Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 19 U 104/92
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. März 1992 - 17 0 119/91 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 190.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Gegner in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaften einer deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
1
Tatbestand
2Der Kläger verlangt von dem Beklagten, einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücks- und Gebäudebewertungen, Schadensersatz in Höhe von 136.330,60 DM wegen fehlerhafter Begutachtung eines Grundstücks. Der Kläger ersteigerte am 17.3.1989 das in C, DStraße 26 gelegene Haus zum Preise von insgesamt (30.000,--DM/35.000,-DM/35.000,--DM) 100.000,--DM; es bestand aus drei im Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß liegenden Wohnungen. Er hatte das Haus vor der Versteigerung innen nicht besichtigen können, weil es unbewohnt und verschlossen war. Ihm waren jedoch seitens des Amtsgerichts die beiden im Auftrag des Amtsgerichts hinsichtlich des Ober- und Dachgeschosses von dem Beklagten am 15.8.1988 erstatteten Wertgutachten zur Verfügung gestellt worden (BI. 17 ff.; 37 ff. d.A.). In beiden Gutachten hat der Beklagte ausgeführt:
3"Der Unterzeichner hat zur Vorbereitung dieser Wertermittlung am 12. Juni 1987 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Bei dieser Ortsbesichtigung sind anwesend:
41. Frau Q, die Eigentümerin, 2. Herr M für die L-Bank, 3. der Unterzeichner persönlich.
5Die betreffende Wohnung ist zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung nicht bewohnt und aufgrund des Zustandes nicht bewohnbar.... Die Bewertung erfolgt entsprechend dem Zustand am Besichtigungstag..."
6Unter der Rubrik "Baubeschreibung" sind in beiden Gutachten detaillierte Angaben zu Fundamenten, Mauern, Decken und Treppen gemacht, gleiches gilt für die Rubrik "Ausbau"; hier finden sich u.a. Ausführungen zu den sanitären Einrichtungen, elektrischen Leitungen (z.B. Schalter, Steckdosen in Mindestzahl vorhanden), den Fußbodenbelägen, Tapeten etc. . In beiden Gutachten ist zum baulichen Zustand ausgeführt, daß die Wohnung sich in völlig desolatem, unbewohnbaren Zustand befinde. Als Reparaturstau ist ein Betrag von 11.541,--DM (OG) bzw. 11.145,--DM (DG) angegeben.
7Tatsächlich hatte der Beklagte die Gutachten erstattet, ohne eine der beiden Wohnungen je von innen gesehen zu haben, weil die Räumlichkeiten abgeschlossen waren und ihm Zutritt nicht gewährt wurde. Besichtigt hatte er lediglich ein im Erdgeschoß befindliches Ladenlokal.
8Der Kläger hat das Hausgrundstück im Wege der Zwangsversteigerung für 100.000,-- DM zzgl. Nebenkosten erworben, um es in Eigenarbeit auszubauen und zu vermieten. Nach dem Erwerb stellte sich heraus, daß das Haus von Schwamm und Hausbock befallen war. Die Gesamtkosten für die deshalb erforderliche Sanierung hat der Sachverständige L2 auf 120.000,-- DM veranschlagt (BI. 63 ff d.A.). Der Sachverständige J hat in seinem Gutachten zum Verkehrswert festgestellt, daß die vollständigen Sanierungs- und Schädlingsbeseitigungsmaßnahmen den Zeitwert des Gebäudes überstiegen, weshalb allein der Bodenwert maßgeblich sei; ihn hat der Sachverständige auf 30.000,-- DM abzüglich Abbruchkosten veranschlagt. Der Kläger hat das Gebäude für 26.288,40 DM abbrechen lassen und bebaut es nunmehr mit 6 oder 8 Wohneinheiten.
