Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 U 136/92
Tenor
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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5Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Es kann nicht festgestellt werden, daß der am Pkw der Klägerin entstandene Schaden Folge einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten ist.
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7Die Straßenverkehrssicherungspflicht umfaßt u.a. die Verhütung und Beseitigung von Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen. Es obliegt dem Sicherungs-pflichtigen, in regelmäßigen Abständen Straßenbäume daraufhin zu untersuchen, ob von ihnen Gefahren für den Verkehr ausgehen können, z. B. infolge mangelnder Standfestigkeit oder durch Äste, die herabzufallen drohen. Umfang und Intensität der Un-tersuchungspflicht dürfen nicht überspannt werden, sondern müssen sich im Rahmen des für den Siche-rungspflichtigen auch unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit Zumutbaren halten. Die Untersu-chungspflicht beschränkt sich bei Fehlen besonderer Verdachtsmomente auf eine sorgfältige äußere Ge-sundheits- und Zustandsprüfung. Weitergehende Maß-nahmen sind dann geboten, wenn verdächtige Umstände erkennbar sind. Das alles entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. z.B. BGH VersR 1962, 262 ff.; 1965, 475 ff. = NJW 1965, 815; OLG Düsseldorf VersR 1983, 61 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 864; Senat ständig, so z.B. Urteile vom 25.07.1988 - 7 U 196/87 -, 05.11.1990 - 7 U 38/90 -, 05.12.1991 - 7 U 139/91 -). Zu den "weitergehenden Maßnahmen", die nur beim Vorliegen verdächtiger Umstände geboten sind, gehört auch der Einsatz eines Hubwagens, weil er mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden ist (OLG Düsseldorf aaO; Senatsurteil vom 25.07.1988 - 7 U 196/87 -). Eine andere Ansicht hat der Senat auch nicht in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 08.02.1988 vertreten (VersR 19990, 287 f.).
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9Verdächtige Umstände, die den Einsatz eines Hubwa-gens erforderlich machten, lagen hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Sachverständigen W. Seite 2 seines Gutachtens vom 09.06.1992 (Bl. 78 GA) ist der Wachstumszustand der Linden im Bereich der Unfallstelle gut, Blattentwicklung und Triebzu-wachs sind normal. Daß zur Zeit des Ortstermins, den der Sachverständige am 27.05.1992 durchgeführt hat, an verschiedenen Stellen abgestorbene Schwa-chäste zu sehen waren, entspricht der Üblichkeit und ist kein Indiz für einen schlechten Zustand der Bäume insgesamt oder ihrer Kronen. Nach den Bekundungen der Zeugen Wa. und Si. (Seite 3, 5 des Sitzungsprotokolls vom 26.02.1992, Bl. 43, 45 GA) haben die Linden in der Zeit vor dem Schadenstag, 19.07.1991, in der Regel nur kleinere Zweige und Blätter abgeworfen, seltener - bei Wind - größere Äste. Unwiderlegt behauptet die Beklagte (Seite 4 der Berufungserwiderung, Bl. 136 GA), daß in der Zeit bis Juni 1991 nicht des öfteren Äste herab-gefallen seien, jedenfalls nicht Äste von solcher Stärke, daß Gefahr für Menschen oder Sachen bestan-den habe. Die durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, 60 Jahre alte Linden neigten in besonderem Maße dazu, Äste abzuwerfen (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 126 GA), ist nicht geeignet eine besondere Schaden-strächtigkeit der konkreten an der Schadensstelle befindlichen Linden zu belegen.
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11Einzige Besonderheit ist hier, daß es nach den Feststellungen des Sachverständigen W. (Seite 2, 3 des Gutachtens, Bl. 78, 79 GA) unmöglich ist, bei einer Kontrolle vom Boden aus sämtliche in den Kro-nen eventuell vorhandenen unbelaubten bzw. morschen Äste zu entdecken, wenn die Bäume belaubt sind. Dies nötigte die Beklagte aber nicht zum Einsatz eines Hubwagens. Entsprechende Verhältnisse beste-hen mit Sicherheit bei einer Vielzahl von Bäumen im Stadtgebiet. Die an die Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen würden deutlich über-spannt, wenn schon der genannte Umstand für ausrei-chend erachtet würde, um den Einsatz eines Hubwa-gens zu fordern.
