Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 U 68/94
Tenor
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 10.08.1987 die Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung zur Nut- zungsänderung für den Betrieb einer Spielhalle auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück H.straße 28 in F., für dessen Erdgeschoß der Betrieb einer Gaststätte genehmigt war. Mit Schreiben ihres Bauordnungsamtes vom 30.09.1987 antwortete die Beklagte, die Stadtvertretung habe in ihrer Sitzung vom 29.10.1985 beschlossen, den derzeit noch geltenden Bebauungsplan zu ändern und dar- in für das fragliche Gebiet Spielhallen für unzulässig zu erklären. Angesichts dessen seien die Voraussetzun- gen für eine Veränderungssperre im Sinne des § 14 Bau- gesetzbuch gegeben. Es könne daher die Entscheidung über die Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens gemäß § 15 Abs. 1 Baugesetzbuch ausgesetzt werden, da sonst die Durchführung der neuen Planung der Stadt wesentlich erschwert werde. Die Kläger wurden abschlie- ßend um Mitteilung gebeten, ob sie angesichts dieser Sach- und Rechtslage ihren Antrag zurückziehen oder ei- nen förmlichen Zurückstellungsbescheid wünschen würden. Mit Anwaltsschreiben vom 22.10.1987 wiesen die Kläger auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen einer Ableh- nung des Bauvorhabens hin und machten deutlich, daß sie ihren Antrag gegebenenfalls gerichtlich weiterver- folgen würden. Sie reichten am 30.11.1987 Untätigkeits- klage beim VG Köln (13 K 4904/87) ein. Am 08.03.1988 beschloß der Rat der beklagten Stadt, den Bebauungsplan Nr. 18.1 F - der unter anderem das Grundstück der Klä- ger erfaßte - neu aufzustellen. Am 05.07.1988 beschloß die Stadtvertretung die Satzung über eine Veränderungs- sperre im Bereich des Bauleitplanentwurfes Nr. 18.1 F. Die Satzung wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 16.08.1988 bekannt gemacht. Daraufhin lehnte die Be- klagte mit Bescheid vom 26.08.1988 den Antrag der Klä- ger vom 10.08.1987 auf Änderung der Nutzungsgenehmigung für den Betrieb einer Spielhalle ab. Die auf Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in zwei Instanzen erfolglos; während des Berufungs- verfahrens hatte die Stadtvertretung der Beklagten am 12.06.1990 einen Bebauungsplan beschlossen, der die Unzulässigkeit von Spielhallen in dem hier in Rede stehenden Bereich festsetzte. Auf den Hilfsantrag der Kläger stellte das OVG Münster mit - rechtskräftigem - Urteil vom 26.02.1992 fest, daß die Beklagte verpflich- tet war, bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 18.1 F die mit Antrag vom 10.08.1987 beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger, die das Grundstück H.straße 28 in F. 1992 veräußert haben, den Ersatz des durch die unterbliebene Genehmigung entstandenen Schadens. Zwischen Januar 1990 und Novem- ber 1992 seien ihnen insgesamt 76.000,-- DM an höheren Mieteinnahmen entgangen. Bei der Veräußerung des Grundstücks wäre, sofern die Nutzungsänderung recht- zeitig genehmigt worden wäre, ein Mehrverkaufspreis von 546.390,-- DM erzielt worden. Mit ihrer Teilklage erstreben sie vorerst eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 100.000,-- DM, der sich aus den entgangenen Mieteinnahmen und in Höhe von 24.000,-- DM aus dem geminderten Verkaufspreis zusam- mensetzt.
3Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und ausge- führt, ihre Bediensteten hätten nicht schuldhaft gehan- delt, da auch das Verwaltungsgericht Köln in erster In- stanz das Vorhaben für nicht genehmigungsfähig gehalten habe. Die Grundlagen der Schadensberechnung hat sie be- stritten.
4Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Den Klägern stehe sowohl nach § 39 Abs. 1 b OBGNW als auch nach § 839 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. Zur Höhe bedürfe der Rechts- streit weiterer Aufklärung.
