Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 89/91
Tenor
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Tatbestand
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Die Klägerin erlitt am 28. Januar 1987 einen In-nenknöchelabrißbruch rechts mit Teilverletzung des Deltabandes, der vom Beklagten zu 2) am 30. Januar 1987 im Klinikum des Beklagten zu 1) durch Ein-bringung einer Schraube und Nähen des Deltabandes operativ versorgt wurde. In der Folgezeit fanden Nachbehandlungen statt, am 5. Juni 1987 wurde die Schraube stationär wieder entfernt.
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Die Klägerin hat behauptet, die Schraube sei feh-lerhaft positioniert gewesen, im übrigen seien auch bei der Nachbehandlung Fehler vorgekommen. Wegen der erlittenen Schmerzen und behaupteter Folgeschä-den hat sie die Beklagten auf Feststellung der Ersatzpflicht künftigen materiellen Schadens und Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,-- DM in Anspruch genommen.
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Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und Behandlungsfehler in Abrede gestellt.
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Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuld-ner zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,-- DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat, sachverständig beraten, ange-nommen, daß die Schraube fehlpositioniert worden sei, was postoperativ unverzüglich hätte korrigiert werden müssen. Das Unterlassen stelle einen Be-handlungsfehler dar, der zu Komplikationen geführt habe. Es sei aber nur ein verhältnismäßig geringes Schmerzensgeld zuzuerkennen, weil nicht bewiesen sei, daß die behaupteten Schäden auf die Fehlbe-handlung zurückzuführen seien.
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Gegen die Teilabweisung ihrer Klage wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie zudem die Feststellung der Ersatzpflicht auch des künftigen immateriellen Schadens verlangt. Sie behauptet, es sei schon fehlerhaft gewesen, überhaupt zu operie-ren statt die Verletzung konservativ zu behandeln. Neben dem intraoperativen Fehler seien postopera-tive Aufklärungs- und Belehrungspflichten verletzt worden. Sämtliche Folgeschäden seien auf die Fehl-behandlung zurückzuführen.
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Die Beklagten sind der Berufung substantiiert ent-gegengetreten.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des an-gefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Wegen des Er-gebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 6. Juni 1992 ver-wiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet wor-den und damit zulässig.
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Sie ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.
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Der Klägerin stehen gegen die Beklagten über das erstinstanzliche Erkenntnis hinaus weitere Scha-densersatzansprüche weder aus dem Gesichtspunkt schuldhafter Vertragsverletzung noch aus unerlaub-ter Handlung zu. Sie hat auch nach dem Ergebnis der weiteren ergänzenden Sachverständigenbegutachtung nicht zu beweisen vermocht, daß durch die erwiese-nen und im übrigen unterstellten Fehlbehandlungen materielle und/oder immaterielle Schäden entstanden oder noch zu befürchten sind, die eine weitere Schadensersatzpflicht der Beklagten begründen, ins-besondere ein höheres Schmerzensgeld als bereits zuerkannt rechtfertigen könnten.
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Die Beweislosigkeit beruht in erster Linie darauf, daß die Funktionen des rechten Beines der Klägerin primär durch die Folgen einer durchgemachten Kin-derlähmung und einer im Jahre 1979 durchgeführten Sehnenumlagerungsoperation im Bereich des Knie-gelenks geprägt sind. Hierdurch sind krankhafte Veränderungen hervorgerufen worden. Der Zustand von Bein und Fuß ist desweiteren durch die erlittene Verletzung an sich beeinflußt worden und möglicher-weise außerdem durch Fehlbehandlungen im Kranken-haus des Beklagten zu 1) und den Heilungsverlauf im übrigen. Eine Abgrenzung, worauf die im Bereich des rechten Sprunggelenks der Klägerin bestehenden Veränderungen zurückzuführen sind, also ob sie auf der einen oder anderen Ursache beruhen, ist nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen nicht möglich. Dies gilt unbeschadet der Feststel-lungen des Landgerichts auch bezüglich des Hei-lungsverlaufs im Anschluß an die operative Versor-gung durch den Beklagten zu 2).
