Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - Ss 327/93 (B) - 161 B -
Tenor
1
G r ü n d e
23
4
5
A.
67
Das Amtsgericht hat die Betroffene "wegen fahrläs-siger Zuwiderhandlung gegen §§ 37, 41, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG" zu einer Geldbuße von 300,00 DM verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
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Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen ge-troffen:
1011
"Am 6. Oktober 1992 befuhr die Betroffene mit ihrem Pkw ... in H.-G. die Landstraße --- und mußte vor einer Baustelle hinter anderen Kraftfahrzeugen anhalten, da innerhalb der Baustelle die Verkehrs-führung nur einspurig war und an beiden Enden der Baustelle jeweils eine Verkehrssignalanlage aufge-stellt war. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit be-trug 50 km/h, die Gelbphase der LZA betrug 3 Sekun-den. Da sich vor der Ampelanlage der Verkehr staute und bei einer Grünphase nicht alle Fahrzeuge in den Baustellenbereich einfahren konnten, fuhr die Betroffene um 16.57 Uhr an der Verkehrssignalanlage vorbei, nachdem diese bereits 2,6 Sekunden rotes Licht gezeigt hatte. ..."
1213
Zur Beweiswürdigung heißt es in dem Urteil:
1415
"Die Betroffene hat sich ... dahin eingelassen, daß sie sich an das letzte Fahrzeug "angehängt" habe und daher die Ampel nicht beachtet hätte. Das Gericht ist ferner zugunsten der Betroffenen davon ausgegangen, daß durch den Verkehrsverstoß der Betroffenen keine konkrete Gefahr für andere Ver-kehrsteilnehmer entstanden ist, weil die Baustelle übersichtlich war und kein Querverkehr herrschte."
1617
Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
1819
"Bei der Ahndung der Ordnungswidrigkeit war fest-zustellen, daß die Betroffene bereits zweimal in verkehrsrechtlicher Hinsicht in Erscheinung getre-ten ist und dabei einmal einschlägig. Unter diesen Umständen erschien es gerechtfertigt, die Geldbuße von 250,00 DM nach dem Bußgeldkatalog auf 300,00 DM zu erhöhen. Ferner bestand unter diesen Umständen auch keine Veranlassung, von dem in der Regel neben dem Bußgeld vorgesehenen Fahrverbot abzusehen, auch wenn es sich "nur" um eine Baustellenampel gehan-delt hat."
2021
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen rügt Verlet-zung formellen und materiellen Rechts.
2223
B.
2425
Die Rechtsbeschwerde hat einen Teilerfolg.
2627
I.
2829
Zum Schuldspruch ist das Rechtsmittel als unbegrün-det zu verwerfen (§§ 79 Abs. 3 und 5 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
3031
Insoweit war der Tenor des angefochtenen Urteils lediglich zur Klarstellung - wie aus der Beschluß-formel ersichtlich - neu zu fassen.
3233
II.
3435
Im Rechtsfolgenausspruch führt das Rechtsmittel auf die Sachrüge zu einer Herabsetzung der Geldbuße von 300,00 DM auf 250,00 DM und zum Fortfall des ange-ordneten Fahrverbots.
3637
Dem Zusammenhang der Feststellungen und der Begrün-dung des Rechtsfolgenausspruchs läßt sich entneh-men, daß das Amtsgericht die Tat als Regelfall der Nr. 34.2 der BKatV in der Fassung der 12. Verord-nung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vor-schriften vom 15.10.1991 - BGBl. I S. 1992 - ge-wertet hat, wobei es den Regelsatz der Geldbuße wegen straßenverkehrsrechtlicher Vorbelastungen der Betroffenen um 50,00 DM erhöht hat. Nach dieser Bestimmung des Bußgeldkatalogs ist bei Rotlichtver-stößen, bei denen die Rotlichtphase schon länger als eine Sekunde gedauert hat, eine Geldbuße von 250,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen.
3839
Diese Bewertung der Tat als Regelfall im Sinne der Nr. 34.2 BKat hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat die besonderen Umstände unberücksichtigt gelassen, welche die Tat hier als weniger schwerwiegend erscheinen lassen und deshalb eine Abweichung von der gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BKatV von gewöhnlichen Tatumständen ausgehen-den Regelbuße erfordern.