5Gegen das ihr am 24.01.1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.02.1994 Berufung eingelegt, die sie nach Fristverlängerung bis 09.05.1994 mit einem am bis 06.05.1994 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz be- gründet hat. Sie vertritt die Auffassung, ein Anspruch aus § 39 OBGNW scheide schon deshalb aus, weil in der Untätigkeit der Ordnungsbehörde bis zur Ablehnung des von den Klägern gestellten Antrages keine "Maßnahme" im Sinne der genannten Vorschrift gesehen werden könne. Zudem machten die Kläger als Schaden einen entgan- genen Gewinn geltend, der nach den §§ 39, 40 OBWNW nicht ausgleichsfähig sei. Mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens scheide auch eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung aus. Wenn sie - die Beklagte - zu einem früheren Zeitpunkt über den Antrag auf Nutzungsänderungsgenehmigung entschieden hätte, so wäre er ebenfalls abgelehnt worden; es fehle daher der Rechtswidrigkeitszusammenhang für die Gel- tendmachung des vermeintlichen Schadens.
6Die Beklagte beantragt,
7unter Abänderung des landgerichtlichen Grund- urteils die Klage insgesamt abzuweisen; im Rahmen des Vollstreckungsschutzes als Si- cherheitsleistung auch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkas- se zuzulassen.
8Die Kläger beantragen,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie treten den Rechtsansichten der Beklagten entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Ur- teils und die von den Parteien in beiden Instanzen ge- wechselten und vorgetragenen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Die Akte 13 K 4904/87 VG Köln war Ge- genstand der mündlichen Verhandlung.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der von den Klägern geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist dem Grunde nach je- denfalls nach § 839 BGB gerechtfertigt; ob er sich auch auf § 39 OBGNW stützen läßt, läßt der Senat offen.
141. Die Beamten der Beklagten haben ihre Amtspflichten verletzt, als sie den Antrag der Kläger auf Genehmigung der Nutzungsänderung für den Betrieb einer Spielhalle nicht vor dem 16.08.1988 - dem Tag der Veröffentlichung der Veränderungssperre - genehmigt haben. Das steht aufgrund des Feststellungsausspruches des OVG Münster in seinem Urteil vom 26.02.1992 mit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte fest (vgl. BGHZ 119, 365, 368 und (wohl zuletzt) Urteil vom 09.06.1994 - III ZR 37/93 - Seite 6 f.). Auch wenn die Beklagte, wie sie meint, das von den Klägern gestellte Gesuch ge- mäß § 15 Baugesetzbuch hätte zurückstellen können, wür- de nicht das Tatbestandsmerkmal der Amtspflichtwidrig- keit, sondern allenfalls der ursächliche Zusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem behaupteten Schaden fraglich sein können (vgl. BGHZ 119, 368).
152. Die Kläger waren als Eigentümer des Grundstücks und Antragsteller im Baugenehmigungsverfahren "Dritte" im Sinne des § 839 BGB.