9Der Kläger hat behauptet, Grundlage für seinen Entschluß, sich an der Zwangsversteigerung zu beteiligen, sei der Inhalt der vom Beklagten erstatteten Wertgutachten gewesen; dies gelte auch für die Erdgeschoßwohnung; er habe von vornherein die Absicht gehabt, alle drei Wohnungen gemeinsam zu ersteigern, um sodann das gesamte Haus zu sanieren und anschließend zu vermieten. Die Gutachten bezüglich der beiden oberen Wohnungen hätten umfangreiche Angaben zum Gemeinschaftseigentum enthalten und seien deshalb auf alle Einheiten des Hauses übertragbar gewesen. Zu ersetzen seien neben den Erwerbskosten auch die Kosten der begonnenen Sanierung, die wegen des später festgestellten Schwamm= und Hausbockbefalls vergeblich aufgewendet worden seien. Bei Kenntnis des wahren Bauzustandes hätte er von einem Erwerb des Hauses abgesehen.
10Der Kläger hat seinen Schaden auf insgesamt 139.362.20 DM beziffert, hiervon den nach Abzug der Abbruchkosten verbleibenden Restwert des Grundstücks mit 3.031,60 DM abgezogen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 194 d.A. Bezug genommen.
11Der Kläger hat beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 136.330,60 DM nebst 7,65 % Zinsen auf 95.000,--DM seit dem 1.12.1989 und 7,65 % Zinsen auf 41.330,60 DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Der Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er hat eingeräumt, am 12.7.1987 lediglich das Erdgeschoß und dort auch nur das Ladenlokal besichtigt zu haben, weil er weitere Räume wegen fehlender Schlüssel und abgeschlossener Türen nicht habe besichtigen können. Er habe sich zunächst gesträubt, das Gutachten allein aufgrund des äußeren Eindrucks zu erstatten, sei aber von dem zuständigen Rechtspfleger quasi hierzu gedrängt worden. Der von ihm angenommene Reparaturstau beruhe auf Erfahrungswerten. Er habe bis zu dem vom Kläger angestrengten Beweissicherungsverfahren überhaupt nicht gewußt, daß und welche Schäden im Innern des Hauses vorhanden waren; deshalb habe er auch nicht mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Der Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, er hafte nicht für den Erwerb des Erdgeschosses, da er insoweit auch kein Gutachten erstattet habe. Die Instandsetzungskosten für das Dach in Höhe von 14.103,32 DM seien wegen des Schwammbefalls überflüssig, was das beauftragte Fachunternehmen hätte erkennen müssen. Der Wert des von der Bausubstanz befreiten Grundstücks sei mit rund 30.000,-- DM zutreffend angegeben, müsse aber auch in dieser Höhe bei der Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe ein grob falsches Gutachten erstattet und hierdurch den Kläger sittenwidrig geschädigt, so daß er ihm nach § 826 BGB für den entstandenen Schaden haften müsse. Wegen der weiteren Begründung wird auch insoweit auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
17Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig begründeten Berufung macht der Beklagte geltend:
18Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB seien nicht gegeben, weil für eine zumindest bedingt vorsätzliche falsche Begutachtung oder gar eine als gewissenlos zu wertende Leichtfertigkeit keine Anhaltspunkte vorlägen. Dem Amtsgericht sei bekannt gewesen, daß das Gutachten lediglich aufgrund des äußeren Eindrucks erstellt worden sei. Die im Gutachten enthaltene Angabe über die Ortsbesichtigung sei zutreffend, weil er an diesem Tag tatsächlich eine Ortsbesichtigung vorgenommen habe; er habe den Verkaufsraum im Erdgeschoß eingehend besichtigt und außerdem von außen durch die Fenster auch weitere Räume des Erdgeschosses in Augenschein genommen. Ihm sei nicht bewußt gewesen, daß der kurze Hinweis auf die Ortsbesichtigung am 12.7.1987 bei einem Leser des Gutachtens den Eindruck erwecken könnte, seine Angaben beruhten auf einer Inaugenscheinseinnahme auch der Obergeschoß- und Dachgeschoßwohnung. Er bestreite, daß die festgestellten Holzerkrankungen im Jahre 1987 bereits derart sichtbar waren wie anläßlich der 2 Jahre später erfolgten Begutachtungen. Der geltend gemachte Schaden bleibe auch der Höhe nach bestritten. Der Kläger habe mit der Erstellung des Neubaus ganz erhebliche wirtschaftliche Vorteile realisieren können. Die Sanierungskosten seien deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie erst zwischen der Ortsbesichtigung durch den Sachverständigen Dr. H am 13.7.1989 und der späteren durch den Sachverständigen J am 18.9.1989 vorgenommen worden seien, wie sich aus dem Gutachten J ergebe; zu diesem Zeitpunkt sei bereits bekannt gewesen, daß Holzerkrankungen vorlagen. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden, weil der Neubau die wirtschaftlich günstigste Ausnutzung des Grundstücks darstelle.
