Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 23 WLw 11/93
Tenor
I.) Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den am 5. Mai 1993 verkündeten Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Kleve - 6 Lw 8/93 - wird zurückgewiesen.
II.) Die Gerichtskosten und die der Beteiligten zu 2) erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.
Im übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
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Gründe:
2Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§§ 9, 22 Abs. 1 LwVG, § 22 Abs. 1 FGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
3Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Fortsetzung des Pachtverhältnisses nach Maßgabe der Bestimmung des § 595 BGB im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Nach § 595 Abs. 1 BGB - diese Vorschrift ist gemäß Art. 2 Abs. 1 LandPachtNeuOG, Art. 219 EGBGB auch für die vor dem 1. Juli 1986 abgeschlossenen Pachtverträge anwendbar - kann der Pächter vom Verpächter die Fortsetzung des Pachtverhältnisses verlangen, wenn bei der Betriebspacht der Betrieb seine wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet und die vertragsmäßige Beendigung des Pachtverhältnisses für den Pächter oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Verpächters nicht zu rechtfertigen ist.
4Eine Betriebspacht liegt nach § 585 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, wenn durch den Landpachtvertrag ein Grundstück mit den seiner Bewirtschaftung dienenden Wohn- und Wirtschaftsgebäuden überwiegend zur Landwirtschaft verpachtet wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beteiligte zu 1) hat durch den Pachtvertrag vom 6. März 1981 den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb Hxxx in Kxxx, Exxx Exxx einschließlich der Wirtschaftsgebäude (Stallungen) angepachtet zu dem Zweck, die Milchviehhaltung des eigenen Betriebs in Exxx dorthin auszudehnen, also mit dem Pachtbetrieb Landwirtschaft im Sinne von § 585 Abs. 1 Satz 2 BGB zu betreiben.
5Bei der Betriebspacht kommt nach § 595 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Vertragsfortsetzung nur in Betracht, falls der Pachtbetrieb die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Pächters bildet. Liegt dieses Tatbestandsmerkmal nicht vor, sondern hat der Pächter anderweitige Einkünfte oder Vermögen in ausreichendem Umfang, so bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die Vertragsbeendigung für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten könnte (vgl. Lukanow in: Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 2. Aufl., § 595 BGB Rn. 19; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 595 BGB Rn. 24). Der Begriff der wirtschaftlichen Lebensgrundlage verlangt zwar nicht die völlige Abhängigkeit des Pächters von den Erträgnissen des Pachtbetriebs. Es genügt
6wenn der Pachtbetrieb in wesentlichem Umfang die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Pächters bildet (vgl. Lukanow, Lüdtke-Handjery a.a.O.). Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Pächter über größere Eigentumsflächen, eigenes Vermögen mit nicht unwesentlichen Erträgen oder eigene Einkünfte aus zusätzlicher Tätigkeit verfügt (vgl. Lukanow a.a.O.). Der Pachtbetrieb wird danach den wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Existenzgrundlage nur dann darstellen, wenn seine Erträge im Durchschnitt mehr als 3/4 des Gesamteinkommens ausmachen, wobei die Beurteilung allerdings stets auf die Umstände des Einzelfalls auszurichten ist (vgl. Lukanow a.a.O.).