4041
Der Nr. 34.2 des Bußgeldkatalogs unterfallen nur besonders schwerwiegende Rotlichtverstöße (OLG Düsseldorf NJW 1993, 2063 = VRS 85, 139 = DAR 1993, 272 = NZV 1993, 320; vgl. auch: OLG Düsseldorf VRS 83, 216 = DAR 1992, 271 = NZV 1992, 414; OLG Düsseldorf DAR 1993, 271; OLG Hamm NZV 1993, 361). Das ergibt sich bereits aus der Bußgeldkatalog-verordnung selbst. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV bezeichnet die Verwirklichung der Nr. 34.2 als grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahr-zeugführers. § 2 Abs. 1 BKatV seinerseits ist im Regelungszusammenhang mit § 25 StVG zu sehen. Die Vorschrift des § 25 StVG ist auch nach Inkraft-treten der Bußgeldkatalogverordnung am 01.01.1990 im Ordnungswidrigkeitenbereich alleinige Rechts-grundlage für die Verhängung des Fahrverbots (BGH St 38, 125, 128 = NJW 1992, 446). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist das Fahrverbot nur bei grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraft-fahrzeugführers zulässig. Diesen Regelungszusammen-hang wollte der Gesetzgeber durch die Einfügung der Nr. 34.2 in den Bußgeldkatalog nicht in Zweifel ziehen. In der amtlichen Begründung dieser Einfü-gung heißt es (VerkBl. 1991, 702, 704):
4243
"... die Nichtbeachtung von Regelungen durch Licht-zeichen bilden eine bedeutende Unfallursache. Die eintretenden Folgen sind oft gravierend. Es ist deshalb geboten, besonders schwerwiegende Rotlicht-verstöße schärfer zu ahnden als beispielsweise ein-fache Vorfahrtsverletzungen. Insbesondere ist bei grobem Fehlverhalten die Verhängung eines Fahrver-bots erforderlich. Solch grobes Fehlverhalten liegt bei Mißachtung des Rotlichts unter konkreter Ge-fährdung anderer Verkehrsteilnehmer vor (Nr. 34.1). ... Eine abstrakte Gefährdung ist zu unterstellen, wenn ein Wechsellichtzeichen mißachtet wird, obwohl die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andau-ert (Nr. 34.2). Der Querverkehr (insbesondere auch Fußgänger) kann sich nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn be-finden."
4445
Einen derart schwerwiegenden Verkehrsverstoß hat die Betroffene nach den Feststellungen nicht be-gangen. Eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrs-teilnehmer ist nicht erfolgt. Zu einer abstrakten Gefährdung hat der Rotlichtverstoß der Betroffenen ersichtlich ebenfalls nicht geführt. Bei der Licht-zeichenanlage des vorliegenden Falles handelt es sich um eine sogenannte Baustellenampel, die zur Verkehrslenkung innerhalb der - offensichtlich in-folge halbseitiger Straßensperrung - nur einspurig befahrbaren Fahrbahn installiert war. "Hängt" sich in einem solchen Fall der Fahrzeugführer trotz Rotlichts an die bei Grünlicht in den Baustellen-bereich eingefahrene Fahrzeugkolonne an, kommt die Annahme einer abstrakten Gefährdung etwaigen Querverkehrs (Fußgänger, Baustellenfahrzeuge, An-wohnerfahrzeuge) nicht in Betracht. Während der Vorbeifahrt der Kolonne ist dem Querverkehr - wie im übrigen auch dem Gegenverkehr - eine Benutzung der nur einspurig befahrbaren Straße erst gar nicht möglich, zumindest kann er nicht auf deren gefahr-lose Benutzung vertrauen. Der Rotlichtverstoß des sich "anhängenden" Fahrzeugführers begründet daher für den Querverkehr - wie im übrigen auch für den Gegenverkehr - keine Gefahrenlage. Es handelt sich mithin nicht um einen besonders schwerwiegenden Rotlichtverstoß im Sinne einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG), wenn auch diese Verkehrsord-nungswidrigkeit zu einer erheblichen Beeinträchti-gung des Gegenverkehrs führt, der trotz Grünlichts seiner Ampel nicht in den Baustellenbereich einfah-ren kann (vgl. § 11 StVO).
4647
Die rechtlich unzutreffende Annahme des Amts-gerichts vom Vorliegen eines Regelfalles gemäß Nr. 34.2 BKat erfordert keine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur Entscheidung über die Rechtsfolgenseite. Vielmehr kann der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG insoweit selbst befinden. Die dazu notwendigen Feststellungen lassen sich dem ange-fochtenen Urteil entnehmen.
4849
Der Senat hält eine Geldbuße von 250,00 DM für angemessen. Dieser Betrag entspricht dem Regelsatz der Geldbuße, die Nr. 34.2 BKat vorsieht. Zwar ist der Rotlichtverstoß der Betroffenen wegen der nicht einmal eingetretenen abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Vergleich zum Regelfall von minderer Bedeutung. Andererseits waren bußgelderhö-hend aber die Vorbelastungen der Betroffenen (Rot-lichtverstoß, Geldbuße 100,00 DM; Geschwindigkeits-überschreitung, Geldbuße 80,00 DM) sowie der Um-stand zu werten, daß die Ampel bereits seit 2,6 Se-kunden Rotlicht zeigte, als die Betroffene diese passierte. Unter Berücksichtigung der durchschnitt-lichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffe-nen schien es im Ergebnis daher geboten, den fahr-lässigen Rotlichtverstoß mit einer Geldbuße in Höhe des Regelsatzes zu belegen.
5051
Demgegenüber kam die Anordnung eines Fahrverbots wegen der - vorgeschriebenen - deutlichen Abwei-chung der vorliegenden Fallgestaltung vom Nor-malfall einer Mißachtung eines Wechsellichtzei-chens bei länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtphase nicht in Betracht. Die früheren Ordnungswidrigkeiten der Betroffenen rechtfertigen auch nicht den Vorwurf beharrlicher Pflichtverlet-zung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG.
5253
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
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