19Der Beklagte beantragt,
20unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen;
21ihm zu gestatten, Sicherheiten auch durch Bürgschaften einer deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.
22Der Kläger beantragt,
23die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
24Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist der Ansicht, daß aufgrund der eingeholten Gutachten und der Feststellungen der Fa. Dr. H (BI. 138 f. d.A.) und der Fa. E (BI. 136 f. d.A.) zweifelsfrei feststehe, daß die Holz- und Mauerwerkserkrankungen schon 1987 vorhanden und sichtbar gewesen seien. Er habe auf die Richtigkeit des Gutachtens vertraut; aus den hierin enthaltenen Angaben habe sich das Bild eines äußerlich soliden, mit vertretbarem Aufwand (ca. 11.000,--DM je Wohnung) zu renovierenden Hauses ergeben. Das Amtsgericht habe den Beklagten sicher nicht angewiesen, die Tatsache der nicht durchgeführten Ortsbesichtigungen zu verschleiern. Soweit der Beklagte die Höhe des Schadens bestreite, sei dies unsubstantiiert, da bereits erstinstanzlich alle im Zusammenhang mit der Ersteigerung nutzlos aufgewendeten Kosten im einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt worden seien. Weitere Vorteile als die bereits angesetzten seien nicht vorhanden. Die Entscheidung über den Abriß sei erst im April 1990 gefallen, als das im Beweissicherungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen L2 vorgelegen habe, hiernach habe festgestanden, daß das Haus wegen des Befalls mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht habe saniert werden können. Mit der Ersteigerung sei der Plan verfolgt worden, die Sanierung im wesentlichen in Eigenleistung durchzuführen; das sei bei einem Neubau nicht möglich. Es sei bereits absehbar, daß die durch den Neubau verursachten Kreditausgaben höher sein werden als die erzielbaren Mieten. Der Kläger behauptet weiter, er sei durch das falsche Gutachten wirtschaftlich ruiniert worden. Aufgrund der wegen des Abrisses und Neubaus eingegangenen wirtschaftlichen Verpflichtungen habe die finanzierende Bank die Kreditmittel verweigert, so daß er gezwungen gewesen sei, 90 % des Grundstücksanteils an Dritte zu übertragen. Die Sanierungskosten seien in den Monaten März bis Juni 1989 entstanden, wie sich anhand der Rechnungsdaten nachvollziehen lasse; erst danach sei er, der Kläger, von dem Architekten X auf den Schwammbefall aufmerksam gemacht worden.
25Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätzeder Parteien nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
28Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte dem Kläger gern. § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil der Beklagte durch ein leichtfertig, grob fahrlässig erstelltes unrichtiges Gutachten die Möglichkeit gesetzt hat, daß Dritte getäuscht wurden und einen Schaden erlitten.
