Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 27 UF 62/93
Tenor
1
G r ü n d e
2Die nach §§ 621 e, 629 a Abs. 2 ZPO zulässige befriste- te Beschwerde ist sachlich gerechtfertigt.
3Ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien ist aus- zuschließen. Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsaus- gleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Ver- pflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse grob unbillig wäre. Unter den vorliegenden Umständen würde die Übertragung von Rentenanwartschaf- ten der Antragstellerin auf den Antragsgegner eine gro- be Unbilligkeit im Sinne dieser Regelung bedeuten.
4Die Anwendung der Härteklausel setzt voraus, daß aufgrund besonderer Verhältnisse die Durchführung des Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsaus- gleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 1982, 258; 1993, 1217). Der Gesetzgeber wollte mit dem Versorgungsausgleich vornehmlich die soziale Lage des geschiedenen Ehegatten verbessern, der - wie im Regelfall die Ehefrau - wegen in der Ehe übernommener anderer Aufgaben Einschränkungen in der Erwerbstätigkeit auf sich genommen und dadurch ehebedingte Nachteile in seiner versorgungsrechtlichen Lage erlitten hat (BGHZ 74, 38, FamRZ 1983, 1217). Dieser Grundgedanke trifft schon nicht mehr zu, wenn der Verzicht auf die versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit und den damit verbundenen Erwerb von Versorgungsanwartschaften nicht auf einer zwischen den Ehegatten vereinbarten Verteilung der ehelichen Aufga- benbereiche, sondern etwa darauf beruht, daß der nicht- erwerbstätige Ehegatte seine Arbeitskraft einer Schul- oder Hochschulausbildung widmet, die ihn daran hindert, andere eheliche Aufgaben in größerem Maße zu erfüllen, als dies der andere Ehegatte neben seiner Erwerbstä- tigkeit noch tut. So sind insbesondere die Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften wegen einer akademischen Ausbildung nicht ehebedingt, da sie in gleicher Weise eintreten würden, wenn der Studierende nicht verheiratet wäre (BGH SamRZ 1983, 1217; 1988, 600; 1989, 1060). Auch der Antragsgegner hat hinsicht- lich des Erwerbs eigener Versorgungsanwartschaften keine ehebedingten Nachteile erlitten. Dies gilt nicht nur für die verhältnismäßig kurze Dauer seines Reststu- diums nach der Eheschließung, sondern für die gesamte Ehezeit. Auch nach der Beendigung seines Studiums hat der Antragsgegner seine Erwerbstätigkeit und damit den Aufbau von Versorgungsanwartschaften nicht etwa aus familiärer Rücksichtnahme eingeschränkt. Die von ihm erlangten Versorgungsanwartschaften sind vielmehr nur deshalb geringer als diejenigen der Antragstellerin, weil der Antragsgegner nach dem ersten Staatsexamen im Mai 1984 nicht unverzüglich den Referendardienst ange- treten und sich im Anschluß daran um eine Anstellung im öffentlichen Dienst beworben hat, sondern ein Möbelge- schäft betrieben hat, mit dem er keine regelmäßigen Ge- winne erzielen konnte. Diese ungünstige wirtschaftliche Entwicklung während der Ehezeit steht nicht im Zusam- menhang mit der Übernahme von Aufgaben im gemeinsamen Haushalt oder einer Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder der Parteien und ist deshalb nicht ehebedingt.
5Das Fehlen ehebedingter Versorgungsnachteile genügt zwar für sich allein noch nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit im Sinne von § 1587 c Nr. 1 BGB. Für die Anwendung der Härteklausel müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten (BGH FamRZ 1983, 1217; OLG Stuttgart NJW 1982, 241; OLG Koblenz NJW 1986, 1762). Ein solcher Umstand ist etwa dann anzunehmen, wenn der Ausgleichsberechtigte nur unwesentlich zum Fami- lienhaushalt beigetragen hat (OLG Stuttgart, NJW 1982, 241). Welche finanziellen Beiträge der Antragsgegner zum Familienunterhalt geleistet hat, ist allerdings zwischen den Parteien umstritten. Der Antragsgegner behauptet, die Parteien hätten in der Anfangszeit ihrer Ehe regelmäßige Geldzuwendungen seiner Eltern erhalten und später zu einem wesentlichen Teil von einem von ihm für den Aufbau seines Ladengeschäfts aufgenommenen Exi- stenzgründungsdarlehen gelebt. Auf welche Höhe sich die vom Antragsgegner erbrachten oder ihm zumindest zuzu- rechnenden finanziellen Leistungen für die Familie be- laufen, kann aber im Ergebnis offenbleiben.
