Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 U 1/93
Tenor
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T a t b e s t a n d
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3Die Kläger waren Mitglieder einer Bauherrengemein-schaft, die in R. ein Büro- und Geschäftshaus errichtet hat. Mit den Bauarbeiten wurde im Novem-ber 1987 begonnen. Erstmals für den Veranlagungs-zeitraum 1987 gab der Kläger zu 2) namens der Bau-herrengemeinschaft bei dem zuständigen Finanzamt B.-Außenstadt eine Umsatzsteuererklärung und eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Fest-stellung des Gewinns (Feststellungserklärung) ab. Dabei brachte er in der Feststellungserklärung als Werbungskosten nur persönliche Aufwendungen wie Fahrten, Telefon und Bewirtungen in Ansatz, unterließ es aber, die Vorsteuerbeträge aus den bis Ende 1987 bezahlten Bauhandwerkerrechnungen geltend zu machen. Infolgedessen blieb bei der Gewinnfeststellung ein Verlustbetrag in Höhe von rund 14.000,-- DM unberücksichtigt. Als der glei-che Fehler dem Kläger zu 2) ein Jahr später bei der Abgabe der Erklärungen für das Jahr 1988 noch einmal unterlief, bemerkte der zuständige Veranla-gungsbeamte den Fehler schon bei der Entgegennahme der Unterlagen und gab den Klägern Gelegenheit zur Korrektur ihrer Erklärung. Eine Berichtigung des bereits bestandskräftig gewordenen Bescheides für das Jahr 1987 lehnte das Finanzamt jedoch ab. Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht Köln mit der Begründung abgewiesen, daß die Vor-aussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 oder § 173 AO nicht erfüllt seien.
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5Wegen der hierdurch erlittenen Nachteile nehmen die Kläger das beklagte Land auf Schadensersatz in Anspruch. Sie sind der Ansicht, dem verantwort-lichen Finanzbeamten falle eine Amtspflichtverlet-zung zur Last, weil er die ihm vorgelegte Steuer-erklärung nicht, wie der ein Jahr später mit der Sache befaßte Beamte, mit der gebotenen Sorgfalt auf ihre Richtigkeit hin überprüft habe. Damit ha-be er die ihn nach §§ 88, 89 AO obliegende Unter-suchungs- und Hinweispflicht verletzt. Mit ihren Klageanträgen haben die Klägerin zu 1) 2.933,-- DM und der Kläger zu 2) 2.832,-- DM beansprucht.
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7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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9Es hat gemeint, dem verantwortlichen Beamten falle zwar ein Verstoß gegen die ihm nach §§ 88, 89 AO obliegende Fürsorgepflicht zur Last. Mit Schadens-ersatzansprüchen seien die Kläger aber nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil sie es schuldhaft versäumt hätten, sich im Wege des Einspruchs gegen die fehlerhafte Steuerfestsetzung zur Wehr zu set-zen und damit den Schaden abzuwenden.
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11Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre erst-instanzlichen Anträge weiter. Das Land tritt der Berufung entgegen.
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13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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15Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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17Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG liegen nicht vor. Es fehlt bereits am objektiven Tatbestand einer Amts-pflichtverletzung.
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19Nach § 89 AO ist die Finanzbehörde nur dann gehalten, die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anzuregen, wenn diese "offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis" unrichtig abgegeben worden sind. Die Vorschrift ist Ausdruck der Fürsorgepflicht der Behörden gegenüber dem Staatsbürger und beruht auf dem im Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz, daß niemand aus Unkenntnis seiner Rechte verlustig gehen soll (Hübschmann/Hepp/Spittaler, AO, § 89 Rdnr. 3; Koch/Helsper, AO, 3. Aufl., § 89 Rdnr. 2; Kühn/Kutter/Hofmann, AO, 15. Aufl., § 89 Anm. 1). Die nach Inhalt und Zweck mit § 25 VwVfG überein-stimmende Vorschrift zielt indessen nicht darauf ab, die Finanzbehörde allgemein mit der Rolle eines steuerlichen Beraters zu betrauen. Vielmehr ist anerkannt, daß es nicht Aufgabe der Behörde ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige jede sich bietende Möglichkeit, Steuern zu sparen, ausge-nutzt hat (BFH BStBl III 1960, 178, 179). Sie ist auch nicht verpflichtet, ordnungsgemäß ausge-füllte Steuererklärungen auf alle nur denkbaren Fehlerquellen hin zu prüfen und auch fernliegende Möglichkeiten eines Versehens des Steuerpflichti-gen ins Auge zu fassen, sondern darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß der Steuerpflichtige seine Erklärung nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage abgegeben hat (BFH BStBl II 1969, 474). Der Grundsatz, daß das Finanzamt nicht zu Nachfor-schungen verpflichtet ist, um Anträge oder Erklä-rungen im Interesse des Steuerpflichtigen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen, kommt in § 89 AO dadurch zum Ausdruck, daß die Beratungspflicht der Finanzbehörde erst dann ein-setzen soll, wenn das Versehen oder die Unkenntnis des Steuerpflichtigen "offensichtlich" ist. Eine darüber hinausgehende Fürsorgepflicht wäre mit den Bedürfnissen einer funktionsfähigen, auf die ra-tionelle Bewältigung von Massenarbeit angewiesenen Finanzverwaltung nicht zu vereinbaren (vgl. BFH BStBl III 1960, 179).