29Voraussetzung für die Haftung eines Sachverständigen aus § 826 BGB für Schäden, die daraus entstehen, daß ein Dritter auf die Richtigkeit eines von ihm erstellten, aber tatsächlich unrichtigen Gutachtens vertraut hat, ist zunächst die Feststellung von Umständen, die das Verhalten des Sachverständigen als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen. Dabei reicht es nicht aus, daß der Sachverständige ein fehlerhaftes Gutachten erstattet hat; erforderlich ist vielmehr, daß der Sachverständige sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch "ins Blaue" gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens und den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließung hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz, als gewissenlos bezeichnet werden muß (so BGH BauR 1992, 101 [103] m.w.N. = NJW 1991, 3282 [3283]; PalandtThomas, BGB, 52. Aufl., § 826 Rn 26).
30Ein Sachverständigengutachten muß sich auf Tatsachen und nicht auf Unterstellungen oder Mutmaßungen stützen. Sind dem Sachverständigen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muß er sie erfragen, u.U. auch andere Ermittlungen anstellen. Bleibt diese Bemühung erfolglos, so darf er zwar sein Gutachten auf Unterstellungen aufbauen; er muß dies jedoch in dem Gutachten kenntlich machen ( so BGH NJW 1984, 355, 356 r.Sp.). Hiervon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, daß das Landgericht unter Berücksichtigung der Vertrauensstellung, die der Beklagte als Architekt und öffentlich bestellter Sachverständiger genoß und der Bedeutung, die das Gutachten für einen Steigerungsinteressenten hatte, es als sittenwidrig bezeichnet hat, daß der Beklagte hinsichtlich der Wohnungen im Ober- und Dachgeschoß Gutachten erstattet hat, in denen er zahlreiche Details hinsichtlich des baulichen Zustands und der Ausstattung aufführte und zudem auf eine durchgeführte Ortsbesichtigung verwies, obwohl er keinerlei zuverlässige Untersuchungsgrundlagen hatte und sich die Wohnungen auch nicht angesehen hatte. Der Hinweis auf die Ortsbesichtigung und die genaue Beschreibung der Wohnungen (bis hin zu einem angeblich vorhandenen Fliesenspiegel) mußte bei jedem unbefangenen Leser der Gutachten den Eindruck erwecken, daß die Feststellungen des Sachverständigen auf einer persönlichen, in die Einzelheiten gehenden Inaugenscheinseinnahme beruhten, während sie tatsächlich "ins Blaue hinein" gemacht waren. An dieser Feststellung ändert auch nichts die Behauptung des Beklagten, er habe zwar nur einen Raum im Erdgeschoß betreten können, im übrigen aber durch die tiefliegenden Fenster des Erdgeschosses Einblick gewinnen können. Durch diese Fenster konnte er weder verläßliche Feststellungen zu der ins Obergeschoß führenden Treppe treffen, noch gar Einblick in die dort und im Dachgeschoß befindlichen Räume gewinnen. Ebenso ist es in diesem Zusammenhang ohne Belang, daß ihm kein Zutritt zu den Räumen gewährt worden war, während andererseits das Amtsgericht die Erstattung des Gutachtens anmahnte. Denn der Vorwurf geht nicht dahin, daß er sein Gutachten auf Unterstellungen gegründet hat, sondern daß er dies nicht kenntlich gemacht, vielmehr einen gegenteiligen Eindruck erweckt hat.
