Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 87/93
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e (§ 543 I ZPO)
2Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg.
3Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflich- tet, weil das Pachtobjekt zum Zeitpunkt der ver- traglich vereinbarten Überlassung an den Kläger mit einem Fehler behaftet war, der die Tauglich- keit zu dem im Vertrag vorgesehenen Gebrauch in erheblichem Umfang minderte (§§ 581 Abs. 2, 537, 538 BGB), weil aufgrund der vom Ordnungsamt der Stadt K. am 10. Januar 1992 erteilten Auflage in der Küche der Gaststätte Angestellte nicht be- schäftigt werden dürfen.
4Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien ge- schlossenen Pachtvertrages diente das Objekt zum Betrieb einer "Gaststätte mit Cocktailbar oder Bi- stro". Zu diesem Objekt gehörte, wie im Pachtver- trag ausdrücklich erwähnt, unter anderem eine Kü- che von einer Größe von immerhin 25 - 28 qm, die, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, modern ausgestattet ist und unter anderem über einen gewerblichen Gasherd, mehrere Kühlschränke und eine Gefriertruhe aus Stahl/Chrom verfügt. Zur Mitbenutzung verpachtet war ebenfalls ein vorhan- dener Speisenaufzug. Das Lokal selbst verfügte im Erdgeschoß, wo sich die Theke befindet, über rund 15, im Obergeschoß über rund 45 Sitzplätze. Schon dieser Zuschnitt des Pachtobjekts zeigt, daß die die Küche betreffende Auflage eine erhebliche Ein- schränkung der gewerblichen Nutzung des angepach- teten Gaststättenbetriebes darstellt. Dabei ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob während der Vertragsverhandlungen auch ausdrücklich von der Absicht des Klägers gesprochen worden ist, in dem Objekt ein Restaurant mit gehobenen Speisenangebo- ten führen zu wollen. Auch der nach dem Inahlt des Vertrages vereinbarte Vertrieb einer Gaststätte, etwa mit einem Bistro läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß dort nur einfache Speisen, deren Herstellung einen besonders geringen Arbeitsauf- wand erfordern, angeboten werden sollten. In einem Bistro können ebenso Mahlzeiten gereicht werden, deren Zubereitung zeitaufwendig ist. Auch der als Vertragszweck genannte Betrieb einer Gaststätte umfaßt mangels anderweitigen Vereinbarungen das Angebot alltäglicher Speisen zu den üblichen Es- senszeiten in einem der Kapazität des Lokals ent- sprechendem Umfang. Dies aber setzt typischerweise auch voraus, daß der Konzessionsinhaber die Mög- lichkeit hat, sich bei der Zubereitung der Speisen durch Hilfskräfte und speziell geschultes Perso- nal, wie etwa einen Koch, unterstützten zu lassen. Bei Beachtung der hier in Rede stehenden Auflage wäre der Kläger gezwungen gewesen, alle für die Zubereitung der Speisen, einschließlich aller Vor- bereitungsarbeiten (Gemüse putzen, Kartoffel schä- len u.ä.) erforderlichen Arbeiten selbst auszu- führen, anstatt sich der Zubereitung der Speisen selbst, dem Ausschank und der Pflege der Gäste zu widmen. Im Falle seiner Erkrankung hätte ein Spei- senangebot ebenso wie im Falle seines Urlaubs ins- gesamt entfallen müssen.
5Daß der dieser Pachtsache anhaftende Mangel auf einer öffentlich-rechtlichen Beschränkung beruht, ändert daran, daß der Kläger eine den vertragsge- mäßen Gebrauch der Pachtsache erforderlichen Zu- stand zu gewährleisten hat, nichts. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch solche öffentlich-recht- lichen Gebrauchseinschränkungen oder Gebrauchsver- bote ein Fehler im Sinne der §§ 537 ff. BGB, die auf der Beschaffenheit oder der Lage der Pachtsa- che beruhen und nicht lediglich in den persönli- chen Verhältnissen des Pächters ihre Ursache haben (BGH WM 77, 792; OLG Celle OLGZ 74, 197; OLG Hamm ZMR 77, 236). Grundlage für die dem Kläger erteil- te einschränkende Auflage war im vorliegenden Fall der Umstand, daß die Küche der Pachträume nicht mit natürlichen Lichtquellen ausgestattes ist. Deshalb ist es in diesem Zusammenhang auch ohne Belang, ob der Kläger die Gaststätte selbst be- treiben wollte oder ob dies tatsächlich durch den Zeugen Sch. erfolgen sollte.
