Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 UF 15/93
Tenor
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist in der Sache teil-weise gerechtfertigt. Der Klägerin steht gegen den Beklagten rückständiger Trennungsunterhalt gem. § 1361 BGB für die Zeit ab Januar 1989 bis zur Rechtskraft der Scheidung, die am 4. April 1990 eingetreten ist, zu. Die Klägerin hat die Geltendmachung dieses Anspruchs nicht verwirkt.
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Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtspre-chung (vgl. BGHZ 84, 281; 105, 298), der sich der Senat anschließt, ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem Gesamtverhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, daß dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment). Ist ein Recht betroffen, das über einen längeren Zeitraum hinweg dauernd neu entsteht und monatlich fällig wird, wie es bei ei-nem Unterhaltsanspruch der Fall ist, müssen die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrach-tet werden (vgl. BGH FamRZ 1988, 370, 372).
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An das Zeitmoment sind bei der Frage der Verwir-kung von Trennungsunterhalt keine strengen Anfor-derungen zu stellen. Aus dem Rechtsgedanken des § 1565 b Abs. 3 BGB läßt sich ableiten, daß das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als 1 Jahr bis zur Geltendmachung ausreichen kann (vgl. BGH FamRZ a.a.O.). Daraus folgt, daß der Berechtigte rückständigen Unterhalt nur noch für etwas mehr als 1 Jahr - der Senat hält in Anlehnung an die zitierte BGH-Entscheidung einen Zeitraum von etwa 1 1/4 Jahren für angemessen - verlangen kann, wobei freilich Voraussetzung ist, daß er den Verpflichteten früher deswegen in Verzug gesetzt hat, was hier unstreitig geschehen ist. Der weiter zurückliegende Unterhalt ist dann verwirkt, sofern der Berechtigte nicht während des für die Verwir-kung erforderlichen Zeitraums durch Mahnung oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, daß er auf seinem Recht beharrt (vgl. BGH FamRZ 1988, 480). Ist dies geschehen, so wird der Zeitpunkt entsprechend zeitlich zurückverlagert, das heißt, Anknüpfungspunkt für die "Rückrechnung" ist dann nicht mehr die gerichtliche Geltendmachung, son-dern der Zeitpunkt der anderweitigen Geltendma-chung, soweit der Verpflichtete bei der gebote-nen vernünftigen objektiven Betrachtungsweise mit Rücksicht hierauf nicht darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde von rückständigen Unter-haltsforderungen Abstand nehmen.
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Maßgebender Anknüpfungspunkt für die Rückrechnung ist danach im Streitfall die vorprozessuale Gel-tendmachung des rückständigen Unterhalts im April 1990. Auch wenn die Klägerin ihre Klage letztlich erst im Oktober 1991 eingereicht hat, so bestand doch für den Beklagten bereits seit April 1990 kein Grund zur Annahme, die Klägerin werde ihre Forderung fallenlassen. Mit Anwaltsschreiben vom 29. Mai 1990 hatte sie nämlich nochmals auf Zah-lung rückständigen Trennungsunterhalts bestanden, insoweit Vergleichsbereitschaft angekündigt und im übrigen unmißverständlich Klageerhebung angedroht. Darauf hat der Beklagte zwar ablehnend reagiert, sich aber doch auch zur Sache eingelassen und im übrigen mitgeteilt, er sehe einer Klageerhe-bung entgegen. Nachdem es dann im Verlaufe der Versteigerung des Hausgrundstücks ebenfalls nicht zu einer einvernehmlichen Regelung gekommen ist, hat die Klägerin dem Beklagten schließlich im Juli 1991 den Klageentwurf übersandt, womit sie ihr Festhalten an der Unterhaltsforderung nochmals dokumentierte. Unter diesen Umständen mußte der Beklagte mit rückständigen Unterhaltsforderungen rechnen.
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Nach allem kann die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zur Rechtskraft der Scheidung rückständigen Unterhalt beanspruchen. Für die weiter zurückliegenden Zeiträume ist der Anspruch verwirkt. Das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt. Der Senat tritt insoweit den Gründen des angefochtenen Urteils bei, macht sie sich zu eigen (§ 543 Abs. 1 ZPO) und verweist hierauf, um unnö-tige Wiederholungen zu vermeiden.
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Die Unterhaltsforderung ist, soweit sie nicht ver-wirkt ist, der Höhe nach berechtigt. Der Klägerin steht ab Januar 1989 der beanspruchte Elementarun-terhalt von 1.750,-- DM und der Altersvorsorgeun-terhalt von 712,-- DM mindestens zu. Die Berech-nungsgrundlage, nämlich ein unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Beklagten von durchschnittlich 5.964,-- DM monatlich ist eher zu niedrig ange-setzt, wie sich aus den Urteilen des Amtsgerichts - Familiengericht - Kehl vom 11. Januar 1990 (F 220/85 ES) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Juni 1992 (5 UF 234/91) betreffend den nachehelichen Unterhalt ergibt. Der Beklagte ist dem auch nicht substantiiert entgegengetreten, Einkommensnachweise für 1989 und 1990 hat er nicht vorgelegt. Kindesunterhalt ist nicht abzuziehen, weil solcher jedenfalls seit 1987 nicht mehr ge-leistet worden ist. Fiktive Einkünfte braucht sich die Klägerin nicht entgegenhalten zu lassen. Sie war nicht erwerbsverpflichtet. Der Zuschnitt der Ehe und das Alter der Klägerin lassen es nicht zu, ihr eine solche Obliegenheit aufzuerlegen. Auch der Wohnvorteil ist mit 500,-- DM monatlich nicht zu niedrig angesetzt. Der Beklagte verkennt, daß der Klägerin jedenfalls für die Trennungszeit nicht der objektive Mietwert des Einfamilienhauses zuzurechnen ist, sondern nur ein Betrag, der billigerweise von der Klägerin anderweitig gezahlt worden wäre. Eine teilweise Vermietung des Einfa-milienhauses kam nicht in Betracht.
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Danach ergibt sich für 15 Monate und 3 Tage ein Gesamtunterhaltsanspruch von 37.176,19 DM (15 Monate x 1.750,-- = 26.250,-- DM + 175,-- DM für 3 Tage zuzüglich 15 Mona-te x 712,-- DM = 10.680,-- DM + 71,19 DM). Hierauf hat der Beklagte nach der unwidersprochen geblie-benen Aufstellung der Klägerin (vgl. Klageschrift S. 11) insgesamt 20.164,-- DM gezahlt, so daß 17.012,19 DM verbleiben, wovon 10.751,19 DM auf den Altersvorsorgeunterhalt entfallen.
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Der Zinsanspruch beruht auf § 288 BGB. Der Be-klagte ist verzugsbegründend mit Schreiben vom 15. September 1987 gemahnt worden. Der Senat hat wegen der Rückstände vor dem 1. April 1990 aus Vereinfachungsgründen ein mittleres Zinsdatum angenommen. Dies erscheint vorliegend vertretbar, weil die monatlich angefallenen, den Rückstand erhöhenden Beträge der Höhe nach nur unwesentlich voneinander abweichen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
2021
Wert der Beschwer: unter 60.000,-- DM
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