163. Die Amtspflichtverletzung ist für den eingetretenen Schaden kausal geworden. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, sie habe - wenn sie denn nicht bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre untätig ge- blieben wäre - den Erfolg des Genehmigungsantrages über § 15 Bundesbaugesetz auf rechtmäßige Weise verhindern können: a) Der Beschluß ihrer Stadtvertretung vom 29.10.1985 berechtigte die Beklagte Ende 1987 nicht mehr zu Maßnahmen nach den §§ 14, 15 Bundesbaugesetz. Es ist nämlich nicht erkennbar, daß außer der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt für den Erftkreis vom 22.04.1986 etwas geschehen ist, um die grundsätzlich beschlossene Änderung der Bebauungspläne Nr. 17.2 F, 18.1 F, 18.2 F, 19.1 F, 19.2 F Wirklichkeit werden zu lassen. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat da- zu auf Befragen des Senates in der mündlichen Verhand- lung erklärt, er könne im Hinblick auf die Verwirkli- chung der Konzeption nicht mehr vortragen als das, was sich aus den Akten ergebe. Nach Lage der Akten hat es weitere Initiativen zur tatsächlichen Änderung der Be- bauungspläne nach dem Beschluß vom 29.10.1985 und sei- ner Veröffentlichung im Amtsblatt jedoch nicht gegeben. Der Beschluß der Stadtvertretung vom 08.03.1988 knüpfte denn auch nicht an den Änderungsbeschluß vom 29.10.1985 an, sondern befaßte sich mit der Neuaufstellung aus- schließlich des Bebauungsplanes Nr. 18.1 F. Ist daher der Änderungsbeschluß vom 29.10.1985 nicht weiter aus- geführt worden, so konnte er im Herbst 1987 Maßnahmen nach §§ 14, 15 Bundesbaugesetz nicht mehr rechtferti- gen. Beschlüsse zur Änderung von Bebauungsplänen, hin- ter denen keine Realisierungsabsicht (mehr) steht, kön- nen Veränderungssperren und Zurückstellungsentscheidun- gen nicht (mehr) tragen.
17b) Selbst dann, wenn die Beklagte die Entscheidung über den Antrag der Kläger durch eine Entscheidung nach § 15 Bundesbaugesetz hätte zurückstellen können, würde der Ursachenzusammenhang zwischen der amtspflichtwidri- gen Untätigkeit und dem den Klägern entstandenen Scha- den nicht entfallen. Fehlt einer Amtshandlung die mate- riell-rechtliche Grundlage, hätte sich die Behörde aber diese Rechtsgrundlage für ihr Handeln selbst schaffen können und würde sie das - wenn ihr die Rechtswidrig- keit ihres tatsächlichen Handelns bewußt gewesen wäre - auch getan haben, so hindert das die Kausalität zwi- schen Amtspflichtverletzung und Schaden nur dann, wenn die Behörde die materielle Rechtsgrundlage sich auch hätte schaffen müssen (BGH VersR 1963, 1175 f.; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 839 Rdnr. 305). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn eine Behörde - wie im Streit- fall - nicht fehlerhaft gehandelt, sondern fehlerhaft untätig geblieben ist und es unterlassen hat, sich die verfahrensrechtliche Grundlage für die rechtmäßige Verfolgung des von ihr erstrebten Zieles zu schaffen. Der von der Beklagten erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens scheitert infolgedessen daran, daß sie nicht verpflichtet war, das Baugesuch der Kläger zurückzustellen. Eine derartige Verpflichtung trifft nach § 15 Abs. 1 Bundesbaugesetz allein die Baugenehmi- gungsbehörde, sofern die Gemeinde, welche die Planungs- hoheit hat, einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Die Gemeinde ist ihrerseits aber nicht gehalten, einen solchen Antrag zu stellen. Bei der beklagten Stadt fie- len Planungshoheit und Genehmigungszuständigkeit (§§ 57 Abs. 1 Nr. 3 a, 59, 60 Abs. 1 BauordnungNW) zusammen. Das hatte zur Folge, daß für den in § 15 Abs. 1 Bauge- setzbuch vorgesehenen förmlichen Antrag der Gemeinde an eine andere Behörde kein Raum war. Es besagte aber nicht, daß das für Baugenehmigungen innerhalb der Stadtverwaltung zuständige Dezernat nun in jedem Fall ohne derartigen "Antrag" eine Zurückstellung von Bauge- suchen vorzunehmen hatte. Dem hätte vielmehr eine den "Antrag" ersetzende Beschlußfassung der Stadtvertretung oder eine Weisung der Verwaltungsspitze an das Bauord- nungsamt vorausgehen müssen. Das ist augenscheinlich unterblieben: Die Beklagte hat im Berufungsverfahren dazu trotz der Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 7) nichts weiter vorgetragen. Angesichts dessen steht dem Einwand der Beklagten entgegen, daß eine Verpflichtung ihrer maßgeblichen Entscheidungsträ- ger zu einer entsprechenden Weisung an das Bauordnungs- amt nicht bestand.