6Die danach bestehende Gewährleistungshaftung des Beklagten ist auch vertraglicht nicht wirksam abgedungen worden. Der hierzu in § 1 Nr. 4 des Pachtvertrages formularmäßig geregelte Gewährlei- stungsausschluß hält der nach § 8 AGB gebotenen Inhaltskontrolle nicht stand und ist deshalb un- wirksam. Nach dem Inhalt dieser Regelung soll die Gewährleistung des Vermieters auch für den Fall ausgeschlossen werden, daß eine Gaststättenkonzes- sion nicht oder nur einschränkend erteilt wird, weil die Beschaffenheit der Räume oder deren Lage nicht den jeweils einschlägigen öffentlich-recht- lichen Vorschriften entspricht. Dieser Haftungs- ausschluß beschränkt sich mithin schon vom Wort- laut her nicht nur auf den Fall, daß eine Gast- stättenkonzession aufgrund der persönlichen Eig- nung des Pächters versagt wird. Vielmehr überwälzt die Regelung das Risiko der Konzessionserteilung insgesamt, also auch hinsichtlich der in die Ri- sikosphäre des Verpächters fallenden Umstände der Beschaffenheit und der Lage des Objekts auf den Pächter. Die stellt eine unangemessene Benachtei- ligung des Pächters dar, die mit den wesentlichen Grundsätzen der dem Verpächter auferlegten gesetz- lich normierten Gewährleistungsregelung nicht zu vereinbaren ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AGB; BGH NJW 1988, 2664 f.). Dies gilt um so mehr, als dem Pächter durch den vertraglich erstrebten Gewähr- leistungsausschluß die Möglichkeit genommen ist, sich wegen des Mangels im Wege der Kündigung vom Vertrag zu lösen (§ 542 BGB). Darüber hinaus verstößt die Klausel auch gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Danach sollen allgemeine Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner keine we- sentlichen Rechtspositionen nehmen oder diese ein- schränken, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat (BGH NJW 1985, 1914, 1916). Die Einschränkung der Rechte und Pflichten darf insbesondere nicht dazu führen, daß für den Vertragspartner die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine derartige Gefährdung besteht dann, wenn die Einschränkung von Rechten oder die Vergrößerung von Pflichten dazu führt, daß das mit der Vertragsdurchführung angestrebte wirtschaftli- che Ergebnis nur mit wesentlichen Einschränkungen erreicht oder durch eine Verlagerung der Vertrags- risiken ernsthaft gefährdet ist (BGHZ 111, 278). Die gesetzliche Hauptpflicht des Pächters besteht darin, dem Pächter den vertragsgemäßen Gebrauch der Pachtsache während der Pachtzeit zu gewähren (§§ 581 Abs. 2, 536 BGB). Hierzu gehört es bei der Verpachtung von Räumen zum Betrieb einer Gaststät- te, daß nach der Beschaffenheit der Räume eine uneingeschränkte Konzession für eine Gaststätte erteilt werden kann (BGH NJW 1988, 264 f.). Wird die Konzession, wie im vorliegenden Fall, nur unter der Auflage erteilt, in der Küche Angestell- te nicht zu beschäftigen, wird der Vertragszweck nicht nur gefährdet sondern, falls der Betreiber nicht selbst in der Küche tätig sein kann oder will, auch praktisch unmöglich gemacht.