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21Maßgebend ist demnach, ob die Unrichtigkeit der von den Klägern eingereichten Feststellungserklä-rung "offensichtlich" war. Das ist zu verneinen. Offensichtlich ist, was klar, deutlich (bis sehr deutlich) erkennbar ist (vgl. Dudens Deut-sches Wörterbuch, Meyers Enzyklopädisches Lexikon Band 32, Stichwort "offensichtlich"). Bei richti-ger Würdigung der steuerrechtlichen Gegebenheiten war die Unvollständigkeit der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Werbungskosten noch nicht einmal erkennbar. Die Umsatzsteuerakten und auch die gleichzeitig über-reichte Umsatzsteuererklärung gaben dafür entge-gen der Auffassung der Kläger nichts her. Der Umstand, daß die angemeldeten Vorsteuerbeträge (16.423,46 DM) den geltend gemachten Werbungsko-sten (7.963,77 DM) nur zu einem geringen Teil zugeordnet werden konnten, bedeutete noch nicht, daß tatsächlich höhere Werbungskosten entstanden waren. Insoweit hat das beklagte Land mit Recht auf die Möglichkeit hingewiesen, daß es sich um Vorsteuerbeträge handelte, die noch im Jahre 1987 in Rechnung gestellt und infolgedessen bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer bereits abzugsfähig waren (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG), daß die entspre-chenden Rechnungen aber erst 1988 bezahlt wurden und damit bei der Einkommenssteuer auch erst für diesen Veranlagungszeitraum als abzugsfähige Aus-gaben zu berücksichtigen waren (§ 11 Abs. 2 Satz 2 EStG). Da es sich um das erste Veranlagungsjahr handelte und mit den Bauarbeiten erst gegen Ende des Jahres begonnen worden war, lag es auch nahe, daß die Vorsteuern aus Baustofflieferungen oder Bauhandwerkerleistungen resultierten. Bei Leistun-gen dieser Art entspricht es der Regel, daß zwi-schen Rechnungsstellung und Zahlung eine gewisse Zeit vergeht, so daß selbst bei sorgfältiger Prü-fung davon ausgegangen werden konnte, daß die in der Umsatzsteuererklärung angegebenen Vorsteuerbe-träge nur deshalb nicht als Werbungskosten geltend gemacht wurden, weil die entsprechenden Rechnungen im Veranlagungszeitraum nicht mehr bezahlt worden waren. Demgegenüber stellte sich die Lage für den Beamten, der ein Jahr später die Steuererklärungen für das Veranlagungsjahr 1988 entgegennahm, anders dar. Bedingt durch den Baufortschritt hatte sich das Vorsteuervolumen gegenüber 1987 nicht nur vervielfacht (erklärt wurden für 1988 nach Angaben der Kläger rund 185.000,-- DM, nach Angaben des Landes 440.000,-- DM), sondern es mußte auch da-von ausgegangen werden, daß die zugrundeliegenden Lieferungen und Leistungen bereits von Beginn des Jahres an ausgeführt und in Rechnung gestellt wor-den waren. Die Möglichkeit, daß Rechnungen dieser Größenordnung über einen so langen Zeitraum offen geblieben waren, konnte praktisch ausgeschlossen werden. Insoweit bestand zwischen den für das Jahr 1988 abgegebenen Erklärungen ein Widerspruch, der dem zuständigen Beamten sofort auffallen mußte. Das war bei den Erklärungen für das Jahr 1987 nicht der Fall.
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23Sonstige Erkenntnisquellen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Feststellungserklärung für das Jahr 1987 ergab, standen dem Finanzamt nicht zur Verfügung. Soweit die Kläger dazu Gegenteiliges vortragen, sind sie jedenfalls beweisfällig ge-blieben. Für ihre Behauptung, der Kläger zu 2) habe dem Sachbearbeiter "sämtliche Originalbele-ge" übergeben, die jeweils einen Zahlungsvermerk enthalten hätten, und ihm ein Buchungsjournal vor-gelegt und erläutert, haben sie als Beweismittel nur die Parteivernehmung des Klägers zu 2) angebo-ten. Diesem Beweiserbieten kann nicht entsprochen werden, da die Vernehmung der Partei, der die Be-weislast obliegt, nach § 448 ZPO nur dann zulässig ist, wenn für das Vorbringen, das durch die Par-teivernehmung bewiesen werden soll, bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. An dieser Vor-aussetzung fehlt es.
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25Der von den Klägern geltend gemachte Schadenser-satzanspruch kann auch nicht darauf gestützt wer-den, daß das Finanzamt mit Bescheid vom 28.03.1990 die von den Klägern geforderte Berichtigung des Feststellungsbescheides für das Jahr 1987 abge-lehnt hat. Dieser Entscheidung kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit sie darauf gestützt ist, daß die Absetzbarkeit der Vorsteuerbeträge nicht, wie es § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfordere, nachträglich bekannt geworden sei. Denn bekannt war aufgrund der abgegebenen Umsatzsteuererklärun-gen (Voranmeldungen und Jahreserklärung) und auch aufgrund der Umsatzsteuersonderprüfung nur der für die Abzugsfähigkeit nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 UStG maßgebende Sachverhalt, also die Tatsache, daß die Vorsteuer berechnet, nicht aber, daß sie bezahlt worden war. Der Frage, ob die Ablehnung der Berichtigung amtspflichtwidrig war, braucht aber nicht weiter nachgegangen zu werden. Eine Verur-teilung des Landes kann darauf jedenfalls deshalb nicht gestützt werden, weil durch das Urteil des Finanzgerichts K. vom 24.07.1991 die Recht-mäßigkeit des fraglichen Bescheids mit bindender Wirkung für den Amtshaftpflichtprozeß festgestellt worden ist (vgl. BGHZ 113, 17, 20).
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27Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck-barkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
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31Berufungsstreitwert (zugleich maximaler Wert der Beschwer für beide Kläger): 5.765,-- DM.
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Referenzen
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