Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 201/92
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die Berufung ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten waren nach Maßgabe des Tenors zur Unterlassung der beanstandeten Werbung zu verurteilen.
3Soweit der Kläger in der Berufungsverhandlung seinen Antrag neu gefaßt hat, stehen dem prozessuale Bedenken nicht entgegen. Der Kläger hat auf diese Weise lediglich den Kern seines Unterlassungsbegehrens deutlicher herausgestellt und den Antrag zugleich an die beanstandete konkrete Verletzungshandlung angepaßt. Die nunmehr in drei Abschnitte unterteilte Antragsfassung betrifft Punkte, die bereits im ersten Rechtszug Inhalt der schriftsätzlichen Begründung des Klagebegehrens und damit Teil des Streitgegenstandes waren.
41. Das Landgericht hat die Unterlassungsverurteilung maßgeblich darauf gestützt, daß in dem Werbeprospekt eine Auszahlung von insgesamt 3.600,-- DM herausgestellt werde, obwohl schon deswegen kein Spieler die Chance habe, volle 3.600,-- DM zu erhalten, weil pro Jahr 18,-- DM an die Initiatorin bzw. Verwalterin des Spiels zu zahlen seien. Insoweit wenden die Beklagten im Berufungsverfahren ein, die Abweichung der angekündigten Gewinnmöglichkeit von 3.600,-- DM von dem tatsächlich erzielbaren Gesamtbetrag von 3.582,-- DM sei nicht geeignet, den Spielentschluß eines nicht völlig unerheblichen Teils der Mitspielinteressenten positiv zu beeinflussen. Ob dieser Einwand erheblich ist, erscheint schon deswegen zweifelhaft, weil der Betrag von 18,-- DM nach § 6 der Spielregeln für jede Spielernummer j ä h r l i c h erhoben wird. Die Belastung mit der Gebühr kann mithin auch mehr als 18,-- DM betragen, wenn nämlich der Spieler länger als ein Jahr benötigt, um alle Gewinnpositionen der Pyramide zu erreichen. Braucht er hierfür gar mehrere Jahre, so multipliziert sich der Betrag von 18,-- DM mit der Zahl der Jahre, in denen der Spieler am Spiel beteiligt ist. Angesichts der Ungewißheit, ob die notwendige Zahl neuer Mitspieler gefunden werden kann, die die für den einzelnen Spieler maßgeblichen Positionen besetzen, erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß mehrere Jahre bis zum Erreichen der Maximalposition vergehen können. Nach sechse Jahren übersteigt der Gebührenaufwand aufgrund des § 6 der Spielregeln bereits 100,-- DM. Ob ein Irrtum über einen eventuell möglichen Abzug von der maximalen Gewinnsumme in dieser Größenordnung nicht mehr wettbewerblich relevant ist, erscheint aber fraglich. Letztlich kann dies indes dahinstehen, denn der beanstandete Text im Prospekt mit der Überschrift "die Teilungsautomatic der Pyramiden" erfüllt jedenfalls aus den nachstehend ausgeführten Gründen den Tatbestand des § 3 UWG.
5Der Kläger hat von Anfang an geltend gemacht, die Seite des Werbeprospekts, auf der im oberen Teil von der "Teilungsautomatic der Pyramiden" und unten von der Auszahlung von insgesamt 3.600,-- DM die Rede ist, erwecke den Eindruck, eine solche Auszahlung erfolge geradezu automatisch. Hierauf hat auch das Landgericht seine Entscheidung in einer Hilfsbegründung gestützt. Der Senat tritt diesen Ausführungen bei.
6Die textliche und graphische Gestaltung der beanstandeten Prospektseite erweckt auch nach der Überzeugung des Senats bei einem nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen Leser den Eindruck, die Auszahlung von 3.600,-- DM sei das notwendigerweise eintretende Ende einer durch den Einstieg in das Spiel und die Zahlung des Einstiegsbetrags ausgelösten Ursachenkette. Hierauf werden die Leser bereits durch die ersten Seiten des Prospektes eingestimmt. Es beginnt dort nämlich mit dem Hinweis: "Das Geld liegt auf der Straße... bei uns lernen Sie, sich danach zu bücken!". Sodann wird der Leser aufgefordert, sich seine Wünsche selbst zu realisieren, wobei auf Urlaub, ausgefallene Hobbies und ein neues Auto hingewiesen wird. Schließlich wird aufgezeigt, wie man an 3.600,-- DM kommen kann. Das ganze wird als Investitionsmöglichkeit den klassischen Geldanlageformen - "Bank, Immobilien, Kapitalanlagen" - gleichgestellt. Sodann folgen auf der fraglichen Prospektseite die blickfangmäßig herausgestellten Ankündigungen "Teilungsautomatic der Pyramiden" und "Auszahlung insgesamt 3.600,-- DM".
7Vor diesem Hintergrund erweckt die geometrische Darstellung der "Pyramidenteilung" bei den flüchtigen und in erster Linie auf den Gewinn fixierten Leser den Eindruck, der graphisch wiedergegebene Aufstieg innerhalb der Pyramiden sei Teil einer sich mit mathematischer Genauigkeit und Notwendigkeit abspielenden Entwicklung. Dies gilt um so mehr, als stets davon die Rede ist, daß die Neueinsteiger/Spieler "kommen", "vorrücken" etc. Daß dies entgegen dem dadurch verursachten Anschein nicht von selbst geschieht, sondern der einzelne Spieler selbst für den "Zufluß" neuer Spieler an den für ihn günstigen Postionen zu sorgen hat, ist in dem Prospekt mit keinem Wort erwähnt und findet einen Niederschlag lediglich in § 1 der allgemeinen Spielregeln, also im Kleingedruckten auf der Rückseite des Teilnahmeantrags.