7Danach ist der Beklagte gewährleistungsrechtlich, d.h. unabhängig von einem zur Schadensentstehung führenden Verschulden, zum Ersatz verpflichtet (§§ 581 Abs. 2, 538 Abs. 1 BGB). Der Kläger kann danach den Ausgleich aller Schäden verlangen, die ihm in Verbindung mit dem Scheitern des Vertrages infolge des Mangels entstanden sind, ohne daß es insoweit einer Unterscheidung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden bedarf (BGH NJW 1962, 908; 71, 424; Staudinger-Emrich, BGB, 2. Buch, 12. Aufl., 1978, § 538, 27). Danach sind dem Kläger die von ihm im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages gemachten Aufwen- dungen, die infolge des Scheiterns des Vertrages fehlgeschlagen sind, zu ersetzen. Diese Aufwendungen, wegen deren Einzelheiten auf die mit dem Schriftsatz des Beklagten vom 24. Februar 1993 vorgelegten Liste (Bl. 62 GA) nebst Belegen und Quittungen Bezug genommen wird (Bl. 57 - 77) hat der Kläger mit insgesamt 5.274,05 DM beziffert und mit einer Ausnahme (Ko- sten für Werbungsentwürfe) hinreichend belegt. Unter anderem hat er durch entsprechende Quittun- gen der Stadt K. nachgewiesen, daß er für die Erteilung der Gaststättenkonzession 1.480,00 DM zu entrichten hatte. Durch Rechnungen belegt sind auch die zur Vorbereitung der Eröffnung der Gaststätte entstandenen Aufwendungen in Höhe von 2.250,05 DM für Reinigungsmittel, Malerarbeiten u.ä. Die von ihm in diesem Zusammenhang in Höhe von "ca. 500,00 DM" geltend gemachten Kosten für Werbeentwürfe sind allerdings lediglich in Höhe von 456,00 DM belegt. Wegen des weitergehenden Betrages in Höhe von 44,00 DM war die Klage mithin abzuweisen.
8Der Schadensersatzanspruch umfaßt auch die vom Kläger für die zweite Hälfte Januar bereits am 8. Januar 1992, also vor Vertragsbeginn gezahlte Miete. Dem steht der Umstand nicht entgegen, daß der Kläger den Pachtvertrag erst zum 31. Ja- nuar 1992 kündigte, obwohl er sich mit Blick auf die am 10. Januar 1992 erteilte eingeschränk- te Betriebserlaubnis bereits vor Vertragsbeginn durch fristlose Kündigung vom Vertrage und damit von seiner Pachtzahlungspflicht hätte lösen kön- nen. Zwar wird der Schadensersatzanspruch nach § 538 BGB regelmäßig auf den Zeitraum zu begrenzen sein, in dem der Mieter gegen seinen Willen am Vertrag festgehalten werden kann und zur Leistung verpflichtet bleibt (Palandt-Putzo, 52. Aufl., § 538 BGB, Rn. 14 m.w.N.). Daß der Kläger hier aber gleichwohl erst zum 31. Januar 1992 kündigte und dem Beklagten damit zunächst noch Gelegenheit gab, den Mangel der Pachtsache zu beseitigen, ist ihm nicht zum Vorwurf zu machen. Dessen ungeachtet hat der Kläger, wie dem Datum der hierüber errich- teten Quittung zu entnehmen ist, den Mietzins aber auch bereits vor der Erteilung der eingeschränkten Betriebserlaubnis durch die Stadt K. gezahlt. Zu einer weitergehenden Ermittlung des danach in Höhe von 5.230.05 DM substantiierten Betrages bedarf es mit Blick auf das zu Protokoll erklärte pauschale Bestreiten zur Höhe der geltend gemachten Kosten und Auslagen sowie zur Richtigkeit der vom Kläger zu den Akten gereichten Belege nicht. Zum einen ist völlig substanzlos geblieben, welche der gel- tend gemachten Aufwendungen hinsichtlich welcher Einzelposten bestritten werden sollen. Angesichts der substantiierten und belegten Darlegungen des Klägers verstößt das pauschale Bestreiten des Beklagten gegen dessen prozessuale Obliegenheiten (§ 138 ZPO). Zum anderen hätte im Falle der Ver- wertung dieses Vorbringens dem Kläger vor einer abschließenden Entscheidung zunächst Gelegenheit gegeben werden müssen, die Begründetheit der von ihm geltend gemachten Schadenposten weitergehend unter Beweis zu stellen, wozu für ihn bisher mangels erheblichen Bestreitens des Beklagten kein verfahrensrechtlicher Anlaß bestand. In diesem Falle wäre das globale Bestreiten des Beklagten wegen der damit verbundenen Verzögerung des Rechtsstreits nicht mehr zuzulassen gewesen (§ 528 Abs. 2 ZPO). Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch ein An- spruch auf Rückzahlung der geleisteten Kaution zu (§ 572 BGB) die in diesem Verfahren allerdings nur in Höhe eines Betrages von 1.000,00 DM geltend ge- macht worden ist. Dies wird von dem Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Die Forderung ist auch nicht durch die vom Be- klagten demgegenüber erklärten Aufrechnungen gem. § 398 BGB erloschen. Dies gilt zunächst für die die Monate Februar bis Mai 1992 betreffenden Pachtzinsforderungen. Diese sind nicht mehr entstanden, weil das Pachtverhältnis der Parteien durch die vom Klä- ger zum 31. Januar 1992 ausgesprochenen fristloste Kündigung, die wegen des der Pachtsache anhaf- tenden Mangels rechtswirksam war, beendet worden (§§ 581 Abs. 2, 542 BGB). Auch die Aufrechnung des Klägers mit ihm im in der vor dem Amtsgericht Köln - 219 C 124/92 - geführten Sache nach seiner Darstellung entstehenden Verfahrenskosten in Höhe von 519,36 DM greift nicht durch. Zwar entsteht ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch schon im Zeitpunkt der Begründung des Prozeßrechtsver- hältnisses. Der Anspruch ist jedoch zunächst auf- schiebend bedingt und wird erst mit dem Erlaß des Kostenfestsetzungsbeschlusses fällig (OLG Düssel- dorf NJW 1962, 1400). Ein dahingehender Kostener- stattungsanspruch ist aber in jenem Verfahren noch nicht erlassen worden. Dieses ist vielmehr bis zum Abschluß des vorliegenden Berufungsverfahrens aus- gesetzt worden. Mangels Fälligkeit stellt ein dem Beklagten danach etwa zustehender Betrag derzeit zur Aufrechnung nicht zur Verfügung.
9Der Beklagte kann auch nicht mit den zu seinen Gunsten in diesem Verfahren in erster Instanz mit Beschluß vom 17. Juni 1993 festgesetzten Kosten aufrechnen. Die Aufrechnung gegenüber dem Klagean- spruch mit einem sich aus demselben Verfahren er- gebenden Kostenerstattungsanspruch ist grundsätz- lich ausgeschlossen (OLG Frankfurt MDR 84, 148; Münchener Kommentar zur ZPO-Belz, Band 1, 1992, § 104, 42). Zwar ist dieser Kostenerstattungs- anspruch mit dem Erlaß des Kostenfestsetzungsbe- schlusses fällig und auch vorläufig vollstreckbar. Bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens ist die Entscheidung über die bisdahin angefalle- nen Kosten jedoch nur vorläufiger Natur und jeder- zeit änderbar. Dies steht der mit einer begründe- ten Aufrechnung verbundenen Wirkung des Erlöschens der der aufgerechneten Forderung gegenüberstehen- den Forderung entgegen (§ 389 BGB). Darüber hinaus widerspräche eine derartige Aufrechnung jedenfalls für das vorliegende Verfahren der innerprozessua- len Logik. Nach der hier zu treffenden Berufungs- entscheidung wird der erstinstanzliche Kostener- stattungsanspruch zu Lasten des Klägers abzuändern sein, so daß ein Kostenerstattungsanspruch des Be- klagten nicht besteht.
10Die zuerkannten Zinsen stehen dem Kläger gestützt auf §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
11Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten gibt keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung wie- derzueröffnen.
12Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Voll- streckbarkeit folgt den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
13Berufungsstreitwert: 6.274,05 DM. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.
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