Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 201/92
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Berufung und Anschlußberufung sind zulässig. In der Sache hat aber nur die Anschlußberufung Erfolg.
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Der Beklagte ist aus unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1, 847 BGB verpflichtet, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld von 6.000,00 DM zu zahlen. Diese Verpflichtung des Beklagten hat das Landgericht mit zutreffender Begründung fest-gestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat gem. § 843 Abs. 1 ZPO von der erneuten Darstellung der Gründe ab. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten des Beklagten. Sie gibt nur An-laß zu folgenden ergänzenden Ausführungen.
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Nach dem schriftlichen Gutachten der Sachverstän-digen Prof. Dr. S. und Dr. D. war über das Risiko einer hypertrophen Narbenbildung auf-zuklären. Denn die Entstehung einer hypertrophen Narbe, um die es sich hier gehandelt hat, ist im Bereich der Schulter, der oberen Thoraxpartie und im Bereich des Sternums besonders groß. Da die Klägerin bereits über einen Narbenwulst bei Zu-stand nach Appendektomie klagte, mußte bei ihr die Gefahr einer hypertrophen Narbenbildung im oberen Thoraxbereich besonders in Betracht gezogen werden (Bl. 124 der Akten). Das Risiko war im vorliegen-den Fall als sehr hoch einzuschätzen.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, daß der Beklagte die Klägerin über dieses Risiko aufgeklärt hat. Schon aus der Einverständ-niserklärung vom 4. August 1989 (Bl. 27 der Akten) geht nicht hervor, daß der Beklagte die Klägerin über dieses spezifische Risiko informiert hat. Die Klägerin hat lediglich die Erklärung unterzeich-net, über mögliche Risiken und Komplikationsge-fahren aufgeklärt worden zu sein. Das Risiko der Narbenbildung wird in dem Vordruck nicht angespro-chen. Es ist auch nicht handschriftlich vermerkt. Die dokumentierte Aufklärung ist daher zu pauschal und benennt die Risiken zu allgemein, um zu bele-gen, daß die Klägerin ein zutreffendes Bild über ihren Behandlungsfall erhalten hat.
1011
Die Klägerin, die das Landgericht auf Antrag des Beklagten als Partei vernommen hat, hat die Behauptung des Beklagten nicht bestätigt. Sie hat vielmehr lebensnah und glaubwürdig die Erklärungen des Beklagten geschildert. Danach hat er im Gegen-teil gesagt, nach der geplanten zweiten Operation werde nur eine minimale Narbe verbleiben. Der Zeuge Gaspar hat die Behauptung des Beklagten ebenfalls nicht bestätigt. Die Patientenkartei er-wähnt nur eine "ausführliche Besprechung" mit den Eltern. Daß in der Besprechung auch das Risiko der Narbenbildung angesprochen worden ist, ist nicht dokumentiert. Im übrigen ist die Dokumentation auch unrichtig, da keine Besprechung mit den El-tern, sondern nur mit dem Vater stattgefunden hat.
1213
Der Nachteil, daß die Aufklärung über das Narben-risiko sich nicht feststellen läßt geht zu lasten des Beklagten. Denn die Beweislast für die Behaup-tung, die Patientin habe in die Behandlung wirksam eingewilligt, weil sie hinreichend aufgeklärt wor-den sei obliegt dem Arzt (BGH NJW 1984, 1807). Für eine Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen liegen die Voraussetzungen nicht vor. Eine solche ist in Betracht zu ziehen, wenn schon einige Beweise erbracht worden sind und die Parteiverneh-mung dazu dienen soll, letzte Zweifel auszuräumen (BGH MDR 1985, 923). An diesen Voraussetzungen fehlt es.
1415
Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung vor dem Senat plausibel dargelegt, daß sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das Risiko der Narbenbildung vor einem Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Sie hat glaubhaft angegeben, daß sie sich in diesem Fall noch einmal überlegt hätte, den Eingriff von dem Beklagten ausführen zu lassen. Sie wäre danach wohl eher in eine Klinik gegangen, um sich beraten und gegebenenfalls den Eingriff dort vornehmen zu lassen. Dieser Entscheidungskonflikt ist nach-vollziehbar. Die Darlegung eines solchen Konflikts reicht auch aus. Der Patient braucht nicht plausi-bel zu machen, wie er sich entschieden hätte (BGH NJW 1990, 2928).
1617
Die Klägerin braucht sich kein Mitverschulden an der Narbenbildung entgegenhalten zu lassen. Die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. D. haben in ihrem schriftlichen Gutachten zwar von der Möglichkeit gesprochen, bei Beginn der hyper-trophen Narbenbildung diese mittels Kompression durch Verbände oder durch Unterspritzung von Corticosteroiden zu behandeln. In seiner Anhörung (Bl. 49 der Akten) hat Prof. Dr. S. ergänzend ausgeführt, er könne nicht sagen, wie die Narben-bildung verlaufen wäre, wenn die Klägerin sich am 19. September 1989 zu einem Nachschautermin beim Beklagten eingefunden hätte. Auch bei einer konservativen Behandlung hätte die Narbenbildung theoretisch zu demselben Ergebis führen können. Damit steht die Ursächlichkeit der unterbliebenen Nachschau für den Schaden nicht fest. Das geht zu Lasten des Beklagten, der hierfür die Beweislast trägt.
1819
Die Höhe des Schmerzensgeldes hat der Beklagte nicht angegriffen. Das Schmerzensgeld erscheint auch unter Berücksichtigung von vergleichbaren Fällen, die der Senat entschieden hat, angemessen.
2021
Die Anschlußberufung der Klägerin ist sachlich ge-rechtfertigt.
2223
Der Feststellungsantrag ist zulässig und begrün-det. Der Senat ist nach Inaugenscheinnahme der Narben im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren und den insoweit glaubhaften Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Überzeugung, daß ihr eine Korrekturoperation in einigen Jahren empfohlen worden ist und ein weite-rer Schaden wahrscheinlich ist. Das reicht für den Feststellungsantrag aus.
2425
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens für den Feststellungs-antrag hat die Klägerin zu tragen, da sie aufgrund neuen Vorbringens in der Berufung obsiegt, das sie schon in erster Instanz geltend zu machen imstande war.
2627
Streitwert des Berufungsverfahrens: 8.000,00 DM.
2829
Beschwer für den Beklagten: unter 60.000,00 DM.
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