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Der Sachverständige hat ausgeführt, es gäbe bei der Klägerin keine typischen Folgen des Vorscha-dens, der erlittenen Verletzung, der durchgeführten Behandlung und der Behandlungsfehler. Die objekti-vierbaren Folgen unterschieden sich nicht vonein-ander. Die Klägerin leide an einer Bewegungsein-schränkung des rechten oberen Sprunggelenks, die als Krankheitsbild jeder der zu diskutierenden Ursachen zugeordnet werden könne. Die fehlplazierte und überdimensionierte Schraubenlage im Bereich des rechten Innenknöchels habe nicht zu einem - im Röntgenbild objektivierbaren - umschriebenen Defekt geführt. Einer weitergehenden vertretbaren Diagno-stik zur Abklärung der Schraubenlage und deren Folgen habe zum Zeitpunkt der Behandlung der Klä-gerin nicht zur Verfügung gestanden. Sie stehe zum heutigen Zeitpunkt schon deshalb nicht zur Verfü-gung, weil der Gelenkknorpel sich zwischenzeitlich verändert habe und Rückschlüsse auf den Befund zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin im Jahre 1987 nicht mehr möglich seien. Nach dem operativen Eingriff am rechten Sprunggelenk am 30. Januar 1987 sei es zwar zu einer Kalksalzminderung im Bereich des Sprunggelenkes gekommen. Dies sei Folge der Ru-higstellung des Gelenkes, die teils verletzungsbe-dingt, teils behandlungsfehlerbedingt gewesen sei. Die Inaktivitätsfolge sei, da verletzungsbedingt alsbald Übungsstabilität hätte erreicht werden können, letztlich der falschen Schraubenlage zuzu-ordnen.
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Dieser Kalksalzminderung kommt aber keine das Krankheitsbild bestimmende Bedeutung zu. Nicht die Kalksalzminderung bestimme den Verlauf und den jetzigen Befund, sondern vielmehr durch die falsche Schraubenlage und den Vorschaden hervor-gerufenen Reizerscheinungen. Es sei ferner post-operativ zu ödematösen Weichteilschwellungen des rechten Sprunggelenkes und des rechten Mittel- und Vorfußes gekommen. Diese Schwellungen kön-nen sich sowohl verletzungsbedingt als auch be-handlungsbedingt erklären. Die Fehlposition der Schraube begünstige eine solche Komplikation grundsätzlich, wobei das Risiko eines allgemeinen Reizzustandes allerdings schon durch die fortbe-stehenden Veränderungen des Gelenkes gegenüber vergleichbaren Verläufen erhöht gewesen sei. Die aktive und passive Spitzfußstellung von derzeit nur 5 % beruhe auf dem Vorzustand, denn er sei bereits präoperativ und vor der Verletzung doku-mentiert gewesen.
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Schließlich hat der Sachverständige dargestellt, daß durch die wegen der Fehlpositionierung der Schraube erforderlich Ruhigstellung das Risiko von Inaktivitätsschäden bestanden habe. Wegen der besonderen Verhältnisse der Klägerin sei es jedoch nicht möglich festzustellen, ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht habe oder ob die Veränderungen eben auf der Vorschädigung beruhten. Allerdings sei der Gelenkknorpel an der Innenseite des rechten oberen Sprunggelenks durch die falsche Lage und die überdimensioniert gewählte Schraube geschädigt worden, was zu Reizerscheinungen des Gelenkes geführt habe. Eine Abgrenzung dieser etwa bis 1989 aufgetretenen wiederholten Reizerscheinungen nach Verletzungs,- Behandlungs- und Behandlungsfehlerfolgen sei in-dessen nicht möglich, weil Reizerscheinungen auch ein typisches Risiko eines vorgeschädigten Gelenkes seien. Ferner sei auch ein abgrenzbarer Dauerschaden nicht begründbar. Im Ergebnis sei der derzeit zu objektivierende Befund durch den Vorschaden geprägt. Das subjektive Beschwerdebild sei in der grundsätzlichen Ausprägung mit den ob-jektivierbaren Veränderungen vereinbar. Auch gra-duell könne deshalb nicht beurteilt und zugeord-net werden, weil die objektiven Parameter (Mus-kulatur, Beschwielung der Füße, Kalksalzgehalt) ganz entscheidend von den Vorschäden bestimmt würden.
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Der Nachteil der Beweislosigkeit geht zu Lasten der Klägerin. Sie hat sämtliche anspruchsbegrün-denden Umstände, zu denen insbesondere auch die Schadensursächlichkeit des behaupteten behand-lungsfehlers gehört, darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Gründe für eine Beweiserleichterung, gar eine Umkehr der Beweislast auf die Beklagten, sind nicht gegeben. Insbesondere kann von einem groben Behandlungsfehler, der vorliegt, wenn ein Fehlverhalten gegeben ist, das aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt schlech-terdings nicht unterlaufen darf, nicht die Rede sein.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Wert der Beschwer für die Klägerin: unter 60.000,-- DM.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: 19.000,-- DM (Feststellung materieller Schaden: 8.000,-- DM, Feststellung immaterieller Schaden: 2.500,-- DM, Schmerzensgeld: 8.500,-- DM).
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