6Unstreitig ist jedenfalls, daß die Antragstellerin nicht nur - zumindest im wesentlichen - den Haushalt geführt und die drei gemeinschaftlichen Kinder der Parteien betreut, sondern darüber hinaus während erheb- licher Zeiträume den Unterhalt der Familie durch eigene Teilerwerbstätigkeit mitfinanziert hat. Wie der von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erteilten Auskunft zu entnehmen ist, ist die Antragstellerin von der Eheschließung im Dezember 1983 an bis Juli 1985 einer Berufstätigkeit nachgegangen, durch welche sie ein monatliches durchschnittliches Bruttoeinkommen von 1.914,-- DM im Jahre 1984 und von 2.260,-- DM im Jahre 1985 erzielt hat. Im Oktober 1988 hat sie erneut eine Teilerwerbstätigkeit aufgenommen, mit der sie 1.260,-- DM brutto (1988) bzw. 1.653,-- DM monatlich (1989) verdient und die sie bis zum Ende der Ehezeit fortge- setzt hat. Danach ist die Antragstellerin in dem über- wiegenden Teil der Ehezeit einer Halbtagsbeschäftigung nachgegangen, obwohl sie - jedenfalls weitgehend - drei gemeinschaftliche Kinder betreut und einen fünfköpfigen Haushalt versorgt hat. Die von ihr erbrachten Leistun- gen liegen damit in beträchtlichem Maße über denjenigen Aufgaben, die ihr an sich zuzumuten waren. Auch wenn ein erhebliches Ungleichgewicht in der Aufgabenteilung zu Lasten eines Ehegatten für sich allein noch nicht zur groben Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs führt, ist hier die Härtklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB anzuwenden. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß - wie dargelegt - der Antragsgegner keine ehebedingten Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften erlitten hat. Zu beachten ist ferner, welche Planung der ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere im Hin- blick auf die Alterssicherung, zugrundelag (vgl. KG FamRZ 1982, 78; Palandt-Diederichsen, BGB, 52. Aufl., § 1587 c Rn. 5). Die gemeinsame Lebensplanung der Parteien war darauf gerichtet, daß der Antragsgegner seine vor der Eheschließung begonnene Lehrerausbildung zügig fortsetzen sowie abschließen und dadurch in der Lage sein werde, durch Ausübung des erlernten Berufs den Familienunterhalt zu sichern und Altersvorsorge zu treffen. Daß der Antragsgegner von dieser Lebensplanung Abstand genommen hat und stattdessen den seiner Ausbil- dung fremden Beruf eines Möbelkaufmanns ergriffen hat, darf nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antragsgegner - wie die- ser im Verhandlungstermin erklärt hat - sich mit Wissen der Antragstellerin zu dem Zweck zum Sonderschullehrer hat ausbilden lassen, als Musikpädagoge zu arbeiten. Auch hierbei handelt es sich um den Beruf des Lehrers, der mit seiner Ausbildung in Zusammenhang steht und den er entgegen der ursprünglichen Planung tatsächlich nicht ausgeübt hat. Unerheblich ist auch, ob der Antragsgegner - wie dieser gleichfalls im Verhandlungs- termin vorgetragen hat - wegen hoher Schuldenlasten keine Aussichten hatte, zum Beamten berufen zu werden. Die hohen Verbindlichkeiten beruhen in erster Linie auf dem für das Ladengeschäft aufgenommenen Existenzgrün- dungsdarlehen. Unabhängig davon, ob die Darlehenssumme tatsächlich auch zum Lebensunterhalt der Familie ver- wendet worden ist, steht die Aufnahme des Kredits je- denfalls in Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs, die nicht der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien entspricht. Bei Abwägung aller Umstände wäre es grob unbillig, wenn die Antragstellerin dem Antragsgegner einen Teil ihrer Altersversorgung zu übertragen hätte, obgleich diese durch die Übernahme weit überobliga- tionsmäßiger Aufgaben in der Ehe erworben ist.
7Die Kostenentscheidung beruht §§ 93 a ZPO, 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
8Beschwerdewert: 1.000,-- DM.
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