsantrag entschieden werden könne.
8182
Ob die Veräußerung der Betriebsgegenstände erfor-derlich war, damit die neu gegründete Auffangge-sellschaft ihren Betrieb aufnehmen konnte, ist unerheblich. Aufgabe des Beklagten als Sequester war es nicht, dies zu ermöglichen, sondern das Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin sicherzu-stellen.
8384
Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt wer-den, die Fertigware, nämlich Gummibärchen hätten veräußert müssen, weil diese sonst ausgetrocknet und damit verdorben und wertlos geworden wäre.
8586
Zum einen hatte er nach seinem eigenen Vortrag einen Teil der Ware bereits verpacken lassen, wodurch diese vor einem Verderb geschützt war. Verpackte Gummibärchen tragen ein Haltbarkeits-datum von 8 Monaten bis zu einem Jahr nach dem Zeitpunkt des Erwerbs im Einzelhandel. Eine Ver-äußerung im Sequestrationszeitraum zum Schutz der verpackten Ware vor Verderb war mithin nicht er-forderlich.
8788
Soweit der Beklagte sich darauf beruft, er habe ausweislich des Kaufvertrages vom 19. Juli 1988 auch unverpackte Ware veräußert, ist darauf hin-zuweisen, daß auch diese Veräußerung nicht zur Werterhaltung notwendig war. Denn er hätte auch diesen Teil der Ware verpacken lassen können, da er am 22. Juli 1988 mit der GKS Süßwaren GmbH & Co KG, die von dem Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin vertreten wurde, einen Vertrag über die Verpackung der losen Ware geschlossen hatte.
8990
Warum die Beutel, in die die Ware zum Teil eingelegt wurde, "aus technischen Gründen" zur Verhinderung eines Feuchtigkeitsverlustes nicht verschlossen werden konnten, wie der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22. Juni 1992 vorträgt, ist nicht ersichtlich. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Vortrag, die spätere Gemeinschuldnerin habe lose, also offenbar unver-packte Ware vertrieben, zeigt, daß der Ware ein alsbaldiger Verderb nicht drohte, weil zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und dem Erwerb durch den Endverbraucher stets ein gewisser Zeit-raum liegt.
9192
Durch die Zustimmung zur Veräußerung der vorge-nannten Gegenstände hat der Beklagte seine gegen-über dem Kläger bestehenden Pflichten verletzt, weil dieser lediglich eine bevorrechtigte Kon-kursforderung erworben hat.
9394
Das Interesse des Steuerfiskus, aus Gründen des allgemeinen Wohls keine Steuerausfälle zu erleiden, mußte der Beklagte entgegen seiner Auffassung beachten. Denn der Kläger hatte keine Möglichkeit, einem Umsatzsteuerausfall entgegen-zuwirken, weil er an den Veräußerungsgeschäften nicht beteiligt war, hiervon auch tatsächlich zu-nächst keine Kenntnis hatte.
9596
Will ein späterer Gemeinschuldner mit Zustimmung des Sequesters mit einem Dritten im Sequestra-tionszeitraum einen Vertrag schließen, so hat es der zukünftige Vertragspartner in der Hand, den Vertrag etwa auf Barzahlungsbasis abzuschließen oder im Hinblick auf das Risiko, möglicherweise nur eine im Konkurs nicht voll durchsetzbare Kaufpreisforderung zu erhalten, hiervon abzu-sehen. Dieser kann das Risiko prüfen und sich darauf entsprechend einstellen und verhalten. Der Kläger hat diese Möglichkeit jedoch nicht.
9798
Der Senat verkennt bei seiner Rechtsauffassung nicht, daß es in nicht wenigen Fällen wirtschaft-lich erwägungswert sein mag, zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und im Interesse der Gläubiger der späteren Gemeinschuldnerin eine Auffangge-sellschaft zu gründen und auf diese Vermögenstei-le der späteren Gemeinschuldnerin zur Fortführung des Betriebes zu übertragen. Wenn eine solche Handlungsweise aber dazu führt, daß dadurch ein anderer lediglich eine Konkursforderung erwirbt, obwohl zur Erhaltung und Sicherung der Masse die Vermögensübertragung nicht erforderlichl war, kann nach geltendem Recht eine Verletzung seque-strationsspezifischer Pflichten nicht verneint werden.
99100
Der Beklagte hat auch fahrlässig diese Pflichten verletzt. Die Auswirkungen seiner Handlungsweise waren ihm bekannt. Er durfte sich auf seine eigene Rechtsauffassung, er sei berechtigt, den Veräußerungen zuzustimmen , nicht verlassen. In der Klageerwiderung läßt er vortragen, die Finanzverwaltung bemühe sich seit Jahren, die ihr unbefriedigend erscheinende Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Einordnung der während einer Sequestration anfallenden Umsatzsteuern zu ihren Gunsten zu ändern. Die Oberfinanzdirektion Köln versuche nunmehr, durch eine persönliche Inanspruchnahme der jeweiligen Sequester diese dazu zu bringen, während der Sequestration alle Steuern auslösende Handlungen zu unterlassen. Diesem Vorhaben habe der Finanzminister des Lan-des Nordrhein-Westfalen Beifall gezollt. Daraus wird deutlich, daß der Beklagte jedenfalls davon wußte, daß ernstzunehmende Bedenken gegen die Be-fugnis des Sequesters, umsatzsteuerpflichtige Ge-schäfte im Sequestrationszeitraum zu tätigen oder solchen zuzustimmen, erhoben waren. Wenn er sich gleichwohl im Vertrauen auf die Richtigkeit sei-ner eigenen Rechtsauffassung hierüber hinwegsetz-te, hat er jedenfalls fahrlässig gehandelt.
101102
Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anlaß. Es ist zwar richtig, daß der Rechtsstreit einige Zeit vor der angesetzten Terminsstunde verhandelt worden ist. Das persönliche Erscheinen des Beklagten war jedoch ausweislich der Terminsverfügung des Senatsvorsitzenden vom 30.03.1992 (Bl. 166 d.A.) nicht angeordnet worden, so daß der Senat nicht davon ausgehen konnte, der Beklagte selbst oder ein von ihm beauftragter Dritter wolle an der Verhandlung teilnehmen. Hierauf hatte auch der in der Verhandlung anwesende Prozeßbevollmächtigte des Beklagten nicht hingewiesen. Im übrigen ist die Sache gerade im Einverständnis des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vorzeitig verhandelt worden, § 295 ZPO, nachdem dieser sich noch erfolgreich darum bemüht hatte, daß auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vor der ursprünglich festgesetzten Terminsstunde verhandlungsbereit war.
103104
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
105106
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO, wie die zu dem Problem-kreis ergangenen Entscheidungen des 9. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. März 1992 - 9 U 173/91 = 10 0 107/91 LG Bonn - , des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. März 1992 - 24 U 136/91 = 15 0 381/90 LG Bonn - und des OLG Düsseldorf ZIP 1992, 314 zeigen.
107108
Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklag-ten: 29.680,-- DM (80 % von 37.100,-- DM).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.