Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 28/92
Tenor
1
T a t b e s t a n d
23
Der Kläger unterzog sich am 22. Juli 1987 während eines stationären Aufenthalts im St. F. in K. einer Nasenoperation durch den Beklagten zu 1. als dessen Privatpatient. Zur Vorbeugung gegen Wundinfektionen wurden ihm am Operationstag intra-venös zwei Ampullen V. ("V. ") ver-abreicht. Am darauffolgenden Tag nahm der Beklagte zu 2., seinerzeit Assistenzarzt in der vom Be-klagten zu 1. geleiteten H.-Abteilung, auf dessen Anordnung eine weitere Injektion von "V. " vor, und zwar in der linken Ellenbeuge. Über den Hergang dieser Injektion und deren Folgen strei-ten die Parteien. Unstreitig ist, daß bei einer Untersuchung im Strahleninstitut der A. Köln am 25. August 1987 Prof. Dr. H., an den der Kläger am 20. August wegen Schmerzen im linken Arm verwiesen worden war, einen kompletten Verschluß der Arteria brachialis im distalen Drittel des linken Oberarms feststellte.
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Der Kläger hat behauptet, zu dem Arterienverschluß sei es dadurch gekommen, daß der Beklagte zu 2. bei der Infektionsprophylaxe am 23. Juli 1987 entweder das Präparat in die Arterie oder para-venös injiziert oder mit der Injektionsnadel die Arterienwand verletzt habe. Er habe - was einen Behandlungsfehler darstelle - die Spritze in die Vena basilica der ulnaren Hälfte der Ellenbeuge setzen wollen. Wegen der größeren Gefahren für die Arterien sei es zudem fehlerhaft gewesen, als In-jektionsort überhaupt die Ellenbeuge anstelle von Unterarm oder Handrücken zu wählen. Während des Injektionsvorgangs habe er - der Kläger - stechen-de Schmerzen verspürt, deretwegen sein linker Arm noch an demselben Tag und auch im weiteren Verlauf seines stationären Aufenthalts durch Einreibungen behandelt worden sei. Eine intravenöse Injektion sei ohnedies nicht erforderlich gewesen, weil eine orale oder intramuskuläre Gabe von V. ge-nügt hätte; über diese Möglichkeiten hätte er auch ebenso aufgeklärt werden müssen wie über das grö-ßere Risiko intravenöser Injektionen in der Ellen-beuge.
67
Als weitere Folge der Fehlinjektion sei am 3. Fe-bruar 1990 ein kompletter Arterienverschluß in der linken Ellenbeuge eingetreten, der eine er-neute Operation notwendig gemacht habe. Seit dem Schadensereignis vom 23. Juli 1987 habe er unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im linken Arm zu leiden. Außerdem müsse er ständig Medika-mente einnehmen. Wegen seiner Behinderung könne er auch nicht mehr in dem gewohnten Umfang Haushalts-arbeiten verrichten.
89
Der Kläger verlangt neben Schmerzensgeld und einer Rente in Höhe der Kosten für eine Haushaltshilfe Ersatz von Aufwendungen für ein Privatgutachten.
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Er hat beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verur-teilen,
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20
a)
2122
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an ihn wegen der Folgen der Fehlinjektion am 23. Juli 1987 ein der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestell-tes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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26
b)
2728
29
an ihn 2.810,82 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3031
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c)
3334
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an ihn ab 1. August 1988 monatlich auf Le-benszeit, längstens jedoch bis zum 2. März 2006, 100,-- DM zu zahlen, dabei die rück-ständigen Beträge mit 4 % zu verzinsen,
3637
38
2.
3940
41
festzustellen, daß die Beklagten als Gesamt-schuldner ihm allen sonstigen und zukünftigen materiellen Schaden auf Nachweis zu erstatten haben, den er als Folge der Fehlinjektion vom 23. Juli 1987 erleiden werde.
4243
Die Beklagten haben beantragt,
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46
die Klage abzuweisen.
4748
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 2. habe - nach einer Untersuchung beider Arme des Klä-gers - die Spritze in die Ellenbeuge, und zwar in die Vena cephalica, gesetzt, weil andere In-jektionsstellen nicht in Betracht gekommen seien. Es sei auch grundsätzlich kein Fehler, intravenös in der Ellenbeuge zu injizieren. Die Injektion sei zudem unauffällig verlaufen und stehe in keinem Zusammenhang mit den späteren Arterienver-schlüssen und den übrigen vom Kläger behaupteten Armbeschwerden. Überdies sei der Kläger vor der Operation auch über die beabsichtigte intravenöse Verabreichung von V. zur Vorbeugung gegen Wundinfektionen aufgeklärt worden.