82. Auch der durch den Antrag zu 2. erfaßte Hinweis unter Ziffer 7. ("Spielregeln") der "Besonderen Sicherheitsmerkmale" verstößt wegen der damit verbundenen Irreführungsgefahr gegen § 3 UWG. Bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird durch diese Ankündigung der Eindruck erweckt, daß die Spielregeln durch staatliche Autorität geprüft, positiv beurteilt (= anerkannt) und/oder verbindlich festgelegt worden seien. Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang geltend machen, die Redewendung "verbindlich anerkannt" beziehe sich schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach auf die Anerkennung durch einen Geschäftspartner, nicht jedoch durch irgendeine Autorität, vermag das nicht zu überzeugen. Die Beklagten lassen insoweit unberücksichtigt, daß für den uninformierten und flüchtigen Leser der Schluß auf die vielfach beworbenen öffentlich veranstalteten Gewinnspiele naheliegt, bei denen - wie etwa bei den Klassenlotterien - die Spielbedingungen durch staatliche Stellen freigegeben sind.
93. Auch die Ankündigung in dem Beitrittsantrag, nach der der Spieleinsatz 600,-- DM beträgt, ist mit § 3 UWG nicht zu vereinbaren. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird nämlich annehmen, es handele sich hier um den Betrag, der "netto" als Einsatz in das Spiel selbst fließe. Für den Leser des Formulars ist aus dem Teilnahmeantrag ein "Einstiegspreis" von 799,-- DM ersichtlich, der sich aus einem Spieleinsatz von 600,-- DM, einem Beitrag von 100,-- DM für den "Sicherheitsfonds" sowie einer Aufnahmegebühr von 99,-- DM zusammensetzt. Diese Aufzählung erweckt den Eindruck, der "Spieleinsatz" genannte Anteil von 600,-- DM komme in seinem Nominalwert ungeschmälert der im Umlauf des Spiels befindlichen Geldmenge zugute. Stattdessen geht jedoch auch von dem "Spieleinsatz" noch einmal ein Anteil an die Initiatorin. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten werden nämlich, sobald sich vier Mitspieler gefunden haben, deren "Spieleinsätze" von 2.400,-- DM (4 x 600,-- DM) wie folgt verwandt:
10Position C: Gewinnausschüttung 1.200,-- DM Position B: Gewinnausschüttung 400,-- DM Position A: Gewinnausschüttung 400,-- DM 2.000,-- DM;
11sodann werden 200,-- DM für "Dynamikeinstiege" verwandt, fließen also ebenfalls unmittelbar dem Spiel zu. Weitere 200,-- DM werden jedoch in Form einer "Vertriebsgebühr" für Verwaltungsaufwand an die Initiatorin abgeführt. Hieraus folgt, daß der als "Spieleinsatz" bezeichnete Anteil von 600,-- DM nicht vollständig dem Spiel selbst zufließt, vielmehr erhält hiervon jeweils 50,-- DM die Initiatorin.
12Ein entsprechender Irrtum der Leser über den wirklich als Spieleinsatz verwandten Teil der Einzahlung ist wettbewerbsrechtlich relevant, ohne daß es darauf ankommt, ob die Höhe des Spieleinsatzes für die Größe der Gewinnchance (mit-) bestimmend ist. Für den Interessenten ist es nämlich, wenn er über die Teilnahme am Spiel nachdenkt, durchaus von Interesse, wie hoch der Anteil an seiner Einstiegszahlung ist, der in das Spiel selbst einfließt und dort gegebenenfalls wiederum als Gewinn verteilt werden kann. Gerade die Höhe der Gebühren, die nicht in irgendeiner Weise in den Kreislauf des im Spiel befindlichen Geldes gelangen, macht im Grunde den Preis aus, den der Teilnehmer letztlich an den Initiator für seine Beteiligung entrichtet. Im Grunde geht es hier mithin um die Höhe des Honorars, das der Teilnehmer für seine Spielbeteiligung an den Veranstalter zu zahlen hat und das lediglich als "Verwaltungskostenanteil" erbracht wird und der im Spiel zu verteilenden Geldmenge in keiner Weise zugute kommt.
13Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, mit der Untersagung der angegriffenen Werbebehauptungen in der hier ausgesprochenen Form werde das verfassungsrechtlich begründete Übermaßverbot verletzt. Soweit sie meinen, hinsichtlich Ziffer 1. des Urteilstenors genüge als weniger einschneidendes Mittel, es zu untersagen, die Gesamtauszahlung von 3.600,-- DM ohne einen klarstellenden Hinweis auf die einzubehaltende Informationsbestandsgebühr von 18,-- DM jährlich anzukündigen, werden Inhalt und Tragweite des Urteilsausspruches verkannt. Die Beklagten übersehen, daß die Werbeangabe in der konkret angegriffenen Form zu untersagen ist. Wird von dieser Form in einer Weise abgewichen, die das Charakteristische der Wettbewerbshandlung verändert, so ist dies nicht vom Verbotsbereich umfaßt. Nichts anderes gilt für die Verurteilungen hinsichtlich der Anträge zu 2. und 3. Zusätzliche Hinweise in der Werbung, wie die Beklagten sie schriftsätzlich angesprochen haben, können bedeuten, daß die neugefaßte Werbung nicht mehr vom Kernbereich des Unterlassungsgebots erfaßt ist.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
15Die Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen; sie entspricht dem Unterliegen der Beklagten in der Berufungsinstanz.
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