7Das Landwirtschaftsgericht hat im angefochtenen Beschluß offen gelassen, ob der Pachtbetrieb die "wirtschaftliche Lebensgrundlage" des Beteiligten zu 1) bilde. Nach dem Akteninhalt und dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1) kann davon indes nicht ausgegangen werden. Der Hof des Beteiligten zu 1) in Exxx ist ca. 50 ha groß und hat, wie unwidersprochen vorgetragen ist, ein Milchanlieferungskontingent von mindestens 600.000 kg. Demgegenüber hat der Pachthof in Exxx nur eine Größe von rd. 23 ha mit einem Milchkontingent von ca. 250.000 kg. Schon aus diesem Vergleich ergibt sich, daß die "wesentliche Lebensgrundlage" des Beteiligten zu 1) der Betrieb in Exxx ist, der schließlich auch bis 1981 allein existenzfähig war, während der Betrieb Hxxx in Exxx nur eine Kapazitätsausweitung darstellt, die angesichts der dort erzielten Referenzmenge von ca. 250.000 kg nicht einmal 1/3 des Gesamtergebnisses ausmacht. Der Senat vermag nicht zu erkennen, daß unter diesen Umständen der Pachtbetrieb als der wesentliche Teil der wirtschaftlichen Lebensgrundlage angesehen werden kann, zumal der Beteiligte zu 1) keinerlei konkrete Angaben macht, die eine solche Schlußfolgerung nahelegen würden. Für die Frage, ob der Pachtbetrieb im wesentlichen Umfang die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Beteiligten zu 1) prägt, kommt es entgegen seiner Auffassung nicht entscheidend darauf an, welche Verluste oder Schäden bei einer alsbaldigen Aufgabe des Pachtbetriebs entstehen könnten. Von Bedeutung ist allein, ob der dem Beteiligten zu 1) verbleibende Betrieb in Exxx als Lebensgrundlage ausreicht. Dagegen bestehen nach der Sachlage keine durchgreifenden Bedenken. Soweit das Landwirtschaftsgericht hier weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat, kann der Senat dem nicht zustimmen. Es fehlen nämlich jegliche Anhaltspunkte dafür, daß bei einer Aufgabe des Pachtbetriebs die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Beteiligten zu 1) ernsthaft bedroht sein könnte. Der Beteiligte zu 1) hat in dieser Richtung nichts Konkretes dargetan. Insbesondere gibt es keine Grundlage für die Annahme, bei Aufgabe des Pachtbetriebs würden die dadurch hervorgerufenen Schäden und Verluste die Existenzfähigkeit des Betriebs in Exxx untergraben. Dazu hätte der Beteiligte zu 1), wenn er eine solche Behauptung aufstellen wollte, Fakten und Zahlen mitteilen müssen. Das ist nicht geschehen. Ohne solche Darlegungen fehlt jede Basis für eine weitergehende Aufklärung. Das Fortsetzungsverlangen des Beteiligten zu 1) scheitert somit schon daran, daß der Pachtbetrieb nicht seine wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Anders wäre es nur zu beurteilen, wenn der Sohn des Beteiligten zu 1) seinerzeit den Pachtbetrieb eigenständig übernommen hätte. Dann wäre nur auf dessen Person und den Pachtbetrieb abzustellen. So aber ist der Betrieb des Beteiligten zu 1) in Exxx mit zu berücksichtigen, der es wegen seiner Größe und wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit nicht erlaubt, den Pachthof als die "wirtschaftliche Lebensgrundlage" des Beteiligten zu 1) zu betrachten.
8Abgesehen davon bedeutet die vertragsgemäße Beendigung des Pachtverhältnisses auch keine ungerechtfertigte Härte im Sinne von § 595 Abs. 1 BGB, wie das Landwirtschaftsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat.
9Dabei ist von entscheidendem Gewicht, daß die Beteiligte zu 2) bei den Vertragsverhandlungen im Jahr 1981 die vom Beteiligten zu 1) vorgeschlagene Pachtdauer von 18 Jahren gerade nicht akzeptiert hat, sondern nur eine Pachtzeit von etwas mehr als 12 Jahren. Schon daraus wird deutlich, daß der Beteiligte zu 1) auf eine Verlängerung der Pachtzeit nach Vertragsende grundsätzlich nicht rechnen konnte und sich auf eine Rückgabe des Pachtobjekts zum 31. Oktober 1993 einrichten mußte. Hinzu kommt, daß die Beteiligte zu 2) bereits ab 1984 Verkaufsabsichten angedeutet und das Fortsetzungsverlangen des Beteiligten zu 1) von September 1991 abschlägig beschieden hat. In Anbetracht dieser Gegebenheiten sieht der Senat keine ungerechtfertigte Härte darin, daß der Beteiligte zu 1) ohne Pachtverlängerung abziehen muß. Er hätte sich auf diese Sachlage seit langem einrichten können und müssen. Daß er die Erweiterung seines Betriebes in Exxx durch Errichtung