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13Ist mithin davon auszugehen, daß Sichtkontrollen ausreichend waren, so kann eine schadensursächli-che Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat die Kontrol-len am 04.04.1990, 12.10.1990 und 13.02.1991 durch ihren Bediensteten Herrn Rost, der nach ihrer unwi-dersprochen gebliebenen Behauptung Spezialerfahrung hat (Seite 3 der Klageerwiderung vom 14.02.1992, Bl. 32 GA), durchführen lassen. Die nächste Kon-trolle ist am 29.08.1991 - gut einen Monat nach dem Schadenstag - durchgeführt worden. Daß am 13.02.1991 der nach Behauptung der Klägerin schon damals morsche Ast hätte entdeckt werden müssen, behauptet diese selbst nicht. Sie meint, die näch-ste Kontrolle (29.08.1991) sei zu spät erfolgt; sie hätte alsbald nach Beginn der Vegetationsphase er-folgen müssen. Der Senat hat Bedenken, eine Pflicht des Verkehrssicherungspflichtigen anzunehmen, die Kontrolle von Bäumen in belaubtem Zustand kurz nach Beginn der Vegetationsphase vorzunehmen. Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an. Selbst wenn eine solche Pflicht bejaht würde, so könnte die Ur-sächlichkeit einer Pflichtverletzung für den Scha-den der Klägerin nicht festgestellt werden, da nach den Feststellungen des Sachverständigen W. nicht sicher, noch nicht einmal sehr wahrscheinlich ist, daß der schon damals - angeblich - morsche Ast, der auf den Pkw der Klägerin herabgefallen ist, entdeckt worden wäre. Die Bruchstelle ist nicht be-kannt. Es ist nicht einmal sicher, von welchem Baum der Ast herabgefallen ist (s. Seite 3 des Gutach-tens, Bl. 79 GA).
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15Beweispflichtig für die Ursächlichkeit einer et-waigen Pflichtverletzung ist die Klägerin (BGH NJW 1984, 432 f.; speziell zur Ursächlichkeit bei angeblicher Verletzung der Pflicht zur Kontrolle von Straßenbäumen OLG Oldenburg VersR 1977, 845 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 864: Keine Haftung, wenn nicht feststellbar ist, daß bei einer routinemäßi-gen Kontrolle die Gefahrenstelle hätte auffallen können und müssen). Zugunsten der Klägerin gilt kein Anscheinsbeweis. Dieser setzt nämlich einen typischen Geschehensablauf voraus. Ob sich der Ast, bevor er herabfiel, an einer vom Boden aus sichtba-ren oder unsichtbaren Stelle befand, ist durch kei-ne Erfahrung vorgezeichnet.
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17Schließlich behauptet die Klägerin, der - angeb-lich - morsche Ast hätte auch vom Boden aus erkannt werden können, wenn die Kontrolle vor vollständiger Belaubung kurz nach Austreiben der Blätter durchge-führt worden wäre (Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 127 GA). Eine zeitlich so exakt umrissene Kontrollpflicht ist jedoch nicht anzuerkennen. Sie wäre angesichts der Vielzahl der Bäume, die die Be-klagte zu kontrollieren hat, praktisch nicht durch-führbar. Außerdem wäre eine vorausschauende zeitli-che Planung unmöglich. Bäume treiben nicht stets zu derselben Zeit aus, vielmehr hängt das von einer Reihe von Umständen, insbesondere von den Witte-rungsverhältnissen ab.
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19Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbar- keit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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21Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.
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23Streitwert II. Instanz und Wert der Beschwer: 2.534,-- DM.
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