Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 145/92
Tenor
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T a t b e s t a n d
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Die Klägerin unterzog sich am 8. April 1988 in der Hals-,Nasen- und Ohrenklinik der Universität B. einer Nasenscheidewand- und Nasennebenhöhlen-operation. Postoperativ wurde sie am 15. April 1988 wegen anhaltender Rückenschmerzen in der orthopä-dischen Klinik der Universität B. untersucht. Dort wurde der Verdacht einer meningialen Reizung geäußert. Dies veranlaßte den Beklagten zu 2) und die neurologische Abteilung, den Verdacht diagno-stisch abzuklären. Eine Lumbalpunktion wurde nicht durchgeführt. Da sich keine klinischen Zeichen für eine Meningitis zeigten, wurde die Klägerin im Ver-laufe des 15. April 1988 aus stationärer Behandlung nach Hause entlassen. Am 17. April 1988 wurde die Klägerin erneut in der neurologischen Klinik der Universität B. vorstellig. Aufgrund einer Lumbal-punktion wurde eine Meningitis festgestellt, ohne daß freilich Bakterien isoliert werden konnten. Am 4. Mai 1988 wurde die Klägerin entlassen.
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Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil sie infolge der Meningitis an Kopfschmerzen leide, wo-durch sie in ihrer Belastbarkeit eingeschränkt und deshalb arbeitsunfähig sei. Sie leide unter Depres-sionen und habe ständig Angst, erneut an Meningitis zu erkranken. Sie hat behauptet, sie sei nicht über das Risiko, als Folge der Operation an einer Menin-gitis zu erkranken, aufgeklärt worden. Bei gehöri-ger Aufklärung hätte sie sich nicht operieren las-sen. Einen weiteren Aufklärungsmangel hat sie darin gesehen, daß sie nicht darüber unterrichtet worden ist, daß mehrere Operateure nacheinander tätig geworden sind. Auch in ein solches Prozedere hätte sie nicht eingewilligt. Schließlich hat sie behaup-tet, sie habe bereits am 15. April 1988 an einer Meningitis gelitten, die bei richtiger Diagnostik hätte erkannt werden müssen. Eine frühzeitigere Behandlung hätte einen günstigeren Heilungsverlauf zur Folge gehabt.
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Sie hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verur-teilen, an sie ein angemessenes Schmerzens-geld, mindestens 30.000,00 DM nebst 4% Zin-sen seit Rechtshängigkeit für den Zeitraum vom 10. April 1988 bis zum Tage der Ur-teilsverkündung zu zahlen,
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festzustellen, daß die Beklagten gesamt- schuldnerisch verpflichtet seien, ihr al-le weiteren materiellen und immateriel-len Schäden aus der meningialen Infektion nach der Operation der Nasenscheidewand vom 8. April 1988 zu ersetzen, soweit die-se nicht auf die Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien,
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die Beklagten zu verurteilen, an sie 851,50 DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben relevante Aufklärungsmängel be-stritten und Behandlungsfehler in Abrede gestellt.
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Das Landgericht hat, sachverständig bera-ten, nach Zeugenvernehmung über den Umfang der Eingriffsaufklärung die Klage abge-wiesen.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. sie wiederholt, vertieft und er-gänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Landgericht habe die erhobenen Beweise nicht zutreffend gewürdigt.
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Sie bantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie treten der Berufung entgegen und ver-teidigen das angefochtene Urteil.
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Ent-scheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechsel-ten Schriftsätze verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet wor-den (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulässig. Sie ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.
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Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegen die Beklagten keine Scha-densersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 831, 847 BGB) oder schuldhafter Vertragsver-letzung zustehen. Darauf, daß die Klage richtiger-weise gegen die Universität B. als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts und Klinikträ-ger (statt gegen das Land NW) zu richten gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.
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Die Rüge unzureichender Eingriffsaufklärung, die im Mittelpunkt der Berufung steht, greift nicht durch.
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Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisauf-nahme ist bewiesen, daß die Klägerin auch über das Risiko einer Hirnhautentzündung (Meningitis) aufgeklärt worden ist. Die Zeugen Dr. W. und Dr. N.-R. haben übereinstimmend angege-ben, daß der Beklagte zu 2) entsprechend seinen ei-genen Angaben vor dem Landgericht die Klägerin auch über dieses Risiko aufgeklärt hat. Das Landgericht hat die Zeugen nach ihrem Aussageverhalten für glaubwürdig befunden. Es bestehen keine durchgrei-fenden Anhaltspunkte, dies anders zu werten, zumal die Zeugen nicht mehr in den Diensten des Landes NW stehen. Persönliche Beziehungen zu den leitenden Ärzten der Universität B. , die die Gefahr einer Abhängigkeit nach sich ziehen könnten, sind mithin nicht gegeben.