10zusätzlicher Stallgebäude erst jetzt in Angriff nehmen will und nicht schon zeitig vor dem Ende des Pachtverhältnisses mit dem Bau begonnen hat, ist nicht nachvollziehbar und macht deutlich, daß der Beteiligte zu 1) bewußt auf Risiko gesetzt hat. Die selbst geschaffene Bedrängnis begründet indes keine unvertretbare Härte. Soweit der Beteiligte zu 1) meint, er habe von einer Verlängerungsmöglichkeit ausgehen dürfen, weil die Beteiligte zu 2) bis zum Jahr 1991 von ihm geleisteten Investitionen - zuletzt die Hofbefestigung für rd. 100.000,- DM- zugestimmt, jedenfalls aber nicht widersprochen habe, ist dieses Argument nicht stichhaltig. Der Beteiligte zu 1) trägt selbst nicht vor, daß er die Investitionen - für die Beteiligte zu 2) erkennbar - nur unter der Bedingung einer Verlängerung des Pachtverhältnisses erbracht habe. Da § 591 Abs. 3 BGB überdies eine Verwendungsersatzregelung enthält, brauchte sich die Beteiligte zu 2) keine Gedanken darüber zu machen, inwieweit Investitionen angesichts der noch verbleibenden Pachtzeit für den Beteiligten zu 1) rentabel waren, zumal sie das Ansinnen des Beteiligten zu 1), Kosten für die Hofbefestigung aufwenden zu wollen, zunächst einmal abgelehnt hatte. Aus ihrer später doch erteilten Zustimmung darf daher kein stillschweigendes Einverständnis mit einer Verlängerung der Pachtzeit abgeleitet werden. Daß beim Abzug des Beteiligten zu 1) vom Pachtland die angeblich von ihm dort aufgebaute Milchquote trotz der getätigten Investitionen entschädigungslos bei der Beteiligten zu 2) verbleibt, kann ebenfalls keinen Härtefall begründen. Dies ist die Folge der in der MGV getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung. Wenn der Beteiligte zu 1) der Ansicht ist, die für das Pachtland aufgebaute Quote müsse entgegen der gesetzlichen Regelung ganz oder teilweise bei ihm verbleiben und dürfe jedenfalls nicht entschädigungslos dem Verpächter zugute kommen, kann er entsprechende Anträge auf Übertragung der Quote stellen und gegen ablehnende Entscheidungen im Verwaltungsrechtsweg (bis hin zur Verfassungsbeschwerde) vorgehen. Im Fortsetzungsverfahren nach § 595 BGB kann der Streit um die Verfassungsmäßigkeit der MGV-Regelungen nicht auf dem Rücken des Verpächters ausgetragen werden. Es ist daher schon im Ansatz verfehlt, die gesetzliche Regelung der MGV, daß die Quote beim (anderenfalls wertlos werdenden) Pachtbetrieb bleibe, zur Begründung des Härtefalls heranzuziehen.
11Nach dem zuvor Gesagten liegt auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu 2), der daran gelegen ist, das Anwesen alsbald pachtfrei und damit ohne Werteinbuße veräußern zu können, keine für den Beteiligten zu 1) und seine Familie ungerechtfertigte Härte vor, wenn sie den Pachtbetrieb bei Vertragsende verlassen müssen. Es kann und darf dem Pächter nicht abgenommen werden, sich auf die vereinbarte Vertragsdauer einstellen zu müssen. Nur wenn trotz aller Voraussicht und Planung Umstände eintreten, die eine vertragsgemäße Beendigung als unvertretbar hart erscheinen lassen, kann etwas anderes gelten. Hier ist nicht erkennbar, daß sich der Beteiligte zu 1) auf die Vertragsdauer eingerichtet hat. Es hat offenkundig ohne Rücksicht auf das Ende der Pachtzeit weitergewirtschaftet und steht nunmehr vor den von ihm selbst geschaffenen Schwierigkeiten. Diese als Härtefall zu betrachten, ist nach Überzeugung des Senats nicht angängig. Darauf, daß in seinem xxx Betrieb Leukose aufgetreten ist, kann sich der Beteiligte zu 1) im Rahmen des § 595 BGB schließlich ebensowenig berufen. Aus seinem Vorbringen ist nämlich nicht ersichtlich, daß durch das Auftreten dieser Infektionskrankheit beim Viehbestand die mit dem Pachtende auf den Beteiligten zu 1) zukommenden Probleme grundsätzlich und nachhaltig verschärft werden. Denn auch ohne die genannte Krankheit wäre der Beteiligte zu 1) nicht umhingekommen, den Viehbestand entsprechend der Betriebsgröße in xxx zu vermindern. Daß er dies jetzt gegebenenfalls mit höheren Einbußen wird tun müssen, liegt allein in seinem Risikobereich und ist Folge der mangelnden Vorbereitung auf das bevorstehende Pachtende. Nach allem ist das Fortsetzungsbegehren des Beteiligten zu 1) vom Landwirtschaftsgericht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden, wobei das nach Auffassung des Senats in erster Linie schon deshalb geschehen mußte, weil der Pachtbetrieb nicht die "wesentliche Lebensgrundlage" des Beteiligten zu 1) darstellt.
12Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.
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