4950
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, die Klage abgewiesen mit der Begründung, den Beklagten seien weder Behandlungsfehler noch Aufklärungsver-säumnisse anzulasten. Die intravenöse Injektion in der Ellenbeuge verstoße nicht gegen anerkannte Be-handlungsgrundsätze. Einer Aufklärung des Klägers über ein - etwaiges - größeres Risiko bei Vornahme der Injektion in der Ellenbeuge anstatt im Unter-arm oder Handrücken habe es ebensowenig bedurft wie eines Hinweises auf die Möglichkeit oraler oder intramuskulärer Gabe von V. .
5152
Der Kläger hat gegen das ihm am 8. Januar 1992 zugestellte Urteil mit am 10. Februar 1992 bei Ge-richt eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.
5354
Er wiederholt im wesentlichen seinen erstinstanz-lichen Vortrag und macht insbesondere geltend, intravenöse Injektionen in der Ellenbeuge seien unabhängig davon fehlerhaft, ob das injizierte Präparat arterienschädlich sei oder nicht. Er sei über nachoperative Eingriffe zur Entzündungspro-phylaxe nicht aufgeklärt worden und habe deshalb nicht wirksam in die Injektion eingewilligt.
5556
Der Kläger beantragt,
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59
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen zu erkennen, die er zuletzt im er-sten Rechtszuge gestellt hat.
6061
Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
6465
Sie stellen einen Ursachenzusammenhang zwischen der Injektion vom 23. Juli 1987 und den vom Kläger geltend gemachten Schäden nach wie vor in Abrede und verteidigen im übrigen das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Be-zug genommen.
6869
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. C.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten (Bl. 332 ff. d.A.) und auf die Sitzungs-niederschrift vom 14. Juli 1993 (Bl. 403 ff. d.A.) verwiesen.
7071
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
7273
Die Berufung ist statthaft sowie form- und frist-gerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
7475
Der Kläger kann weder wegen einer positiven Ver-letzung des mit dem Beklagten zu 1. abgeschlosse-nen Behandlungsvertrages noch nach den Regeln der unerlaubten Handlung (§§ 823, 831, 847 BGB) Ersatz materieller oder immaterieller Schäden von den Be-klagten verlangen.
7677
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, daß dem Beklagten zu 2. bei der Injektion am 23. Juli 1987 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Dabei kann offen bleiben, ob das Präparat "V. " in die Arteria brachialis oder peri-arteriell injiziert oder ob mit der Injektionsna-del die Arterienwand verletzt worden ist. Dahin-stehen kann auch, ob der Beklagte zu 2. die ulnare Hälfte der Ellenbeuge als Injektionsort gewählt hat. In keinem Fall hat der Kläger den von ihm zu führenden Beweis einer Fehlbehandlung erbracht.
7879
Daß bei der intravenösen Injektion - wie der Kläger behauptet - die Arterie geschädigt worden ist, rechtfertigt für sich allein noch nicht den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Für eine Sorg-faltspflichtverletzung streitet auch nicht der Be-weis des ersten Anscheins. Da eine komplikations-lose Injektion unter anderem von dem variablen Verlauf der Blutgefäße und damit von den körper-lichen Besonderheiten des jeweiligen Patienten abhängt, liegt der Geschehensablauf in solchen Fällen nicht in einem vom Arzt voll beherrschbaren Risikobereich, so daß eine Fehlinjektion nicht typischerweise auf einem Mangel an Sorgfalt beruht (vgl. BGH NJW 1989, 772). Das gilt auch für den Fall einer Schädigung der Arteria brachialis durch eine intravenöse Injektion in der Ellenbeuge. Nach dem schriftlichen Gutachten des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. B. kann bekanntlich bei einer Punktion einer Ellenbeugenvene versehentlich eine Arterie getroffen oder mitgetroffen werden. Auch der Sachverständige Prof. C. hat betont, eine Injektion könne an jedweder Stelle versehentlich intraarteriell appliziert werden. Die versehentli-che intraarterielle Injektion sei auch bei Beach-tung der erforderlichen Sorgfalt nicht immer ver-meidbar, da im Bereich sowohl der Ellenbeuge als auch des Unterarms aberrierende Arterien vorkommen könnten und es kein absolut sicheres Kriterium ge-be, nach welchem die intravenöse von der intraar-teriellen Punktion zu unterscheiden sei. Danach läßt die Schädigung der Arteria brachialis an sich nicht typischerweise auf eine Sorgfaltsverletzung schließen.