18c) Schließlich dürfte dem Einwand der Beklagten, sie hätte den Antrag der Kläger gemäß § 15 Bundesbaugesetz zurückstellen können, auch die Bindungswirkung des Urteils des OVG Münster vom 26.02.1992 entgegenstehen. Dort ist festgestellt, daß die Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 18.1 F verpflichtet war, die bean- tragte Baugenehmigung zu erteilen. Der von der Beklag- ten erhobene Einwand, ihr habe theoretisch das Instru- mentarium der §§ 14, 15 Bundesbaugesetz zur Verfügung gestanden, wonach sie dem Antrag doch nicht hätte entsprechen müssen, läuft im Ergebnis darauf hinaus, eine Verpflichtung zur Erteilung der Baugenehmigung habe eigentlich nicht bestanden. Das widerspräche dem, was das OVG Münster bindend festgestellt hat. Die Dinge liegen im Streitfall insoweit anders als dann, wenn durch verwaltungsgerichtliches Urteil die bloße Rechts- widrigkeit eines konkret erlassenen Verwaltungsaktes festgestellt worden ist. Dann hindert die Bindungswir- kung dieser Entscheidung nicht die Prüfung der weiteren Frage, ob die Behörde nicht über andere - rechtmäßige - Maßnahmen dasselbe Ergebnis hätte herbeiführen können, wie es über den erlassenen rechtswidrigen Verwaltungs- akt hatte herbeigeführt werden sollen. Deshalb kann die Kausalität zu verneinen sein, wenn etwa eine beantragte Baugenehmigung mit rechtsfehlerhafter Begründung abge- lehnt worden ist, bei rechtlich einwandfreiem Verfahren aber auch nicht hätte erteilt werden dürfen (BGHZ 119, 369). Im vorliegenden Fall steht indessen mit Bindungs- wirkung fest, daß die beantragte Genehmigung erteilt werden mußte. Damit vertragen sich auch bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs schwerlich Überlegungen, ob der Beklagten nicht doch rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, die beantragte Genehmigung nicht zu erteilen.
194. Die verantwortlichen Beamten der Beklagten trifft ein Verschulden daran, daß sie über den Antrag der Kläger nicht in angemessener Frist entschieden haben. a) Die für die Prüfung des Antrags zuständigen Beamten hätten dem bei ihnen am 17.08.1987 eingegangenen Antrag schon lange vor dem 08.03.1988, als die Stadtvertretung die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes beschloß, entsprechen müssen. Die in § 75 VwGO als regelmäßige Dauer einer Bearbeitung höchstens akzeptierte Frist von 3 Monaten war schon abgelaufen, als die Kläger am 30.11.1987 ihre Untätigkeitsklage beim VG Köln einreichten. Unabhängig davon geht auch der Einwand der Beklagten fehl, sie habe anschließend den Antrag nicht mehr bearbeiten können, weil sie die Verwaltungsvorgän- ge an das Verwaltungsgericht abgegeben habe. Durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren war sie nicht einer weiteren eigenen Prüfung und Bearbeitung, notfalls aus einem Retent heraus, entbunden (vgl. BGHZ 30, 19, 26). Daß sie nach dem geltenden Bauplanungsrecht gegen die Genehmigung des Vorhabens keine Einwände erheben konn- ten, war den mit der Frage befaßten Beamten der Stadt selbst bewußt, wie ihr Schreiben vom 30.09.1987 mit dem ausdrücklichen Hinweis auf § 15 Abs. 1 Bundesbau- gesetz ausweist. Sie mußten auch wissen, daß sie ihre Entschließung nicht beliebig hinauszögern und abwarten konnten, bis die Absicht der Beklagten, für das betref- fende Gebiet ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten mit dem Ziel, Spielhallen ausdrücklich auszuschließen, in die Tat umgesetzt war (vgl. BGH NVwZ 1994, 405 f.).