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In der Sache hat das Landgericht die Aussagen für glaubhaft erachtet. Auch das ist nicht zu beanstan-den. Es ist durchaus plausibel, daß die Zeugen sich an die mit der Operation der Klägerin zusammenhän-genden Umstände erinnern. Zum einen deshalb, weil eine Meningitis als Folge einer Nasenscheidewand-operation äußerst selten und dies deshalb geeignet ist, im Gedächtnis als außergewöhnliches Ereignis haften zu bleiben; zum anderen, weil die Klägerin damals sehr ängstlich und vorsichtig war und "viele Umstände" gemacht hat. Auch derartiges hinterläßt regelmäßig einen bleibenden Eindruck. Es ist ferner auch deshalb nachvollziehbar, daß die Zeugen sich an das Aufklärungsgespräch erinnern, weil die Ge-fahr einer Hirnhautentzündung gerade als Folge ei-ner Schädelbasisverletzung und einer Zerreißung der Hirnhäute besteht und darauf unstreitig hingewiesen worden ist. Schließlich hat die Aufklärung über Meningitis nach den Angaben der Zeugen damals zum Standard der Klinik gehört. Gerade der Beklagte zu 2) soll besonders ausführlich und umsichtig aufge-klärt haben.
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Danach muß der erforderliche Beweis als erbracht angesehen werden, auch wenn das Risiko einer Menin-gitis im Aufklärungsprotokoll nicht erwähnt ist. Zwar gilt der Grundsatz, daß nicht Dokumentiertes im Zweifel als nicht geschehen gilt; es bleibt dem Beweispflichtigen aber (selbstverständlich) unbe-nommen, das Gegenteil durch andere Beweismittel zu beweisen. Das ist den Beklagten im Streitfall ge-lungen.
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Die persönlichen Angaben der Klägerin sind nicht geeignet, das Ergebnis in Frage zu stellen. Sie hat vor dem Landgericht angegeben, sie könne sich an Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs nicht mehr erinnern, nicht einmal daran, wer das Gespräch mit ihr geführt hat (Bl. 141/142 d. A.). Vor diesem Hintergrund vermag es nicht recht zu überzeugen, daß sie sich gleichwohl gerade daran erinnern will, daß die Möglichkeit einer Hirnhautentzündung nicht Gegenstand des Auflärungsgesprächs gewesen sein soll.
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Die Aufklärung ist für den Streitfall auch recht-zeitig, nämlich zwei Tage vor der Operation, er-folgt,(vergl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. Seite 120/121.)
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Schließlich ist es auch kein Mangel, daß die Klägerin nicht darüber aufgeklärt worden ist, daß die gesamte Operation nicht allein vom zuständigen Oberarzt ausgeführt werden sollte, sondern in Tei-len auch von in der Facharztausbildung befindlichen Assistentärzten unter Aufsicht des Oberarztes, denn durch diese Verfahrensweise wird die Behandlungs-qualität nicht verkürzt (vergl. Steffen a.a.O., Seite 91).
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Nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung kann auch kein schadensursächlicher Behandlungsfeh-ler festgestellt werden. Das geht zu Lasten der Klägerin, denn sie ist für die anspruchsbegründen-den Umstände beweispflichtig.
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Die postoperative Verabreichung von E. war und ist Standard und auch in Ansehung des konkreten Einzelfalles nicht zu beanstanden gewesen. Das hat der Sachverständige überzeugend dargelegt. Es be-stand ferner kein Anlaß, das Medikament frühzeitig abzusetzen, denn der Verdacht einer Menigitis ist erstmals am 15. April, dem Tag der Entlassung, auf-getreten. Dem Verdacht ist mit den gebotenen dia-gnostischen Mitteln nachgegangen worden. Eine Lum-balpunktion war zu diesem Zeitpunkt wegen Fehlens der klinischen Leitsymptome nicht angezeigt. Auch das hat der Sachverständige überzeugend dargelegt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine weitere Beweiserhebung.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Wert der Beschwer für die Klägerin:
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unter 60.000,00 DM.
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Berufungsstreitwert: 36.851,50 DM
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(unverändert wie in erster Instanz).
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Referenzen
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