8081
Nach den übereinstimmenden Gutachten beider Ge-richtssachverständigen kann auch nicht darin ein Behandlungsfehler gesehen werden, daß der Beklagte zu 2. die Ellenbeuge und nicht etwa Unterarm oder Handrücken als Injektionsort gewählt hat. Prof. B. hat in seinem Gutachten ausgeführt, nach anerkann-ten Behandlungsgrundsätzen müsse eine intravenöse Injektion von nicht als schädlich bekannten Sub-stanzen nicht zwingend an Unterarm oder Handrücken vorgenommen werden. Der Grundsatz, daß arterien-gefährliche Substanzen nicht in der Ellenbeuge injiziert werden sollen, gelte nicht in gleicher Weise für solche Substanzen, die nicht als gefäß-schädigend bekannt seien. Der Gefährlichkeit des zu injizierenden Medikaments komme für die Beant-wortung der Frage, ob die Ellenbeuge zu meiden sei, eine entscheidende Bedeutung zu. Prof. B. hat hervorgehoben, als Ort für intravenöse Injek-tionen arterienverträglicher Mittel benutze auch er selbst durchaus die Ellenbeugenvenen. Unter Bezugnahme auf eine von ihm eingeholte Auskunft der Herstellerfirma hat der Sachverständige darauf hingewiesen, daß das Präparat "V. " von zahlreichen Wissenschaftlern auch zu Therapiezwek-ken intraarteriell gespritzt werde und das Auftre-ten von Schäden dabei nicht beobachtet worden sei. Damit unterscheidet sich das Präparat "V. " etwa von dem Narkosemittel "E." , das absolut arterienunverträglich ist und dessen "Abirren" in eine Arterie daher vermieden werden muß (vgl. BGH NJW 1972, 2218; 1981, 629). Für nicht gefährliche Substanzen wie das Präparat "V. " ist aber - so Prof. B. - die Injektion in der Ellenbeuge ein allgemein praktiziertes Vorgehen.
8283
Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen Prof. B. sind durch das Gutachten des Sachver-ständigen Prof. C. im Ergebnis bestätigt worden. Prof. C. ist in Auswertung des neueren medizinwis-senschaftlichen Schrifttums zu dem Schluß gelangt, daß in der neueren Literatur zwar überwiegend empfohlen werde, bei intravenösen Injektionen die Unterarmvenen zu bevorzugen und im Ellenbeugenbe-reich die ulnare Seite tunlichst zu vermeiden. Diese Empfehlung ist indessen - dies gilt auch und erst recht für den Zeitpunkt der Injektion vom Juli 1987 - kein anerkannter Behandlungsgrund-satz, aus dessen Mißachtung sich ein Fehlervor-wurf herleiten ließe. Das Gebot, für intravenöse Injektionen nicht die Ellenbeuge, zumindest nicht deren ulnare Seite zu wählen, gilt als allgemei-ner Grundsatz allenfalls für die Verabreichung potentiell arterientoxischer Substanzen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. C. müssen Medikamente, deren Arterienunverträglichkeit be-kannt ist, mit erhöhter Sorgfalt appliziert und in solchen Fällen bei der Wahl des Injektions-ortes strenge Maßstäbe angelegt werden. Arterie-nunverträgliche Substanzen sollen deshalb - so Prof. C. - grundsätzlich nicht in die ulnare Seite der Ellenbeuge gespritzt, sondern vorrangig in Unterarm- oder Handrückenvenen injiziert werden, also in solche Regionen, in denen bekanntlich versehentliche intraarterielle Injektionen selte-ner vorkommen. Nach diesen Grundsätzen stellt die intravenöse Injektion des Medikaments "V. " in der Ellenbeuge selbst in deren ulnarer Hälfte keinen Verstoß gegen die Regeln der Heilkunst dar. Prof. C. hat - wie schon Prof. B. - darauf hinge-wiesen, daß nach den Angaben des Herstellers die-ses Präparats "V. " lokal und allgemein gut verträglich und nicht als potentiell arterientoxi-sche Substanz bekannt ist. Bei seiner mündlichen Anhörung hat Prof. C. ergänzend ausgeführt, das Medikament "V. " sei vielmehr eher gut ver-träglich und früher sogar zur Behandlung von In-fektionen im arteriellen Bereich verwendet worden; nur wegen des verhältnismäßig engen Wirkungsspek-trums werde von einer solchen Verwendung jetzt Ab-stand genommen.