20b) Das Verschulden der Bediensteten der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil das VG Köln mit Urteil vom 11.08.1989 aus bauordnungsrechtlichen Gründen einen Anspruch der Kläger auf Erteilung der beantragten Genehmigung verneint hat. Zwar entfällt das Verschulden des Amtsträgers grundsätzlich dann, wenn ein Kollegi- algericht sein Verhalten als rechtmäßig beurteilt hat. Bei dieser Regel handelt es sich aber lediglich um eine allgemeine Richtlinie. Sie greift unter anderem dann nicht ein, wenn das Kollegialgericht das Verhalten des Amtsträgers aus Gründen billigt, die dieser selbst nicht erwogen hat (BGH NJW 1982, 36; BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 6 und 7; BGH NVwZ 1994, 405 f.). So aber liegt der Fall hier. Das Verwaltungs- gericht Köln hat seine Entscheidung auf die unzurei- chende Zahl vorhandener Stellplätze gestützt: ein Gesichtspunkt, der für die Beklagte seinerzeit erwiese- nermaßen keine Rolle gespielt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (dort Seite 8 und 9) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholun- gen Bezug.
21c) Die Beklagte hat im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, ihre mit der Behandlung des Antrags befaßten Beamten hätten - wenn sie sich auch tatsächlich mit der Frage der Stellplätze nicht befaßt hätten - jedenfalls aus den in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln genannten Gründen den Genehmigungsantrag der Kläger ab- gelehnt, wenn ihnen seinerzeit nur bewußt gewesen wäre, daß sie den Antrag nicht einfach unbearbeitet hätten liegenlassen dürfen. In diesem Falle hätte ihnen aus der Ablehnung des Antrags kein Schuldvorwurf gemacht werden können, weil sie exakt einen von einem Kollegi- algericht für richtig befundenen Standpunkt eingenommen hätten. Dieser hypothetische Verlauf müsse auch bei der Entscheidung über den Amtshaftungsanspruch Beachtung finden.
22Der Senat teilt diese Auffassung der Beklagten nicht. Schon der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist, wie oben ausgeführt, nur unter sehr begrenzten Voraussetzungen erheblich. Die Beklagte will sich demgegenüber hier auf die Möglichkeit eines rechtswid- rig-schuldlosen Alternativverhaltens berufen. Für einen derartigen Einwand ist kein Raum. Es geht nicht an, eine Haftung für schuldhaft begangene Amtspflichtver- letzungen entfallen zu lassen, weil hypothetisch eine andere rechtswidrige Maßnahme denkbar gewesen ist, bei der den Beamten kein Schuldvorwurf hätte gemacht werden können. Daß auch die Frage der Stellplätze eine Ableh- nung des von den Klägern gestellten Antrags objektiv nicht rechtfertigte, hat das OVG Münster in seinem Ur- teil vom 26.02.1992 bindend entschieden.
235. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB hat, da die Klage vor dem Verwaltungsgericht unmittelbar nach Ablauf der 3-Monats-Frist des § 75 VWGO erhoben wurde, nicht vor Einreichung dieser Klage zu laufen begonnen. Sie ist auch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht angelaufen. Die Verjährung von Amtshaftungsan- sprüchen wird unterbrochen, wenn der Geschädigte vor den Fachgerichten primären Rechtsschutz in Anspruch nimmt (BGHZ 95, 238 ff). Folgerichtig kann eine noch nicht angelaufene Verjährungsfrist während der Dauer des Primärrechtsschutzverfahrens noch nicht zu laufen beginnen. Nach dem Urteil des OVG Münster vom 26.02.1992 ist die 3-Jahres-Frist bis zur Einreichung der Amtshaftungsklage am 22.06.1993 nicht mehr zum Ab- lauf gekommen.
246. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
25Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
26Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Be- schwer der Beklagten durch dieses Urteil betragen 100.000,-- DM.
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