31Dabei kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Innenausstattung der Wohnungen der vom Beklagten vorgenommenen Beschreibung entsprach; insoweit wären mehr oder weniger große Abweichungen für den Schaden des Klägers nicht kausal. Entscheidend ist, daß jeder Leser der Gutachten darauf vertrauen durfte, daß der Beklagte, der im Gutachten den Eindruck der vollständigen Besichtigung des Objekts erweckte, etwaige Mängel an der Bausubstanz erwähnt hätte, wenn sie für einen Sachverständigen feststellbar gewesen wären. Für einen Steigerungsinteressenten ist es nicht vorstellbar, daß der mit der Ermittlung des Verkehrswertes der beiden Eigentumswohnungen beauftragte Sachverständige Hausschwamm- und Hausbockbefall unerwähnt lassen könnte, sind doch solche Umstände für den Verkehrswert von allergrößter Bedeutung. Diese Vorstellungen eines Steigerungsinteressenten werden durch die Gutachten selbst gebildet und verstärkt, sind darin doch sowohl die restliche Lebensdauer des Gebäudes, als auch Fundamente, Mauern, Decken und Treppen beschrieben. Ebenso hatte der Beklagte nach dem von ihm verwendeten Vordruck den baulichen Zustand zu beschreiben und Baumängel und Bauschäden aufzuführen.
32Dies hat er auch getan, es fehlen aber die später festgestellten Mängel, die die gesamte Bausubstanz entwerteten. Der Interessent, dem als Bauschäden "Dachundichtigkeit und defekte Fenster" mitgeteilt werden, darf darauf vertrauen und vertraut darauf, daß der Sachverständige trotz pflichtgemäßer Untersuchung Mängel wie Schwamm und Hausbock nicht festgestellt hat.
33Der Beklagte hat auch vorsätzlich geschädigt. Für den Schädigungsvorsatz reicht es aus, wenn der Beklagte mit einer Kenntniserlangung seines unrichtigen Gutachtens durch Dritte gerechnet, eine dadurch verursachte Schädigung eines Dritten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (BGH a.a.O.; BGH NJW-RR 1986, 1150 [11511)
34Der Beklagte wußte, daß sein Gutachten als Wertgrundlage für das Zwangsversteigerungsverfahren zu dienen bestimmt war und daß nicht nur das Gericht, sondern auch mögliche Steigerer Einblick hierin erhalten würden; das folgt schon aufgrund seiner forensischen Erfahrung, die darin augenfällig wird, daß er in dem Vordruck des Amtsgerichts zur Gutachterbestellung schon namentlich aufgeführt ist (BI. 59 d.A.); der Beklagte hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht länger in Abrede gestellt. Dann war ihm aber auch klar, daß Dritte, die ebensowenig wie er Zutritt zu den Räumlichkeiten erhalten hatten, das Gutachten zur Grundlage ihrer Entscheidung, das Grundstück zu einem bestimmten Preis zu ersteigern oder nicht, machen würden. Wenn er gleichwohl lediglich theoretische Berechnungen als sachverständige Auswertung deklarierte und in keiner Weise kenntlich machte, daß er die Örtlichkeit nicht besichtigt hatte, sondern im Gegenteil auf eine Ortsbesichtigung verwies, so nahm er damit billigend in Kauf, daß die Bieter sich sein Gutachten zu eigen und zur Grundlage ihres Gebots machen würden; andererseits konnte er sich auch nicht der Einsicht verschließen, daß sein Gutachten mangels tatsächlicher Feststellungen falsch war und daß Bieter, die auf seine Richtigkeit vertrauten, Schaden erleiden könnten. Dagegen ist es keine Voraussetzung vorsätzlichen Verhaltens, daß der Beklagte sich der Sittenwidrigkeit seines Verhaltens bewußt war. Es genügte vielmehr, daß er diejenigen Umstände kannte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH NJW-RR 1986, a.a.O.). Das war der Fall.