8485
Daß die Ellenbeuge und insbesondere deren ul-nare Hälfte als Injektionsort auch für nicht als arterienunverträglich bekannte Substanzen zu meiden sind, kann dagegen nicht als anerkannter Behandlungsgrundsatz angesehen werden. Wenn auch in der neueren medizinwissenschaftlichen Litera-tur diese Empfehlung überwiegend ausgesprochen wird, so steht deren Qualifizierung als Behand-lungsgrundsatz doch entgegen, daß - wie Prof. C. eingehend dargelegt hat - weder Lehrbücher der Allgemeinmedizin noch der inneren Medizin oder der Chirurgie zu dieser Frage Stellung nehmen und auch die Empfehlungen in den Lehrbüchern der Anatomie keineswegs einheitlich sind. Hinzu kommt, daß nach den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. C. im Rahmen der ärztlichen Ausbildung von der Bedeutung der Auswahl des Injektionsortes im Einzelfall kaum die Rede ist. Der deutlichste Hin-weis im medizinischen Schrifttum auf die tunliche Vermeidung der ulnaren Seite des Ellenbogengelenks als Injektionsort findet sich in der Abhandlung von Gabka, der indessen - wie Prof. C. hervor-hebt - zugesteht, daß jene Stelle sich für die Blutabnahme eigne, obgleich selbst eine bloße Na-delverletzung in diesem Bereich Prozesse der hier in Rede stehenden Art auslösen kann.
8687
Nach den im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten beider Gerichtssachverständigen stellt die Empfeh-lung, bei intravenösen Injektionen die Ellenbeuge und vor allem deren ulnare Seite zu meiden, demnach jedenfalls für die Gabe arterienverträgli-cher Substanzen - und eine solche ist das Präpa-rat "V. " - keinen anerkannten Behandlungs-grundsatz dar. Der Senat hält die Ausführungen der Gutachter, deren fachliche Kompetenz außer Frage steht, für eingehend begründet und überzeugend und teilt ihre Schlußfolgerungen.
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In dem Verlauf der Blutgefäße beim Kläger liegende besondere Umstände, deretwegen sich die intravenö-se Injektion in der Ellenbeuge im konkreten Fall verboten haben könnte, sind nicht erkennbar. Der Sachverständige Prof. B. hat bei seiner Anhörung durch das Landgericht darauf hingewiesen, daß er den Kläger untersucht und auch die Ellenbeuge inspiziert, jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme gefunden habe, in diesem Bereich hätte eine Injektion nicht verabreicht werden können. In der Erläuterung seines Gutachtens hat Prof. C. dazu ausgeführt, der Kläger könne nicht als extrem schwieriger Fall für eine intravenöse Injektion bezeichnet werden. Zwar habe er keine ausgespro-chen "prallen" Venen; andererseits habe aber der Beklagte zu 2. gegenüber dem jetzigen durch eine große Operationsnarbe in dem betreffenden Gebiet geprägten Zustand seinerzeit eher günstigere Ve-nenverhältnisse vorgefunden. Hiernach kann jeden-falls nicht davon ausgegangen werden, daß die Wahl der Ellenbeuge als Injektionsort wegen einer be-sonderen Disposition des Klägers fehlerhaft war.