35Durch das Verhalten des Beklagten ist dem Kläger auch der im landgerichtli‑chen Urteil, auf das insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug ge‑nommen wird, im einzelnen bezifferte Schaden (Seite 9 des Urteils) entstanden; ihn hat der Beklagte nach §§ 826, 249 BGB zu ersetzen. Denn der Kläger hat das Grundstück im Vertrauen auf das Gutachten zu einem weit überhöhten Wert ersteigert; tatsächlich hätte schon allein wegen des Befalls mit Schwamm und Hausbock der Gebäudewert auf Null reduziert werden und reine Grundstückswert um die wegen des Befalls nötigen Abrißkosten reduziert werden müssen, wie sich aus dem vom Kläger vorgelegten Verkehrswertgutachten des Sachverständigen Prof. J (BI. 92 f. d.A.) und dem im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen L2 (BI. 74 ff. d.BA.) ergibt. Dabei steht es für den Senat außer Zweifel, daß der Kläger auch die Wohnung im Erdgeschoß nicht ersteigert hätte, wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, daß es sich hinsichtlich der dartiberliegenden Räume und des Gemeinschaftseigentums um ein Gutachten "ins Blaue" hinein handelte; die Gutachten des Beklagten sind auch insoweit kausal für den Erwerb geworden.
36Ohne Erfolg bestreitet der Beklagte auch, daß der Hausbock- und Schwammbefall bereits 1987. vorgelegen habe und erkennbar gewesen sei. Denn der Sachverständige L2 hat in seinem Gutachten auch festgestellt, daß der Schwamm- und Schädlingsbefall bereits 1987 bestanden hat und vom Beklagten hätte erkannt werden können (BI. 81, 82 d.A.). Der Sachverständige hat dies aus dem vorgefundenen Schadensumfang hergeleitet, der auch anschaulich auf den dem Gutachten beigefügten Fotos (BI. 89 ff. d.BA.) dokumentiert ist. Er hat als Indiz für die Dauer des Befalls insbesondere auf das Vorhandensein des "Schwammholz-Nagekäfers" verwiesen, der nur bereits schwammbefallenes Holz befalle. Die Entwicklungszeit und somit Fraßzeit der Larve betrage unter günstigen Bedingungen 3 - 4 Jahre, unter weniger günstigen wie normalem Raumklima bis zu 8 Jahren, so daß bereits 1987 Fraßspuren sichtbar gewesen sein müßten. Auch seien, wie der Sachverständige weiter ausgeführt und erläutert hat, bereits 1987 deutliche Merkmale eines Schwammbefalls sichtbar und erkennbar gewesen (BI. 82 d.BA.). Der Senat hält diese Darlegungen für nachvollziehbar und überzeugend. Der Beklagte hat auch nicht darlegen können, daß und inwiefern die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nicht zutreffen. Seine bloße Behauptung, der Befall sei nicht erkennbar, reicht angesichts der vom Sachverständigen als Indizien für die Erkennbarkeit angeführten Befunde nicht aus, begründete Zweifel an der Richtigkeit der gutachtlichen Darlegungen zu wecken. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, hierzu eine weiteres Gutachten einzuholen.
37Die Angriffe des Beklagten gegen die Sanierungskosten für das Dach gehen fehl; aus den vom Kläger vorgelegten Rechnungen (BI. 247, 248 d.A.) ergibt sich, daß die Sanierungsarbeiten im Juni 1989 ausgeführt worden sind, während die Gutachter erst ab Juli 1989 tätig wurden; dem Kläger war zu diesem Zeitpunkt der Schwammbefall noch nicht bekannt.
38Mit zutreffender Begründung hat das LG es auch abgelehnt, die behaupteten Vorteile aus der Neubebauung gegenzurechnen. Eine Vorteilsausgleichung fin- - det statt, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, beide müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Vorbem v § 249 Rn 119 ff.). Hieran fehlt es. Das haftungsbegründende Ereignis ist das fehlerhafte Gutachten; dieses steht in keinem adäquat-kausalen Zusammenhang zur Neubebauung des Grundstücks, vielmehr beruht der Entschluß des Klägers zum Abriß und Neubau auf seiner autonomen Entscheidung. Mithin bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit seiner unter Beweis gestellten Behauptung, er habe durch den Neubau keinen Vorteil, sondern im Gegenteil einen Schaden erlitten.
39Die Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
40Beschwer für den Beklagten: 136.330,60 DM
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