9091
Der Vorwurf eines Behandlungsfehlers kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sich die Beklagten überhaupt für die intravenöse Gabe von "V. " anstelle einer oralen oder intramus-kulären Verabreichung entschieden haben. Zu dieser Beanstandung des Klägers hat der Sachverständige Prof. B. ausgeführt, der Antibiotikaspiegel im Blut könne am besten und zuverlässig bei einer intravenösen Injektion erreicht und überwacht werden. Die vom Kläger zur Diskussion gestellte anderweitige Behandlungsmethode sei seines Er-achtens keine vertretbare Alternative. Für die intramuskuläre Injektion gelte dies vor allem deshalb, weil insofern empfindliche Nebenwirkungen zu befürchten seien. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. C. ist die intravenöse Verabreichung des Präparats "V. " nicht zu beanstanden. Die intravenöse Injektion des Anti-biotikums hat - so Prof. C. - gegenüber der oralen Verabreichung den Vorteil, daß ein verhältnismäßig hoher Serumspiegel schon 2 bis 3 Stunden früher erreicht wird. Dieser Vorteil kann von Gewicht sein, wenn bereits für diesen ersten Zeitraum mit sehr aggressiven Keimen gerechnet werden muß, wie dies bei der hier vorgenommenen Siebbeinoperation durchaus denkbar ist.
9293
Ein den Beklagten anzulastender Behandlungsfehler bei der Injektion am 23. Juli 1987 ist nach alle-dem nicht erwiesen.
9495
Die intravenöse Injektion von V. ist auch nicht mangels Einwilligung des Klägers in diesen Eingriff rechtswidrig. Einer Beweiserhebung über die Frage, ob der Kläger vor der Nasenoperation auch über die beabsichtigte intravenöse Verab-reichung von V. zur Infektionsprophylaxe aufgeklärt worden war, bedarf es dafür nicht. Unstreitig hat der Kläger seine Einwilligung in die Nasenoperation nach einer Aufklärung über deren Risiken erklärt. Es genügt aber, wenn der Patient im großen und ganzen über die Gefahren des Eingriffs unterrichtet wird. Ausreichend ist es, ihm eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbun-denen Risiken zu vermitteln. Eine Aufklärung hat nur über die nicht ganz außer Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken stattzufinden, soweit diese sich für den Patienten als medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können (BGH NJW 1984, 1398). Aus diesem Grund ist, auch ohne Aufklärung über die Art der Infektionsprophylaxe im einzelnen, von einer allgemeinen Einwilligung des Klägers in postoperative Maßnahmen zur Vor-beugung gegen Wundinfektionen auszugehen (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH NJW 1980, 1903). Daß nach einer Operation Vorkehrungen gegen mögliche Entzündungen getroffen werden müssen, ist mit dem vom Patienten gewünschten operativen Eingriff zwangsläufig verbunden. Unter diesen Umständen ist in solchen Fällen eine Aufklärung über etwaige Risiken der Injektionen nicht unabdingbar. Eine andere Beurteilung wäre allerdings dann gerecht-fertigt, wenn aus medizinischer Sicht anstelle der intravenösen Injektion eine intramuskuläre oder orale Verabreichung des Medikaments ernstlich in Betracht gekommen wäre. Wenn nämlich die Methode des Arztes nicht die der Wahl ist oder zumindest konkret eine echte Alternative mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken besteht, muß der Patient über andere Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden (Steffen, Neue Entwicklungsli-nien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., S. 111). Eine echte Alternative zur intravenösen Injektion von "V. " zur Wund-prophylaxe hat es hier jedoch nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, ist nach den Gutachten der Sachverständigen Prof. B. und C. die intravenöse Verabreichung des Antibiotikums die sicherste und wirksamste Methode zur Vorbeugung gegen Wundinfek-tionen und jedenfalls für Operationen der vorlie-genden Art, bei der bereits von Beginn an mit sehr aggressiven Keimen gerechnet werden muß, ange-zeigt.
9697
Eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht kann schließlich nicht deshalb angenommen werden, weil der Kläger über die von dem Beklagten zu 2. getroffene Wahl der Injektionsstelle nicht unter-richtet worden war. Seine - zumindest stillschwei-gende - Einwilligung in die intravenöse Injektion des Antibiotikums hat sich vielmehr auf alle für das Setzen der Spritze geeigneten Körperstellen bezogen (vgl. BGH NJW 1980, 1903). Ein Aufklä-rungsversäumnis hat demnach nicht vorgelegen.
9899
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbar-keit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
100101
Berufungsstreitwert: Antrag zu 1 a) 20.000,-- DM
102103
Antrag zu 1 b) 2.810,82 DM
104105
Antrag zu 1 c) 6.000,-- DM
106107
(§ 17 Abs. 2 GKG)
108109
Antrag zu 2 8.000,-- DM 36.810,82 DM
110111
Beschwer für den Kläger: unter 60.000,-- DM
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